

Bound by Flames (Funken und Asche 1) Bound by Flames (Funken und Asche 1) - eBook-Ausgabe
Roman
— Mit limitiertem Farbschnitt | Romantische Drachen-FantasyBound by Flames (Funken und Asche 1) — Inhalt
Eine Thronerbin wird zur Drachenreiterin!
Einen Drachen fliegt man nur zu zweit. Es ist eine Ehre – und ein Todesurteil, zumindest für den schwächeren der beiden Drachenreiter, dessen Lebenskraft von der Magie des Drachen verschlungen wird. Um einer Zwangsheirat zu entgehen, meldet sich Prinzessin Caja dennoch freiwillig, eine Drachenreiterin zu werden. Aber nur einer erklärt sich bereit, ihr Partner zu werden: der viel zu starke Reiter Sy mit seinem Drachen Eleni. Damit Caja überlebt, müssen sie ihre Kräfte ins Gleichgewicht bringen, und kommen sich dabei näher als gedacht. Doch Liebe ist unter Drachenreitern strengstens verboten …
Band 1: Bound by Flames
Band 2: Freed by Fire
Leseprobe zu „Bound by Flames (Funken und Asche 1)“
Prolog
„Dubhar“, hörte ich einen Wächter von den Zinnen unseres Schlosses so laut rufen, dass ich es bis in mein Turmzimmer vernehmen konnte und seine Warnung mich sogar aus dem Tiefschlaf riss. Gleich darauf läutete die Glocke auf dem höchsten Wehrturm Sturm, und ganz Avion erwachte mit einem Ruck.
Dubhar. Sie kamen wie immer mitten in der Nacht. Sobald sich die Menschheit zum Schlaf bettete und der rötlich schimmernde Blutmond am Firmament seine Bahnen zog, flogen sie in dichten, tödlichen Schwärmen los.
Wenn die Untiere die Hauptstadt meines Landes [...]
Prolog
„Dubhar“, hörte ich einen Wächter von den Zinnen unseres Schlosses so laut rufen, dass ich es bis in mein Turmzimmer vernehmen konnte und seine Warnung mich sogar aus dem Tiefschlaf riss. Gleich darauf läutete die Glocke auf dem höchsten Wehrturm Sturm, und ganz Avion erwachte mit einem Ruck.
Dubhar. Sie kamen wie immer mitten in der Nacht. Sobald sich die Menschheit zum Schlaf bettete und der rötlich schimmernde Blutmond am Firmament seine Bahnen zog, flogen sie in dichten, tödlichen Schwärmen los.
Wenn die Untiere die Hauptstadt meines Landes Altara angriffen, war das übel. In meiner Kindheit hatten sie das ein einziges Mal getan. Dreihundert Tote, darunter der König selbst. Mein Vater war über Nacht auf den Thron gesetzt worden. Ich erinnerte mich kaum an die damalige Attacke, da ich erst drei Jahre alt gewesen war, doch die Schreckgeschichten sorgten dafür, dass ich innerhalb eines Lidschlags aus meinem gemütlichen Bett sprang und mir hastig ein Kleid und die Stiefel anzog. Zeitgleich öffnete sich die Tür, und mein Leibwächter Leiad stürmte herein.
Im Gegensatz zu mir war er längst angezogen und schwer bewaffnet. An einem Gürtel um die Hüften trug er sein Schwert, und an zwei vor der Brust gekreuzten Lederschlaufen hatte er sich noch zusätzlich jede Menge Waffen gespannt. Dolche, Messer und Wurfsterne steckten darin. Über seine rechte Schulter hinweg entdeckte ich einen Pfeilköcher samt Bogen. Eindeutig. Leiad rechnete damit, heute Nacht um unser Leben kämpfen zu müssen. Anders als ich hatte er die Gefahr bereits vor der ersten Warnung des Wachtmagiers bemerkt.
Niemand wusste wirklich, was die Dubhar überhaupt waren oder woher sie stammten. Eines Tages hatte sich der Mond rot gefärbt, und sie hatten die Menschheit angegriffen.
Tödlich, präzise und alles vernichtend.
Das war vor einhundertfünfzig Jahren geschehen. Seitdem waren wir sie nicht mehr losgeworden. Im Gegenteil. Ihre Angriffe nahmen an Härte zu, und die Attacken folgten immer dichter aufeinander.
Anders als die übrigen Untiere wie die Drachen oder die Wyvern waren die Dubhar unsichtbar, sodass wir Menschen ihnen hilflos ausgeliefert waren. Wie sollten wir einen Gegner töten, wenn wir ihn nicht mal erkennen konnten?
Einzig düstere, knisternde Wolken voller Magie kündigten ihr Herannahen an. Doch kaum hatten unsere Magier diese Anzeichen entdeckt, war es eigentlich auch schon zu spät.
Endlich hatte ich die Stiefel angezogen und sah hoch. Leiad war kurz vor mir stehen geblieben und hatte dabei reichlich Dreckspuren auf meinem geliebten selbst geknüpften hellen Teppich hinterlassen. Eher achtlos kickte er einen leeren Tontopf zur Seite, ein Überbleibsel meiner gestrigen Pflanzaktion. Ich liebte Blumen, Kräuter oder Büsche, allerdings nahmen sie auch reichlich Platz in meinem Zimmer ein.
„Wir müssen runter in die Kellergewölbe“, erklärte mir Leiad und packte mich am Handgelenk, um mich Richtung Tür zu ziehen. Ich sträubte mich gegen diesen Griff.
„In die Gewölbe dürfen die Bediensteten nur in Begleitung der königlichen Familie. Wir müssen Eny holen.“ Auf keinen Fall würde ich meine liebste Zofe und Freundin im Schloss zurücklassen, wenn die Dubhar hierher unterwegs waren.
In Leiads Blick flackerte etwas auf. Eny und er waren seit zwei Jahren heimlich ein Liebespaar, und natürlich sorgte er sich um seine Freundin, aber seine Pflicht, mich unverzüglich in Sicherheit zu bringen, stand ihrer Rettung im Weg.
„Wir haben keine Zeit, sie zu suchen. Im Trakt der Bediensteten herrscht völliges Chaos, da finden wir sie nie“, protestierte er, doch ich befreite mich aus seinem Griff und rannte an ihm vorbei, raus aus meinen luftigen Gemächern und auf den dunklen Gang. Früher hatte der gesamte Bereich zu den privaten Räumlichkeiten der königlichen Familie gehört. Als mein Vater gekrönt worden war, musste er in den Herrscherbereich umsiedeln. Ich war als Einzige nicht umgezogen, da ich mein Zimmer so sehr liebte.
Die von mir bemalten Wände. Meine vielen Blumen. Die selbst bestickten Vorhänge und vor allem der ausreichende Platz, um heimlich mit Leiad zu trainieren. Hoffentlich würde mein kleines Reich den Angriff der Dubhar heil überstehen.
Zu den Kellergewölben ging es nach links, doch den dazugehörigen Treppenabgang ignorierte ich. Stattdessen hielt ich auf die Räumlichkeiten der Bediensteten zu, Leiad dicht hinter mir.
Die ersten ängstlich greinenden Frauen hasteten mir entgegen. Zofen meiner Mutter. Gehilfinnen. Mägde. Sie alle versuchten, sich in den unteren Etagen in Sicherheit zu bringen, denn die fliegenden Dubhar vernichteten in der Regel zuallererst die Wehrtürme und die größeren Gebäude. Dazu gehörte bestimmt auch das Zentrum des Palastes. Wir mussten hier weg. Dringend.
Und was machte ich stattdessen? Ich rannte in die falsche Richtung und brüllte dabei: „Eny! Eny? Wo steckst du?“
Leiad hielt mich am Arm fest und versuchte, mich mit körperlicher Gewalt zur Umkehr zu bewegen. Da er mir jedoch nicht wehtun wollte, war das ein für ihn schwieriges Unterfangen.
„Eny ist da vorn“, half mir schließlich eine von Mamas Zofen weiter. Zu dritt riefen wir nach der Gesuchten, bis sich eine junge Frau verwirrt umdrehte. Als sie uns erkannte, quetschte sie sich winkend und fluchend durch die panische Menge zu uns. Sie trug ein schlichtes Nachtgewand, bestehend aus einem weißen Kleid, das ihr bis zu den Knien reichte. Ihre blonden offenen Haare flossen ihr in sanften Wellen bis zum Po, und in ihren blauen Augen stand nackte Todesangst.
„Was macht Ihr hier, Prinzessin?“, keuchte sie entsetzt. „Ihr müsst runter in die Katakomben. Die Dubhar greifen an!“
„Ich geh nicht ohne euch zwei“, erwiderte ich hitzig, schnappte sie an der Hand und zog sie hinter mir her. Leiad schirmte uns mit seinem breiten Rücken vor rempelnden Hektikern ab, bis wir zum rettenden Treppenabsatz gelangten. Diesmal war es jener, der uns in die Sicherheitsbereiche der Königsfamilie bringen würde. In einem Strom von Menschen eilten wir die Stufen hinunter.
Ein Krachen ertönte. Instinktiv duckten wir uns und sahen ängstlich zur hohen Decke hinauf. Dass die Kronleuchter schwankten und leise klirrten, war ein beängstigendes Detail. Zumal jetzt auch die Erde bebte.
Die Dubhar kamen nicht allein.
Meistens waren sie die Vorhut für eine ganze Armee tödlicher Untiere. Unter normalen Umständen hielten Bannrunen an den Schutzmauern die gigantischen Wyrm davon ab, sich darunter durchzuwühlen, doch sobald die Dubhar die ersten Sicherungen zerstört hatten, gab es kein Halten mehr.
Schlangenartige Wyrm. Drachenähnliche Drakon ohne Schwingen. Fliegende Wyvern. Sie alle kamen im Schutz der mordenden Dubhar, um in die Städte einzufallen, Vieh zu fressen, Menschen zu töten und ihre Zerstörungswut auszuleben. Ein einziger Angriff von allen vieren konnte ganze Hauptstädte in die Knie zwingen. So hektisch, wie die Glocke geschlagen wurde, waren bei dieser Attacke alle Untiere mit dabei.
„Wir müssen hier weg“, stellte Leiad besorgt fest. Diesmal packte er nicht nur mich, sondern auch Eny, um uns aus dem Gedränge zu einer kleineren Verbindungstür zu ziehen.
„Die führt nach draußen auf den Innenhof“, protestierte ich.
„Das weiß ich, aber wenn wir nicht zu den Katakomben durchkommen, nützt uns Eure gehobene Stellung rein gar nichts. Ihr hättet längst in den Schlafbereich der Königsfamilie umziehen müssen, dann hätte ich Euch viel besser evakuieren können. Sollten wir das hier überleben, werde ich diesen Fehler umgehend korrigieren.“
Leiad war vor Ärger über sich selbst ganz rot im Gesicht. Gleichzeitig ging er konzentriert unsere Möglichkeiten durch. „Wir versuchen es außenrum und beten, dass uns noch genügend Zeit bleibt“, bestimmte er.
Umgehend stieß ich die Tür auf und stolperte in den dahinterliegenden offenen Bogengang, der den Innenhof des Schlosses umspannte. Fackeln beleuchteten die Nacht. Auf den Wehrgängen liefen die Soldaten hektisch hin und her, riefen einander Befehle zu oder beteten. Ein Sirren war zu hören. Seltsam hoch und schrecklich laut. Direkt danach folgte ein Krachen.
„Die äußere Wehrmauer der Stadt ist gefallen“, brüllte ein Wachmann. „Sie sind drin! Bogenschützen! Pfeile auflegen!“
Es war wie mit Erbsen auf Drachen zu schießen. Ein Dubhar konnte nicht mit einem Pfeil erlegt werden. Da half nur Magie – oder ein Drache. Um sich aber nicht so dermaßen hilflos zu fühlen, legten die Menschen dennoch ihre Waffen an.
Wo blieben denn bloß die Drachenreiter, die bei solch einem großen Angriff grundsätzlich alarmiert wurden? Hier ging es um die Hauptstadt von Altara, verdammt. Da mussten die doch schneller reagieren!
Der Himmel flammte auf. Rötlich. Orangefarben. Feuerschein. Gleichzeitig wurde es stürmischer. Es roch nach Schwefel und wie nach einem Blitzeinschlag.
Pure Magie, die auf uns zuraste.
Leiad warf sich in der Sekunde auf Eny und mich, als die Schutzmauer rechts von uns in Stücke gerissen wurde. Der Soldat, der sich darauf befunden hatte, verschwand in einem schauerlichen Donnern zusammenbrechender Steine und Geröll. Auch uns erwischte die magische Energie und schleuderte uns gut zwei Meter in die Luft. Leiad und Eny krachten heftig an den linken Wall des Schlosses, während ich ein ganzes Stück höher getragen wurde. Der Innenhof entwickelte dabei eine Art Sogwirkung. Halb flog, halb rutschte und schleifte ich quer über die Wiese. Mauerstücke, Büsche, Äste und sogar zwei Kaninchen flogen rechts und links an mir vorbei durch die Luft. So mancher Schutt erwischte mich, doch meine Panik sorgte dafür, dass ich keine Schmerzen empfand.
Ich wusste nur, dass ich mich irgendwo festhalten musste.
Da! Ein Bogengang. Ich bekam den Rand zu fassen und schaffte es, mich erst festzuklammern und dann näher zum Stein zu ziehen, bis mich die Überreste der weggesprengten Mauer vor dem Sog schützten. Tief gebückt, um weniger Angriffsfläche zu bieten, schob ich mich die Treppe hoch zum Wehrgang hinauf, der nur noch zur Hälfte existierte.
Die Festung von Avion samt dazugehörigem Schloss im inneren Bereich war auf einem Berg errichtet worden, sodass man von hier aus bis weit über die gesamte Stadt und das Tal sehen konnte. Ich brauchte einen Überblick und musste herausfinden, was los war. Wenn ich schon draufging, dann wollte ich zuvor einen Blick auf die Wesen werfen, die soeben meine Welt aus den Angeln hoben.
Mit einem Ächzen schob ich mich hoch auf den bröckelnden Wehrgang und nahm meinen ganzen Mut zusammen, um über eine halb zusammengebrochene Zinne zu schauen. Was ich sah, ließ mich innerlich erbeben.
Unter mir ergossen sich die dunkelroten Häuserdächer von Avion. Dicht an dicht gedrängt, eine Stadt innerhalb der äußeren Festungsmauer, eingequetscht zwischen dem alles überragenden Schloss und den verschiedenen Wällen, die die Stadt in einzelne Bereiche teilte. Handelsviertel. Armenbereich. Adelsvillen. Handwerkergebiet. Und auf all das schob sich pure Dunkelheit zu. Ein Leben vernichtender Tod.
Die unsichtbaren Dubhar waren tatsächlich nicht erkennbar. Ich sah einzig ihre Magie, die sie wie eine Gewitterwolke vor sich herschoben. Blitze zuckten darin, die krachend auf sämtliche Mauern der Stadt niedergingen. Das Sirren war magische Zerstörungswut. Momentan konzentrierten sich unsere Angreifer auf den westlichen Bereich der Festung. Unser Glück, denn dadurch blieben wir von weiteren Böenwalzen der Dubhar verschont.
Sämtliche noch bestehende Schutzrunen leuchteten in allen Farben des Regenbogens, um die Wälle vor den Angriffen zu bewahren. Vergebens. Im Zentrum und auch im Westen der Stadt waren sie bereits erloschen, sodass der Luftraum über mir ungeschützt blieb.
Eine schwarze Nebelwand nutzte das und schob sich etwa zehn Meter über den Häuserdächern ins Innere der Festung. Ob der Nebel ein Körperbestandteil der Dubhar oder eine Art Waffe war, wusste niemand. Mittendrin verbargen sich die unheimlichen Wesen und ließen gleißende Blitze auf Mauern, Häuser, Menschen und Tiere niederregnen. Das Krachen und Bersten zusammenstürzender Gebäude nahm mir beinahe den Atem und vor allem meinen Mut.
Wie sollten wir diese Attacke jemals überleben? Insbesondere, weil mittlerweile auch die restlichen Untiere die Stadt erreicht hatten.
Ich entdeckte einen Lindwurm, der sich neben einem schlangenartigen Wyrm durch eine Lücke im Wall presste. Das Wesen war so groß wie ein ganzes Pferd und so lang wie fünf Gespanne. Offenbar war es direkt vor den Mauern aus der Erde herausgekommen. Und wo einer war, gab es meist noch viele weitere.
Magier feuerten von den Zinnen Zauber auf die Giganten hinab, um sie zu stoppen, während die dunkle Wolke der Dubhar an Höhe gewann und über die Stadt hinwegstrich. Das Manöver kannte ich bereits aus den Erzählungen. Sie holten Schwung, um die nächste Mauer in Angriff zu nehmen. Eine mörderische Front, die jeden Moment den Westwall zu Fall bringen würde.
Bevor es jedoch dazu kam, mischte sich ein Brüllen in das Sirren. Drachen. Sieben an der Zahl. Sie flogen in einer V-Formation dicht beieinander. Genau wie die Dubhar schoben sie eine magische Welle vor sich her, um sie frontal gegen die ihrer Gegner zu schleudern.
Ich duckte mich, als die verschiedenen Zauber aufeinanderprallten. Das Krachen war so laut, dass ich mir die Hände auf die Ohren pressen musste, um es aushalten zu können. Die Nacht wurde taghell erleuchtet, als die Energie der Drachenreiter auf die der Dubhar prallte.
Ein epischer Machtkampf entbrannte, der seltsam schaurig und faszinierend zugleich aussah. Den Gerüchten nach konnte man die Dubhar nur an einer einzigen Stelle mit einem gezielten Schlag töten. Wenn man sie woanders traf, schwächte sie das lediglich.
Die Drachenformation löste sich auf. In zwei Gruppen griffen sie die nun vereinzelt fliegenden Dubhar an, die ich undeutlich als einen Schimmer in der Luft identifizierte. Sobald ein Blitz durch sie hindurchzischte, meinte ich Krallen zu erkennen. Ein Kopf mit Fang- und Reißzähnen, ähnlich geformt wie bei den Drakon oder den Drachen, nur etwas massiger. Sie waren definitiv artverwandt, weswegen man sie zur fünften Art der Untiere zählte.
Drache, Dubhar, Drakon, Wyvern, Wyrm.
Rufe ertönten. Jemand brüllte einen Männernamen. Ein Soldat, der nach seinem Freund suchte. Die Überlebenden krochen aus ihren Verstecken hervor, um sich in Sicherheit zu bringen. Wo auch immer. Momentan waren die Dubhar mit den Drachen beschäftigt, doch sobald sie sich freigekämpft hätten, würden sie die Wehrtürme wieder in Angriff nehmen.
Ich musste hier weg! Dringend!
Leider war ich so fasziniert, dass ich mich kaum von dem Anblick der kämpfenden Wesen über mir lösen konnte. Die Drachenreiter griffen mit magischen Speeren an. Mit Pfeilen. Mit schimmernden Wurfsternen. Viele der Waffen gingen geradewegs durch ihre Gegner hindurch, doch manchmal trafen sie.
Ein Grollen ertönte, als sie einen Dubhar an einer empfindlichen Stelle erwischten. Das Wesen krümmte sich, zumindest glaubte ich, das in dem wilden Blitzgewitter erkennen zu können. Ein hellgrüner Drache flog daraufhin einen weiten Bogen und ließ einen Feuerstoß auf seinen Gegner regnen, direkt gefolgt von einem rot glühenden Speer, der offenbar sein Ziel fand. Der Dubhar zuckte erneut und implodierte. Es sah so aus, als würde sich die Wolke in sich selbst zurückziehen. Ein letztes Aufflackern, dann war es vorbei. Die Drachen hatten sich bereits längst ihrem nächsten Gegner zugewandt, der …
„Caja!“ Dass jemand meinen Namen ohne Titel rief, kam eigentlich nie vor. Das tat Leiad nur in höchster Not. Sein Ruf riss mich aus meiner Betrachtung und ließ mich herumwirbeln. Mein Leibwächter wühlte sich durch den Schutt und schrie nach mir. „Prinzessin! Caja!“
„Hier“, rief ich zurück und kroch mehr oder weniger die bröckeligen Stufen des zusammengefallenen Wehrgangs hinunter.
Leiad entdeckte mich, als ich etwa auf halber Höhe ankam, und winkte hektisch. „Rauf, rauf, rauf“, brüllte er und sprintete so schnell los, wie ich ihn noch nie hatte laufen sehen. In der gleichen Sekunde erscholl ein Horn. Das Zeichen für einen Wyrmangriff.
Ich verstand sofort. Wenn Leiad mich raufschickte, tauchte die verdammte Riesenschlange wahrscheinlich unter der Wiese auf. Hastig wollte ich die Stufen wieder hochlaufen, kam aber nur einen halben Schritt weit, dann brach hinter mir die Hölle los.
Die Erde bebte, als sich ein gigantisches Etwas aus dem Boden direkt neben dem Wall herauswühlte. Schlangenkopf. Gewaltige Giftzähne und ein langer, geschuppter Körper. Die Schlange hatte so viel Schwung, dass sie erst mal drei Meter in die Höhe schoss.
Leiad wich ihr hastig seitlich aus und wollte zu mir rüber zur Wehrmauer sprinten, lenkte dadurch aber die Aufmerksamkeit der Bestie auf sich. Knurrend schnappte sie nach ihm. Er hielt den Biss mit einem Schwerthieb auf und trieb das Untier damit zurück.
Zischend richtete es sich erneut zu seiner vollen Größe auf. Die Hälfte steckte noch in der Erde, doch auch der obere Teil war beeindruckend, allem voran das gigantische Maul und die geschlitzten Augen.
Leiad war geliefert, wenn ich ihm nicht half.
Ein Bogen! Hier hatte irgendwo ein verdammter Bogen samt Pfeilköcher rumgelegen. Ein Überbleibsel seines ehemaligen Besitzers, der tief vergraben im Schutt der Mauer liegen musste. Da!
Auf allen vieren kroch ich rüber, während ich Leiad wild brüllen hörte. Vermutlich versuchte er, die Aufmerksamkeit des Untiers auf sich zu lenken. Ganz der Leibwächter.
Mir verschaffte das die Zeit, den Bogen an mich zu reißen. Nein! Er war zerbrochen. Frustriert ließ ich ihn fallen und sah mich um. Denk nach, Caja, dachte ich und tastete hektisch meinen Körper ab. Mit meinem kleinen Dolch kam ich nicht weit, wohl aber mit …
… meiner Steinschleuder!
Leiad hatte mir stets eingetrichtert, sie bei mir zu tragen. Eigentlich bestand sie lediglich aus einem Hanfseil, in dessen Mitte eine breitere Lederschlaufe eingeflochten war. Eine Waffe, so klein und unscheinbar, dass sie bei den meisten körperlichen Durchsuchungen übersehen wurde. Laut Leiad hatte ihm das zweimal das Leben gerettet.
Hoffentlich war das auch ein drittes Mal der Fall.
Hektisch schnappte ich mir den dicksten Stein, der noch so gerade eben in die Schlaufe passte, und wirbelte das Seil herum, während ich aufstand. Atmete aus. Zielte … und ließ das eine Ende der Schlaufe los, sodass der Stein mit viel Schwung aus der Schlinge schoss. Tatsächlich fand er sein Ziel: das Auge der Bestie. Stein gegen Schuppen war sinnlos. Das weiche Sehorgan hingegen lud mich geradezu ein, dort treffen zu wollen. Es war riesig und befand sich im perfekten Winkel zu mir.
Das Vieh brüllte auf vor Schmerz und wirbelte zu mir, wobei es Augenglibber und Blut überall verspritzte. Hastig legte ich den nächsten Stein auf und bemerkte schaudernd, dass es dunkler um mich wurde. Der Schatten des Wyrms fiel auf mich.
Ein Pfeil flog. Diesmal kam er aus Leiads Richtung. Leider war sein Winkel deutlich ungünstiger, da er am Boden stand und nicht hoch genug zielen konnte, um das Auge effektiv zu erwischen. Der Pfeil schlitterte klappernd am Schuppenpanzer ab und bohrte sich irgendwo in den Schutt neben mir. Ich hörte Leiads Fluch und blickte Sekunden später genau in das unverletzte Auge der Schlange. Sie hatte sich seitlich gedreht, um mich aus ihrem noch gesunden Auge mustern zu können.
Ihre gespaltene Zunge zischelte an mir vorbei. So lang wie ein Mann und so breit wie ein ganzer Ochse. Ihr Maul öffnete sich, und sie holte aus.
Ich ließ den nächsten Stein, ohne zu zielen, fliegen und warf mich zur Seite, um dem Biss der Schlange auszuweichen. Nur mit dem Schwanz hatte ich nicht gerechnet. Wann war das Mistvieh denn bitte ganz aus der Erde gekrochen? Jetzt hieb sie mit ihrem Ende in meine Richtung.
Vermutlich hätte sie mich einfach platt gehauen und mich geradewegs in den Schutt getrieben, doch dazu kam es nicht. Ein zweiter Schatten senkte sich brüllend auf das Wesen, und Krallen legten sich um seinen Körper. Rauschen erfüllte die Luft, als der zur Rettung eilende Drache die Schlange meterhoch anhob. Ehe sie erbost zubeißen konnte, hatte er sie bereits direkt neben der Burgmauer zu Boden fallen lassen, sodass sie mindestens zwanzig Meter in die Tiefe stürzte. Der Aufprall klang dumpf und knochenzerschmetternd. Zur Sicherheit ließ sich der Drache noch mal hinterherfallen. Ich hörte, wie er Schuppen aufriss und dem Wyrm den Gnadenstoß gab.
Diesmal war ich schlauer und sah nicht zu, sondern beeilte mich, dass ich von diesem Wall runterkam. Leiad kam mir bereits entgegen, packte mich am Handgelenk und rannte dann neben mir her zu einem schmalen Eingang, der ins Innere des Schlosses führte.
Kurz bevor wir dort angekommen waren, änderte er die Richtung und hielt sich dicht an der Mauer auf. „Warum gehen wir nicht ins Gebäude?“, schrie ich ihn an.
„Da brennt es. Eine Todesfalle. Außerdem hat es mindestens ein Lindwurm reingeschafft und zerlegt da drin alles.“
Ein Wurm. Blind und ohne tödliche Fangzähne, schuppenlos und scheinbar wehrlos gehörte er nicht zu den Untieren. Trotzdem konnte ein Lindwurm schweren Schaden anrichten, sobald er mal durch eine Schutzmauer gebrochen war. Er fraß dabei so ziemlich alles, was sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen konnte. Schutt, Möbel und besonders gern Lebewesen.
Halb stolpernd, halb rennend hielten wir uns dicht an der Schlossmauer, ehe wir endlich ein Kellergewölbe erreichten. Hier wurden Weinfässer gelagert. Wir schlitterten die paar Stufen runter und landeten geradewegs in Enys Armen, die mich schluchzend an sich presste.
„Ich dachte wirklich, Ihr wärt umgekommen“, rief meine Zofe mit zittriger Stimme. „Den Drachen sei Dank, dass es Euch gut geht.“
Ja. Den Drachen sei Dank. Ohne ihr Eingreifen wäre ich jetzt definitiv tot. Trotzdem wollte sich keine Erleichterung einstellen, denn tief in meinem Inneren spürte ich, dass dieser Angriff vermutlich nur einer von vielen weiteren sein würde.
Das Zeitalter der Dubhar war angebrochen, und der Kampf der Menschheit ums pure Überleben wurde immer schwieriger. Unser einziger Schutz waren dabei die Drachen.
Und ihre Reiter.
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