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Baumsterben (Forsthauskrimis 2) Baumsterben (Forsthauskrimis 2) - eBook-Ausgabe

Christoph Stoll
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Kriminalroman

— Cosy Crime mit feinem Humor um einen ermittelnden Forsthausbesitzer und die Morde in seinem Wald
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Baumsterben (Forsthauskrimis 2) — Inhalt

Langsam und mörderisch fallen die Bäume im 2. Band der Forsthaus-Krimi-Reihe von Christoph Stoll. Kunstlehrer und Waldbesitzer Justus Hauer muss wieder ermitteln. 

Denn trotz idyllischer Lichtungen und wohltuender Stille ist der Wald in Christoph Stolls Krimis nicht immer ein friedlicher Ort. In „Baumsterben“ wird der Wald vielmehr Gegenstand von Gier und Intrigen, Streit und Missgunst – eine gefährliche Mischung. 

Ein Krachen in der stillen, sternlosen Nacht. Ein mächtiger Baum fällt mit brutaler Wucht auf ein Einfamilienhaus. Da Justus Hauer als Waldbesitzer für den Baum, der das Haus der Ortsbürgermeisterin getroffen hat, verantwortlich ist, muss er sich zum Forsthaus aufmachen. Der Baum war so gefällt worden, dass er das Haus treffen sollte. Ein Mordversuch oder eine Einschüchterung? Justus und Kommissarin Helliger nehmen die Ermittlungen auf … und kommen sich noch etwas näher. 

In „Baumsterben“ wird Christoph Stolls Held Justus Hauer erneut zum unfreiwilligen Ermittler. Dabei ist der sympathische Kunstlehrer scheinbar so gar nicht dafür geeignet: Strategie ist nicht seine Stärke, systematisches Denken ebenso wenig, etwas ungeschickt ist er auch. Doch dafür kennt er den Wald und hat ein geschultes Auge für Details … 

Leichtfüßig, mit klugem Humor und einem überraschenden Fall: Die Forsthauskrimis von Christoph Stoll kombinieren geschickt ein idyllisches Setting – ein Forsthaus an der Lahn -, einen sympathischen Ermittler wider Willen und raffinierte Fälle.

€ 14,00 [D], € 14,40 [A]
Erschienen am 29.08.2024
320 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-492-32072-6
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€ 10,99 [D], € 10,99 [A]
Erschienen am 29.08.2024
320 Seiten
EAN 978-3-492-60712-4
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Leseprobe zu „Baumsterben (Forsthauskrimis 2)“

Kapitel 1

Eine dunkle, sternenlose Nacht im Lahntal. Aus dem Nichts wird die Stille durch ein zunächst kaum wahrnehmbares Geräusch gestört. Ein leises Knistern steigert sich mit rasender Geschwindigkeit zu einem großen, krachenden Getöse. Mit infernalischer Lautstärke stürzt eine gewaltige Fichte um. Pfeifende Geräusche orchestrieren das Kippen des Baumes mit seinen mächtigen Ästen. Die gewaltige Spitze lässt beim Auftreffen Dachziegel eines Wohnhauses im Ortsteil Lahntal von Lahnberg splittern und mit klirrendem Geräusch auf dem Boden einer Terrasse [...]

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Kapitel 1

Eine dunkle, sternenlose Nacht im Lahntal. Aus dem Nichts wird die Stille durch ein zunächst kaum wahrnehmbares Geräusch gestört. Ein leises Knistern steigert sich mit rasender Geschwindigkeit zu einem großen, krachenden Getöse. Mit infernalischer Lautstärke stürzt eine gewaltige Fichte um. Pfeifende Geräusche orchestrieren das Kippen des Baumes mit seinen mächtigen Ästen. Die gewaltige Spitze lässt beim Auftreffen Dachziegel eines Wohnhauses im Ortsteil Lahntal von Lahnberg splittern und mit klirrendem Geräusch auf dem Boden einer Terrasse zerplatzen. Der riesige Stamm, der mehr als dreißig Meter misst, liegt zitternd quer über Terrasse und Garten des Einfamilienhauses. Die fatale Verwüstung benötigte nur Sekunden.

Um drei Uhr nachts klingelt in Frankfurt bei Studienrat Justus Hauer das Handy am Bett. Der Klingelton ist hartnäckig. Muss er auch sein, denn Justus Hauer befindet sich in Schlummerland. Als er im Halbschlaf bemerkt, dass Ignoranz keine Option ist, gehen ihm blitzschnell die möglichen Anrufer durch den Kopf: Ist was mit seiner Mutter im einsamen Forsthaus, ist es ein Schülerstreich oder die Kundenzufriedenheitsumfrage seines Waschmaschinenherstellers? Endlich findet er das Handy. Auf dem Display steht unmissverständlich Friederike Mahr. Warum ruft ihn die Försterin seines bescheidenen Waldstücks mitten in der Nacht an? Jetzt ist Justus hellwach. Auch ohne eine Lampe einzuschalten, ohne Kaffee, ohne alles.

„Was gibt’s denn? Hat sich in meinem Revier der Dachs verlaufen, der Hirsch Husten oder der Fuchs Liebeskummer?“ Justus erschrickt ein wenig, als er sich so sprechen hört. Dafür kennen sich die beiden eigentlich viel zu lange.

„Nein, sorry, also ehrlich, warum rufst du mich an? Du weißt schon“, forschender Blick aufs Handy, „dass es mitten in der Nacht ist?“

Immerhin kommt es so zu keiner weiteren verbalen Entgleisung.

„Justus, ich reiß’ mich auch nicht darum, aber wenn es dir hilft, ich bin schon seit halb zwei auf den Beinen.“

Schweigen im Schlafzimmer Hauer.

„Also ich erklär’s dir kurz. So um kurz nach eins ist heute Nacht eine große Fichte umgestürzt.“

Justus denkt nur: So was kann in der Natur und besonders in einem Wald vorkommen. Baum krank, Wind stark, Schwerkraft im Einsatz, da bleibt das nicht aus.

Justus gähnt. „Also, ein Baum ist umgefallen?“

„Der Baum steht oder, besser gesagt, stand in deinem Waldstück direkt oberhalb der Wagners in Lahntal.“

Justus fühlt sich bemüßigt, das von seinem Vater – Förster in elfter Generation – vermittelte Wissen gegenüber der Revier-Fachkraft ins Spiel zu bringen: „Na ja, das sind ja auch nur Flachwurzler.“ Er findet das ziemlich fachmännisch. Gerade wenn man kein Lodengrün trägt, sondern sich als Kunstlehrer mit Bildern, Perspektiven und Epochen beschäftigt.

Justus bemerkt, dass die Försterin nicht in Stimmung für solche Einlassungen ist.

Nach einem etwas zu langen Atemholen von Friederike Mahr, was wohl als ein Anflug von Verzweiflung bei dieser nächtlichen Kommunikation zu verstehen ist, findet sie zu ihrer klaren Linie zurück, die ihr ganzes Leben begleitet. Für Justus sind gerade Linien so ziemlich das Langweiligste, was er sich vorstellen kann, aber für ihre Klarheit liebt er Friederike schon. Deshalb ist sie auch die „Frieda“ für ihn.

Friederike legt nun los. Ihr Ton signalisiert: Kein weiterer Stopp auf dieser Strecke!

„Also, die Fichte hat beim Umstürzen das Haus unserer Bürgermeisterin gestreift. Der Dachvorsprung hat ganz schön was abbekommen. Jetzt liegt das Monster halb auf der Terrasse und halb im Garten. Zumindest sind das Klettergerüst und die Schaukel der Kinder noch ganz. Aber du kannst dir vorstellen, da war die Aufregung groß. Sie, ihr Mann und die beiden Kinder haben im Dachgeschoss geschlafen, als der Baum umgestürzt ist, also das war schon knapp!“

„Ich versteh immer noch nicht …“, will Justus anfügen, da fährt Friederike Mahr fort:

„Die Wagners haben mich dann angerufen. Wahrscheinlich hatten sie Angst, dass noch ein anderer Baum durch den Sturz gestreift und gelockert wurde und nun ebenfalls Richtung Haus fallen könnte. Na ja, und im Dunkeln ist die Angst natürlich auch noch mal größer. Außerdem war es zu der Zeit vollkommen windstill. Klar ist da ein umstürzender Baum ziemlich unheimlich!“

Nun kann er Friedas aufgeregten Tonfall ein Stück weit verstehen. Das hört sich nicht nach einer friedlichen Waldansicht à la Caspar David Friedrich an. So weit kann er zumindest folgen.

„Ich bin dann sofort von Lahnberg nach Lahntal runtergefahren, habe die erst einmal beruhigt. Dann habe ich mir meine Taschenlampe geschnappt und mir den Baumstumpf angeschaut.“

„Ja und?“, kommt es matt von Justus, der innerlich schon einmal den Weg Richtung Weiterschlafen eingeschlagen hat.

„Du wirst dich wundern!“

Justus merkt, dass er absolut nicht bereit ist, sich zu wundern.

„Der Baum ist abgesägt worden. Ganz klar. Wahrscheinlich keine Motorsäge, damit’s keiner hört. Und jetzt kommt das Größte!“

Bei Justus werden die Gehirnströme immer noch nicht fluide. Warum nachts sägen? Klar weiß er, dass es in alter Tradition gute Zeiten fürs Fällen gibt, wie zum Beispiel zwischen Weihnachten und Heilige Drei Könige, denn da ist nur noch sehr wenig Feuchtigkeit in den Stämmen, aber jetzt ist Oktober, und es ist mitten in der Nacht. Immer noch.

„Die Fallkerbe war exakt so ausgerichtet, dass der Baum auf das Haus der Bürgermeisterin fallen musste. Du weißt, was das bedeutet?“

„Nichts Gutes?“, kommt es stimmlos von Justus.

„Also: ich habe dann die Polizei gerufen, die haben sich das angeschaut. Und deswegen rufe ich dich an, es soll heute Nachmittag um vierzehn Uhr einen Termin mit der Polizei, den Wagners und der Versicherung von den Wagners geben. Die Presse wird bestimmt auch da sein. Die haben ja ihre Connections zur Polizei, und nachdem sich letzte Woche der böse Wolf als netter, Hundesteuer zahlender Schäferhund-Mischling geoutet hat und deshalb kein Thema mehr für Schlagzeilen ist, werden die sich nun darauf stürzen. Und: du müsstest dich bitte auch herbemühen. Immerhin ist es dein Baum.“

Mit solchen Bäumen will Justus eigentlich nichts zu tun haben. Aber der Wald gehört nun mal den Hauers. Warum können sie nicht einfach eine dauervermietete Dreizimmerwohnung am Stadtrand Frankfurts anstatt eines Forsthauses im fernen Lahntal besitzen?

„Schaffst du das?“, fragt die Försterin schnell nach.

Wahrscheinlich hat sie Angst, dass ich gleich wieder einschlafe, denkt Justus müde.

„Ja, das bekomme ich hin. Muss ich ja wohl.“

„Gut, dann bis heute Nachmittag“, hört Justus Frieda sagen. Präzise wie ein Befehl.

Das Gespräch hat Labrador George II überzeugt, dass die Nacht nun zu Ende ist und er jetzt mit Fressen und einem Spaziergang rechnen kann. So sitzt er aufmerksam und schwanzwedelnd vor Justus’ Bett. Justus starrt in die braunen Augen seines Hundes, die ihn liebevoll fixieren. Es ist immer noch mitten in der Nacht, aber der Magen eines Labradors kennt keine Ruhezeiten. Warum eigentlich nicht? Justus ist zu müde zum Denken. Er macht das Licht aus und wartet darauf, dass George II sich wieder zu seinem Weidenkörbchen (Handarbeit aus Yorkshire!) trollt. Im Einschlafen hört er nichts. Alles ist gut. Das kurze Geräusch eines Hundes, der Anlauf nimmt und exakt eine Sekunde später ein kleines Matratzenbeben mit der Stärke sechs auf der Richterskala auslöst, gehört wieder einmal zu den typischen Fehleinschätzungen des Justus Hauer. George II hat seinen standesgemäßen Schlafplatz gewählt. Damit muss Justus nun schlafen können.


Kapitel 2

Am nächsten Morgen, der viel zu früh ins Zimmer schleicht, muss Justus kurz sortieren, ob der nächtliche Anruf vielleicht ein Traum war. George II am Fußende des Bettes lässt da allerdings keinen Zweifel aufkommen. Also erst einmal Schule. Justus versucht sich zu beeilen, was aber nur dazu führt, dass sich der Rest seines Kaffeebechers mit dem praktischen Klickverschluss, bei dem der Zeigefinger immer schnell vergisst, ob er geschlossen oder noch gedrückt ist, in die Studienrats-Aktentasche ergießt. Die Klassenarbeiten des Elfer-Grundkurses sind nun alle schön braun gebatikt. Also doch lieber im gemäßigten Justus-Tempo weiter.

Pünktlich beim Schulgong betritt er das Gebäude. Er nimmt es zumindest für Pünktlichkeit. Was für Schüler gilt, sollte auch für Lehrer gelten. Den Unterricht hat er ja im Kopf. Genauso pünktlich verlässt er mit dem Endgong der fünften Stunde das Gebäude. Zu Hause noch schnell George II einpacken, und schon geht es aus Frankfurt Richtung Lahn.

Er fährt direkt nach Lahntal, der kleinen, nur aus sechs Häusern bestehenden Siedlung, die administrativ zu Lahnberg gehört. Er versucht, direkt vor dem Haus der Bürgermeisterin noch eine Lücke zum Parken zu finden. Gar nicht so einfach. Auf der einen Seite fließt die Lahn, auf der anderen gibt es kaum Parkmöglichkeiten. Er erkennt das Auto von Friederike Mahr, und George II erkennt ihren Dackel Elvira im Innern des Kombis. „Love is in the Air“. Daneben noch ein Polizeifahrzeug, ein Pick-up und einen Transporter vom SWR. Oje! Das ganz große Besteck, denkt Justus. Er beschließt, nicht zu klingeln, sondern nimmt gleich den Weg zwischen den Häusern, wo früher gerne die Traktoren geparkt oder die Kanus gestapelt wurden.

Als er am Gartentor ankommt, bleibt er fassungslos stehen. Wo früher ein kleiner, hübsch hergerichteter Garten mit liebevollen Spielmöglichkeiten für die Kinder inklusive Baumhaus war, hat der gefällte Baum eine Spur der Verwüstung hinterlassen.

Die Bürgermeisterin sieht Justus und kommt ihm entgegen, um ihm die Gartenpforte zu öffnen. „Hallo, Justus“, begrüßt ihn Anna Wagner.

Justus erschrickt. Das Gesicht der Dreiunddreißigjährigen, sonst ein Sinnbild für Dynamik und Lebensfreude, wirkt versteinert. Wo sonst die Lippen zwischen den Worten lächeln und die Augen blitzen, ist eine wächserne Leblosigkeit eingezogen. Auch die Stimme, die sonst klar und deutlich Räume zu füllen und Menschen zu erreichen weiß, klingt fahl und heiser.

„Schön, dass du auch da bist. Wir sind hier inzwischen vollständig. Das SWR-Team, das da am Hang rumkraxelt, lassen wir mal außen vor.“

Sie ruft alle Anwesenden zu sich. Hier steht nun ein Halbkreis gleichermaßen staunender und erschrockener Menschen, von denen sich zumindest einige kennen. Da der Gutachter der Wohngebäudeversicherung aus Koblenz kommt, stellt Anna Wagner aber noch einmal alle der Reihe nach vor: „Friederike Mahr, die für das Waldstück zuständige Försterin, Justus Hauer, Besitzer des Waldstücks, in dem der Baum stand, Polizeiobermeister Strecker aus Bad Ems, Versicherungsgutachter Dr. Harald Stamm“, Justus kann nicht anders als zu schmunzeln, „und Jürgen Beckert, Forstwirt. Mein Mann ist übrigens mit den Kindern bei den Großeltern. Ich danke Ihnen, dass Sie es alle möglich gemacht haben, so schnell zu kommen. Wir sind vollständig, also lassen Sie uns mit dem Ortstermin beginnen. Herr Polizeiobermeister Strecker ist so freundlich, alles zu protokollieren.“

Während Anna Wagner bewundernswert ruhig und sachlich weiterspricht, hört Justus ein Auto, das sich auf dem schmalen Weg zum Garten im Schritttempo nähert. Dann sieht er die dazugehörige graue Motorhaube. Er runzelt die Stirn. Nun kann er aus der Entfernung schemenhaft den Fahrer erkennen. Hier hätte ihm allerdings das Gendern beim Denken helfen können, denn es ist eine Fahrerin. Justus hat keine Zeit mehr, sich erst zu wundern und dann zu erschrecken. Er erschrickt sofort. Es ist Kommissarin Kathrin Helliger, die er bei einem Vorfall in seinem Revier im Sommer kennengelernt hatte. Was macht die hier???

Die Kommissarin öffnet die Gartenpforte und wirkt dabei so bestimmend, dass keiner zu fragen wagt, wer sie ist und wie sie hierherkommt. Nach einigen Schritten über den frisch gemähten Rasen ist sie beim Halbkreis angekommen. Keiner sagt ein Wort. Justus denkt nicht mal eins.

„Entschuldigen Sie bitte, dass ich hier so hereinplatze. Mein Name ist Kathrin Helliger von der Kripo Bad Ems. Lieber Herr Strecker, ich habe Sie leider nicht vorab informieren können, dazu ging alles zu schnell. Sorry dafür, lieber Herr Kollege. Ich bin hier, weil die Staatsanwaltschaft sehr besorgt ist, wenn Politiker und Politikerinnen, auch auf der lokalen Ebene, Opfer von Angriffen werden. Deshalb bin ich mit dem hier beschäftigt“, sie zeigt auf den liegenden Baum, „bis ich einschätzen kann, ob es sich hierbei um eine gezielte Tat gegen Frau Ortsbürgermeisterin Wagner handelt oder ob der Vorfall andere Hintergründe hat. Ich ermittle da erst einmal ergebnisoffen.“

Bis jetzt hat sie beim Reden alle angeschaut. Alle bis auf Justus. Er befürchtet, dass er jetzt dran ist. Natürlich wendet sie jetzt ihm den Blick zu. Was tun? Vor Justus läuft in Sekunden ein Kathrin-Helliger-Film ab. Bilder aus dem Sommer, Bilder im Forsthaus, im Wald, bei der Ermittlung, beim Wein … Er merkt, dass er sich nun verhalten muss, am besten irgendwie vernünftig verhalten muss. Die Spannung steigt. Der Puls ist schon oben. Wenn da nur nicht die vielen Menschen wären. Er formuliert dann nickend ein mattes „Hallo“. Unverfänglichkeit kann ein Segen sein, zumindest manchmal, freut er sich dezent.

Kathrin Helliger wäre nicht Kathrin Helliger, wenn sie den Ortstermin nicht systematisch strukturieren würde. Zunächst wird der Verlauf rekonstruiert. Dabei sind die Aussagen und Einschätzungen der Försterin Mahr und die des jungen Forstwirts Beckert extrem wichtig. Der Gutachter der Versicherung ist sichtlich damit beschäftigt, dem Ereignis die richtigen Versicherungsparagrafen und Schadenfallsmerkmale zuzuordnen und dabei vor allem mögliche Leistungsausschlüsse zu identifizieren. Von Frieda erhascht Justus zwischendurch einmal einen Blick, als ob er den Baum abgesägt hätte, nur damit die Kommissarin wieder einen Grund hat, nach Lahnberg zu kommen.

Polizeiobermeister Strecker weicht Kommissarin Helliger nicht von der Seite. Mag Justus das? Aber der Polizeibeamte ist voll und ganz auf das Protokoll konzentriert. Das entspannt nun Justus wieder. Das kann er sich sogar eingestehen.

Nachdem keiner in der Runde mehr etwas beitragen kann und für heute alles besprochen und dokumentiert ist, bittet Kommissarin Helliger kurz um Aufmerksamkeit.

„Ich danke Ihnen, dass wir hier so einen guten Termin hatten. Meine Arbeit geht weiter, denn es ist nach dem ersten Anschein von einem Anschlag auszugehen. Ob es sich um eine Einschüchterung oder versuchten Mord handelt, das werde ich herauszufinden haben. Auf Wiedersehen.“

Sie verteilt noch Visitenkarten. Justus ist gespannt, ob er, der inzwischen etwas abseits steht, auch eine bekommt. Und tatsächlich nähert sie sich ihm und übergibt auch ihm eine. Er bedankt sich, indem er die Karte mit der linken Hand entgegennimmt und ihr – obwohl jetzt wieder die Frau Kommissarin – kurz mit der freien rechten Hand ihren Unterarm berührt. Nur eine Millisekunde. So lange etwa, wie ein Schmetterling benötigt, um einmal die Flügel aneinanderzuschlagen. Eine Millisekunde aber, die ihn noch Minuten danach überrascht und in sonder­bare Gedanken hüllt.

Christoph Stoll

Über Christoph Stoll

Biografie

Christoph Stoll stammt aus einem mehrere Jahrhunderte alten nassauischen Förstergeschlecht. Er wuchs in einem Forsthaus im Taunus auf. Statt Tiere zu jagen, entschied er sich für ein Musik- und Germanistikstudium. Zunächst arbeitete er als Autor und Musikredakteur für mehrere Radiosender bevor er in...

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