Aus Stille geformt Aus Stille geformt - eBook-Ausgabe
Roman
— Eine Liebeserklärung an das Töpfern, die Stille und die Bedeutung menschlicher Beziehungen | Für Fans von „Offene See“ und „Ein Monat auf dem Land“„Der (...) Roman von Ingrid Kloser ist auch eine Liebeserklärung an das Töpfern, die Stille und die Bedeutung menschlicher Beziehungen.“ - Ruhr Nachrichten
Aus Stille geformt — Inhalt
Ein wunderschöner und poetischer Roman vom tiefen Glück, mit den Händen Formen zu schaffen
Schon als Kind schuf Akiko erste Tonfiguren auf dem Boden sitzend im Atelier ihres Onkels. Gegen den Willen ihres Vaters, aber ermutigt von ihrer Mutter verlässt sie Japan und lernt in Deutschland das Töpferhandwerk. Als sie ein Praktikum bei einem Töpfermeister im Bregenzerwald antritt, scheint es ein Glücksfall zu sein: Friedrich liebt wie Akiko die Stille, den Ton und das Brennen im Holzbrennofen. Friedrich erkennt in Akiko nicht nur ein großes Talent, in gemeinsamen Arbeiten und Gesprächen hilft er ihr, die eigene Form zu finden. Bis Akiko Hinweise auf frühere Reisen Friedrichs nach Japan findet und ihm Fragen stellt ...
Eine ebenso zarte wie weise Liebeserklärung an das Töpfern und die Bedeutung menschlicher Beziehungen.
Es gibt Bücher, die die Seele berühren – „Aus Stille geformt“ gehört dazu.
Für Leserinnen und Leser von Benjamin Myers „Offene See“ und J.L. Carrs „Ein Monat auf dem Land“
Leseprobe zu „Aus Stille geformt“
Frühling
Fast hätte Friedrich das Windspiel übersehen, der Sturm muss es vom Nussbaum gerissen haben. Als er an diesem Morgen durch die Werkstatt aus dem Haus tritt, liegt es, ähnlich einer Marionette, leblos und stumm im Gras. Friedrich geht in die Knie, nimmt es in die Hand und verharrt in der Hocke. Mit seinen Fingern bewegt er ein wenig die Glöckchen, die in der Frühlingssonne blitzen, und um seine Mundwinkel spielt etwas Zärtliches. Ein Duft steigt ihm in die Nase, mit dem er nicht mehr gerechnet hat, von dem er glaubte, ihn schon verloren zu
haben.
[...]
Frühling
Fast hätte Friedrich das Windspiel übersehen, der Sturm muss es vom Nussbaum gerissen haben. Als er an diesem Morgen durch die Werkstatt aus dem Haus tritt, liegt es, ähnlich einer Marionette, leblos und stumm im Gras. Friedrich geht in die Knie, nimmt es in die Hand und verharrt in der Hocke. Mit seinen Fingern bewegt er ein wenig die Glöckchen, die in der Frühlingssonne blitzen, und um seine Mundwinkel spielt etwas Zärtliches. Ein Duft steigt ihm in die Nase, mit dem er nicht mehr gerechnet hat, von dem er glaubte, ihn schon verloren zu
haben.
Anfangs, als das Windspiel neu im Nussbaum hing, hatte ihn sein feiner Klang oft aus der Werkstatt
gelockt. Er lehnte dann im Türrahmen, lauschte der Melodie und fühlte sich so federleicht, wie sich nur einer der Spatzen fühlen kann, die ihn auch jetzt wieder jeden Morgen in aller Frühe mit ihrem aufgeregten Gezwitscher aus dem Schlaf holen. Wenn
er so stand und lauschte, konnte er völlig aus der Welt verschwinden. Doch dann waren seine Ohren satt geworden, sie hörten das Spiel der Glöckchen nicht mehr, oder sie hörten es doch, waren aber nicht mehr bereit, den Klang in sein Bewusstsein zu
bringen.
Friedrich steht auf und stoppt seine Gedanken, die ihn zurücktragen wollen an einen Ort und in eine Zeit, in die er sich nicht mehr begeben möchte.
Die er nur noch selten und mit einem gewissen Abstand vorüberziehen lässt. Er legt das Windspiel in die Truhe neben der Tür und stapft in seinen Gummistiefeln hinüber zum Kartoffelacker. Der Tag ist perfekt für die Ernte der Frühkartoffeln. Friedrich sticht die Mistgabel in die lockere Erde und zieht an den dürren Stängeln. Es ist höchste Zeit, die Blätter haben sich schon vor einigen Wochen gekräuselt, aber die Arbeit in der Werkstatt hat es nicht zugelassen. Die Erde ist locker und lässt sich leicht von den Knollen schütteln. Das ist das Schöne an dieser Arbeit : Man wartet wochenlang, kann nur hin und wieder die Blätter begutachten und hoffen.
Bis man eben eines Tages an den Stängeln zieht und das Geheimnis gelüftet wird. Er gräbt die Finger in die Erde, hält sich eine Handvoll unter die Nase und zieht den Duft ein. Hier in diesem Acker hat er vor Jahren einen Fund gemacht. Es war ein überaus warmer Tag im März, die Erde war schon aufgehäuft und bereit. Er hatte die Stiefel ausgezogen und war gerade dabei, die Kartoffeln zu setzen. Da fühlte er, wie seine Füße
von einem kühlen Wesen umschlossen wurden, das sich durch seine Zehen schob. Geschmeidig und sanfter und zarter, als es die Ackererde tat. Friedrich holte einen Spaten und begann, den Ton auszustechen, der gelbliche Spuren auf seinen Füßen hinterlassen hatte. Er füllte ihn in eine Wanne. Die Wanne ließ er im Garten stehen, die Masse wurde klumpig, und Friedrich konnte spüren, wie sie schon zu ihm gehörte. Dies war sein Ton.
Nach vier Stunden ist die Arbeit getan, und sechs volle Steigen mit Kartoffeln stehen neben dem Acker. Er schnappt sich ein paar Knollen, geht in die Küche und setzt einen großen Topf mit Wasser auf. Die trockenen Sprieße im Herd fangen auf der Stelle Feuer. Es ist ein Ritual. Es muss sein, sich gleich nach der Ernte die ersten Kartoffeln auf den Teller zu legen, dazu Butter und alten Bergkäse, mindestens acht Monate gereift. Grumpora mit Käs, wie die Einheimischen dieses Gericht nennen.
Friedrich ist kein Einheimischer, lediglich seine Mutter hatte verwandtschaftliche Verbindungen in den Bregenzerwald, und so verbrachte er mit seinen Eltern einige Sommer hier. Es hat ihm schon als Kind gefallen, die grünen Hügel und dahinter diese gewaltigen Berge, fast das ganze Jahr über sind ihre Spitzen mit Schnee bedeckt. Das Haus mit seinen Sprossenfenstern, die das Feld draußen in kleine Bildchen teilten. Der Kachelofen in der Stube, in der er an Regentagen auf der Ofenbank lag, eingelullt in eine wohlige Wärme. Das Knacken in den Balken, das ihn anfangs erschreckte, dann aber zu einer beruhigenden Begleitmusik der Sommernächte wurde. Nach den Sommerferien war es fast unmöglich, wieder abzufahren, es hat jedes Mal ein großes Gezeter gegeben, und die Mutter war verzweifelt, wenn der Bub bockend auf dem Boden hockte und mit dem Kopf gegen die Holzdielen schlug. Und schon als Kind wollte er sich ein Bauernhaus kaufen, was natürlich ein Schmunzeln bei den Erwachsenen auslöste.
Das Wetter in diesem Frühling gleicht einer Wundertüte, auf einen kühlen Regentag folgt sommerlich warme Sonne, dann wieder eisiger Nordwind,
und man weiß nie, was als Nächstes kommt. Aber den Kartoffeln scheint es nichts ausgemacht zu haben, sie sind wunderbar gediehen. Er selbst braucht nicht viel, doch sein Nachbar Vincent isst gern und viel, auch wenn man es ihm nicht ansieht bei seiner dünnen Gestalt. Aber die Hände sind groß wie die Blätter des Rhabarberstrauches, aus ihnen strotzt regelrecht die Kraft. Vincent ist heute in aller Frühe mit Traktor und Anhänger vorgefahren und hat drei Kubikmeter Fichtenscheite in den Garten gekippt. Das Holz liegt zwischen Brennofen und Misthaufen und muss noch aufgeschichtet werden. Früher hat Friedrich alles selber gemacht, hat tagelang die Stämme gespalten. Doch jetzt überlässt er es Vincent, der mit dem Holz vertraut ist und nur beste Qualität bringt. Trockenes schönes Fichtenholz, für den Brand ist das wichtig.
Friedrich legt sich eine Kartoffel auf den Teller, zerteilt sie mit der Gabel und gibt ein großes Stück Butter obenauf. Er lehnt sich wohlig zurück und
beobachtet, wie die gelbe Flüssigkeit sich über den Kartoffelstücken verteilt. Ein zaghaftes Klopfen an der Tür holt ihn aus seinem stillen Staunen. So zaghaft würde niemand aus dem Dorf klopfen. Überhaupt kommt man hier auf dem Land einfach herein, und niemand denkt sich etwas dabei.
Nach seinem „ Herein ! “ steht eine junge Frau auf der Türschwelle. Ihre schwarzen Haare werden seitlich von zwei Spangen gehalten und sehen aus wie an den Kopf geklebt. Eine Weile steht sie einfach nur da in ihrer grünen Jacke, und Friedrich und sie blicken sich in die Augen, jeder in Erwartung. Dann verbeugt sie sich ein wenig.
„ Entschuldigen Sie, ich bin es, Akiko. Ich hatte wegen der Praktikumsstelle angerufen. “
Friedrich rappelt sich aus seiner bequemen Haltung hoch und setzt sich aufrecht vor seinen Teller.
„ Natürlich, ja, du hattest angerufen. Komm nur herein, du kannst gleich mitessen. “
Akiko rührt sich noch immer nicht von der Stelle.
„ Komm und setz dich doch. Wie war die Anreise? “
„ Es war schön, vor allem die Fahrt mit dem Bus, die Landschaft gefällt mir. “ Friedrich stellt einen Teller vor Akiko auf den Tisch, holt Besteck, ein Glas.
„ Nimm. “
Er schiebt den Brotkorb mit den Kartoffeln, die zum Warmhalten in ein Geschirrtuch gewickelt sind, über den Tisch. Auch die Butter und den Bergkäse schiebt er der jungen Frau hin.
„ Du kannst mir nachher gleich helfen. Das Holz muss aufgestapelt werden. “
Nachdem sie schweigend gegessen haben, steht Friedrich auf und öffnet die Tür neben dem Herd.
„ Das ist der Gaden, da haben früher die Bäuerin und der Bauer geschlafen. Hier kannst du dich einrichten.“
„Die enge Freundschaft mit einem Töpfer brachte mich vor ungefähr zehn Jahren mit dem Töpferhandwerk in Berührung. Es ist sehr faszinierend zu sehen, wie aus einem Klumpen Lehm in den Händen eines Menschen ein Gefäß entsteht. In Japan hat die Kunst des Töpferns eine lange Tradition und genießt ein hohes Ansehen.
So bin auch ich auf diese wunderbare Kultur aufmerksam geworden, die mich von Beginn an angezogen und seither nicht mehr losgelassen hat."
Ingrid Kloser
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