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Broken Light (California Secrets 1)Broken Light (California Secrets 1)

Broken Light (California Secrets 1) Broken Light (California Secrets 1) - eBook-Ausgabe

Lena S. Berger
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Roman

— Romantic Suspence von TikTokerin Lena S. Berger
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Broken Light (California Secrets 1) — Inhalt

Sie sind das, was sie nie wollte und gleichzeitig das, was sie braucht. Spannung, Spice und Small-Town-Vibes

Nachdem die 27-jährige Architektin Freya erfahren hat, dass die Liebe ihres Lebens eine Lüge war, nimmt sie ein Jobangebot des wohlhabenden James Baltimore an, der sein Anwesen neu einrichten lassen will. Für den Neuanfang reist sie mit ihrem 5-jährigen Sohn in den beschaulichen Küstenort Monterey, wo sie nicht nur auf James, sondern auch auf seinen attraktiven Bruder Trev trifft, der als Schreiner am Haus arbeitet. Freya bemerkt schnell, dass die Familie Baltimore ein düsteres Geheimnis verbirgt. Alles in ihr schreit danach zu gehen, wäre da nicht diese unerklärliche Anziehung zu den Brüdern.

€ 17,00 [D], € 17,50 [A]
Erschienen am 24.10.2024
320 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-50806-3
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€ 4,99 [D], € 4,99 [A]
Erschienen am 24.10.2024
320 Seiten
EAN 978-3-377-90172-9
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Leseprobe zu „Broken Light (California Secrets 1)“

Kapitel 1

Langsam ziehe ich die drei Meter hohe Sprossentür zu und spüre zum letzten Mal die harte Stahloberfläche unter meinen Händen.

„Wieso?“, flüstere ich leise und kämpfe gegen die aufsteigenden Tränen an. Mein Blick wandert entlang unseres Hauses und ein letztes Mal nehme ich jedes Detail wahr. Die weiße Ziegelfassade, die große Fensterfront am Eck mit Blick auf den See. Unseren See. Den Ort, an dem wir uns zum ersten Mal küssten, uns das Ja-Wort gaben.

Alles in mir schmerzt.

Noch nie in meinen Leben habe ich so einen Druck auf der Brust verspürt. Als [...]

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Kapitel 1

Langsam ziehe ich die drei Meter hohe Sprossentür zu und spüre zum letzten Mal die harte Stahloberfläche unter meinen Händen.

„Wieso?“, flüstere ich leise und kämpfe gegen die aufsteigenden Tränen an. Mein Blick wandert entlang unseres Hauses und ein letztes Mal nehme ich jedes Detail wahr. Die weiße Ziegelfassade, die große Fensterfront am Eck mit Blick auf den See. Unseren See. Den Ort, an dem wir uns zum ersten Mal küssten, uns das Ja-Wort gaben.

Alles in mir schmerzt.

Noch nie in meinen Leben habe ich so einen Druck auf der Brust verspürt. Als würde mir jemand die Luft zum Atmen nehmen. Wie eine gewaltige Welle, die mich nach unten drückt. Am liebsten möchte ich schreien, doch es funktioniert nicht, denn die Welle ist zu stark und ich bin kurz davor zu ertrinken.

Ein sanftes Ziehen an meiner Hand bringt mich zurück ins Hier und Jetzt. Ich blicke hinab und sehe in die blauen Augen meines Sohnes, die mich besorgt anstarren. Seine kleine Hand hält meine und erst jetzt bemerke ich, wie mir Tränen über die Wangen laufen. Schnell wische ich sie mit dem Ärmel meines Cardigans weg und versuche, die gewaltige Welle in mir mit einem Lächeln zu unterdrücken. Damit mein Sohn nichts von all dem merkt, was gerade passiert, nehme ich meine ganze Kraft zusammen. Er drückt erneut meine Hand und deutet in Richtung unseres Autos.

„Mama, wann fahren wir los?“, fragt Jacob mit leuchtenden Augen, die denen seines Vaters gleichen.

Ich schlucke den Kloß in meinem Hals hinunter und gehe in die Knie, um auf Augenhöhe mit meinem Sohn zu reden. Reiß dich zusammen, Freya.

„Sofort mein Schatz. Wir verabschieden uns noch von deinem Vater und dann geht die Reise los.“ Ich streiche mit meiner Hand über das blonde, lockige Haar und ziehe das letzte Stück seines Reißverschlusses an der Fließjacke nach oben. Seine Augen, umrandet von langen Wimpern, strahlen so viel Wärme aus.

Jacob liebte es schon immer, mit mir auf Abenteuer zu gehen, umso leichter fällt es ihm nun, Abschied zu nehmen. Er weiß noch nicht, dass dieser Trip ein Neubeginn wird. Er wird seinen Vater wiedersehen, ich hingegen nicht. Für mich ist es ein Abschied für immer.

Die Haustür öffnet sich und ich trete einen Schritt zurück, als John nach draußen auf die Veranda kommt. Mein Puls beschleunigt sich wie von selbst.

Mit gesenktem Blick und verschränkten Armen lehnt er sich an das Holzgeländer. Er kann mir nicht mehr in die Augen sehen und ist wie ausgewechselt. Als ob sich ein Schalter von der einen auf die andere Sekunde umgelegt hat. Jacob lässt meine Hand los und rennt zu seinem Vater, der ein Ebenbild von ihm selbst ist.

Ich mustere John. Sein blondes Haar ist zerzaust, seine Wangen wirken angespannt. Es ist, als würden uns Millionen von Meilen trennen und es tut weh, ihn so weit weg von mir zu wissen.

Wer ist dieser Mann und wann habe ich meinen John verloren?

Hunderte von Fragen schwirren mir durch den Kopf. Doch ich weiß, dass ich keine Antworten bekommen werde. So war John schon immer, ein in sich gekehrter Mensch.

„Papa, wieso kannst du nicht mitkommen?“, fragt Jacob. Alles in mir zieht sich zusammen.

John stößt sich vom Geländer ab und bückt sich zu ihm nach vorn. „Du weißt doch, dass ich ganz vielen Menschen im Krankenhaus helfen muss. Wir sehen uns bald wieder. Bis dahin verbringst du eine großartige Zeit mit deiner Mom.“ Er streicht über die Wange unseres Sohnes und lächelt. John ist Meister darin, seine Emotionen zu unterdrücken.

„Jacob, kannst du schon mal deinen Roller im Kofferraum verstauen? Ich komme sofort.“

Jacob nickt. Ich bin froh, dass er es gewohnt ist, seinen Vater nur selten zu Gesicht zu bekommen. Für Jacob würde sich nicht viel ändern.

„Bis bald Jacob.“ Die beiden umarmen sich, woraufhin sich Jacob umdreht, nach seinem geliebten Roller greift und das Auto ansteuert.

Ich atme tief durch und greife nach der letzten Reisetasche. John hebt nun leicht seinen Kopf und der Blick seiner blauen Augen trifft meinen. Ein Stich durchfährt mein Herz, weil ich diese Augen so sehr liebe und nach den letzten Wochen, Tagen und Stunden gleichzeitig verabscheue.

Langsam setze ich mich in Bewegung und mache in Zeitlupe den ersten Schritt in Richtung meines Autos. Unter mir knarzt der Boden. Ich fühle mich wie ein Roboter, der nur noch funktioniert. Gleichzeitig erwarte ich, dass John etwas sagt oder mich aufhält. Stattdessen beobachtet er mich mit seinen leeren Augen. Sein Blick brennt sich in meine Haut, es ist kaum auszuhalten.

Bevor ich endgültig gehe, nehme ich all meinen Mut zusammen, auch auf die Gefahr hin, keine ehrliche Antwort zu bekommen. Mein Herz schlägt mir plötzlich bis zum Hals. „Ich habe zwei Fragen, John.“

Unsere Blicke sind nach wie vor aufeinander gerichtet.

„Liebst du mich überhaupt noch?“

Er strafft seinen durchtrainierten Oberkörper und kommt einen Schritt auf mich zu. Diese ernste Haltung kenne ich zu gut und ich weiß, dass er sie nur einnimmt, wenn er entschlossen ist.

„Nein“, antwortet er, ohne zu zögern.

Noch während er die Worte ausspricht, zerbricht mein Herz in tausend Teile und die Welt, wie ich sie kannte, hört endgültig auf zu existieren. Alles in mir ist taub. Eine Liebe, die bedingungslos schien, fühlt sich nun wie eine einzige Lüge an.

Meine Knie beginnen zu zittern und ich muss meine gesamte Kraft aufwenden, um nicht vor ihm zusammenzubrechen.

„Seit wann?“, frage ich, ohne es zu wollen.

Anstatt sofort zu antworten, dreht er kurz den Kopf in Richtung des Sees. „Möchtest du die Antwort wirklich wissen?“, flüstert er nahezu, ohne mich dabei anzusehen.

Ich schüttle wie von selbst den Kopf. Ich habe genug gehört. Noch mehr Demütigung würde ich nicht ertragen.

Für mich gibt es hier keinen Platz mehr. Ohne weiter auf ihn einzugehen, drehe ich mich endgültig um und steige die wenigen Stufen unserer Holzveranda hinunter. Nichts als die Geräusche meiner Schritte im Schotter, das Rauschen des Windes und mein pochendes Herz, das mir bis zum Hals schlägt, sind zu hören.

Ich nehme nur am Rande wahr, dass Jacob bereits im Auto sitzt. Meine Füße und Hände funktionieren wie ferngesteuert. Ich öffne den Kofferraum meines Land Rovers und verstaue die Tasche bei den anderen Sachen. Anschließend gehe ich zur Fahrertür, öffne sie und halte inne. Ein letztes Mal blicke ich auf mein geliebtes Haus, sehe all die Erinnerungen an eine andere Zeit. Ich versuche, den Gedanken zu vertreiben, weil er zu sehr schmerzt.

„Lebe wohl“, flüstere ich, während mein Herz kurz aussetzt, und steige dann in meinen Wagen. Ich blicke zu Jacob, der neben mir sitzt und seinem Vater winkt.

Als ich die lange Einfahrt zum Haus passiere und am Ende wende, merke ich, wie die Tränen unkontrolliert über meine Wangen laufen. Ich versuche mich zusammenzureißen, doch es gelingt mir nicht. Mein gesamter Brustkorb bebt.

Schließlich verschwimmt mein Sichtfeld vollends, ich halte auf dem Seitenstreifen an und versuche, nach Luft zu ringen, denn meine Kehle ist wie zugeschnürt.

Atmen Freya, atmen.

„Alles okay, Mama?“, fragt mich mein Junge besorgt. Ich fühle mich schlecht, weil er mich in diesem Ausnahmezustand sehen muss. Er beugt sich zu mir nach vorn und nimmt meine Hand, was mich ruhiger werden lässt. Ich sehe ihn an und lächle trotz der Tränen.

„Freust du dich nicht auf unsere Reise?“, hakt er nun nach.

„Doch mein Schatz, ich werde nur Seattle schrecklich vermissen. Mach dir keine Sorgen. Monterey ist toll. Dort gibt es den Ozean und die Berge. Wir können jeden Tag am Meer spazieren gehen und Muscheln sammeln.“ Der besorgte Blick meines Sohnes verschwindet. Seine Augen leuchten wieder, was meinen Schmerz in der Brust erträglicher macht.

„Gibt es dort auch Boote und Schiffe?“, fragt er mich ganz aufgeregt.

„Ganz bestimmt, lass es uns herausfinden.“

Ich löse meine verkrampfte linke Hand vom Lenkrad und tippe auf dem Bordcomputer den kleinen Küstenort Monterey ein, während meine andere Hand nach wie vor den Handrücken meines Sohnes streichelt.

Das Navi lädt die Route und einen kurzen Moment später ertönt eine monotone Stimme: „In vierundzwanzig Kilometern rechts abbiegen.“

Ich drehe mich zur Rückbank meines Autos, ziehe Jacobs Kuscheldecke hervor und lege sie über seine Beine. „Schließ ein wenig die Augen, mein Schatz, es ist schon spät und die Fahrt wird lange dauern.“ Jacob nickt, löst seine Hand aus meiner und kuschelt sich in seine Lieblingsdecke.

Erleichtert setze ich den Blinker und fahre los.

Es gibt kein Zurück mehr. Ich habe einen Job in Monterey angenommen und hier hält uns nichts mehr. Mein Leben liegt in Scherben, existiert nicht mehr. Ich existierte nicht mehr.

Und um herauszufinden, ob es noch so etwas wie Hoffnung gibt, fahre ich los.


Kapitel 2

Ich gähne laut und passiere ein Schild, das mir nur noch dreißig Kilometer bis zum Ziel anzeigt. Während Jacob die gesamte Zeit tief und fest neben mir schlummerte, bin ich die Nacht, abgesehen von drei Erholungspausen, durchgefahren. Mein Körper war trotz allem wie auf Autopilot und hat einfach funktioniert. Doch jetzt, so nahe am Ziel, spüre ich jeden einzelnen Muskel, alles ist steif von der langen Fahrt und meine Schultern sind verspannt.

An Schlaf war nicht zu denken. Die Bilder der letzten Tage und Monate liefen wie in Dauerschleife durch meinen Kopf. Wie John sich veränderte und distanzierte. Mein Bauchgefühl, dass er mich schon lange nicht mehr liebte und mich zum Schluss belog, hat sich bestätigt. Monatelang habe ich die Fehler bei mir gesucht, habe angefangen, an mir selbst zu zweifeln. Jeden Schritt, den er ging, habe ich interpretiert und hinterfragt.

In den letzten Jahren drehte sich mein Leben nur noch um John und Jacob, ich habe mich regelrecht verloren. Ich weiß nicht mehr, wer ich überhaupt bin, und kann mich selbst nicht mehr im Spiegel ansehen. Die Person, die ich mal war, erkenne ich nicht wieder. Die lebensfrohe Freya ist schon lange verschwunden.

Konzentriert lenke ich mein Auto über den leeren Highway, der entlang des Ozeans führt. Mein Blick wandert zu dem hellblauen Meer, das ich erst jetzt richtig wahrnehme. Durch die aufsteigende Sonne am Horizont hat es sich von einem großen schwarzen Fleck in einen hell leuchtenden Diamanten verwandelt. Ich verlangsame das Tempo, geblendet von der Helligkeit, aber auch mitgerissen vom Anblick dieser Naturgewalt. Wie die Wellen mit einem rasanten Tempo gegen die imposanten Steinklippen peitschen. Es fühlt sich surreal an hier zu sein, und gleichzeitig habe ich zum ersten Mal seit Langem das Gefühl, wieder etwas mit vollem Bewusstsein wahrnehmen zu können.

Mein Navi gibt mir zu verstehen, dass mein Ziel nur noch fünfzehn Minuten entfernt ist, und meine Hände werden feucht. Noch nie habe ich einen solchen Sprung ins kalte Wasser gewagt. Es war verrückt, ohne genaue Informationen ein Inneneinrichtungsprojekt anzunehmen, das in vier Monaten abgeschlossen sein soll. Die alte Freya hätte um sowas einen riesigen Bogen gemacht. Nicht zu wissen, was auf mich zukommt und wie die Leute vor Ort sind, machte mich nervös. Gleichzeitig weiß ich, dass es an der Zeit ist, neue Wege einzuschlagen, Wege, nach denen sich mein tiefes Inneres sehnt. In Seattle habe ich nur nach der Vorstellung und den Erwartungen anderer gelebt. Und nun sind wir hier, an einem völlig fremden Ort.

Ich hoffe inständig, dass Jacob Monterey gefallen wird, ebenso, dass ich mit meinem Auftraggeber James Baltimore klar komme.

James Baltimore.

Dieser Name schreit förmlich nach Geld. Solche Namen kenne ich aus meinen vorherigen Großbauprojekten in Seattle. Solche Namen trugen die Männer, die das Sagen hatten. Was ich jetzt am wenigsten brauche. Doch das Angebot konnte ich kaum ausschlagen.

Alles, was ich durch den E-Mail-Verkehr mit seiner Assistentin erfahren habe, war, dass er dringend jemanden für die Innengestaltung seines Anwesens sucht und dafür eine Menge Geld springen lässt. Genau genommen fünfundfünfzigtausend Riesen. Was für mich nicht der ausschlaggebende Punkt war. Ich hatte mir in Seattle eine gewisse Stellung als Architektin hart erarbeitet und zum Glück einen Teil meines Geldes auf ein eigenes Konto gelegt. Viel mehr war dieses Jobangebot ein Anker, der mich vor dem Ertrinken rettete. In Seattle wäre ich nicht mehr glücklich geworden. Alles hätte mich an John erinnert und an das, was ich noch für ihn war. Ein Niemand.

Ich sehe zu Jacob und beobachte, wie sich sein kleiner Oberkörper unter der Decke regelmäßig hebt und senkt. Seine blonden Locken sind ihm ins Gesicht gefallen und seine vollen Lippen stehen einen Spalt offen, sodass man seine kleine Zahnlücke erkennen kann. Dieser Junge ist alles, was mir bleibt. Ich hoffe, dass es ihm hier gefallen wird.

Sanft streiche ich über seine Hand. Schuldgefühle kommen in mir hoch. Ich frage mich, wie ich ihm jemals erklären soll, dass er nicht in einer Familie mit zwei Elternteilen aufwachsen wird, wie er es von seinen Freunden kennt. Doch wäre es wirklich besser, in einem Umfeld zu leben, in dem es ständig Streit gibt und wenig Harmonie herrscht? In der ein Partner den anderen nicht wertschätzt? Wütend schüttle ich den Kopf. Viel zu lange habe ich selbst an diesem Bild festgehalten. Wegen der vielen Stimmen, die mir eingeredet haben, den Zustand ertragen zu müssen. Einen Zustand, der über ein Jahr andauerte, der unerträglich war.

Alles, was Jacob nun braucht, ist Zuwendung, Struktur und Menschen, die ihm am Herzen liegen. Und dann ist da noch Mister Fritz Garald, ein kleiner ausgestopfter Hund, den er von seinem Vater bekommen hat. Das Plüschtier sollte ihn an John erinnern, wenn der wieder mal Tage im Krankenhaus verbrachte und nur zum Schlafen nach Hause kam.

Die letzten Meilen führen uns über eine riesige Steinbrücke, die zwei Felsklippen miteinander verbindet. Dann tauchen die ersten kalifornischen Holzhäuser vor uns auf. Nach wenigen Metern erreichen wir das Ortsschild Monterey, und mein Puls beschleunigt sich wie von selbst. Wir fahren durch eine Allee aus Palmen und kleinen Strandhäusern, die auf Stelzen in Richtung des Meeres gerichtet sind. Von hier aus kann ich zwei kleine Motorboote erkennen und bin versucht, Jacob zu wecken, lasse es dann aber lieber sein. Wir haben noch genug Zeit, den Ort und vor allem den kleinen Hafen zu erkunden, auf den er sich so sehr freut.

Es ist erst acht Uhr morgens. Die Straßen sind noch wie leer gefegt. Allerdings kann ich mir gut vorstellen, wie es hier im Sommer von Surfern und Touristen nur so wimmelt. Andererseits habe ich von Wassersport keine Ahnung. Die einzige Erfahrung, die ich je damit hatte, war vor Jahren der Versuch, auf unserem See auf einem Stand-up-Paddle-Board zu stehen, der kläglich scheiterte. Vielleicht würde ich es hier noch mal probieren. Immerhin kann ich nun alles tun und lassen, was ich möchte.

Aber gerade das macht mir Angst. Denn so schlimm die letzten Wochen auch waren, es ist schwierig, seine jahrelangen Routinen hinter sich zu lassen und einen Neuanfang zu wagen. Es würde dauern, bis alles in meinem Kopf ankommt und ich realisiere, dass wir hier vorerst ein neues Zuhause gefunden haben.

Wir erreichen eine Kreuzung und ich biege in Richtung Innenstadt ab, weg vom Ozean. Ein paar typische kalifornische Holzhäuser im viktorianischen Stil reihen sich aneinander, dazwischen stehen vereinzelt kleine Läden mit hübschen Erkern und Sprossenfenstern. Die bunten Farben der Holzhäuser sowie die Blumen und saftgrünen Bäume verleihen der kalifornischen Kleinstadt einen ganz besonderen Charakter und sind das Gegenteil von Seattle, das eher durch eine futuristische, moderne Architektur geprägt ist. Wenn ich all das hier sehe, frage ich mich, wie das Baltimore-Anwesen aussehen wird und in welchem Zustand es sich wohl befindet. Es ist lange her, dass ich mich der Inneneinrichtung so richtig gewidmet habe, obwohl mein Herz dafür brennt. In Seattle habe ich mir vor allem durch meine Großbauprojekte einen Namen gemacht. Ich frage mich, wie James Baltimore von mir erfahren hat. Andererseits spielt es keine Rolle. Wenn ich mich hier umsehe, war es die richtige Entscheidung herzukommen.

Umso weiter wir uns vom Stadtinneren entfernen, desto größer werden die Holzhäuser und die Palmen werden von einer Flut an Wald in Form von Kiefern und Mammutbäumen ersetzt. Die Natur ist einzigartig.

„Sie haben das Ziel erreicht“, ertönt es, woraufhin ich abrupt bremse, auf den Bildschirm tippe, das Navi ausschalte und den Blinker setzte. Alles, was ich sehen kann, ist die atemberaubende Natur und ein kleines Schild, das zu einem geteerten Weg zeigt. Das Metallschild ist mit der Anschrift versehen, die ich in das Navi eingegeben hatte. Außerdem steht dort der Name Baltimore, der provisorisch auf das Schild aufgeklebt wurde. Ich muss also bei der richtigen Adresse sein.

Ich atme tief durch und biege auf den schmalen Teerweg ab, der zwischen dichten Büschen und Bäumen hindurchführt. Von Weitem kann ich einzelne Teile eines Hauses ausmachen sowie ein Funkeln von einer Spiegelung oder etwas ähnlichem. Nach wenigen Metern erreiche ich ein zackiges, schwarzes Metalltor, das links und rechts durch einen schwarzen Zaun ergänzt wird und offensteht.

Das muss es sein.

Ich passiere die Einfahrt und der dichte Wald lichtet sich und geht über in eine weite Wiese und ein Anwesen, das selbst mir als Architektin die Sprache verschlägt. Das Funkeln entpuppt sich als ein riesiger See, der das kalifornische Landgut in seiner Anmut perfekt ergänzt. Der geteerte Weg führt uns zu einem Wendekreis vor der Haustür und einer Parkmöglichkeit. Langsam bringe ich meinen Wagen neben dem einzigen Auto hier zum Stehen. Es ist ein alter, verrosteter Pick-up, der mich an Twilight erinnert, den Vampirfilm, den ich in meiner Jugend etliche Male geschaut habe.

Auf dem Truck prangt ein riesiger Aufkleber mit zwei Hämmern. So wie es aussieht, sind im Baltimore-Anwesen bereits Handwerker zugange, und es erleichtert mich, nicht allein zu sein.

Bevor ich aussteige, werfe ich einen Blick in den Rückspiegel und erschrecke. Tiefe Schattenuntermalen meine geröteten blauen Augen und meine langen braunen Locken fallen stumpf über die Schultern. In Seattle wäre ich so sicher nicht außer Haus gegangen, vor allem da ich John zu jedem Zeitpunkt gefallen wollte. Doch in diesem Moment habe ich nicht einmal mehr Kraft, mir die Haare zu kämmen.

Ich öffne meine Fahrertür und noch während ich aus dem Auto aussteige, weht mir eine kühle Frühlingsbrise entgegen, die mir Gänsehaut bereitet. Gleichzeitig sorgt sie dafür, dass die Müdigkeit verfliegt.

Mein Blick wandert zu dem Anwesen, das einen aus dieser Entfernung nahezu erschlägt. Die zwei Haupthäuser, welche mit einer pechschwarzen Holzfassade verkleidet wurden, sind mittig mit einem verglasten Gang verbunden. Durch das Glas kann man auf der Rückseite das Wasser hindurchschimmern sehen. Die beiden Hauptgebäude zeichnen sich außerdem durch ein hohes Spitzdach aus sowie durch riesige schwarze Edelstahlsprossenfenster, die mindestens fünf Meter hoch sein müssen. Auf der rechten Seite des Anwesens grenzt ein weiteres, kleineres Steingebäude an.

Dieses Landgut ist eine Wucht und strahlt gleichzeitig eine gewisse Dominanz aus, die einen einschüchtern kann. Für mich ist es von außen nahezu perfekt. Ich bin gespannt auf die Inneneinrichtung und darauf, was James Baltimore restaurieren und verändern will.

Ich gehe um meinen Wagen herum und betrachte den etwas verwilderten Garten, der mit einem Weg zum See endet. Für einen kurzen Moment denke ich an unseren See in Seattle, an dem wir an manchen Tagen zu dritt zusammensaßen und gemeinsam Abende verbrachten. Zu einer Zeit, als noch alles gut war. Doch die ist schon lange vorbei.

Schnell schüttle ich den Kopf und versuche, die Trauer in mir hinunterzuschlucken. Ab jetzt gilt es professionell aufzutreten und mich zusammenzureißen. Hier soll keiner mitbekommen, was in mir vorgeht. Wir sind Freya und Jacob, die wegen eines neuen Jobs angereist sind. Alles andere muss niemand wissen.

Mit Blick auf die Beifahrertür sehe ich, dass Jacob immer noch schläft und beschließe, hier draußen auf James Baltimore zu warten. Wir hatten uns für neun Uhr verabredet. Um die Uhrzeit zu checken, ziehe ich mein Handy aus der Tasche. Ein kurzes Kribbeln durchfährt mich, da ich Angst habe, eine Nachricht von John zu entdecken. Doch auf meinem Telefon ist weder eine Nachricht noch ein Anruf zu sehen. Wie kann man sich in einem Menschen derart täuschen, wie ich es getan habe? Zwar weiß ich, dass John sich selten von sich aus meldet und eher auf Nachricht von uns wartet, aber nach der ganzen Sache ist es meiner Meinung nach das Mindeste, sich nach uns zu erkundigen.

Bevor ich weiter darüber nachdenken kann, ertönt eine dunkle Stimme vor mir.

Erschrocken sehe ich auf und blicke in hellgrüne Augen. An der Fahrerseite meines Autos steht ein mindestens ein Meter neunzig großer Mann, der mich erwartungsvoll beobachtet. Wie lange steht er schon dort und wieso habe ich ihn nicht kommen hören?

„Suchen Sie etwas?“, fragt mich der Unbekannte mit einem vorwurfsvollen Unterton. Sein Blick ist nach wie vor auf mich gerichtet und durchbohrt mich nahezu.

Einfach professionell bleiben, Freya.

„Ich suche James Baltimore. Das sind wahrscheinlich Sie. Entschuldigen Sie, ich habe Sie nicht kommen sehen.“ Ich gehe einen Schritt auf ihn zu, um mich vorzustellen. Doch anstatt mir ebenfalls entgegenzukommen, steckt er seine Hände in die Hosentaschen und lehnt sich gegen den Pick-up. Ich bleibe verunsichert stehen. Sein khakifarbenes Arbeitshemd hat er an den Armen hochgekrempelt, was seine muskulösen Unterarme deutlich zum Vorschein treten lässt. So wie der Mann aussieht, kann er unmöglich James Baltimore sein. Eher jemand, der für ihn arbeitet.

„James Baltimore“, nuschelt er nun vor sich hin, während mein Blick von seinen Armen, zu seinem Werkzeuggürtel wandert, der eng um seine Hüfte befestigt ist und Hilfsmittel wie einen Hammer, einen Meterstab, ein Messer und ähnliches beinhaltet. Schnell wende ich meinen Blick ab und setze mein perfekt einstudiertes Lächeln auf, um die unangenehme Situation zu überspielen.

„Ich bin Freya Woods. Entschuldigen Sie, ich dachte, Sie wären …“ Bevor ich meinen Satz beenden kann, kommt mir der braunhaarige Fremde zuvor.

„James Baltimore. Nein, das bin ich nicht.“ Dabei spricht er die letzten Worte abfällig aus und mustert mich.

Nervös strecke ich ihm meine Hand entgegen und versuche, die peinliche Szene mit einem Grinsen aufzulockern. Ich rechne damit, dass er die Begrüßung verweigert, doch stattdessen zieht er eine Hand aus der Hosentasche und umschließt meine in einem festen Händedruck. Dabei spüre ich die Rauheit an seinen Handinnenflächen, die typisch für einen Zimmermann oder Schreiner sind.

„Trev“, antwortet er mürrisch, löst unsere Hände und dreht sich zum Pick-up.

„Tut mir leid, ich wollte Sie nicht überfallen. Herr Baltimore wollte sich hier um neun Uhr mit mir treffen.“ Ich habe keine Kraft mehr, mich mit irgendwelchen Typen auseinanderzusetzen, die offensichtlich ein Problem haben, weshalb ich freundlich ergänze: „Ich kann gerne einfach hier warten. Beachten Sie mich nicht weiter.“ Ich trete einen Schritt zurück und blicke erneut auf meinen Handybildschirm, der bereits zwanzig nach neun anzeigt.

„Das hatte ich auch nicht vor“, antwortet Trev unerwartet und dreht sich mit einer Ratsche in der Hand um.

Mir fällt fast die Kinnlade herunter, bei so viel Dreistigkeit. Durchatmen Freya.

Ich fixiere ihn mit ernstem Blick.

„Sind Sie dann fertig?“

„Das frage ich Sie.“ Abwartend mustert mich Trev, der mit meiner Reaktion offensichtlich nicht gerechnet hat.

„Was genau meinen Sie?“

„Sich wie der größte Idiot zu benehmen, das meine ich.“ Während ich meine Worte ausspreche, spüre ich so viel Wut in mir aufsteigen, die nicht nur mit Trev zu tun hat.

Bevor Trev jedoch antworten kann, geht die Beifahrertür meines Wagens auf und Jacob steigt aus. Er kommt um den Land Rover herum und bleibt verschlafen mit Mister Fritz Garald in der Hand vor uns stehen. Ich bücke mich zu meinem Jungen, gebe ihm einen Kuss auf die Stirn und bin froh, dass er gerade in diesem Moment wach geworden ist.

„Hallo meine kleine Schlafmütze. Wir sind in Monterey angekommen und das ist Trev.“ Ich deute auf den Idioten vor uns, der Jacob ungläubig anstarrt, so als hätte er noch nie einen kleinen Jungen gesehen.

Mein Kind zögert keine Sekunde und geht direkt auf ihn zu. In der einen Hand hält er Fritz Garald und sein Meerestierbuch, die andere streckt er ihm entgegen. „Ich bin Jacob. Was ist das in deiner Hand?“ Jacob macht einen weiteren Schritt auf Trev zu, der mit der Situation sichtlich überfordert ist. Bevor Trev antworten kann, komme ich ihm zuvor.

„Das ist eine Türscharnierratsche, mein Schatz. Lassen wir Trev weiter seine Schreinerarbeiten machen. Wir wollen ihn nicht stören.“ Sanft streiche ich über Jacobs Kopf und ziehe ihn liebevoll zu mir in den Arm.

Treys hellgrüne Augen mustern uns dabei. Ich kann nicht deuten, was in seinem Kopf vorgeht, aber seine Antworten von vorhin halten mich von weiteren Fragen ab. Ich habe es satt, die schlechte Laune anderer Menschen abzubekommen. Ich bin kein Fußabtreter. Diese Funktion hatte ich zu lange.

„Hi Jacob“, antwortet Trev nun kurz und geht an uns vorbei, als ein lauter Motor ertönt. Wir drehen uns alle drei gleichzeitig in Richtung Einfahrt um.

Ein alter schwarzer Mustang kommt in einem schnellen Tempo auf uns zu gefahren. Umso näher er auf uns zusteuert, desto deutlicher kann ich einen schwarzhaarigen Mann mit Sonnenbrille hinter dem Steuer erkennen. Trev stellt sich nun direkt neben Jacob, so, als würde er sichergehen wollen, dass meinem Sohn nichts passiert. Ich beobachte, wie er seine Arme verschränkt und das Auto vor uns fixiert.

Der Mann bringt seinen Wagen direkt vor uns zum Stehen. Seine Musik dröhnt unüberhörbar aus den offenen Fenstern und ich erkenne den Song sofort, es ist Old Town Road.

Ein lauter Seufzer neben mir lässt mich wieder nach rechts blicken. Trev scheint sichtlich genervt von dem Mann mit der Sonnenbrille, der nun mit einem breiten Grinsen aussteigt.

Schwungvoll schließt er die Fahrertür und nimmt daraufhin elegant seine Sonnenbrille ab. Er muss wie Trev über eins neunzig groß sein, was auch auf den ersten Blick die einzige Gemeinsamkeit der beiden ist.

Der Unbekannte steckt seine Sonnenbrille in die Brusttasche seiner braunen Lederjacke und kommt direkt auf mich zu. Dabei fixieren mich seine saphir-blauen Augen, die wahrscheinlich schon mancher Frau zum Verhängnis wurden. Sein Haar ist akkurat nach hinten gegelt, wobei ihm einzelne Strähnen ins Gesicht fallen. Unter seiner Lederjacke trägt er einen schwarzen Rollkragenpullover, der seinen unübersehbar durchtrainierten Oberkörper betont. Genauso wie die braun-karierte Anzugshose, die an seinen Oberschenkeln deutlich spannt.

„Das ist James Baltimore.“ Ich sehe wieder zu Trev, der erst einen kurzen Blick zu Jacob, dann zu mir wirft und sich schließlich zum Gehen abwendet.

Zwischen den beiden ist eine deutliche Spannung zu spüren, Blicke und Stimmung sprechen Bände.

Wenn Trev sich James gegenüber genauso verhält, wie er mich in Empfang genommen hat, würde es mich nicht wundern, wenn die beiden Männer ein Problem hatten. Andererseits interessiert es mich nicht. Ich bin hier, um einen Job für James auszuführen. Alle anderen Angelegenheiten gehen mich nichts an. Ich setze also wieder mein professionelles Lächeln auf und streiche über Jacobs Kopf, der James wie gebannt beobachtet.

„Du kannst gleich hierbleiben, Bruderherz.“

Ich drehe mich zu Trev, der James weiterhin nicht beachtet. Sie sind Brüder.

„Trev“, ermahnt James ihn nun direkt. Seine Stimme ist fordernd, woraufhin Trev stehen bleibt.

„Ich hoffe, mein Bruder hat Sie nicht verschreckt. Er kann manchmal ziemlich mürrisch sein. Ich bin James Baltimore.“ Anders als Trev, streckt mir James seine Hand entgegen. Ein Hauch seines herben Aftershaves erfüllt meine Nase. Müde straffe ich meine Schultern, erwidere die Begrüßung, wobei sich wieder unsere Blicke treffen. Erschöpfung überkommt mich plötzlich wie ein Sturm und ich nehme all meine Kraft zusammen, um mich nicht vor beiden Brüdern zu blamieren.

„Ich bin Freya Woods, schön, Sie kennenzulernen. Das ist mein Sohn Jacob.“ Ich lächle aufgesetzt und deute auf meinen Jungen vor mir, der immer noch wie versteinert ist. „Magst du Mister Baltimore nicht deine Hand geben?“, frage ich Jacob und beuge mich zu ihm auf Augenhöhe, da ich merke, dass ihn Baltimores Präsenz einschüchtert. Trev erscheint nun ebenfalls neben uns.

„Alles gut, Jacob. Du musst mir nicht die Hand geben.“ Dankend lächle ich James zu und bin froh, dass wenigstens einer der Brüder nett ist. „Was ist denn das für ein süßes Kuscheltier?“, fragt James Jacob.

Mein Lächeln verschwindet auf der Stelle. Ich möchte hier nicht über John reden und hoffe inständig, dass Jacob nichts über seinen Vater erzählt.

„Das ist Fritz Garald und den habe ich von meinem Dad.“

„Darf ich Fritz Garald mal sehen?“, fragt nun Trev überraschend, während ich wie versteinert neben Jacob stehe. Überfordert mit der Situation, beobachte ich, wie Jacob Trev sein Stofftier reicht, der mir kurz einen Blick zuwirft und es daraufhin begutachtet.

„Wenn du nichts dagegen hast, können wir uns gern Duzen. Ich bin James“, unterbricht Baltimore das Geschehen.

Automatisch nicke ich und frage mich, ob man mir meinen inneren Zustand ansehen kann. Wenn ich so darüber nachdenke, fühle ich mich noch unwohler, seit James aufgetaucht ist. Mein Äußeres und mein Inneres sind alles andere als vorzeigbar.

Trevs Stimme ist gereizt, als er sich an seinen Bruder wendet. „Was willst du von mir?“ Er steht auf, gibt meinem Sohn den Hund zurück und wirkt dabei wie ausgewechselt. Ich beobachte die beiden Brüder, die sich nun mit verschränkten Armen gegenüberstehen.

„Sind die Innentüren ausgebaut?“, fragt James Trev, wobei ein unterschwelliger Ton mitschwingt, den ich nicht einordnen kann.

„Nein.“

„Gut, dann warte noch bis Freya das Haus gesehen hat. Ihr beide werdet zusammenarbeiten und gemeinsam entscheiden, welche Erneuerungen an den Türen vorzunehmen sind. Danach kannst du sie ausbauen.“

Das kann nur ein schlechter Scherz sein. Ich bin für vieles bereit, aber mit einem solch griesgrämigen Vollidioten zusammenzuarbeiten, hatte ich nicht erwartet.

Auch James stöhnt unüberhörbar genervt auf. Seine Wangenknochen sind deutlich angespannt. Es ist nicht zu übersehen, dass er auf meine Anwesenheit verzichten kann.

„Das war keine Bitte, sondern eine Anweisung.“

„Ja, Chef“, antwortet er knapp.

„Freya, ich bin jedenfalls froh, dass du da bist und alles so kurzfristig funktioniert hat. Ich habe leider keine Zeit, dir das Anwesen zu zeigen, aber fühlt euch ganz wie zuhause. Trev wird dir jeden Winkel des Hauses zeigen. Nicht wahr Trev?“ Dabei lächelt James selbstgefällig und gibt seinem Bruder gleichzeitig zu verstehen, dass er seinen Worten Folge zu leisten hat.

„Natürlich James, sonst noch was?“ Trevs Ton ist provokant.

„Das Haus unten am See steht euch beiden zur Verfügung. Trev wird euch hinführen. Wenn ihr etwas braucht, meine Nummer und die meiner Assistenten hast du, oder?“

Ich wende meinen Blick von Trev ab und nicke schnell. Ein Haus am See. Damit habe ich auch nicht gerechnet.

James dreht sich um und geht zu seinem Mustang. Bevor er einsteigt, schaut er noch mal zu mir. „Bis übermorgen benötige ich ein grobes Lookbook mit Ideen für die Inneneinrichtung des gesamten Hauses.“ So wie James die Worte betont, ist das ebenfalls keine Frage. Für einen kurzen Moment verschlägt es mir die Sprache.

Realistisch gesehen, brauche ich für ein Anwesen dieser Größe mindestens eine Woche. Andererseits würde ich nach allem, was passiert ist, ohnehin nicht schlafen können und die Nächte dazu nutzen, mich in das Projekt zu stürzen. Ich würde das schon schaffen. Bevor ich jedoch etwas antworten kann, kommt mir Trev zuvor.

„Wozu die Eile, Bruder? Das Haus rennt dir nicht davon.“

James hält kurz inne, zieht seine Sonnenbrille aus der Brusttasche und öffnet die Fahrertür. „Mach einfach deine Arbeit, Trev. Alles andere geht dich nichts an.“ James würdigt seinen Bruder dabei keines Blickes, mich hingegen lächelt er an.

Ich kann den beiden nicht ganz folgen, frage aber nicht weiter nach. Die Unstimmigkeiten zwischen den Brüdern gehen mich nichts an.

„Wir sehen uns Freya und Jacob.“

Bevor James einsteigt, verabschiede ich mich ebenfalls.

„Das Lookbook wird in zwei Tagen fertig sein. Bis bald“, sage ich freundlich und lasse mir meine Überforderung nicht anmerken.

„Sehr gut.“ James lächelt, lässt wenige Sekunden später seinen Motor aufheulen und rast davon.

Ich habe mit allem gerechnet, aber nicht mit zwei zerstrittenen Brüdern, von denen einer ganz offensichtlich ein Problem mit mir hat. Dabei dachte ich, schlimmer könne es nicht mehr werden.

Lena S. Berger

Über Lena S. Berger

Biografie

Lena S. Berger wurde 1994 in Dinkelsbühl geboren, wo sie auch heute lebt. Wenn sie nicht gerade an neuen Romanideen tüftelt, bereist sie mit ihrem Sohn die Welt. Mit ihren Geschichten möchte die Autorin anderen Menschen Mut machen. Auf Instagram und TikTok teilt sie ihre Erfahrungen unter...

Weitere Titel der Serie „California Secrets“

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