Cold as Ice (Winter Games 1) Cold as Ice (Winter Games 1) - eBook-Ausgabe
Roman
— Romantische Enemies-to-Lovers Winter-Romance der USA Today Bestseller-AutorinCold as Ice (Winter Games 1) — Inhalt
Die Winter-Romance-Serie der „USA Today“-Bestsellerautorin endlich auf deutsch – für Fans von Hannah Graces „Icebreaker“
Der Wettbewerb bei den Winter Classics ist hart genug. Aber die gesamte Pressetour mit einer Frau verbringen zu müssen, die mich hasst? Karma ist wirklich ein Miststück!
Während Mia mich seit vier Jahren wegen dem, was zwischen ihrem Bruder und mir passiert ist, verabscheut, habe ich daran gearbeitet, die Schuldgefühle zu ignorieren, die an mir nagen. Als sie früher versucht hat, auf der Piste mit uns mitzuhalten, habe ich sie kaum wahrgenommen. Nun bereiten wir uns beide darauf vor, um Gold zu kämpfen, und sie geht mir nicht mehr aus dem Kopf …
Alle Bände der Winter Games-Reihe:
Band 0/Novella: Iced Out
Band 1: Cold as Ice
Band 2: On thin Ice
Band 3: Break the Ice
Leseprobe zu „Cold as Ice (Winter Games 1)“
Kapitel Eins
Ein frischer Wind weht um die von Scheinwerfern angestrahlte Halfpipe, die sich wie ein Leuchtfeuer von der dunklen Umgebung abhebt. Ich lasse das Board zur Startposition gleiten und fahre in die Halfpipe ein. In meinen Ohren dröhnt Musik, der Schnee knirscht unter meinem Gewicht. Nervosität und Aufregung verschwinden, und mein Körper schaltet auf Autopilot. Als ich über die Kante fliege, komme ich höher als je zuvor im Training. Blitzlichter leuchten auf, das Gebrüll der Menge geht beinahe in Eminems Till I Collapse unter. Nach der Landung [...]
Kapitel Eins
Ein frischer Wind weht um die von Scheinwerfern angestrahlte Halfpipe, die sich wie ein Leuchtfeuer von der dunklen Umgebung abhebt. Ich lasse das Board zur Startposition gleiten und fahre in die Halfpipe ein. In meinen Ohren dröhnt Musik, der Schnee knirscht unter meinem Gewicht. Nervosität und Aufregung verschwinden, und mein Körper schaltet auf Autopilot. Als ich über die Kante fliege, komme ich höher als je zuvor im Training. Blitzlichter leuchten auf, das Gebrüll der Menge geht beinahe in Eminems Till I Collapse unter. Nach der Landung rase ich an der anderen Wand wieder hinauf, schlage einen Salto und drehe mich in der Luft um die Längsachse, bis das Board wieder auf dem Boden landet, und dann mache ich das Ganze noch einmal von vorn.
Die Blitzlichter, die jubelnde Menge und die Musik rücken in den Hintergrund, bis ich den Zustand erreiche, den ich jedes Mal anstrebe – das Gefühl, komplett im Moment und völlig auf mein Ziel konzentriert zu sein. Schließlich erreiche ich das Ende der Halfpipe und stoße beim Anhalten die Faust in die Luft. Ich schicke ein kleines Dankgebet gen Himmel, weil ich nicht gestürzt bin, schiebe die Schutzbrille hoch und klatsche ein paar Fans ab, die sich am Rand der Halfpipe aufhalten.
Ich löse die Stiefel vom Board und stelle mich auf den dafür vorgesehenen Punkt, den Blick auf die Anzeigetafel mit den Ergebnissen gerichtet. War meine Performance gut genug, um mich für die Winter Classics zu qualifizieren? Auf dem Hügel voller Zuschauer wird es still, und mit jeder Sekunde wachsen meine Zweifel daran, dass die Fahrt tatsächlich so gut war, wie sie sich anfühlte. Endlich leuchtet mein Ergebnis auf der Tafel auf, und die Menge brüllt lauter, als mir kurz vor dem Drop-in das Blut in den Ohren gerauscht hat.
Dax und Beckett, meine Kumpel und Snowboarding-Kollegen, kommen von der Seitenlinie angerannt und ringen mich mit ihren Glückwünschen nieder, bis ich rücklings im Schnee lande.
„Du hast es geschafft!“ Dax schüttelt mich und packt mich an der Jacke, um mich wieder hochzuziehen.
Er legt mir einen Arm um die Schultern, und wir verlassen breit grinsend die Halfpipe, damit der nächste Fahrer starten kann. Aber wir haben das aufblasbare Tor kaum hinter uns gelassen, da stellt sich uns ein Reporter in den Weg. Er hält mir ein Mikrofon vor die Nase, und Dax und Beckett lachen.
„Sie gehören jetzt offiziell zur Mannschaft für Korea, Grady. Wie fühlen Sie sich?“ Nik, ein Ex-Snowboarder, der seit den letzten Winter Classics vor fast vier Jahren als Reporter arbeitet, lächelt mich an.
Ich lächele zurück. Dax boxt mir gegen den Arm, ehe er mit Beckett zusammen verschwindet. Hoffentlich stehen die beiden morgen auch an dem Punkt, an dem ich jetzt bin. „Ich fühle mich sehr gut“, sage ich. „Ich habe Glück gehabt.“
Seit sechs Jahren immer wieder dieselben Fragen.
„Ich glaube, Glück kann man das nicht nennen. Sie sind fehlerfrei gefahren, und Sie scheinen Ihre Tricks bei jeder Fahrt erneut zu toppen.“
„Sie wissen doch, Nik, in der Saisonpause heißt es üben, üben und nochmals üben.“
Er klopft mir auf den Rücken. „Nun, Ihr Fleiß hat sich bezahlt gemacht. Ruhen Sie sich ein bisschen aus.“
„Ich bleibe heute Abend noch hier.“
„Vermutlich, um zu sehen, wie sich Matt Peterson schlägt?“, fragt Nik mit hochgezogener Augenbraue.
Seit ungefähr einem Jahr lieben es die Reporter, mich mit diesem Senkrechtstarter unter Druck zu setzen, der aussieht, als hätte er gestern noch Windeln getragen. Im Gegensatz zu mir hat er keine Sponsoren. Er hat auch keine eigene Halfpipe wie ich, die im vergangenen Jahr speziell und ausschließlich für mein Training gebaut wurde. Vielleicht wird das nächste Jahr sein Jahr, wenn ich mich vom Sport und aus der Szene zurückziehe, aber solange ich dabei bin, wird er nicht ganz oben auf dem Treppchen stehen. Denkt an meine Worte.
„Klar, die Konkurrenz darf man nie aus den Augen lassen“, sage ich und hoffe, dass mein Lachen einigermaßen echt klingt. „Man will ja nicht zurückfallen.“
Nik schüttelt lachend den Kopf. „Und nicht vergessen, in einer Stunde sind die Frauen an der Reihe. Ich bin neugierig auf Mia Salter; es heißt, sie sei eine Art weiblicher Grady Kale.“
Mein Magen droht zu rebellieren. „Sie trainiert hart, das war also durchaus zu erwarten.“
„Manche Leute behaupten, sie sei hier, um den Namen ihrer Familie zu verteidigen.“
Ich beiße die Zähne zusammen und starre Nik durchdringend an. Was zum Teufel will dieser Typ von mir?
„Tja, jeder Boarder hat seine eigene Motivation, würde ich sagen. War nett, mit Ihnen zu reden, Nik. Man sieht sich.“
Damit drehe ich mich um und gehe fort. Dax und Beckett blicken jetzt böse in Niks Richtung. Er war mal einer von uns. Er war dabei, als alles geschah.
„Da haben Sie es, meine Damen, der berühmte Grady Kale erringt in der ersten Qualifikation – der Halfpipe – als Erster einen Platz im Winter-Classics-Team. Und wer behauptet ernsthaft, er hätte heute Abend etwas anderes erwartet? Nun also zurück zu dir, Barb.“
Der Kameramann lässt die Kamera sinken, und Niks Stiefel knirschen im Schnee, Sekunden bevor er erneut neben mir auftaucht. „Hey, Rogue.“ Er benutzt meinen Spitznamen. „Du verstehst sicher, dass ich meinen Platz erst noch finden muss“, sagt er.
Ich hole tief Luft und nicke.
„Ich meine, nach den letzten Winter Classics und angesichts der Tatsache, dass Mia Brandons Schwester ist …“
Ich nicke noch einmal.
„Verdammter Verräter“, faucht Dax, und nun gilt Niks Aufmerksamkeit ihm.
„Halt du dich da raus, Soups“, sagt er und richtet den Blick erneut auf mich. „Ich wollte keine alten Wunden aufreißen. Der Sender verlangt nun mal von mir, dass ich Fragen stelle. Ihr wisst ja, das wird eine Riesenstory dieses Jahr mit dir und Mia in ein und demselben Team.“
„Mach dir keine Gedanken. Ist keine große Sache.“ Ich klopfe ihm auf die Schulter und setze ein Lächeln auf.
Er nickt, dann geht er zu seinem Kameramann, um sich auf die nächste Aufnahme vorzubereiten, während ich mit meinen Freunden am Rand der Halfpipe Stellung beziehe, um zuzusehen, wie Matt Peterson meinen Platz einzunehmen versucht.
Die Menge feuert ihn an; Jugendliche halten ausgeschnittene Fotos von Matt hoch, während er sich zum Start begibt.
„Der Typ kann dir gar nichts“, sagt Beckett neben mir.
Es nervt mich tierisch, dass Dax und Beckett anscheinend ständig das Bedürfnis haben, mich zu beruhigen. Denn damit unterstellen sie mir, dass ich beruhigt werden muss. Matt hat Eier, und genau das entscheidet in diesem Business darüber, ob man mit einer Medaille nach Hause geht oder nicht. Aber er ist zu unerfahren. Er ist noch nicht so weit.
Matt saust in die Halfpipe, und ich sehe ihn nicht als Ganzes – als Snowboarder, der die Wand hinunterfährt –, sondern beobachte jede noch so kleine Bewegung seines Körpers. Wie er sich vorbeugt, wann er in die Knie geht, wie er die Schultern hält oder das Gewicht verlagert, wie er bei der Landung auf dem Board steht. Der Typ hat was drauf, und das sage ich nicht, weil er mir die ganze Saison auf den Fersen war. In diesem Moment rast er an der Südwand hoch, und die Zuschauer reißen die Arme hoch, als er einen Steilflug hinlegt.
„Fuck, was denkt sich der Junge bloß dabei?“, höre ich Dax neben mir. Wir fragen uns alle drei, ob Matt jemals aufhören wird, sich zu drehen, um tatsächlich auf dem Boden zu landen.
„Fuck!“, wiederholt Beckett.
Ich zucke zusammen, kann nicht hinsehen, als Matts Körper auf den Boden der Pipe stürzt. Eine gefühlte Ewigkeit bleibt er dort liegen, setzt sich aber nach einigen Sekunden zum Glück wieder auf. Er reißt sich den Helm vom Kopf und schleudert ihn weg. Rotierend wie ein Kreisel erreicht das Ding das Ende der Pipe, während Trainer und medizinisches Personal auf Matt zustürmen. Doch er lehnt jede Hilfe ab und befreit sich selbst von seinem Board. Er würdigt die Menge keines Blickes, sondern hält den Kopf gesenkt. Ich kann ihn zwar nicht hören, schließe aber aus der Bewegung seiner Lippen, dass er sich gerade selbst verflucht.
„Der Junge sollte solche Tricks vorher mal in der Schaumgrube ausprobieren“, sagt Beckett kopfschüttelnd.
„Aber wenn er es schafft …“ Dax mustert mich mit hochgezogenen Brauen.
Ich werde selbst meinen Airbag benutzen müssen, um diesen Trick zu meistern und meinen Vorsprung zu verteidigen.
Das Ergebnis erscheint auf der Anzeigetafel, aber er sieht gar nicht hin. Ziemlich blöd, und genau das ist es auch, was ihn von mir unterscheidet. Spar dir das verrückte Zeug fürs Training auf und führ nie einen Trick vor, bevor du ihn nicht beherrscht und mit Sicherheit weißt, dass du mit beiden Füßen wieder auf dem Boden landen wirst.
„Ich brauche einen Drink“, verkünde ich, nehme mein Board und mache mich auf den Weg durch die Menge.
Fans und Freunde halten mich auf, um mir zu gratulieren. Dax und Beckett holen mich ein, positionieren sich links und rechts von mir.
„Du zahlst.“ Dax’ Hand landet auf meiner Schulter.
„Tue ich das nicht immer?“, versetze ich trocken.
Aber diesmal macht es mir nichts aus, denn ich weiß, dass ich mit ihm als Konkurrenz morgen Abend leichtes Spiel haben werde.
Die Stimme des Kommentators ertönt aus den Lautsprechern: „Als Nächstes folgt der Halfpipe-Wettbewerb der Frauen. Ich setze auf Mia Salter.“
„Ich denke, da ist das Publikum ganz deiner Meinung“, stimmt ihm der zweite Sprecher zu.
Auf der elektronischen Anzeigetafel erscheint ein Bild von Mia. Ich werfe einen kurzen Blick darauf und steuere dann weiter auf die Bar zu, die vor mir liegt.
Da ist es wieder, das mulmige Gefühl in meinem Magen, das sich immer einstellt, wenn ich den Namen Salter lese oder höre. Nach fast vier Jahren habe ich mich daran gewöhnt.
Verdammt noch mal, ich will endlich einen Drink.
Kapitel Zwei
Ich recke den Hals und starre auf den verschneiten Hügel voller verdammter Anfänger auf der Suche nach Platz. Die Vorbereitungen auf die Classics bringen mich total durcheinander, weil die verschiedenen Facetten meines Charakters an die Oberfläche drängen. Die verantwortungsvolle Seite, die weiß, dass ich hier einen Job zu erledigen habe. Die technische Seite, die alle Senken und Kurven der Piste betrachtet und die beste Route nach unten berechnet. Und das Kind in mir, das sich auf die Gelegenheit freut, im Pulverschnee herumzutoben.
Die grausamen Trainingsstunden werden nach diesem Boxenstopp weitergehen, aber jetzt muss ich meine Batterien wieder aufladen und mich daran erinnern, warum ich diesen Sport so sehr liebe. Nichts eignet sich dafür besser als ein bisschen Zeit für mich auf der Piste, abgesehen vielleicht von einem Trip ins Hinterland, um einen neuen Lieblingsort zu entdecken.
„Da bist du ja!“, ruft Candice, meine Sportagentin. Der kalte Wind bläst ihr die blonden Haare ins Gesicht, ein Fuß fliegt in die Luft und kündigt ihren Sturz an.
Ich greife nach ihrem Arm, womit ich den Sturz zwar nicht verhindern kann, aber wenigstens schlägt sie nicht mit dem Kopf auf dem vereisten Boden auf.
„Das muss ein Zeichen sein, dass ich keine Wintersportler mehr unter Vertrag nehmen sollte.“ Sie lacht über sich selbst, steht auf und wischt sich den Schnee vom Hintern.
Candice ist eingepackt, als würden wir den Tag in Kanada verbringen. Wie soll das werden, wenn sie mir irgendwann zu Events dorthin folgen muss? In der Zukunft sehe ich sie eher in einer Hütte in einem weichen Ledersessel sitzen.
„Also, wo sind die Kameras?“, frage ich.
„Wir müssen auf die andere Seite des Hügels. Dort haben sie eine Abfahrt für zwei Stunden gesperrt. Sieh zu, dass du nicht stürzt und es gleich beim ersten Mal hinkriegst.“
Candice hakt sich bei mir unter. Wahrscheinlich aus Sicherheitsgründen. Jedenfalls rede ich mir das ein, denn als mir mein Cousin Jagger, seines Zeichens Talentscout in Hollywood, Candice als Agentin empfahl, hat er gleich den Ratschlag hinterhergeschoben, Geschäftliches von Privatem zu trennen.
Wir führen ein wenig Small Talk, und plötzlich hält ein Schneemobil neben uns. Der Fahrer stellt sich vor, nimmt mein Board, schnallt es an die Maschine und reicht mir den Schlüssel.
Heute muss mein Glückstag sein.
Ich steige auf, und gerade als ich Gas geben und zu meinem Bestimmungsort rasen will, kommt Candice auf mich zu, auf Zehenspitzen, um ja nicht hinzufallen. Sie nimmt hinter mir Platz, drückt ihre Schenkel an meine und schlingt mir die Arme um die Taille, wobei sie die Wange an meinen Rücken drückt. „Sei lieb zu mir“, ruft sie über den Motorenlärm hinweg.
Bald darauf kommen wir auf der anderen Seite des Hügels an. Überall auf dem Hang sind Kameras aufgestellt, damit meine Abfahrt aus jeder Perspektive zu sehen ist, und das Logo des Sponsors wurde frisch in den Schnee gemalt.
Ich stelle den Motor aus. Candice steigt ab. Offenbar ist sie hier etwas sicherer auf den Beinen, denn auf dieser Seite des Bergs herrscht weitaus weniger Skibetrieb, sodass der Boden mehr Grip hat. Sie spricht kurz mit Hal, dem Kreativdirektor von Gasoline Energydrinks, und dann kommen die beiden zu mir. Ich warte schon auf ihre Anweisungen.
„Grady.“ Hal reicht mir die Hand. „Gratuliere, dass du es ins Team geschafft hast.“
„Danke, Mann.“ Ich schlage ein. „Freut mich, dich zu sehen.“
Er nickt. Wir haben ein gutes Arbeitsverhältnis. Ich tue, was er sagt, und versuche, ihm das Leben so leicht wie möglich zu machen. Im Gegenzug erzählt er seinen Chefs, dass sich mit mir gut arbeiten lässt und seine Firma mich weiterhin sponsern sollte.
„Ich habe Candice gerade gesagt, dass der andere Fahrer schon oben ist. Ihr werdet mit gleicher Geschwindigkeit abfahren und unten gleichzeitig anhalten. Dann nehmt ihr die Brille ab und sagt: ›Dank Gasoline Energydrinks werden wir in Korea unser Bestes geben.‹“
Ich nicke und merke mir meinen Satz. „Keine Nahaufnahmen heute?“
Hal lacht. „Nee. Das kommt erst, wenn du Gold geholt hast.“ Er zwinkert, denn er weiß, dass ich mir so kurz vor den Classics keine Verletzung leisten kann. Aber ich erinnere mich noch verdammt gut an die Promo vom letzten Jahr, als wir mit dem Heli ins Hinterland geflogen sind.
„Okay“, sagt Hal, als sich ein Typ in meinem Alter nähert, auf das Schneemobil steigt und es anlässt. „Ollie bringt dich nach oben zum Startpunkt. Versuch, auf gleicher Höhe mit dem anderen Fahrer zu bleiben.“
Ich steige auf das Schneemobil und setze mir die Skibrille auf. „Wer ist denn der andere Fahrer?“, frage ich über den Motorenlärm hinweg.
Candice und Hal tauschen Blicke.
Verdammt.
„Egal“, sage ich und wende mich an Ollie: „Los geht’s.“
Er rast den Hügel hinauf, und je weiter es nach oben geht, desto stärker verkrampft sich mein Magen. Denn ich weiß, wer mich dort oben erwartet, und ich weiß auch, dass ihre Miene voller Hass sein wird. Wie immer.
In den Jahren seit dem Vorfall haben wir einander höchstens noch gegrüßt, und auch das nur in Gegenwart anderer. Sie hasst mich, was ich ihr nicht verübeln kann, andererseits ist die Sache inzwischen vier Jahre her. Zeit für sie, sich wie eine Erwachsene und wie die Profisportlerin zu benehmen, die sie sein will.
Als wir anhalten, schnallt Mia gerade ihr Board an. Sie reckt den Hintern in die Luft, nicht zu übersehen und ausgesprochen attraktiv. Verdammt, sie hat sich echt gemacht. Ihr früher so schlaksiger Körper ist unter beeindruckenden Kurven verschwunden.
Beim Geräusch des nahenden Schneemobils richtet sie sich auf und sieht mit derart kaltem Blick über die Schulter, dass es mich nicht wundern würde, wenn aus ihrer Richtung ein eiskalter Wind zu uns herüberwehen würde.
„Gratuliere, dass du es ins Team geschafft hast“, sage ich steif, steige von dem Schneemobil und bücke mich, um mir das Board unterzuschnallen.
„Danke gleichfalls.“
Wir reden so gestelzt und förmlich wie zwei Engländer, die sich auf eine Partie Krocket vorbereiten.
„Dann mal los.“ Ich setze meine Skibrille auf, um die Sache schnell hinter mich zu bringen. Es kann nichts Gutes dabei herauskommen, wenn Mia Salter und ich längere Zeit miteinander allein sein müssen. Ich wende mich dem Hang zu und warte auf das Signal, dass wir startklar sind.
Mia schweigt, aber als ich verstohlen in ihre Richtung blicke, drückt ihre Haltung mehr aus, als wenn sie mich einfach anschreien würde. Ihr Rücken ist kerzengerade, die Fäuste sind geballt.
„Mia.“ Ollie tippt ihr auf die Schulter. „Ich möchte, dass ihr zwei euch anseht.“
Aber gerne doch, Schätzchen. Gegen meinen Willen frage ich mich, wie sie wohl unter all diesen Kleiderschichten aussieht.
Ollie hebt beide Daumen. „Ich zähle bis drei. Versucht, beieinanderzubleiben. Sie wollen, dass ihr gleichzeitig zum Stehen kommt.“
Wir nicken beide.
Er hebt die Finger. Eins. Zwei. Drei.
Ich verlasse die Rampe als Erster, aber sie holt mich sofort ein. In gleichmäßigem Tempo wedeln wir die Piste hinunter. Nichts Wildes, keine Tricks. Nur eine gemütliche Runde den Berg hinunter, als hätten wir alle Zeit der Welt. Ich glaube, so was habe ich zuletzt gemacht, als ich fünf Jahre alt war.
Mia springt über eine Bodenwelle und hebt ein bisschen ab. Ich tue es ihr nach, erstens, weil es sonst todlangweilig wäre und zweitens, weil ich nicht zulassen werde, dass sie hier allein die Show macht. Also rase ich über eine andere Bodenwelle und drehe mich in der Luft.
Ich erhasche einen Blick auf Mia, die mich durch ihre Brille betrachtet. Vermutlich ist sie stinksauer. Ihr Konkurrenzdenken ist im Lauf der Jahre nur stärker geworden. Mag sein, dass ich ihrer Familie nicht mehr nahestehe, aber sie konnte es noch nie leiden, wenn ihr Bruder und ich sie bei der Abfahrt abgehängt haben. Sie schlängelt sich zwischen den Bäumen zu ihrer Rechten hindurch, ihr Körper hebt und senkt sich, während sie den natürlichen Hindernissen ausweicht. Ziemlich mutig für ein Mädchen, das sich gerade erst einen Startplatz bei den Winter Classics erkämpft hat.
Ich sollte besser auf der Piste bleiben. Ein paar lahme Tricks machen, die ich schon mit zehn draufhatte, aber … ach, scheiß drauf. Ich folge ihrer Spur, und bald darauf sause auch ich an den Bäumen vorbei und nehme an Fahrt auf. Wir rasen beide über einen Felssockel, vollführen einen Salto, wobei sie vermutlich genauso hoch in die Luft fliegt wie ich. Selbst wenn sich Mia Salter verrückt aufführt, bleibt sie vorsichtig und auf Sicherheit bedacht.
Wir landen und versuchen weiterhin, uns gegenseitig zu überholen, während wir an Baumstümpfen vorbeirasen, die unseren Karrieren, wenn nicht gar unseren Leben ein Ende setzen könnten.
Irgendwann trifft der Rand meines Boards einen Baum.
Schnee hüllt mich ein, dabei bleibt der Baum als einziger grüner Fleck auf dem Hang zurück.
Bald darauf gelangen wir wieder auf die Piste, wobei ich ein paar Sekunden vor ihr liege. Ich komme als Erster unten an und schabe dort eine Stelle in den Schnee, an der wir unsere Brillen abnehmen und in die Kamera blicken.
„Dank Gasoline Energydrinks werden wir in Korea unser Bestes geben“, sagen wir wie aus einem Mund.
„Cut!“ Hal kommt zu uns herübergestapft, seine Stiefel hinterlassen große Abdrücke im Schnee. „Was zum Teufel war das denn? Dreht euch um.“
Mia und ich blicken uns zum ersten Mal wirklich in die Augen. Ihre sind leuchtend blau, die hellrosa Lippen passen zu ihren rosigen Wangen. Sie atmet schwer. Seit wann ist dieses Chick so heiß? Als ich sie keuchen höre, frage ich mich, ob sie sich genauso anhört, wenn sie gerade gekommen ist.
Kaum taucht dieser Gedanke auf, runzele ich die Stirn und schüttele den Kopf.
Woher zum Teufel kommt das denn?
Mia mustert mich böse, und mir läuft ein Schauer über den Rücken. „Was ist?“, fragt sie, eindeutig genervt.
„Hey, ihr beiden!“ Ich löse den Blick von ihr und richte ihn auf Hal. „Die Kameras sind da vorn“, ruft er und deutet auf die Piste, an deren Rand sie strategisch platziert worden sind. „Ihr solltet nur eine gemütliche Abfahrt miteinander machen, nachdem ihr eure Plätze im Team errungen habt … und zwar in Reichweite der Kameras. Kein verdammter Wettbewerb darum, wer wen zwischen den Bäumen abhängen kann.“
Hal ist sauer, und ich kann es ihm nicht verdenken. Wir haben mit unserem Stunt eine Menge Zeit und Geld verschwendet.
„Ollie wird euch jetzt wieder hochbringen, und dann kommt ihr gemeinsam herunter, lächelt und habt Spaß. Verstanden?“
Ich nicke, doch Mia lässt sich nicht so leicht überzeugen.
„Ich bin keine Schauspielerin, sondern Snowboarderin“, sagt sie und klingt immer noch ziemlich genervt.
„Kann schon sein, aber wenn du weiterhin Schecks von Gasoline bekommen willst, solltest du an deinen Theaterkurs in der Schule denken und deinen Hintern auf diesen Berg bewegen.“ Hal meint es ernst, seine Stimme verrät es laut und deutlich.
Gasoline ist mein Sponsor, seit ich zwölf war. Ich hoffe inständig, dass sie mir meine eigene Trainings-Halfpipe bauen, und ich will verdammt sein, wenn ich mir die Sache selbst versaue.
Ich gehe zum Schneemobil zurück, treffe dort aber auf Mia. Lächelnd deute ich auf die Maschine und sage: „Ladys first.“
Ihre Augen sind unter der Schutzbrille verborgen, aber ihr verkniffener Mund zeigt mir, wie sehr ihr die Sache unter die Haut geht.
Sie steigt auf, drückt sich das Board an die Brust und lässt sich von Ollie wieder auf den Berg bringen.
„Können wir uns jetzt bitte alle zivilisiert benehmen?“ Candice taucht neben mir auf.
„Na klar“, sage ich und zwinkere ihr zu.
„Dein Grinsen sagt mir, dass du lügst, aber pass auf: Wenn du diese Promo hinkriegst, hast du erst mal eine Zeit lang Ruhe vor ihr.“
„Wusstest du, dass sie hier sein wird?“, frage ich, denn ich möchte wissen, warum sie mich nicht vorgewarnt hat.
Candice nickt, holt einen Labello aus der Tasche und trägt eine Schicht auf. „Natürlich.“ Sie reibt die Lippen aufeinander und steckt den Stift wieder in die Manteltasche. „Mia ist meine Klientin.“
Kalte Luft dringt in meinen offen stehenden Mund. „Wie bitte? Darüber hätten wir reden müssen, als ich dich engagiert habe.“
„Nein“, sagt sie und schüttelt den Kopf. Das Brummen des Schneemobils kommt näher, weil Ollie bereits auf dem Rückweg ist. „Ihr habt nichts miteinander zu tun, ich kann euch also durchaus beide vertreten.“
„Du weißt doch, was zwischen uns passiert ist.“ Ich verdränge all die Gedanken, die sich in meinem Hirn festzusetzen versuchen … Bedauern, Scham, Enttäuschung.
„Ja“, sagt Candice und nickt abermals.
„Du willst nur zwei fette Schecks abgreifen, weil wir die Besten sind.“
Ein durchtriebenes Grinsen umspielt ihren Mund, als sie zu mir aufblickt. „Du gibst also zu, dass Mia Salter die Beste ist?“
Mit leerem Blick starre ich sie an, finde einfach keine Worte. Kein Wunder, dass Jagger sie vorgeschlagen hat, sie ist wirklich gerissen.
Ihre kleine, behandschuhte Hand tätschelt mir den Rücken. „Jetzt spring auf das Ding da und mach alles richtig, damit wir beide einen fetten Scheck bekommen.“
Meine Gedanken wirbeln durcheinander wie Schnee in einer Lawine … Candice will uns beide vertreten? Eigentlich sollte das kein Problem sein, weil es für Männer und Frauen normalerweise getrennte Werbeetats gibt. Im Allgemeinen suchen sich die Sponsoren eine Person pro Geschlecht aus.
Ich springe auf das Schneemobil, und Ollie rast ohne weitere Verzögerung mit brüllendem Motor den Berg hinauf.
Oben angekommen, drosselt er das Tempo. Ich springe ab und schnalle mir das Board an, ohne weiter darüber nachzudenken. Diese Handgriffe sind mir mittlerweile zur zweiten Natur geworden.
Mia erwartet mich am Gipfel und mustert mich abschätzig.
Nanu? Ihre Miene hat nichts Angewidertes mehr. Allerdings bezweifele ich, dass die mädchenhaften Gefühle von früher wiedererwacht sind und sie Schmetterlinge im Bauch hat. Nicht nach dem, was mit ihrem Bruder passiert ist.
„Ich dachte, du hasst mich?“, frage ich, weil ich der Versuchung, sie aufzuziehen, nicht widerstehen kann.
Sie hebt den Kopf, blickt mir in die Augen und presst die Lippen aufeinander.
„Tue ich auch.“ Sie setzt ihre rosa Skibrille auf.
Ich ziehe meine ebenfalls herunter. „Kommt mir aber eher so vor, als würdest du ein Sexobjekt in mir sehen.“ Ich rutsche mit meinem Board auf dem Schnee hin und her, kann kaum noch erwarten, dass es endlich losgeht.
„Ich genieße den Anblick. Genau wie du vorhin, als du mir auf den Hintern gestarrt hast.“ Ihre Zunge blitzt hervor, sie leckt sich die Lippen.
Ich würde wahnsinnig gern wissen, wie diese Lippen schmecken.
Oha. Was zum Teufel habe ich da gerade gedacht?
Ich werde es der Tatsache zuschreiben, dass mein Sexleben durch das viele Training ein wenig in den Hintergrund geraten ist, sodass mir im Augenblick jedes weibliche Wesen verlockend erscheinen würde.
„Das bildest du dir ein. Ich glotze der Schwester meines besten Freundes nicht auf den Hintern.“
Sie blickt zu Ollie hinüber, der sich per Funk mit jemandem am Fuß des Abhangs verständigt.
Ein hohles Lachen kommt aus ihrem Mund, ihr Atem bildet eine kleine Wolke in der kalten Luft. „Du bist nicht mehr sein bester Freund.“
Ihre Worte treffen mich tief, aber ich darf mir nicht anmerken lassen, wie tief.
Wir blicken uns in die Augen, wippen auf unseren Boards ungeduldig hin und her.
„Okay, lass es mich anders ausdrücken … ich date nicht die Schwester meines ehemaligen besten Freundes.“
„Und ich date keine unreifen Arschlöcher, die sich nur für sich selbst interessieren.“ Sie verzieht die Lippen zu einem künstlichen Grinsen.
Dann senkt sie den Blick und richtet ihren Handschuh – obwohl es gar nichts zu richten gibt. „Ollie!“, ruft sie.
Er hebt die Hand zum Zeichen, dass es noch einen Moment dauern wird.
„Spielst du jetzt die Diva, oder was? Ich meine, bis jetzt hast du nicht mal eine Medaille geholt.“
Ihr Grinsen verblasst, und sogar mir ist klar, dass dies ein Schlag unter die Gürtellinie war. Aber verdammt, Mia und alles, wofür sie steht, bringen einfach immer das Schlechteste in mir hervor.
„Das wird sich sehr bald ändern. Lust auf eine kleine Wette, wer bei den Winter Classics mehr Gold holt?“
Lachend schüttele ich den Kopf. Diese Wette ginge mit Sicherheit an mich.
„Wie wär’s mit ein paar sexuellen Gefälligkeiten, wenn ich gewinne?“ Keine Ahnung, warum ich sie unbedingt weiterhin aufziehen muss.
Für eine Sekunde starrt sie auf einen Punkt hinter mir, dann greift sie nach ihrem In-Ear-Kopfhörer und macht Anstalten, ihn sich ins Ohr zu stecken. Ollie ist vermutlich bereits auf dem Weg zu uns.
„Ich würde nicht mal mit dir schlafen, wenn du einen Zwanzig-Zentimeter-Schwanz hättest“, faucht sie.
Ich grinse. „Du hast die Gerüchte also gehört? Ich finde es allerdings enttäuschend, wie sehr die Leute untertreiben. Fünfundzwanzig Zentimeter, und der Umfang ist auch nicht übel.“ Ich zwinkere ihr zu.
„Igitt!“, schreit sie.
Ich lache.
Dieses Mädchen hat sich immer schon zu leicht provozieren lassen.
Ollie kommt näher und mustert mich aus dem Augenwinkel.
„Alles in Ordnung, Mia?“, fragt er.
„Bringen wir es einfach hinter uns.“ Erneut schaukelt sie auf dem Brett hin und her.
„Okay, dann lasst uns starten“, sagt Ollie, und wir hören, wie er ein weiteres Mal herunterzählt.
Mia und ich mögen nur wenig gemeinsam haben, aber wir fahren mit gleichmäßiger Geschwindigkeit den Berg hinunter, was vermutlich bedeutet, dass es zumindest eine Gemeinsamkeit gibt: Das hier soll so schnell wie möglich vorbei sein, damit wir wieder so tun können, als gäbe es den anderen gar nicht.
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