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Angsttreiber Angsttreiber - eBook-Ausgabe

Paul Cleave
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Thriller

— Brutale Serienkiller, blutige Morde und ein grausamer Fall | Der spannendste Psychothriller 2024
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Angsttreiber — Inhalt

Kann man einen Mörder fassen, wenn der einzige Beweis ein Komatraum ist?

Mit 11 Jahren muss James zusehen, wie seine Eltern hingerichtet werden, bevor ihn ein Schuss in den Kopf trifft. Erst 9 Jahre später erwacht er aus dem Koma. Die Killer sind noch auf freiem Fuß und wollen ihn nun wieder zum Schweigen bringen. Rebecca Kent soll den alten Fall aufklären, bevor die Täter James ein weiteres Mal zu fassen bekommen. Doch sie steckt tief in den Ermittlungen um einen brutalen Copycat-Mörder, der Christchurch heimsucht. Als James aber von seinem Traum im Koma erzählt, ändert sich alles für Rebeccas Ermittlungen. Denn was er berichtet, schockiert alle zutiefst …

Der neue clevere und blutige Thriller vom SPIEGEL-Bestsellerautor Paul Cleave, dem Meister der harten Serienkiller-Spannung

Mit düsteren Thrillern begeistert Paul Cleave seine treue Fanschar, die Cleaves böse Helden liebt. Er lebt in Christchurch (Neuseeland), aber hat seine Frisbees schon in mehr als 40 Ländern geworfen, seine Lesetouren gelten als legendär. Zahlreiche Preise und Nominierungen säumen den Weg von Paul Cleave, doch ihm ist vor allem eins wichtig: seine Fantasie von der Leine zu lassen und das nächste Buch zu schreiben.

Für Leser:innen von Ethan Cross und Michael Tsokos

€ 13,00 [D], € 13,40 [A]
Erschienen am 01.08.2024
Übersetzt von: Ulrike Clewing
480 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-32002-3
Download Cover
€ 10,99 [D], € 10,99 [A]
Erschienen am 01.08.2024
Übersetzt von: Ulrike Clewing
480 Seiten
EAN 978-3-492-60728-5
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Leseprobe zu „Angsttreiber“

1

Wenn James im Bett liegt, ist er in Gedanken gern bei dem, was er gerade gesehen oder gelesen hat – nicht gut, wenn es in einer Geschichte um Killerclowns geht, die sich im Schrank verstecken. Seine Eltern wissen, dass nächtliche Geräusche ihn am Einschlafen hindern, und senken deshalb ihre Stimmen auf Flüsterlautstärke, bewegen sich mit leisen Schritten. Was er aber jetzt hört, sind Geräusche in Tageslautstärke: ein Klopfen an der Tür, gefolgt von Stimmen, dann ein Streit, und das alles um – er schaut auf die Uhr auf dem Nachttisch – 23:00 Uhr. Er [...]

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1

Wenn James im Bett liegt, ist er in Gedanken gern bei dem, was er gerade gesehen oder gelesen hat – nicht gut, wenn es in einer Geschichte um Killerclowns geht, die sich im Schrank verstecken. Seine Eltern wissen, dass nächtliche Geräusche ihn am Einschlafen hindern, und senken deshalb ihre Stimmen auf Flüsterlautstärke, bewegen sich mit leisen Schritten. Was er aber jetzt hört, sind Geräusche in Tageslautstärke: ein Klopfen an der Tür, gefolgt von Stimmen, dann ein Streit, und das alles um – er schaut auf die Uhr auf dem Nachttisch – 23:00 Uhr. Er versteht nicht, worum es geht, aber der Klang gefällt ihm nicht, ebenso wenig wie das darauffolgende Poltern und Stoßen.

Was ist da unten los?

Die Neugier treibt ihn aus dem Bett. In seinem Zimmer ist es dunkel. Sein Nachtlicht steht seit zwei Jahren im Kleiderschrank, nachdem Hazel ihn damit aufgezogen hat, dass er es immer noch braucht. Behutsam bahnt er sich den Weg durch das Minenfeld von Spielzeug zur Tür, Spielzeug, das er hätte wegräumen sollen, es aber nicht getan hat. Sehen kann er sie nicht, doch das muss er auch nicht. Er gehört zu den Menschen, die über die besondere Gabe verfügen, einen Raum verlassen zu können und Monate später noch genau zu wissen, wo alles gestanden hat. Sein Gedächtnis ist so gut, dass er fürchtet, sein Gehirn könnte eines Tages von all dem platzen, was er sich merkt. Vorsichtig öffnet er die Tür und tritt in den Flur hinaus, an Hazels Zimmer vorbei, die all den Lärm natürlich verschläft.

Von unten hört er seine Mutter: „Bitte nicht.“

Das Blut stockt ihm in den Adern, doch ein schnalzendes Patsch lässt es zu einem Klumpen Eis gefrieren, sodass die Beine beim nächsten Schritt auf der Treppe nachzugeben drohen und er sich an der Wand abstützen muss, um einen Sturz zu vermeiden.

„Nein, nicht“, hört er seinen Vater, mit der gleichen Angst in der Stimme wie seine Mutter. „Bitte nicht.“

James’ Brustkorb zieht sich um sein rasendes Herz zusammen. Die Welt um ihn herum verschwimmt. Er ringt nach Luft. Aus seinem Blickwinkel sieht er von der Treppe ins Wohnzimmer hinab – das hat er immer gemacht, wenn seine Eltern Horrorfilme angesehen haben. Die Beine bieten ihm keine Standsicherheit, daher legt er sich auf den Bauch und robbt langsam über den Teppich.

Patsch. Das Geräusch lässt ihn zusammenzucken.

„Wo ist es?“

„Ich weiß nicht, wovon Sie reden“, sagt sein Vater. „Bitte, Sie sind im falschen Haus, Sie haben die …“

Ein weiterer Schlag. James hält sich die Hand vor den Mund, um den Schrei zu unterdrücken, der ihm die Kehle hochsteigt. Weitere Schläge und dumpfe Stöße von unten. Er muss die Polizei rufen. Aber das kann er nicht – seine Eltern sagen, er sei zu jung für ein Handy. Dasselbe gilt für Hazel, obwohl all ihre Freunde eins haben. Einen Festnetzanschluss haben seine Eltern zu allem Überfluss schon seit Jahren nicht mehr. Seinen Freunden könnte er von seinem Computer aus eine Nachricht schicken, doch die schlafen alle schon. Kann man eine E-Mail an die Polizei schicken?

Er robbt sich weiter vor. Das Wohnzimmer kommt in Sicht. Es ist beleuchtet. Er sieht die untere Hälfte von jemandem mit schwarzer Hose und schwarzen Schuhen. Ein Fremder. Er zieht sich noch ein Stück vor, sieht noch jemanden. Größe, Statur und auch die Kleidung könnten die seines Vaters sein. Er kniet auf dem Boden und hat einen Kissenbezug über dem Kopf. Auf dem Kissenbezug befindet sich ein Blutfleck. Neben diesem Jemand ist ein anderer Jemand. Auch der kniet, auch mit einem Kissenbezug über dem Kopf, und dieser Jemand trägt die Kleidung seiner Mutter.

Der Fremde sagt: „Sagt uns einfach, wo es ist.“

„Es gibt keinen …“

Ein weiterer Schlag ins Gesicht lässt seinen Vater zurücktaumeln. Doch bevor er fallen kann, packt ihn der Mann, der ihn geschlagen hat, am Hemd, und hält ihn aufrecht. James kann nicht erkennen, wem er sagt: „Geh und hol die Kinder.“ Im selben Moment taucht ein zweiter Mann auf, auch er in dunkler Kleidung und mit einer Skimaske über dem Gesicht. In Filmen sind Monster immer Zombies, Vampire oder sonderbare Mutanten, doch jetzt sagt ihm sein elfjähriges Gehirn, dass er sich die ganze Zeit geirrt hat. Was er jetzt vor sich hat, sind Monster. Echte Monster.

Der zweite Mann – das zweite Monster – geht auf die Treppe zu.

„Nicht!“, schreit sein Vater, worauf sich das erste Monster umdreht und erneut zuschlägt.

Wenn du jetzt nicht aufstehst, werden sie dir etwas antun. Sie werden dich umbringen.

Auf allen vieren arbeitet er sich von der Treppe weg. Seine Beine fühlen sich an wie Wackelpudding, der Boden ist wie Treibsand, und die Wände gleichen den Seiten eines sinkenden Schiffs. Wenn er hier im Flur bleibt, erwischen sie ihn. Mit einer Hand an der Wand abgestützt, steht er auf, wankt zu Hazels Zimmer, öffnet die Tür und macht sie leise hinter sich zu. Abschließen kann man sie nicht, und ihm fehlt die Kraft, um sie mit schweren Möbeln zu blockieren. Er geht durchs Zimmer. Erst als er die Vorhänge zurückzieht und das Fenster öffnet, rührt Hazel sich. Bleibt ihnen noch Zeit, aufs Dach zu klettern? Er hört das zweite Monster auf der Treppe.

„W … was machst du da? James?“

Er schüttelt sie, und flüstert in dringlichem Ton: „Wir müssen weg von hier.“

„Was …?“

Er legt ihr einen Finger auf die Lippen und ergreift ihre Hand.

„Es sind Monster im Haus. Wir müssen aus dem Fenster klettern.“

Hazel ist vierzehn, gibt aber immer gern die Sechzehnjährige. Sie reißt ihre Hand zurück und wird langsam wach: „Für deine albernen Spiele ist es ein bisschen spät, James.“

Seit letztem Jahr ist sie dazu übergegangen ›Spiele‹ und ›James‹ immer in einem Satz zu nennen.

„Wir müssen weg von hier!“ Er flüstert nicht mehr, in der Hoffnung, sich, wenn schon nicht mit Worten, über die Lautstärke verständlich machen zu können. Erneut greift er nach ihr.

„Ich gehe nirgendwohin. Und jetzt verschwinde aus meinem Zimmer!“

Sie stößt ihn weg. Ein heller Streifen leuchtet unter der Schlafzimmertür auf, als das Licht im Flur angeht.

Weinend fleht er: „Bitte, Hazel, bitte.“

Seine Tränen machen sie stutzig. Sie sieht sie nicht, kann sie aber hören. Doch es ist zu spät. Die Tür öffnet sich. Von hinten angestrahlt, steht das zweite Monster in der Tür. Es ist riesig. Zweimal so groß wie alle, die er je gesehen hat. Als hätte Doktor Frankenstein ein paar tote Bodybuilder zu einem zusammengesetzt.

Hazel erstarrt. James ebenfalls.

„Kommt mit“, sagt das Monster mit tiefer Stimme, als würden diese Bodybuilder ihre Steroide eimerweise zu sich nehmen.

„Nein.“ James ist so verängstigt, dass er nicht einmal weiß, ob er laut genug gesprochen hat, um sich verständlich zu machen.

Doch das muss er wohl, denn das Monster zeigt auf sie beide. „Beim nächsten Nein bringe ich dich um.“

Hazel nimmt James’ Hand.

„Ihr habt drei Sekunden. Danach breche ich euch die Knochen.“

James lässt die Bücher, die er gelesen hat, vor seinem inneren Auge an sich vorbeiziehen. Es waren viele, doch an eine Szene wie diese kann er sich nicht erinnern. Die Kinder, die darin vorkommen, oft in seinem Alter, sind immer sehr mutig. Manche kommen sogar Geheimnissen auf die Spur.

„Wir kommen“, sagt er, ohne die Absicht zu haben, es wirklich zu tun. Durch das offene Fenster kommen sie aufs Dach, dann zum Zaun, zur Straße, zu den Nachbarn, zur Polizei.

Könnt ihr beide das schaffen?

Nein. Nicht beide.

Er zieht Hazel am Arm. Sie steigt aus dem Bett. Sie zittert.

„Eins“, sagt das Monster.

Würde ein wirklich mutiger Junge nicht alles tun, um seine Schwester zu beschützen?

„Zwei.“

Selbst eine Schwester, die sich nichts sehnlicher wünschte, als dass ihre Eltern den kleinen Bruder zu einem verlassenen Bauernhof bringen und ihn dort zurücklassen würden?

„Drei.“

Er dreht Hazel zum Fenster. „Los, raus!“

Sie zögert und dreht sich stattdessen zu James um.

„Na los!“ Er gibt ihr einen Schubs. Dann stürzt er sich auf das Monster, denn das tun mutige Jungs. Es ist ein Kampf zwischen David und Goliath, aber David hat gewonnen, also kann …

Das Monster hebt James hoch und schleudert ihn gegen das Bücherregal. Er landet hart auf dem Boden. Bücher, Bilderrahmen, eine Lampe, ein paar Puppen, alles regnet auf ihn herab. Von unten ruft sein Vater, doch das Wort wird ihm abgeschnitten. Das Monster springt zum Fenster und packt Hazel, als sie hinausklettern will. James ist gestürzt, doch der Boden fühlt sich nicht mehr wie Treibsand an und seine Beine nicht mehr wie Wackelpudding. Ihm ist, als hätte er sein Gleichgewicht zurückgewonnen, nachdem er durch den Raum geschleudert wurde. Er hebt die Lampe auf, rappelt sich hoch und schleudert sie dem Monster in den Rücken. Die Reaktion lässt nicht lange auf sich warten. Das Monster wirbelt herum und verpasst James einen harten Schlag ins Gesicht, sodass er erneut zu Boden geht. Doch das Monster hält Hazel nicht mehr fest. Mit unbeholfenen Bewegungen entkommt sie durchs Fenster, die Dachziegel klappern, dann ist es still. Konnte sie sich noch festhalten? Oder liegt jetzt ein Haufen gebrochener Knochen unten?

Das Monster sieht zum Fenster hinaus und wendet sich dann wieder James zu. Es packt ihn am Bein und schleift ihn durch den Flur und die Treppe hinunter, wobei der Kopf auf jeder Stufe aufschlägt. James wird ins Wohnzimmer gezerrt und auf die Knie gezwungen.

Ihm gegenüber kniet sein Vater mit einem Kissenbezug über dem Kopf, die Arme auf den Rücken gefesselt. Die Mutter liegt auf der Seite. Auch sie hat einen Kissenbezug über dem Kopf, die Hände vor ihr mit einem Kabelbinder zusammengebunden. Er weiß nicht, ob sie tot oder bewusstlos ist. Das erste Monster, das er gesehen hat, steht mit einer Pistole in der Hand vor ihnen. Er hat schon tausend Pistolen im Fernsehen gesehen, aber noch nie eine echte. Diese hier hat einen Schalldämpfer. Die Möbel sind in die Mitte des Zimmers gezogen und umgekippt worden. Die Fotos seiner Mutter wurden zu Boden geworfen.

„Das Mädchen ist zum Fenster raus“, sagt Monster zwei. „Sie holt Hilfe.“

„Such sie.“

Es sind nicht nur zwei Monster, es sind drei, wie er feststellen muss, als Monster zwei wegtritt und Monster drei erscheint. Das Monster reißt James die Hände auf den Rücken und fesselt sie ebenfalls mit einem Kabelbinder. Er ist nicht imstande, den Blick von dem Blut auf dem Kissenbezug abzuwenden, der das Gesicht seines Vaters verdeckt.

„Bitte“, sagt sein Vater. Er klingt kurzatmig, panisch, verängstigt. „Tun Sie meiner Familie nichts. Ich habe Geld. Nicht viel, zwanzigtausend vielleicht, vielleicht auch etwas mehr. Morgen früh kann ich zur Bank gehen. Sie können alles haben. Sie können sich online meine Konten ansehen. Dann sehen Sie, wie viel ich habe. Sie können alles tun. Tun Sie ihnen nur nicht weh. Wir können es auch überweisen, wenn Sie wollen.“

„Sagen Sie uns, wo er sich befindet.“

„Wir haben keinen Safe“, sagt sein Vater. Gäbe es einen, wüsste James davon. In dem Jahr, in dem er begriff, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt, hat er den ganzen Dezember über das Haus nach Stellen durchsucht, wo ein Geschenk versteckt sein könnte. Einen Safe hat er nicht gesehen.

„Gibt es oben ein Büro?“

„Ja, aber dort ist kein Safe.“

„Ich hatte eigentlich nicht vor, die Kinder umzubringen, aber du lässt mir keine Wahl“, sagt Monster eins.

James verliert die Kontrolle über seine Blase. Seine Brust verkrampft sich. Er wird sterben, und er wird das Kind sein, das sich vorher in die Hose gemacht hat.

Bitte, Hazel, lauf. Renn und hol Hilfe.

„Um Himmels willen, es gibt keinen Safe!“, sagt sein Vater mit noch mehr Panik und Verzweiflung in der Stimme. „Nehmt euch, was ihr wollt, egal, was.“

Monster zwei kehrt zurück. „Die kleine Schlampe ist entkommen.“

Erleichterung macht sich in James breit. Die Polizei wird kommen, und die Männer wissen das. Und Ende.

„Scheiße“, sagt Monster eins.

„Los, wir müssen verschwinden“, sagt Monster drei. „Wahrscheinlich steht sie schon bei jemandem vor der Tür.“

„So schnell kommt die Polizei nicht“, sagt Monster eins.

„Das wissen wir nicht“, sagt Monster drei. „Und irgendein Nachbar kommt möglicherweise sofort her.“

„Das wäre aber nicht gut für ihn“, entgegnet Monster zwei.

„So oder so, wir müssen verschwinden“, sagt Monster drei.

„Nicht, bevor wir haben, weshalb wir gekommen sind.“

„Und wenn er die Wahrheit sagt? Wenn wir im falschen Haus sind?“

„Wir haben eure Gesichter nicht gesehen“, sagt sein Vater. „Wir können euch nicht identifizieren. Bitte, geht einfach.“

Monster eins reißt James’ Vater den Kissenbezug vom Kopf. Er sieht kaum noch wie sein Vater aus. Das rechte Auge ist zugeschwollen, die Haare sind zerwühlt, die Lippen aufgequollen, das Kinn voller Blut.

„Letzte Chance.“

„Wir haben keinen Safe!“

Monster eins richtet die Waffe auf James’ Mutter. Ein leises Pfft. Der Körper seiner Mutter zuckt. Ein roter, zunächst münzgroßer Fleck breitet sich in der Mitte des Bezugs aus.

Sein Vater ist halb aufgesprungen, als ein zweites Pfft ertönt. Die Nase zerspringt in einem Nebel aus Blut, die Gesichtszüge erschlaffen, und das Leben weicht aus seinem Blick. Er sackt zusammen. James schreit. Er hört kaum, wie Monster eins sagt: „Erledige du das Kind.“

James schließt die Augen, wartet auf das Pfft.

Er muss nicht lange warten.


2

Die Straße ist hell erleuchtet – Streifenwagen, Krankenwagen, die Presse –, alles mit dem Licht aus den umliegenden Häusern vermischt, wo die Nachbarn von ihren Veranden und aus den Vorgärten heraus alles beobachten. Die Straße ist abgesperrt. Menschen drängen gegen die Absperrung, manche auf Zehenspitzen, andere recken den Hals, um besser sehen zu können. Manche haben ein Fernglas mitgebracht, andere einen Kaffee. Alle haben Handys, die meisten davon auf den Tatort gerichtet.

Die Absperrung wird zur Seite gezogen, damit die Detectives Theodore Tate und Carl Schroder hindurchfahren können. Die Journalisten rufen ihnen Fragen zu, die sie ignorieren. Tate sitzt am Steuer. Er parkt gegenüber dem Haus. Die Nacht ist warm, die Luft schwer. Es war einer dieser seltenen Sommertage, die es mitten im Winter schon einmal geben kann.

„Bereit?“, fragt Schroder.

Tate schüttelt den Kopf. „Du?“

„Nein.“

Sie steigen aus dem Wagen. Das Stimmengewirr der Leute, die einfach nur gaffen, durchdringt die warme Luft. Die Scheinwerfer im Garten und an der Hauswand sind so hell, dass ein Flugzeug sicher landen könnte. Das Haus ist zweistöckig, wie die meisten in diesem Viertel. Auch in der Bauart unterscheidet es sich kaum von den anderen – als hätte der Architekt einen Mengenrabatt ausgehandelt. Die Häuser in der Gegend sind etwa zehn Jahre alt. Zäune um die Vorgärten gibt es nicht, aber jede Menge penibel gepflegte Gärten und Rasenflächen, denen im Winter allerdings die Farbe fehlt. Die Eingangstür steht weit offen. Ein halbes Dutzend Polizisten ist ums Haus herum verteilt. Drinnen ist niemand. Das Haus wurde geräumt, um alles möglichst unberührt zu lassen. Die beiden Männer bleiben an der Tür stehen, streifen sich die Latexhandschuhe über und steigen in die Schuhüberzieher, bevor sie eintreten. Zur Linken eine offene Küche und ein Esszimmer, moderne Möbel, moderne Geräte. Geradeaus eine Treppe, ein weißes Holzgeländer mit schmalen, schwarzen Geländerpfosten. Rechts ein Wohnzimmer, darin die Leichen der Garrets. Tate schaudert.

„Großer Gott“, entfährt es Schroder.

Schon jetzt zu wissen, was sie gleich sehen werden, mildert das Grauen nicht, auch wenn beiden klar ist, dass sich ihnen ein noch verheerenderes Bild bieten würde, wenn Hazel Garrett nicht die Flucht gelungen wäre. Der Nachbar, zu dem sie gerannt ist – Brian Mann –, ist sofort hergeeilt, nachdem er drei Männer zur Haustür hinauslaufen sah. James war noch am Leben – wenn auch nur knapp. Mann war Notarzt im Ruhestand und setzte bis zum Eintreffen der Krankenwagen all sein Können ein, um den Jungen am Leben zu halten.

Für Frank und Avah Garrett konnte er nichts mehr tun.

Frank und Avah liegen zusammengesunken am Boden. Mann erzählte dem ersten Officer am Tatort, dass Avah einen Kopfkissenbezug über dem Kopf hatte, den er abnahm, um sich ein Bild von ihrem Zustand zu machen. Der Kissenbezug liegt neben ihrer Leiche. Sie liegt auf der Seite, das Gesicht auf dem Teppich, die Augen geöffnet, ein Einschussloch in der Wange, die Haare zwischen Gesicht und Teppich blutverfilzt, die Hände gefesselt vor dem Körper. Tate würde ihr gern sagen, dass er die Leute fassen wird, die das getan haben, doch er bringt nichts heraus. Niemand sagt etwas. Nur das Raunen der Menschenmenge draußen ist zu hören. Avah Garrett kommt ihm bekannt vor.

Er wendet sich Frank zu. Auch neben seinem Körper liegt ein Kissenbezug, aber Mann sagte, dass er bereits abgenommen worden war. Er liegt auf dem Rücken, die Beine unter sich eingeknickt. Dort, wo seine Nase sein sollte, befindet sich ein Einschussloch. Schwer zu sagen, ob er ihm auch bekannt vorkommt.

Tate richtet den Blick auf die Stelle am Boden, wo Mull, das Verbandszeug und die blutigen Handtücher liegen, mit denen James am Leben gehalten wurde. Auch der Kricketschläger ist dabei, den Mann zur Verteidigung mitgebracht hat. In dem Durcheinander findet sich auch Kabelbinder, passend zu dem, mit dem die Eltern gefesselt sind. Die Sanitäter hatten ihn James abgenommen. Tate hat noch nie so viel Blut von jemandem gesehen, der nicht schon tot war. Er nimmt Uringeruch wahr. Schwer zu sagen, ob Hazel entkommen konnte, weil die übrige Familie erschossen wurde, oder ob sie sowieso alle erschossen werden sollten. Bei Menschen, die zu so etwas fähig sind, ist vermutlich eher von Letzterem auszugehen.

„Kennst du sie?“, fragt Tate.

Schroder schüttelt den Kopf. „Wieso? Du etwa?“

„Avah, vielleicht, weiß aber nicht genau, woher.“

Tate dreht sich einmal um die eigene Achse. Überall moderne Möbel. Alle umgeworfen. Ein zertrümmerter Fernseher auf dem Boden, heruntergerissene Bilder, Löcher in der Leinwand, ein umgekipptes Bücherregal.

„Sie haben nach etwas gesucht“, sagt Schroder. „Nach einem Wandsafe, vielleicht.“

„Warum haben sie ihnen nicht gesagt, wo er ist? Drei bewaffnete Männer kommen in dein Haus, dann gibst du denen doch, wonach sie suchen.“

„Vielleicht haben sie das ja, und sind trotzdem umgebracht worden. Dann müsste der Safe in einem anderen Raum sein.“

Sie teilen sich auf. Schroder übernimmt das untere Stockwerk, Tate geht nach oben. Im ersten Zimmer im Obergeschoss befindet sich ein Büro mit Blick auf den Garten hinter dem Haus. Die Gemälde hängen an den Wänden, und die Möbel stehen an ihrem Platz. Die Gemälde stammen alle von einem Künstler und passen zu denen im Erdgeschoss. Bei näherem Hinsehen entdeckt er eine Signatur. Er glaubt, die von Avah Garrett zu erkennen. Wunderschöne Landschaften. Denjenigen, der für diese Tat verantwortlich ist, würde er am liebsten in einer dieser Landschaften begraben.

Im Büro kann er keinen Safe entdecken, weiß aber jetzt, woher er Avah kennt. Avah und Frank Garrett sind die Immobilienmakler, die Bridget und ihm das Haus verkauft haben. Er erinnert sich an warmherzige, freundliche Menschen, die immer ein Lächeln auf den Lippen trugen. Was für eine schreckliche Vorstellung, dass man gerade noch ein Haus verkauft hat und im nächsten Augenblick schon hingerichtet auf dem Boden eines anderen liegt.

Der nächste Raum ist Hazels Zimmer. Er stellt sich vor, wie sich alles abgespielt hat. Mutter und Vater, mit vorgehaltener Waffe in Schach gehalten, weigern sich preiszugeben, was die Männer hören wollen. Die Mörder beschließen, die Kinder als Druckmittel zu benutzen, aber die Tochter entkommt. Die drei Männer ändern ihren Plan. Sie beschließen, sich aus dem Staub zu machen. Statt einfach nur das Weite zu suchen, haben sie beschlossen, die Familie auszulöschen. Eiskalt. Kaltblütiger als alles, was er je gesehen hat.

Er geht zu Schroder im Elternschlafzimmer. „Hast du etwas gefunden?“

„Ein paar Visitenkarten. Die Garretts sind Immobilienmakler.“

„Ich weiß. Wir haben unser Haus von ihnen gekauft.“

„Die Welt ist klein. Kannst du etwas über sie sagen?“

„Nur, dass wir sie mochten. Ich werde mal mit der Tochter sprechen.“

„Soll ich mitgehen?“

„Ich schaff das schon“, sagt er und geht wieder nach unten.

Paul Cleave

Über Paul Cleave

Biografie

Mit düsteren Thrillern begeistert Paul Cleave seine treue Fanschar, die Cleaves böse Helden liebt. Er lebt in Christchurch (Neuseeland), aber hat seine Frisbees schon in mehr als 40 Ländern geworfen. Seine Lesetouren gelten als legendär. Zahlreiche Preise und Nominierungen säumen den Weg von Paul...

Paul Cleave im Interview

Die Hauptfiguren in Ihren Büchern tun meist wirklich böse Dinge – und doch mag man sie auf eine gewisse Weise; sie haben ihre guten Seiten, so scheint es. Zumindest kann man verstehen, warum sie tun, was sie tun – wenn auch nicht billigen. Glauben Sie, dass in uns allen irgendwo ganz tief ein potenzieller Mörder verborgen ist?

Ja, das halte ich für möglich. Es kommt immer auf die Umstände an. Darum geht es in vielen meiner Bücher: Wie böse kann selbst der netteste Mensch sein – oder zumindest der, den wir für den nettesten halten? Sicher stellen wir uns alle einmal in Extremsituationen diese Frage: „Was würde ich tun, wenn man mich zum Äußersten treiben würde?” Eine zugegeben heikle Frage, aber sie gehört zum Menschen. Würde ich beispielsweise jemals so etwas tun wie Noah in „Blutbringer”? Nun, ganz gewiss nicht – aber es ist faszinierend, mit dieser Frage zu spielen.

Was inspiriert Sie? Haben Sie Vorbilder?

Andere Schriftsteller natürlich. Zu viele, um sie aufzuzählen. Ich bin zudem ein großer Filmfan, seit einiger Zeit auch Serienfan. Allerdings gibt es nichts, was ich kopieren oder nachahmen möchte – es ist mir wichtig, mich beim Schreiben von allem zu lösen und nur aus meiner eigenen Ideenwelt zu schöpfen.

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