Aschespur (Darmstadt-Krimis 13) — Inhalt
Ein versteckter Tresor, eine verschollene Erbin, ein Verbrechen mit Vergangenheit – der 13. Fall für Steffen Horndeich und die Darmstädter Kripo!
Seit er vor zwei Jahren den Polizeidienst quittiert hat, arbeitet Steffen Horndeich als privater Ermittler. Dabei gerät er an einen Fall, der bald auch seine früheren Kollegen interessiert. Nach einem Brand wird in einem Haus ein versteckter Tresor gefunden. Darin: private Dokumente der Hausbesitzerin Maria Jimenez, die sich jedoch vor acht Jahren nach Spanien abgesetzt haben soll. Warum hat Maria die Dokumente nicht mitgenommen? Zusammen mit Leah Gabriely folgt Horndeich den Spuren der Frau und stößt auf weitere Ungereimtheiten. Ist die wohlhabende Maria einem Verbrechen zum Opfer gefallen?
Nach „Abendfrost“ und „Zornesglut“ folgt nun ein neuer packender Krimi der beliebten Darmstadtkrimi-Reihe von SPIEGEL-Bestsellerautor Michael Kibler!
„Spannend, routiniert und mörderisch.“ hr hessenschau
Leseprobe zu „Aschespur (Darmstadt-Krimis 13)“
Mittwoch, 9. Juni
Was, um alles in der Welt, hatte dieser alte, schäbige Schuhkarton auf dem edlen Marmor der Küchentheke zu suchen?
Diese Frage stellte sich Steffen Horndeich seit nunmehr zwei Minuten.
Vor ihm stand eine dampfende Tasse Espresso. Ihm gegenüber eine weitere, allerdings derzeit herrenlose. Denn der Eigner des zweiten Espressos und Herr des Hauses versuchte gerade, telefonisch eine größere Katastrophe für seine Firma abzuwenden.
Frank Schröder leitete eine Malermeister-Firma – obwohl dieser Begriff nicht mehr angemessen war. In den [...]
Mittwoch, 9. Juni
Was, um alles in der Welt, hatte dieser alte, schäbige Schuhkarton auf dem edlen Marmor der Küchentheke zu suchen?
Diese Frage stellte sich Steffen Horndeich seit nunmehr zwei Minuten.
Vor ihm stand eine dampfende Tasse Espresso. Ihm gegenüber eine weitere, allerdings derzeit herrenlose. Denn der Eigner des zweiten Espressos und Herr des Hauses versuchte gerade, telefonisch eine größere Katastrophe für seine Firma abzuwenden.
Frank Schröder leitete eine Malermeister-Firma – obwohl dieser Begriff nicht mehr angemessen war. In den vergangenen 20 Jahren hatte der Mann daraus einen Betrieb für die komplette Innenausstattung von Wohnhäusern und auch für jene von Gewerbeimmobilien geformt.
Den heutigen Vormittag hatte sich Frank Schröder freigenommen. Denn er wollte Steffen Horndeich um Rat bitten. Der sollte für ihn ein Konzept erarbeiten, wie Schröder das Einfamilienhaus, in dem er mit seiner Familie wohnte, sicherer machen könne. Einige Einbrüche in der Nachbarschaft im Darmstädter Komponistenviertel während der vergangenen Wochen hatten ihn zu diesem Schritt bewogen.
Kaum hatte Schröder die Espressi zubereitet, hatte sein Handy geklingelt. Er hatte auf das Display gesehen, die Augenbraue hochgezogen, dann die Schultern, und verkündet: „Sorry, da muss ich rangehen.“
Im Erdgeschoss des Hauses breitete sich eine großzügige Wohnküche in Richtung Flur aus – dorthin war Schröder verschwunden. Vom Flur aus führte eine Treppe in das Souterrain. Hier befand sich das Homeoffice von Frank Schröder, ähnlich wie bei Steffen Horndeich. Dessen Haus lag keine fünf Gehminuten von Schröders Domizil entfernt. Auch er hatte sein komplettes Souterrain seinem Geschäft gewidmet: zwei großzügige Räume, in denen sich die Detektei „Steffen Horndeich. Private Ermittlungen“ befand.
Horndeich hörte Schröders Stimme trotz einer geschlossenen Tür und eines ganzen Stockwerks Abstand. Der Mann war außer sich und brüllte ins Telefon. Das wird sicher noch ein Weilchen dauern, dachte Horndeich. Und wenn er etwas in den vergangenen zwei Jahren gelernt hatte, dann, dass er eine solche Zeit des unverschuldeten Leerlaufs gnadenlos abrechnete.
Die Wohnküche war nach Horndeichs Geschmack eingerichtet: luftig, weit, sodass auch der massive Esstisch den Raum nicht erdrückte. Sofagarnitur und Couchtisch kamen, ebenso wie die Sessel, eher leichtfüßig daher. Ein paar Kunstdrucke zierten die Wände, eine jedoch war fast nahtlos bedeckt mit Familienfotos. Auf einem der Bilder war sogar Horndeichs Tochter Stefanie dabei, denn die ging mit Schröders Tochter Ilona in dieselbe Klasse.
Küche, Wohnbereich, Essbereich – alles war ausnehmend stilvoll eingerichtet. Nur diese Schuhschachtel auf der Küchentheke passte so überhaupt nicht ins Bild. Sie wirkte, als habe sie bereits ein beschwerliches Leben hinter sich. Sie hatte etwas aufopfernd aufbewahrt, bis ihre Seitenwände ausgebeult waren und die Ecken abgerundet, bis die Seitenflächen Knitterfalten aufwiesen und der Deckel an einer Kante leicht eingerissen war. Patina überzog die Pappe. Und die auf der Querseite aufgedruckten High Heels in einem faden Grau, das einmal silbern gewesen sein mochte, wirkten auf diesem Untergrund völlig deplatziert.
Horndeich schlürfte am Espresso. Erstens konnte er ihn jetzt noch genießen, bevor er kalt wurde. Zum anderen, und das war ein nicht zu unterschätzender Effekt, beschäftigte er seine Finger. Denn die musste er nachdrücklich im Zaum halten. Sie drängten in Richtung Schachtel, wollten den Deckel anheben, wollten ihr ihr süßes Geheimnis entreißen. Nur ganz kurz. Nur einen halben Zentimeter, nur mal eben reinlinsen.
Neugier war eine Berufskrankheit. Bis vor zwei Jahren hatte Steffen Horndeich bei der Mordkommission in Darmstadt gearbeitet – und er war gut gewesen in seinem Job. Zunächst gemeinsam mit seiner Kollegin Margot Hesgart, später dann mit ihrer Nachfolgerin Leah Gabriely, hatte er dafür gesorgt, dass die bösen Jungs und Mädels hinter Gittern landeten. Zweimal hatte er sich in dieser Zeit eine Kugel eingefangen. Beide Male hatte nur wenig gefehlt, um seine Frau Sandra zur Witwe und seine Kinder Stefanie, Alexander und die kleine Antje zu Halbwaisen zu machen. Danach hatte er beschlossen, sich einen Job in ruhigeren Gefilden zu suchen. Seine frühere Kollegin Margot hatte sich vor wenigen Jahren selbstständig gemacht, gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Nick. Die beiden betrieben seither eine Beratungsfirma für Sicherheitstechnik. Margot hatte Horndeich darauf angesprochen, dass einige ihrer Kunden auch nach Privatermittlern fragten. Und so hatte Horndeich den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt.
Die Espressotasse war leer, doch aus dem Souterrain tönte immer noch Schröders Stimme. Der Mann blaffte unablässig. Es handelte sich bei dem Telefonat eher um einen Monolog als um einen Dialog mit dem Ziel einer konstruktiven Problemlösung …
Horndeich sah sich abermals um. Schaute aus dem Fenster. Hätte es in dem Raum ein Bücherregal gegeben oder eines mit CDs, wäre er jetzt aufgestanden und hätte die literarischen und musikalischen Schätze begutachtet. Aber außer einem großen Flachbildschirm und ein paar Hi-Fi-Komponenten gab es nichts zu bestaunen. Horndeich hatte sein Smartphone nicht mitgenommen. Und so war ihm – langweilig. Ein Zustand, den er kaum kannte und den er, wenn er denn einmal eintrat, nicht mochte. Und der der Zurückhaltung in Sachen Schuhkarton nicht eben förderlich war.
Schröders Stimme klang immer noch aus der Unterwelt, und so warf Horndeich einen schnellen, kurzen Blick unter den Deckel. Der Karton war prall gefüllt mit Kontoauszügen der Sparkasse Darmstadt. Ab und an ragte ein kleines Pappkärtchen heraus, auf dem eine Jahreszahl vermerkt war. Es waren elf an der Zahl, beschriftet von 2003 bis 2013. Horndeichs rechter Zeigefinger konnte nicht umhin, eines der Kärtchen zu sich heranzuziehen und den Namen des Kontoinhabers auf dem dahinterliegenden Auszug zu lesen. Es war eine Kontoinhaberin: Maria Jimenez.
Horndeich bemerkte, dass er nichts mehr hörte. Er zog die Hand aus dem Schuhkarton und platzierte den Deckel wieder in der ursprünglichen Position.
Horndeich überlegte: Jimenez – den Namen hatte er schon einmal gelesen oder gehört. Er erinnerte sich, dass es zu der Zeit gewesen sein musste, als er noch gemeinsam mit Margot bei der Darmstädter Polizei gearbeitet hatte. Jimenez – da klingelte ein Glöckchen, aber nur ganz leise und aus weiter Ferne.
Eine Stimme riss ihn aus seinen Gedanken: „Entschuldigen Sie, Herr Horndeich, es ist so schwer, heute gutes Fachpersonal zu bekommen.“ Schröder sah auf seine Armbanduhr, eine Smartwatch.
Horndeich hatte sich nie dazu durchringen können, dem flachen digitalen Quälgeist in der Innentasche des Jacketts noch einen weiteren am Armgelenk hinzuzufügen. Sein linkes Handgelenk zierte eine Omega Speedmaster, die ihm seine Frau vor Jahren geschenkt hatte und die er fast so sehr liebte wie die ihn Beschenkende.
„Gehen wir durchs Haus. In 30 Minuten kommt der Vermieter, dann kann ich mit ihm gleich besprechen, was ich hier installieren möchte. Also, lassen Sie mich an Ihrem Fachwissen teilhaben.“
Horndeich schätzte eine effiziente Arbeitsweise durchaus. Aber wie ein Reitpferd mit Sporen durchs Haus getrieben zu werden und innerhalb von Minuten ein fundiertes Konzept zu entwickeln oder zumindest solide Ratschläge zu geben, das war eher nicht sein Ding. Aber: Der Kunde war König.
Und so führte Schröder ihn im Schnelldurchlauf durch das Souterrain mit zwei Keller- und zwei Büroräumen, dann durch das Erdgeschoss, dessen Wohnküche er ja schon kannte, aber die beiden weiteren Zimmer noch nicht. Das eine war Abstellkammer und Bügelraum, das andere Lese- und Gästezimmer. Hier fanden sich die zuvor vermissten Regale voller Bücher. Zudem befand sich gleich neben der Eingangstür noch ein Gäste-WC mit Dusche. Das Stockwerk darüber lag bereits unterm Dach. Die beiden Kinderzimmer, das Schlafzimmer und auch das sehr großzügige Badezimmer waren in der Raumhöhe zum Teil durch die Dachschrägen begrenzt.
„Und?“, wollte Frank Schröder bereits an dieser Stelle ein Fazit kredenzt bekommen.
„Ich muss mir noch die Außenbereiche ansehen“, antwortete Horndeich.
Schröder führte ihn einmal um das Haus herum, durch die Garage und wieder zur Haustür.
„Wollen Sie das Gartenhäuschen auch besonders sichern?“
Schröder verneinte. „Da ist nur Gerümpel drin. Wer das klaut, ist selbst dran schuld. Ich habe nicht mal ein Schloss davor, damit potenzielle Diebe nicht die Tür aufbrechen müssen“.
Nun war es Horndeich, der auf die Uhr sah. Keine 15 Minuten hatten sie für den Rundgang benötigt. Aber die gröbsten Schwachstellen hatte er auf den ersten Blick erkannt. Schließlich hatte er solche Beratungen auch im Auftrag von Margots Firma mehrfach durchgeführt, nachdem er selbst ein paar Fortbildungen auf dem Gebiet absolviert hatte.
Als sie das Haus betraten, steuerte Schröder direkt auf die Küchentheke zu. „Auch noch einen Espresso?“, wollte er wissen, als er seinen, der inzwischen kalt sein musste, in die Spüle kippte.
Horndeich lehnte dankend ab.
Schröder ließ die Espressomaschine brummen, dann setzte er sich an die Theke, schlug sein Tablet auf, tippte mit einem Stift ein paarmal auf dem Glas herum und sagte: „Ich höre.“
Und Horndeich ratterte seine Vorschläge herunter. Sowohl die Fenster als auch die Haustür, die Terrassentür und ebenso der Durchgang zur Garage sollten künftig besser über Mehrfachverriegelungen verfügen. Desgleichen die Fenster. Die Gitter über den Souterrainfenstern waren nicht gesichert. Eine Kamera statt eines Türspions in der Haustür würde zudem auch den Kindern ermöglichen, zu sehen, wer vor der Tür stand. Horndeich schwadronierte kurz über den Vorteil von Pilzkopfzapfen gegenüber Rollzapfen, erörterte noch den Nutzen von Alarmanlagen, einer Außenbeleuchtung, die durch Bewegungssensoren ausgelöst würde, und von Kameras im Außenbereich.
Schröder schrieb mit, und soweit Horndeich das erkennen konnte, gliederte er all das, was Horndeich ihm mitteilte, gleich in Überschriften und Stichworte mit Punkten davor. Dann rekapitulierte Schröder seine Liste und wollte von Horndeich wissen, wie teuer die einzelnen Maßnahmen werden würden.
„Das hängt natürlich auch von der Qualität der Bauteile ab. Hier sollten Sie unbedingt auf Gütesiegel achten, etwa auf das der ›vds‹ oder auf die gute alte DIN.“
Schröder blickte auf, sah Horndeich unverständig an und sagte: „Welchen Sinn macht es, wenn ich Geld in die Sicherheit meines Hauses investieren will und dann billigen Mist kaufe, den ein Nachwuchskrimineller in wenigen Minuten kleinkriegt?“
Das wäre eigentlich Horndeichs Satz gewesen, denn meist musste er den Menschen erst mal klarmachen, dass „Geiz ist geil“ bei Sicherheitstechnik diese letztlich völlig überflüssig machte.
Also nannte Horndeich ihm Posten für Posten die entsprechenden Summen.
Schröders „Perfekt!“ und die Türglocke erklangen im selben Moment.
Rocio I
Mein Name ist Rocío García. Und ich bin eine zufriedene Frau.
Ich darf mich nicht beklagen.
Und ich beklage mich auch nicht. Jetzt, da alles zu Ende geht. Es wird mir wohl nicht vergönnt sein, meinen 60. Geburtstag zu feiern. Der Krebs ist nicht mehr heilbar.
Soll ich weinen?
Nein, ich glaube nicht. Felipe ist ja auch schon von mir gegangen. Dieselbe Krankheit. Bei ihm ging es zum Schluss ganz schnell. Ich hoffe, dass, wenn mein Ende naht, ich ebenfalls nicht lange auf dasselbe warten muss.
Manchmal habe ich Schmerzen. Nicht oft. Und wenn, dann sind da diese Tabletten, die meine Tochter mir besorgt hat.
Nein, ich habe mein Leben gelebt.
Ich hatte einen zärtlichen und gütigen Mann. Einen, mit dem mich nicht nur gegenseitige Liebe verbunden hat, sondern auch die gemeinsame Liebe zur Musik, zum Wandern, zur Literatur.
Wir haben eine bezaubernde Tochter, und sogar eine Enkelin ist mir noch geschenkt worden. Wenn ich nicht mehr bin, lebe ich in meiner Tochter und der Kleinen ein Stück weiter. Was will man mehr?
Meine Enkelin ist jetzt drei Jahre alt, und sie erinnert mich ein wenig daran, wie ich in diesem Alter gewesen bin.
Mit 19 habe ich Felipe García kennengelernt, mit 21 habe ich ihn geheiratet. Er war Architekt – damals natürlich nicht, da hatte er noch studiert –, und er hat sein Leben der Sagrada Família gewidmet. Jener fantastischen Kirche des Genies Antoni Gaudí in meiner Stadt, an der seit über 100 Jahren gebaut wird und die immer noch nicht vollendet ist. Nun werde auch ich nicht mehr erleben, dass sie fertiggestellt wird.
Ja, ich bin mein Leben lang in die Kirche gegangen. Nicht jeden Sonntag, aber doch regelmäßig. Als Kind hatte ich noch ganz naiv an den guten Vater Gott und seinen Sohn Jesus geglaubt. In meiner Vorstellung sah Gott meinem Großvater sehr ähnlich: ein großer, breitschultriger Mann mit einem imposanten Rauschebart.
Mit den Tiefschlägen im Leben veränderte sich der Glaube.
Wer weiß, ob es das Jüngste Gericht gibt? Wie dem auch sei, ich habe die – wahrscheinlich ebenfalls sehr naive – Vorstellung, dass ich in wenigen Wochen meinen Felipe wiedersehen werde. In irgendeiner besseren Welt.
Als unsere Tochter größer geworden war, haben Felipe und ich im selben Architekturbüro gearbeitet. Meine Ausbildung zur Sekretärin hatte ich zum Glück abgeschlossen. Und als unser Kind langsam flügge wurde, rückten wir beide durch die gemeinsame Arbeit noch näher zusammen. Und es war für uns beide gut. Diese wundervolle, so seltsame Kirche, sie wurde unser gemeinsamer Ort.
Auch wir hatten unsere Krisen. Natürlich. Nur war Felipe kein Mann, der laut wurde oder gar die Hand erhob. Die roten Lämpchen blinkten bei mir immer dann, wenn er plötzlich ganz leise sprach. Und seine Sätze keine Kommas mehr hatten, sondern nur noch Punkte.
Sehr früh haben wir unsere Rituale entwickelt, um Krisen nicht zur Bedrohung werden zu lassen. Wenn es Dinge zu klären gab, sind wir immer wandern gegangen in die angrenzenden Berge des Montserrats. Wenn man beim Reden gleichzeitig Höhenmeter überwinden und atmen muss, reduzieren sich Wutausbrüche auf das Nötigste. Für uns beide hat es funktioniert – und mit unserer Tochter hat es ebenfalls geklappt. Gab es Familienstreitigkeiten zu klären, die gleichermaßen sie betrafen, wanderten wir zu dritt. Wir starteten oft wütend und enttäuscht. Aber wir kamen immer weniger erbost und weniger niedergeschlagen als Familie zurück. Stets mit ein paar Kompromissen im Gepäck, die jeder von uns zuzugestehen bereit war.
Felipe und mich hatte von Anfang an auch der Humor verbunden. Wir konnten über vieles lachen, auch über uns selbst. Das hat einigen Streits die Schärfe genommen. Unsere Tochter ist in diesem Bereich ganz nach uns geraten. Und so hat es unterm Strich für uns alle funktioniert.
Der Arzt hat gesagt, ich habe vielleicht noch ein halbes Jahr. Das kann heißen: nur noch drei Monate. Das kann heißen: ein Dreivierteljahr. Dass es bedeutet, dass ich den Herbst in einem Jahr auf keinen Fall mehr erleben werde, hat er so nicht gesagt. Aber wir sind gut genug in Mathe.
Ich liebe meine Enkelin.
Ich liebe sie sehr.
Seit ich sie zum ersten Mal in den Armen gehalten habe.
Jedes Baby hat seinen ganz eigenen, unverwechselbaren Geruch. Ich bin keine Biologin, aber ich bin ziemlich sicher, dass dieser Duft in der Mutter etwas auslöst, was den Muttertrieb weckt und verstärkt.
Als ich meine Enkelin zum ersten Mal im Arm gehabt habe, nahm ich diesen Geruch an ihr wahr. Ich musste weinen und habe mich kaum mehr beruhigen können.
Meine Tochter hatte mir das Baby abgenommen, voller Unverständnis, ja, geängstigt. Was mit mir los sei, fragte sie.
Ich konnte es ihr nicht sagen, da ich es selbst nicht wusste.
Da ich es damals nicht gewusst habe …
Ich liebe meine Enkelin, doch ich habe sie als Baby nur dieses eine Mal auf dem Arm gehabt.
Es hat gedauert, bis ich mir selbst erklären konnte, warum ich sie in meinen Armen hasste, obwohl ich sie doch so liebte.
Es war der Geruch.
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