Allein in der Wand - Free Solo - eBook-Ausgabe
„Ein bemerkenswerter Lebensweg, ein interessantes Buch.“ - Sächsische Zeitung
Allein in der Wand - Free Solo — Inhalt
„Einer der derzeit besten Free-Solo-Kletterer weltweit.“ ALPIN
Die Autobiografie vom Star des Oscar-prämierten Films „Free Solo“
Alex Honnold hat die puristischste Form des Kletterns, ohne Seil und Sicherung, in neue Dimensionen geführt. Nun blickt der Kletterstar auf die Highlights seiner bisherigen Karriere zurück, wie die spektakuläre Free-Solo-Begehung von „Moonlight Buttress“ in Utah oder die „Fitz Traverse“ mit Tommy Caldwell in Patagonien. Er beschreibt, wie er sich auf die Besteigung des El Capitan vorbereitete, mit der er 2017 Klettergeschichte schrieb. „Free Solo“, der Film, der dieser spektakulären Leistung ein Denkmal setzte, wurde 2019 mit einem Oscar prämiert. In diesem Buch verrät Alex Honnold, wie er den Spagat zwischen Abgrund und Privatleben schafft, warum Risiko oftmals auch Gewinn bedeuten kann und wie man in Extremsituationen fokussiert bleibt.
Leseprobe zu „Allein in der Wand - Free Solo“
1 Moonlight
Kurz nach der Morgendämmerung stieg ich ein. Ich war mir nicht einmal sicher, ob ich den richtigen Anfang erwischt hatte, denn in diesen unteren Seillängen war ich schon seit zwei oder drei Jahren nicht mehr gewesen. Der Beginn der Route ist irgendwie unschön und unklar – Rampen, Quergänge und Handrisse, die nach rechts hinaufführen –, aber nicht so schwierig wie die oberen zwei Wanddrittel.
Trotzdem war ich aufgeregt, sogar etwas euphorisch. Am Vortag hatte es mehr oder weniger ununterbrochen geregnet, und nun war der Fels sandig, rutschig [...]
1 Moonlight
Kurz nach der Morgendämmerung stieg ich ein. Ich war mir nicht einmal sicher, ob ich den richtigen Anfang erwischt hatte, denn in diesen unteren Seillängen war ich schon seit zwei oder drei Jahren nicht mehr gewesen. Der Beginn der Route ist irgendwie unschön und unklar – Rampen, Quergänge und Handrisse, die nach rechts hinaufführen –, aber nicht so schwierig wie die oberen zwei Wanddrittel.
Trotzdem war ich aufgeregt, sogar etwas euphorisch. Am Vortag hatte es mehr oder weniger ununterbrochen geregnet, und nun war der Fels sandig, rutschig und viel feuchter, als ich gehofft hatte. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, wenn ich noch einen Tag gewartet hätte. Aber ich war unglaublich motiviert. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, noch einen weiteren Tag in meinem Bus zu sitzen und immer wieder dieselben Gedanken durchzukauen, die mir in den letzten 48 Stunden durch den Kopf gegangen waren. Ich musste das Eisen schmieden, solange es heiß war.
Der „Moonlight Buttress“ befindet sich an einem 370 Meter hohen, fast senkrechten Sandsteinfelsen im Zion-Nationalpark in Utah. Unter den Tausenden von Routen in Zion ist sie vielleicht die schönste – die reinste und klassischste. Weil sie durchgehend einen hohen Schwierigkeitsgrad aufweist, gehört sie auch zu den extremsten anhaltend schweren Rissklettereien der Welt.
Die erste Durchsteigung des „Moonlight Buttress“ erfolgte im Oktober 1971 durch Jeff Lowe und Mike Weis, zwei Legenden der amerikanischen Kletterszene. Sie benötigten anderthalb Tage und biwakierten auf einem Band in der Wandmitte. Sowohl zur Fortbewegung als auch zum Ausruhen verwendeten sie eine Menge Schlaghaken und Bohrhaken, kletterten also technisch.
Fast 21 Jahre später, im April 1992, gelang Peter Croft und Johnny Woodward die erste freie Begehung. Sie verzichteten auf technische Hilfsmittel und fanden Bewegungssequenzen, die es ihnen ermöglichten zu klettern, ohne an Steighilfen zu hängen. Nachdem sie die Route in neun Seillängen durchklettert hatten, bewerteten sie die Schwierigkeit mit hart 5.13a (sie wurde später auf 5.12d herabgestuft). Das war 1992 nahe am oberen Limit des Freikletterns, weltweit – eine brillante Leistung von Croft und Woodward.
Peter Croft war schon damals einer meiner Helden, denn in den 1980er- und 1990er-Jahren hatte er die Grenzen des Free-Solo-Kletterns – des Kletterns ohne Seil und ganz ohne Hilfsmittel – ins nie Dagewesene verschoben. Viele der Routen, die er damals free solo begangen hatte, waren in den Jahrzehnten danach in diesem Stil nicht mehr wiederholt worden.
Aber meines Wissens hatte bisher niemand auch nur daran gedacht, den „Moonlight Buttress“ free solo zu klettern. Und ebendas hoffte ich am 1. April 2008 zu schaffen.
In meinem Hinterkopf kreiste ein nagender Gedanke an die Felsstruktur mit dem Namen „ Rocker Blocker “. Das ist ein relativ breites Band, etwa halb so breit wie ein französisches Bett, am Ende der dritten Seillänge. Da es nur lose am Fels anliegt, hat jemand es mit zwei Bohrhaken verankert, und so ist es zu einem guten Standplatz etwa 120 Meter über dem Boden geworden.
Was mir Angst machte, war nicht das Band selbst. Vom Rocker Blocker aus konnte man, auf den Zehenspitzen stehend, gerade noch einen Schlüsselgriff hoch oben erreichen, von dem aus ein Boulderproblem im Grad 5.12c zu lösen ist, genau über jenem Band. Man muss zwar nicht direkt springen, um den Zug zu machen, aber man muss doch ziemlich pressen, bis man eine schmale Leiste greifen kann. Als ich unten die leichten Seillängen kletterte, hatte ich Bammel wegen dieses Problems, das dort oben drohend auf mich wartete. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich mich auf dem Band würde halten können, falls ich herunterfiel, aber es würde mir sicher keinen Spaß machen, dies nachzuprüfen.
Am Vortag, als ich bei Regen in meinem Bus saß, hatte ich mir ganz bewusst alles vorgestellt, was mir beim Klettern passieren könnte. Auch dass ein Griff ausbrechen oder ich mich einfach nicht daran halten könnte und abstürzen würde. Ich sah vor mir, wie ich vom Band abprallte, hinunterflog bis ganz zum Boden, wie eine purzelnde Stoffpuppe, und mir dabei praktisch alle Knochen brach. Am Wandfuß würde ich wahrscheinlich verbluten.
Die Nacht zuvor hatte ich nicht sehr gut geschlafen. Daher war ich am Morgen früh dran, so wie ich es geplant hatte, in der Hoffnung, der Sonneneinstrahlung in der Wand zuvorzukommen und in der Route kühle Bedingungen vorzufinden. Um zum Fuß des Moonlight Buttress zu gelangen, muss man den Virgin River durchwaten. Anfang April ist der Fluss saukalt. Ich durchwatete ihn barfuß. Das reißende Wasser ging mir bis über die Knie. Meine Füße wurden rasch taub, und mein ganzer Körper geriet in einen leichten Schockzustand. Zudem musste ich auf mein Gleichgewicht achten, während ich die Füße vorsichtig in die Lücken zwischen den glatt geschliffenen Flusssteinen setzte.
Als ich zu der Stelle kam, wo ich den Einstieg der Route vermutete, versteckte ich meine Zustiegsschuhe und meinen Rucksack. Ich hatte beschlossen, zum Klettern nichts mitzunehmen, weder etwas zu essen noch Wasser, noch Reservekleidung. Ich hängte mir den Magnesiabeutel um und schnürte meine Kletterschuhe zu. Meine Füße waren immer noch kalt, aber nicht wirklich taub, ich konnte meine Zehen durchaus spüren. Ich trug nur Shorts und ein T-Shirt. Im letzten Moment steckte ich mir die Kopfhörer in die Ohren und schaltete meinen iPod an. Ich klapperte meine persönliche Top-25-Liste ab – vorwiegend Punk und modernen Rock.
Es mag lächerlich klingen, aber ich hatte keine Uhr, obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass ich einen Speed-Rekord für den „Moonlight Buttress“ aufstellen würde. Ich verwendete meinen iPod, um die genaue Anzahl Minuten zu messen, die ich brauchen würde. Musik trägt außerdem dazu bei, fokussiert zu bleiben – obwohl ich es inzwischen vorziehe, ohne iPod zu klettern, weil ich ihn als eine Art Krücke empfinde.
In meinen Augen hängt bei einer Free-Solo-Begehung eines Bigwalls alles von der Vorbereitung ab. Tatsächlich hatte ich die harte Arbeit im „Moonlight Buttress“ an den Tagen vor der Durchsteigung geleistet. Als ich dann unterwegs war, kam es nur noch auf das Ausführen an.
Ich war die gesamte Route vorher nur einmal geklettert, mit Bill Ramsey. Er war Mitte vierzig, kletterte aber noch richtig gut und war bereits im „Moonlight Buttress“ gewesen, um für eine freie Begehung zu trainieren. Er hatte mich als Partner für seine freie Durchsteigung angefragt, und wir wechselten uns im Vorstieg ab. Es war ein großer Tag für uns, als wir beide die Route frei und ohne Sturz ins Seil kletterten.
Aber das war zwei oder drei Jahre zuvor gewesen. An den Tagen vor meinem Free-Solo-Versuch hatte ich mich auf die oberen 250 Meter der Route konzentriert. Der Normalweg zum Gipfel des Pfeilers ist eine gemütliche Wanderung auf einem Trampelpfad, und so schleppte ich 200 Meter Seil hinauf, seilte mich ab und übte die Bewegungen toprope – von oben gesichert – ein. Zur Selbstsicherung verwendete ich ein Sicherungsgerät, das man „ Mini Traxion “ nennt. Bei Zugbelastung nach unten verklemmt es sich am Seil, während es mühelos nach oben gleitet, solange man klettert. Wäre ich gestürzt oder hätte ich auch nur gerastet, hätte das Mini Traxion mich gehalten.
Ich kletterte die oberen 200 Meter des „Moonlight Buttress“ zweimal im Toprope. Die Schlüsselstelle der ganzen Route – die schwierigste Einzelstelle, die entscheidende Passage der Begehung – besteht aus einer verblüffend sauber geschnittenen, sechzig Meter langen Verschneidung. Sie ist die vierte der neun Seillängen und der Grund für die Bewertung mit 5.12d: anhaltend und wirklich anstrengend, sodass die Arme ziemlich gepumpt sind, wenn man oben ankommt.
Für beide Toprope-Generalproben dieser oberen 200 Meter hatte ich jeweils nur etwa eine Stunde gebraucht. Ich fühlte mich absolut sicher, hatte die Route im Griff. An keiner einzigen Stelle war ich gestürzt oder hatte auch nur ein ungutes Gefühl gehabt.
Aber dann fiel mir auf, dass das 200 Meter lange Seil nicht bis zu einer entscheidenden Rechtsquerung in der dritten Seillänge reichte, die mit 5.11c bewertet ist. Also kam ich am folgenden Tag mit 250 Meter Seil wieder zum Gipfel, seilte mich nochmals ab und übte die Kletterzüge des Quergangs so lange ein, bis ich auch sie im Repertoire hatte.
Bei meinen Probeläufen begegnete ich ein paar Kletterern. Ich rettete sogar eine Techno-Kletterin, die nicht recht wusste, was sie tat, und im Vorstieg nicht mehr weiterkam. Ich schrie: „Hey, schnapp dieses Seil!“ und warf ihr das Ende meines Fixseils zu, damit sie sich aus ihrer Falle befreien konnte. Sie war mir ganz schön dankbar. In einer Route wie dieser kommt nicht jeden Tag jemand aus heiterem Himmel heruntergeseilt.
Dann folgten zwei Regentage. Ich saß auf einem Autokino-parkplatz in Springdale in meinem Bus, starrte zur Windschutzscheibe hinaus und dachte nach. Ich war ins Kino gefahren, um mir die Zeit zu vertreiben, aber den Rest des Tages bis in den Abend hinein und fast den ganzen nächsten Tag saß ich im Bus und machte nichts anderes als grübeln. Nicht dass ich etwas zu erledigen gehabt hätte – ich hatte nichts anderes zu tun, als eben nachzudenken. Über die Route.
Ich saß da und malte mir alles aus, Stunde um Stunde. Stellte mir jede Bewegung vor, alles, was mir passieren könnte. Das ganze Denken spinnt sich um eine solche Herausforderung, wie ich sie mir vorgenommen hatte.
Das meine ich mit Vorbereitung. Nun würde ich herausfinden, ob ich mich gut genug vorbereitet hatte – ob ich all das einfach ausführen konnte, was ich mir vorgestellt hatte, jeden Griff und Tritt auf dem langen Weg bis zum Ausstieg aus der Wand.
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Ende März 2008 kannte Alex Honnold über den kleinen Kreis seiner Freunde hinaus kaum jemand. Sieben Jahre später, mit dreißig Jahren, war er wahrscheinlich der weltweit berühmteste Kletterer. Das soll nicht heißen, dass er der beste Kletterer der Welt ist – eigentlich gibt es so etwas wie den besten Kletterer gar nicht, denn der Sport besteht aus vielen Spielarten, vom Himalajabergsteigen über das Bouldern bis hin zum Hallenklettern.
Der Grund für Honnolds kometenhaften Aufstieg ist, dass er die extremste und gefährlichste Form des Kletterns weit über die Grenzen dessen vorangetrieben hat, was zuvor vorstellbar war. Free solo klettern heißt ohne Seil klettern, ohne Partner und ohne „Hardware“ wie Haken, Keile oder Klemmgeräte, mit denen man sich an der Wand sichert. In ihrer extremen Einfachheit kann diese Einstellung zum Sport von jedem zufälligen Beobachter verstanden werden. Die Risiken sind absolut: Wenn du fällst, stirbst du.
Was Alex fertigbrachte, war, weit schwierigere und auch längere Routen free solo zu klettern, als irgendjemand vor ihm je für möglich gehalten hatte. Bis jetzt ist er heil davongekommen, auch wenn einige seiner besten Freunde befürchten, dass er dabei umkommen wird.
Free solo ist weit mehr als ein akrobatisches Kunststück. Es bedeutet, Klettern auf seine elementarste Herausforderung zu reduzieren: ein Mann (oder eine Frau) gegen den Fels, nur mit Kletterschuhen an den Füßen und – für den besseren Halt – Magnesia an den Fingerspitzen. Es ist Klettern in seiner ursprünglichsten, reinsten Form.
Es ist aber nicht die einzige Spielart des Kletterns, die Alex betreibt. Seine „Speed Link-ups“ – das direkte Aneinanderreihen von zwei oder drei Bigwall-Routen gegen die Stoppuhr, unter sparsamster Verwendung von Seilen und Sicherungen – haben die Geschichte des Yosemite Valley neu geschrieben. Und seit 2013 hat Alex seinen Horizont noch durch den Alpinismus erweitert und vollbringt auch auf diesem Feld Dinge, die bisher noch niemandem gelungen sind.
Kurz gesagt, Alex Honnold ist ein Visionär des Kletterns, wie er vielleicht einmal in einer Generation vorkommt. Er ist aber auch intelligent, witzig, ein Mann mit erstaunlich wenig Ego und außerdem ein Mensch, der versucht, die Welt für jene besser zu machen, die weniger privilegiert oder talentiert sind als er. Fast jeder, der ihn kennt oder auch nur beobachtet, mag ihn, denn wie Jon Krakauer sagt: „Er ist absolut echt. An ihm ist nichts Aufgesetztes.“
Immer und immer wieder werden ihm bei seinen öffentlichen Auftritten dieselben Fragen gestellt, von kleinen Kindern bis zu Männern mit grauen Bärten. Es sind diese grundlegenden Fragen zu dem, was er am Fels treibt: Haben Sie keine Angst, dabei umzukommen? Warum machen Sie das?
In gewissem Sinn sind solche Fragen nicht zu beantworten. Höchstens auf jene Art wie George Leigh Mallory, der 1923 einem Journalisten, als er schon zum x-ten Mal gefragt worden war, warum er den Everest besteigen wolle, entgegnete: „Weil es ihn gibt.“ (Eigentlich war das nur die unwillige Antwort von jemandem, der diese Frage satthatte, trotzdem ist dieser Ausspruch wohl das bekannteste Zitat in der Geschichte des Alpinismus.)
Alex hat seine eigenen witzigen Sprüche, um auf solche Fragen zu reagieren. Auf die nach der Angst vor einem Absturz: »Es werden wohl die schlimmsten vier Sekunden meines Lebens sein.« Und: „Ich bin mir sicher, die eine Hälfte der Leute wird sagen: ›Wenigstens starb er bei dem, was er am liebsten tat‹, und die andere Hälfte wird sagen: ›Was für ein Trottel!‹“
Alex ist zweifelsohne ein ehrgeiziger, kompetitiver Bursche. Und doch ist ihm eine Bescheidenheit eigen, die in seiner angeborenen Schüchternheit gründet und die sich in Form einer radikalen Untertreibung seiner Leistungen äußert, die – wie man an den oben zitierten Sprüchen sieht – an Selbstironie grenzt. Sein Spitzname im Kreis seiner engsten Kletterkumpel: Alex „No Big Deal“ Honnold.
In den letzten vierzig Jahren war es nur eine Handvoll Kletterer, die das Risiko des Free-Solo-Kletterns an des Messers Schneide vorangetrieben hat. Die Hälfte von ihnen ist tot. Einige haben ihre Jahrzehnte des Tanzes über dem Abgrund überlebt. Zu ihnen gehört nicht nur Peter Croft, sondern auch Henry Barber, der in den 1970er-Jahren kreuz und quer durch die Welt reiste und die Lokalmatadore in den Klettergebieten von Wales bis Australien verblüffte, indem er ihre schwierigsten Routen auf Anhieb schaffte.
Andere starben, weil ihnen ein einziger Fehler unterlief. Unter ihnen war Derek Hersey, ein in die Vereinigten Staaten verpflanzter Brite, der 1993 in der „Steck/Salathé“ im Yosemite zu Tode stürzte, möglicherweise weil ein heftiger Regenguss die Griffe rutschig gemacht hatte. Auch Dan Osman, Charlie Fowler und Michael Reardon starben bei Unfällen, die im Zusammenhang mit ihren extremen Unternehmungen in Felswänden und auf Bergen standen. Aber am meisten erschütterte die Kletterszene der Tod von John Bachar, mit Peter Croft einer der beiden herausragenden Solo-Kletterer der 1980er- und 1990er-Jahre. 35 Jahre lang hatte er eine Route nach der anderen ohne Seil begangen, dann stürzte er im Juli 2009 bei einer kurzen Kletterei, die er schon oft gemacht hatte, in der Nähe seines Zuhauses in Mammoth Lakes, Kalifornien, tödlich ab.
Alex betont, dass keiner dieser Elitekletterer starb, als er die damaligen Grenzen des Free-Solo-Kletterns überschritt. Hersey und Bachar stürzten in Routen ab, die normalerweise klar im Bereich ihres Könnens lagen. (Es gab Spekulationen, dass eine Rückgratverletzung – Folge eines kurz vorher passierten Autounfalls – Bachars tödlichen Sturz verursacht haben könnte, weil er dadurch im Arm und in der Schulter plötzlich keine Kraft mehr hatte.) Reardon kam durch eine tückische Welle ums Leben, nachdem er an einer Klippe in Irland solo nach unten geklettert war. Fowler erstickte in einer Lawine, als er die Erstbesteigung eines Gipfels im Westen Chinas versuchte. Osman starb, als er die Grenzen eines Sports erweitern wollte, den er selbst erfunden hatte – Rope Jumping, das bewusste Abspringen aus einer Felswand, um den Sturz dann von einem oder mehreren Sicherungsseilen abfangen zu lassen. Bei einem Rekordsprung von 300 Metern am Leaning Tower im Yosemite stürzte Osman in den Tod, als sein Seil riss.
Aber jeder dieser fünf extremen Solo-Kletterer stand immer noch an vorderster Front, als er umkam. Osman war dabei, die Grenzen des Rope Jumping auszuloten, und bezahlte das Experiment mit seinem Leben. Henry Barber ist zwar mit seinen 62 Jahren noch lebendig und munter, kam aber in den frühen Achtzigerjahren einem tödlichen Absturz gefährlich nahe, als er für eine amerikanische Fernsehshow dabei gefilmt wurde, wie er eine Felswand an der britischen Küste solo kletterte. Durch die plötzliche Bewegung eines in der Nähe stehenden Kameramanns abgelenkt, verlor er das Gleichgewicht. Er beschrieb diesen Moment später so: „Es hat mich kalt erwischt … Ich machte einige Stemmbewegungen, drückte mich mit beiden Händen von den Seiten der Rinne ab. Ich drückte ein bisschen zu stark, meine Schulter knallte gegen die Wand, und ich begann zu fallen. Das Adrenalin schoss mir von den Zehen direkt in den Kopf … Ich hatte keinen Halt mehr und stürzte nach unten. Aber das Gleichgewicht und der Bewegungsfluss bis hin zu diesem Punkt retteten mich, ich hielt mich gerade noch am Fels und kletterte weiter.“
So intelligent, wie er ist, neigt Alex zu einer sehr rationalen Sicht auf das Leben. Er beteuert sogar: „Ich mag das Risiko nicht. Ich fahre nicht gern über die gelbe Doppellinie. Ich würfle nicht gern.“ Er unterscheidet zwischen Folgen und Risiko. Die Folgen eines Sturzes beim Free-Solo-Klettern seien offensichtlich fatal. Aber das heiße nicht, so argumentiert er, dass er die äußersten Risiken auch eingehe. Er sagt: »Für mich ist das Risiko die Wahrscheinlichkeit, tatsächlich abzustürzen. Die Folgen sind das, was dann mit mir passiert. Deshalb versuche ich, mein Solo-Klettern möglichst sicher zu machen, sodass es unwahrscheinlich ist, dass ich abstürze, auch wenn es wirklich schlimme Folgen hätte, wenn ich es täte.«
Nicht weniger rational sind auf der anderen Seite die Argumente enger Freunde, die sich wegen der Risiken, die er eingeht, Sorgen machen. Tommy Caldwell, sieben Jahre älter als Alex, war bei Link-ups mehrerer Routen und bei alpinen Expeditionen sein Partner. Er ist einer der weltbesten Felskletterer, und Alex bewundert ihn als eines seiner Vorbilder. 2011 sagte Caldwell: »Ich habe nie versucht, eine wirklich schwierige Route free solo zu klettern. Ich bin schon oft – vielleicht schon ein Dutzend Mal – völlig unerwartet gestürzt, in relativ einfachem Gelände, weil ein Griff ausbrach, sich der Gummi von der Schuhsohle löste, irgend so etwas. Wenn ich free solo geklettert wäre, wäre ich jetzt tot. Ich mag Alex wirklich gern. Ich will nicht, dass er stirbt.«
„Ein unglaublich beeindruckendes Buch. (...) frech und frei und flott geschrieben, gewürzt mir einer ordentlichen Prise Humor und Selbstironie. Absolut lesens- und empfehlenswert, mit dem Hinweis freilich, nicht sofort selbst mit dem free climbing zu beginnen.“
„Der Perspektivenwechsel zwischen Autor David Roberts, der die Leistungen einordnet, und Honnold selbst, der frisch von der Leber weg von seinen Begehungen erzählt, ist aufschlussreich.“
„Zur Sache geht es in den neun Lesekapiteln, eine Art (Zwischen-)Biografie, in der der 30-jährige auf aufregende Jahre zurückblickt. (...) Doch so viele klettertechnische Höhenflüge das Ausnahmetalent auch hat(te): Er bleibt auf dem Boden, fast untertreibend.“
„Ein bemerkenswerter Lebensweg, ein interessantes Buch.“
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