Lieferung innerhalb 1-3 Werktage
Bezahlmöglichkeiten
Vorbestellung möglich
Kostenloser Versand*
Blick ins Buch
Chinas neue Macht (33 Fragen – 33 Antworten 4)

Chinas neue Macht (33 Fragen – 33 Antworten 4) - eBook-Ausgabe

Kai Strittmatter
Folgen
Nicht mehr folgen

33 Fragen - 33 Antworten 4

E-Book (9,99 €)
€ 9,99 inkl. MwSt.
sofort per Download lieferbar
In den Warenkorb Im Buchshop Ihrer Wahl bestellen
Geschenk-Service
Für den Versand als Geschenk können eine gesonderte Lieferadresse eingeben sowie eine Geschenkverpackung und einen Grußtext wählen. Einem Geschenkpaket wird keine Rechnung beigelegt, diese wird gesondert per Post versendet.
Kostenlose Lieferung
Bestellungen ab 9,00 € liefern wir innerhalb von Deutschland versandkostenfrei

Chinas neue Macht (33 Fragen – 33 Antworten 4) — Inhalt

Was muss man über China wissen?

China ist wieder Weltmacht. Ohne China geht nichts, ob wir es wollen oder nicht. Aber China ist vielen immer noch fremd. Seine wirtschaftliche Macht ist unbestritten, seine politische Agenda oft undurchsichtig. Unter Xi Jinping, dem mächtigsten Staats- und Parteichef seit Mao, erfindet sich der autoritäre Staat neu, in offener Konkurrenz zum Westen, und baut mit Big Data und künstlicher Intelligenz den perfekten Überwachungsstaat. Chinas neue geostrategische Ambitionen, aber auch seine Wirtschaftspraktiken führen zu Spannungen; seine schroffen Reaktionen zu Reizthemen wie Taiwan, Hongkong oder Xinjiang lösen regelmäßig Eklats aus. Dieses Buch gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen zu Chinas Politik, Geschichte, Kultur und Wirtschaft.

€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 16.04.2020
128 Seiten
EAN 978-3-492-99660-0
Download Cover

Leseprobe zu „Chinas neue Macht (33 Fragen – 33 Antworten 4)“

Einleitung
Als ich vor mehr als drei Jahrzehnten begann, Chinesisch zu studieren, da galt: Wenn einer über China sprach, dann sprach er über China. Als ich vor mehr als zwei Jahrzehnten nach Peking zog, um dort als Korrespondent zu arbeiten, da galt: Wenn einer über China schrieb, dann schrieb er über China.
Heute ist das anders. Heute gilt: Wer über China spricht, der spricht immer auch über uns. Wer über China schreibt, der schreibt immer auch über uns. China ist an uns herangerückt, China sitzt in unserer Mitte, China schickt sich an, über unsere [...]

weiterlesen

Einleitung
Als ich vor mehr als drei Jahrzehnten begann, Chinesisch zu studieren, da galt: Wenn einer über China sprach, dann sprach er über China. Als ich vor mehr als zwei Jahrzehnten nach Peking zog, um dort als Korrespondent zu arbeiten, da galt: Wenn einer über China schrieb, dann schrieb er über China.
Heute ist das anders. Heute gilt: Wer über China spricht, der spricht immer auch über uns. Wer über China schreibt, der schreibt immer auch über uns. China ist an uns herangerückt, China sitzt in unserer Mitte, China schickt sich an, über unsere Zukunft mitzubestimmen.
Wichtig also, dass wir genau hinschauen: Was ist das eigentlich heute für ein Land?
Ist es das Land, das in der Kombination von Autokratie und Wirtschaftswunder eine Zauberformel gefunden hat? Verfechter dieser These deuten zum Beispiel auf den in Rekordzeit entstandenen neuen Riesenflughafen in Peking, stellen dem das Flughafendesaster in Berlin gegenüber und leiten daraus eine angeblich sagenhafte Effizienz des chinesischen Systems ab. Sie preisen es als das Modell, das uns zögerliche Demokratien im neuen Wettbewerb der Systeme schlagen und die Welt dominieren wird.
Oder ist es der Staat, dessen wahre Natur sich einmal mehr beim Ausbruch des Corona-Virus in der Stadt Wuhan offenbarte? Beherrscht von einer Kommunistischen Partei, die sich auszeichnet durch maßlose Kontrollsucht und Geheimniskrämerei. Ein Regime, das sich im Angesicht von Krisen reflexhaft erst einmal aufs Vertuschen verlegt und so gerade im kritischen Anfangsstadium die Ausbreitung der Seuche selbst noch beförderte. Ein System also, das schnell zum Risiko werden kann für sich selbst, für sein Volk, aber auch für die Welt?
China verwirrt. Die Kommunistische Partei (KP) hat den „Sozialismus mit chinesischen Besonderheiten erfunden“, das ist der mit den vielen Milliardären, dafür ohne Sozialisten. Nennt sich kommunistisch, diese Partei, und herrscht doch über ein Land, in dem die Ungleichheit mittlerweile weit größer ist als in den USA. Dieses Land hat eines der größten Wirtschaftswunder der jüngeren Geschichte vollbracht und ist doch gerade dabei, sich vor unseren Augen wieder in einen totalitären Staat zu verwandeln. Da entsteht eine digitale Diktatur, die die Welt so noch nicht gesehen hat und auf die sie doch vorbereitet sein muss.
Dazu soll dieser Band beitragen.

1.
Warum sehen die Chinesen eigentlich alle gleich aus?
Tun sie gar nicht. Auch wenn westliche Medien immer wieder einen Bericht über die Schauspielerin Zhang Ziyi mit einem Foto von Fan Bingbing illustrieren und umgekehrt.
Gegenfrage: Warum eigentlich sehen die Europäer alle gleich aus? Im Ernst: Genau die Frage bekam ich einige Male zu hören während meiner Zeit in China. Und war dann ähnlich perplex, wie die Chinesen es sind, wenn man sie mit unserer Wahrnehmung konfrontiert.
Das Spannende ist, dass diese Wahrnehmung erst einmal nicht in Rassismus oder Faulheit wurzelt, sondern tatsächlich eine wissenschaftlich erforschte Basis hat. Und dass die hier wirksamen Mechanismen für sämtliche Rassen und Völker dieser Erde gelten.
Forscher ergründen das Phänomen schon seit über hundert Jahren, sie haben ihm den Namen Other-Race-Effect oder Cross-Race-Effect gegeben, für das sich in der Wissenschaft leider bislang keine deutsche Entsprechung eingebürgert hat. Es beschreibt die Tatsache, dass Mitglieder aller Rassen und Volksgruppen erst einmal Schwierigkeiten dabei haben, die Mitglieder anderer Volksgruppen als Individuen mit voneinander verschiedenen Merkmalen wahrzunehmen. Dabei ist diese Schwierigkeit nicht angeboren, sondern bildet sich erst heraus in dem Maße, in dem wir mehr oder weniger exklusiv unter Mitmenschen unserer eigenen Gruppe aufwachsen und dem Anblick andersartiger Gesichtszüge nicht ausgesetzt sind. Eine Studie von 2007 fand heraus, dass drei Monate alte Babys offenbar noch in der Lage sind, verschiedene weiße, afrikanische oder chinesische Gesichter als jeweils individuell verschiedene Gesichter wahrzunehmen. Im Alter von neun Monaten dann erkannten sie unterschiedliche Gesichtszüge nur mehr bei Angehörigen ihrer eigenen Rasse.
Die gute Nachricht: Sowenig wie diese Blindheit angeboren ist, so wenig muss man sie auf alle Ewigkeit mit sich herumtragen. Wenn ein Deutscher längere Zeit in China oder aber ein Chinese längere Zeit in Deutschland lebt, dann trainiert er automatisch sein Unterscheidungsvermögen. Lehrreich an all den Studien ist vielleicht diese Erkenntnis: Was unsere Sinne unserem Gehirn melden, ist nicht unbedingt ein korrektes Abbild der Wirklichkeit – ein gesundes Misstrauen gegenüber der eigenen (ersten) Wahrnehmung ist grundsätzlich nicht das Schlechteste.

2.
Wer sind die Chinesen?
Das Volk, das wir Chinesen nennen, nennt sich selbst han zu, Volk der Han, und seine Schriftzeichen han zi, Schrift der Han. Der letzten Volkszählung zufolge machen die Han knapp 92 Prozent der Bevölkerung von heute ungefähr 1,4 Milliarden Menschen aus. Es ist also die größte Volksgruppe der Welt. Die verbliebenen 8 Prozent teilen sich Minderheiten wie Tibeter, Uiguren, Mongolen, Mandschus, Hui-Muslime und fünfzig weitere offiziell anerkannte Ethnien.
Erste Zeugnisse chinesischer Kultur finden sich in der Shang-Dynastie, die vor mehr als dreitausend Jahren die Lössplateaus am Gelben Fluss besiedelte. Aber erst im Jahr 221 v. Chr. gelang es dem Qin-Kaiser Shi Huangdi, ein Reich mit einheitlicher Sprache und Verwaltung zu schaffen. Dieser erste Kaiser gilt den Chinesen bis heute als grausamer Tyrann, auch währte seine Dynastie nur kurz. Unser Wort „China“ geht auf den Dynastienamen Qin zurück. Ausgesprochen wird Qin ein wenig so, als gehe ein „ts“ einem „ch“ (wie in „ich“) voraus, also: „ts-ch-in“. Das aber bedeutet für die in Deutschland gerne leidenschaftlich geführte Debatte, ob man nun korrekterweise „Kina“ oder „Schina“ oder aber ein weiches „China“ sagt, am Ende ein Unentschieden: Keiner von uns spricht es wirklich richtig aus, also haben wir alle in gleichem Maße recht. Oder vielmehr unrecht.
Die Chinesen selbst zogen es vor, sich nach dem Herrscherhaus zu benennen, das die Qin ablöste, nämlich nach der Han-Dynastie (206 v. Chr. bis 220 n. Chr.). Der erste Kaiser dieser Dynastie, der in der Folklore verewigte Liu Bang, begann seine Herrschaft als Regionalfürst in einer Gegend am Han-Fluss, nach dem seine Dynastie schließlich benannt wurde. Die Han-Dynastie war ein erstes Beispiel für erfolgreiche Expansion und imperiale Macht chinesischer Kaiserreiche, mit einer Ausstrahlung weit in andere Regionen Ost- und Südostasiens hinein, wahrscheinlich wählte das chinesische Volk deshalb den prestigeträchtigen Namen für sich selbst. Interessanterweise zogen und ziehen viele Südchinesen (Kantonesen oder Hakka etwa) den Namen einer anderen prächtigen Dynastie als Selbstbezeichnung vor: Sie nennen sich nicht han ren, sondern tang ren, Menschen der Tang-Dynastie; in vielen Chinatowns rund um die Welt findet man deshalb eine tang ren jie, eine Straße der Tang-Menschen. Der oft gehörte Begriff zhong guo ren, Menschen des Reiches der Mitte, bezeichnet keine Ethnie, sondern alle Bürger Chinas.
Die oft suggerierte ethnische Einheit der Han ist allerdings Fiktion, auch die Han sind Produkt eines Völkergemischs. Nach mehr als zwei Jahrtausenden von Kriegen, Kolonialisierungen und Invasionen tragen sie selbst längst Gene mongolischer, tibetischer, koreanischer oder turkstämmiger Völker – Völker, die die chinesische Kultur bereicherten, aber selbst oft schnell sinisiert wurden. Die kulturelle Vielfalt innerhalb der Han wird noch heute an den regionalen Dialekten sichtbar, die eigentlich eigene Sprachen sind und nur die Schrift gemeinsam haben.

3.
Wie alt ist China?
Alt. Sehr alt. Aber fünftausend Jahre? Unermüdlich wiederholt die KP ihr Mantra von der 5000-jährigen Geschichte Chinas. Noch als ich Student war an der Nordwest-Universität in Xi’an Mitte der 1980er-Jahre, da sprachen alle – Chinas Wissenschaftler, Beamte und auch KP-Funktionäre – von der 3000-jährigen Geschichte des Landes. Das ist jetzt noch keine zweitausend Jahre her. Und auch wenn die Archäologen des Landes seither unermessliche Schätze freigelegt haben, so sind darunter doch keine, die das Alter der chinesischen Zivilisation nachweislich verlängert hätten. Was sich allerdings verändert hat seit meinen Studententagen, ist der nationalistische Furor, den die Partei dem Land verschrieben hat, und ihr Ehrgeiz, den Rest der Welt zu übertrumpfen.
Das Wort für Archäologie im Chinesischen ist kaogu, die Prüfung der Vergangenheit. Aber die erste Dynastie im chinesischen Herzland am Gelben Fluss, die dieser Prüfung standhält, ist die der Shang, die wahrscheinlich um 1600 v. Chr. gegründet wurde. Aus jener Zeit datieren die ersten Zeugnisse der chinesischen Schrift, eingraviert in sogenannte Orakelknochen: Schildkrötenpanzer und Schulterblätter von Ochsen sind das, die von den Schamanen der Shang ins Feuer geworfen und dann entlang der durch die Hitze entstandenen Risse für ihre Prophezeiungen interpretiert wurden. Wenn man die Geschichte einer Zivilisation mit den ersten Zeugnissen ihrer Schrift beginnen lässt, dann kommt man für China also auf gesicherte dreitausendzweihundert Jahre, für die Ursprünge des organisierten Staates bei den Shang kann man wohl noch einmal vierhundert Jahre drauflegen. Alles davor verschwindet im Nebel der Mythen, für die Existenz der angeblich den Shang vorangehenden ersten Dynastie der Xia gibt es bis heute keinerlei Belege. Und was die ersten Hochleistungen politischen und philosophischen Denkens angeht, liegen China, Europa und Indien ungefähr gleichauf: Konfuzius (551–479 v. Chr.) lebte ungefähr zur gleichen Zeit wie in Griechenland Pythagoras und Sokrates und in Indien Siddharta Gautama, der als der historische Buddha bekannt wurde.
Dreitausendzweihundert Jahre aber, das ist für eine Zivilisation schon verdammt alt, auch wenn es ein erstmals politisch geeintes China nicht vor 221 v. Chr. gab. Zumal sich tatsächlich über die Schrift auf den Orakelknochen eine erstaunlich kontinuierliche Linie bis zur Kultur der Jetztzeit ziehen lässt: Einige der Schriftzeichen von damals kann man als Chinesischkundiger noch heute erkennen. Genug Grund, um stolz zu sein, sollte man meinen. Wieso bloß besteht die KP dann seit ein paar Jahren auf der Zahl Fünftausend? Die meisten Beobachter tippen auf Altersneid: Die ersten bekannten Schriftzeugnisse der Hochkulturen Mesopotamiens und Ägyptens sind beide älter als die Chinas, nämlich tatsächlich mehr als fünftausend Jahre alt. Und Ägypten gibt es, wenn auch nicht als kontinuierlich existierende Hochkultur, so doch als Staatswesen, zumindest dem Namen nach ebenfalls noch heute. Das China der KP aber möchte sich nicht mehr übertrumpfen lassen, von niemandem.

Kai Strittmatter

Über Kai Strittmatter

Biografie

Kai Strittmatter, Jahrgang 1965, studierte Sinologie in München, Xi’an (Volksrepublik China) und Taipei (Taiwan). Für die „Süddeutsche Zeitung“ war er ab 1997 acht Jahre lang Korrespondent in Peking. Von 2005 bis 2012 berichtete er für die SZ von Istanbul aus über die Türkei und Griechenland, von...

Kommentare zum Buch
Kommentieren Sie diesen Beitrag:
(* Pflichtfeld)

Kai Strittmatter - NEWS

Erhalten Sie Updates zu Neuerscheinungen und individuelle Empfehlungen.

Beim Absenden ist ein Fehler aufgetreten!

Kai Strittmatter - NEWS

Sind Sie sicher, dass Sie Kai Strittmatter nicht mehr folgen möchten?

Beim Absenden ist ein Fehler aufgetreten!

Abbrechen