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Confession Room Confession Room - eBook-Ausgabe

Lia Middleton
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Thriller

— Mit limitiertem Farbschnitt | Die neue Thriller-Stimme aus England | „Spannend, atemberaubend, clever.“ Claire Douglas
Paperback (17,00 €) E-Book (14,99 €)
€ 17,00 inkl. MwSt. Erscheint am: 04.04.2025 In den Warenkorb Im Buchshop Ihrer Wahl bestellen
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Confession Room — Inhalt

Willkommen im Confession Room, in dem dich dein Geheimnis töten kann! 

Seit Emilia im Internet auf den Confession Room gestoßen ist, ist sie fasziniert von diesem Forum. Hier kann jeder seine Geheimnisse beichten. Anonym. Und so wagt es auch Emilia, von ihrer eigenen Schuld zu schreiben. Doch je mehr auf der Seite mitmachen, desto dunkler werden die Geständnisse. Bis eines nachts etwas Unglaubliches angekündigt wird: ein Mord, in London, dazu die Namen eines Mannes und einer Frau. Es kann sich nur um einen makabren Scherz handeln, oder? Obwohl Emilia seit dem Tod ihrer jüngeren Schwester nicht mehr bei der Polizei arbeitet, beginnt sie fieberhaft zu recherchieren, um die Morde verhindern. Zu spät: Die Polizei findet zwei Leichen – und eine weitere Mordankündigung wird im Confession Room veröffentlicht. Wer steckt hinter all dem? Und wie werden die Opfer ausgewählt? Emilia taucht immer tiefer in die Welt des Confession Rooms ein. Nicht ahnend, dass sie bereits selbst in höchster Gefahr ist ...

Atemlose Spannung, schockierende Wendungen und eine Ex-Polizistin mit Abgründen -mit „Confession Room“ legt die britische Thrillerautorin Lia Middleton einen packenden Pageturner für alle Fans von Claire Douglas, Linus Geschke und Camilla Way vor. 

„Fesselnd, Gänsehaut verursachend, packend ... Man kann ›Confession Room‹ nicht aus der Hand legen.“ Chris Whitaker, Autor von „In den Farben des Dunkels“

„Dieses Buch vibriert nahezu vor Angst und Schrecken.“ Daily Mail

„Ein rasanter Thriller ... originell, zeitgemäß und sehr clever.“ Emily Freud

„Spannend, atemberaubend, clever.“ Claire Douglas, Autorin von „Girls Night“

€ 17,00 [D], € 17,50 [A]
Erscheint am 04.04.2025
Übersetzt von: Charlotte Lungstrass-Kapfer
400 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-492-06558-0
Download Cover
€ 14,99 [D], € 14,99 [A]
Erscheint am 04.04.2025
Übersetzt von: Charlotte Lungstrass-Kapfer
400 Seiten
EAN 978-3-492-60959-3
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Leseprobe zu „Confession Room“

4. November, 19:00 Uhr

Emilia schlägt die Tür hinter sich zu, lehnt sich dagegen und schließt kurz die Augen. Genießt das Gefühl, endlich zu Hause zu sein. Wieder einmal hat sie den ganzen Tag im Auto gesessen und ein Haus beobachtet, hat darauf gewartet, dass ein Mann der Frau eines anderen einen Besuch abstattet. Es hat ihren Körper ebenso ausgelaugt wie ihren Geist. Erbarmungslose Langeweile kann echte Schmerzen hervorrufen.

Aber es gibt Schlimmeres, als sich dafür bezahlen zu lassen, die Affären untreuer Ehepartner aufzudecken. Und es ist deutlich [...]

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4. November, 19:00 Uhr

Emilia schlägt die Tür hinter sich zu, lehnt sich dagegen und schließt kurz die Augen. Genießt das Gefühl, endlich zu Hause zu sein. Wieder einmal hat sie den ganzen Tag im Auto gesessen und ein Haus beobachtet, hat darauf gewartet, dass ein Mann der Frau eines anderen einen Besuch abstattet. Es hat ihren Körper ebenso ausgelaugt wie ihren Geist. Erbarmungslose Langeweile kann echte Schmerzen hervorrufen.

Aber es gibt Schlimmeres, als sich dafür bezahlen zu lassen, die Affären untreuer Ehepartner aufzudecken. Und es ist deutlich besser als die ersten sechs Monate nach ihrem Ausscheiden aus dem Polizeidienst, in denen sie nur auf der Couch vor sich hin vegetiert und von ihren dürftigen Ersparnissen gelebt hat, während sie darauf wartete, dass sich ihre Beklommenheit zumindest so weit legte, dass sie einen Spaziergang machen oder ihre Eltern besuchen konnte. In jener Zeit hatte die Furcht sie beinahe aufgefressen. Jetzt hat sie sich zumindest unsichtbar gemacht, verbirgt sich an einem Ort, von dem aus Emilia sie vielleicht irgendwann so tief hinabstoßen kann, dass sie nicht mehr spürbar ist.

Mimis Bellen lässt sie die Augen öffnen, das leise Klicken ihrer Krallen im Flur.

„Hallo, meine Süße“, sagt sie liebevoll und geht dann nach hinten durch in die Küche, wo sie den Hahn an der Spüle aufdreht und darauf wartet, dass das Wasser kalt wird. Durstig leert sie das erste Glas und füllt es sofort wieder auf, während sie einen lauten Seufzer ausstößt, als könnte sie damit den kompletten Tag wegatmen.

Wie jeden Abend geht sie anschließend ins Wohnzimmer hinüber und setzt sich an ihren Palisanderholzschreibtisch, der in der Ecke am Fenster steht. Nachdem sie ihr Wasserglas neben der Tastatur abgestellt hat, stupst sie die Maus an. Sofort erwacht der Bildschirm zum Leben. Die Dokumentation vom Vorabend steht noch immer auf Pause, und im darübergelegten Fenster leuchtet ihr die Frage entgegen: Möchten Sie sich Können Frauen töten? weiter ansehen?

Emilia klickt auf Ja, woraufhin das Programm kurz lädt und dann die Sendung fortsetzt. Mit leiser, rauer Stimme gibt der Erzähler die Geschichte von Mary Ann Cotton wieder.

Sie wendet sich dem zweiten Bildschirm zu und klickt verschiedene Internetseiten durch. So verbringt sie ihre Abende: Im Hintergrund läuft eine Dokumentation, von der sich ihr Geist punktuell fesseln lässt, während sie sich den Foren widmet, die sie in der stets gleichen Reihenfolge besucht: zunächst der Chat von The Fun Lovin’ Criminals, einer Gruppe von Leuten, die früher in der Strafverfolgung gearbeitet haben und den befriedigenden Nervenkitzel des Jobs vermissen, allerdings aus diversen Gründen nicht dorthin zurückkehren können. Manche nennen diese Gründe ganz offen, andere nicht. Keiner von ihnen weiß, warum Emilia den Polizeidienst quittiert hat. Einerseits würde sie es ihnen gerne sagen – sie weiß, dass sie dazu lediglich fünf Wörter eintippen müsste: Ich bin Sophie Haines’ Schwester. Doch sie schafft es nicht. Jedes Mal, wenn sie es versucht, sind ihre Finger wie gelähmt, ihr Gehirn vergisst, wie man die Worte bildet, es ist einfach unmöglich, die Geschehnisse in den Computer zu tippen. Außerdem könnte sie die darauffolgenden Fragen nicht ertragen. Oder den unvermeidlichen Moment, wenn einer von ihnen vorschlägt, man könne sich doch zusammentun, um herauszufinden, was mit Sophie geschehen sei. Das hat Emilia bereits versucht. Und die Polizei hat es auch versucht. Emilia weiß, kehrt sie dorthin zurück, wird sie endgültig ertrinken, nachdem sie nun ein Jahr lang nichts anderes getan hat, als sich mühsam an die Oberfläche zu kämpfen, hin zu dem ersten, lebensrettenden Atemzug. Mit aller Kraft hat sie versucht, das Rätsel zu lösen. Und auch nach ihrem Ausscheiden hat die Polizei weiter ihr Bestes gegeben. Es gab einfach keine Spur. Wer auch immer hinter Emilias Schwester her gewesen war – er hat keinerlei Hinweise hinterlassen.

Nach einer Weile schlief die Untersuchung ein. Sie stolperte zwar weiter dahin, bekam aber keinen neuen Schwung mehr. Und der Schmerz war einfach zu groß. Jedes Mal, wenn Emilia von dem Drang gepackt wurde, selbst zu ermitteln, schlug die Trauer wie eine erstickende Woge über ihr zusammen, riss die Wunde wieder auf, bis sie blutete.

Wahrscheinlich werden sie nie erfahren, wer Sophie getötet hat. Und sie selbst muss endlich lernen, damit zu leben.

Nach dem Besuch bei dieser Gruppe folgt Websleuths.com, dann das Reddit Bureau of Investigation, dann lipstickalley.com. Und zum Schluss der Confession Room.

Heutzutage gibt es so viele Orte, an denen man beichten kann: Unzählige Webseiten bieten einem die Möglichkeit, anonym Buße zu tun. Bei ihrem ersten Besuch im Confession Room rechnete Emilia nicht damit, hier etwas Neuartiges vorzufinden. Nach der x-ten Geschichte über Seitensprünge, Lügen oder kleine Ladendiebstähle stumpft man irgendwann ab. Aber so war das hier nicht … ganz und gar nicht. Inzwischen kehrt sie Abend für Abend in den Confession Room zurück, klebt geradezu am Bildschirm, wenn sie die neuen Einträge des Tages liest. Geständnisse, die mit jedem Monat finsterer geworden sind.

Emilia klickt die Adresszeile an und tippt die ersten Buchstaben ein, woraufhin automatisch die Webadresse erscheint.

confessionroom.com

Ihr Finger landet mit Wucht auf der Entertaste.

Der Bildschirm wird schwarz, dann erscheint das Bild einer nackten Metalltür. Lautes Quietschen dringt aus dem Lautsprecher, als sie sich öffnet. Genau wie bei ihrem ersten Besuch muss Emilia lächeln. Damals war sie überrascht, wie viel Mühe man sich hier gemacht hat, um das Erlebnis abzurunden. Die meisten anderen Foren sind schlicht und einfach gehalten. Dieses hier ist anders.

Hinter der Tür erscheint ein Raum mit einem tristen grauen Boden, auf dem eine Kiste steht: schwarz, robust, klar umrissen. Der Deckel hebt sich, ein Blatt Papier entrollt sich in der Mitte des Bildschirms. Langsam erscheinen geschwungene Buchstaben, schwarz und leicht geneigt, als würden sie mit Tinte geschrieben. Sie verlaufen sogar ein wenig, wie Blutstropfen auf einer reinen weißen Seite.

Sie betreten nun …

Einen Augenblick lang verharrt die Schrift reglos auf der Seite. Dann rollt sich das Papier auf und fliegt in die Kiste zurück, deren Deckel mit einem unwiderruflich schweren Knall zufällt. Leise Musik setzt ein, Geigen und Trommeln, während die Kiste sich schneller und schneller um die eigene Achse dreht. Schließlich hält sie an, nun in Schräglage. Auf dem Deckel und den beiden sichtbaren Seiten erscheinen Buchstaben, dunkel, als wären sie eingraviert.

DEN CONFESSION ROOM

Darunter, deutlich kleiner: Tritt ein.

Emilia klickt die Aufforderung an.

Die Kiste öffnet sich, helles Licht dringt heraus, wird greller und greller, bis es den gesamten Bildschirm ausfüllt.

Ganz oben auf der Seite kehrt der Titel zurück, in grau-schwarzer Schrift. Die Forumsseite ist wie ein kalter, klinisch anmutender Raum gestaltet: Im Hintergrund hängt ein breiter Spiegel an der hellgrauen Wand, am oberen Rand und an den Seiten des Bildschirms ziehen sich unverkleidete Rohre entlang. Und in der bereits bekannten Schnörkelschrift wird verkündet:

Willkommen im Confession Room.

Euer sicherer Ort für Bekenntnisse und Geständnisse – hier haben sie keine Konsequenzen.

Darunter dann die Beichten, eine nach der anderen. Emilia ist verblüfft – die Sache wird immer größer. Und zwar rapide. Jeden Tag aufs Neue ist sie schockiert darüber, wie viele neue Posts dazugekommen sind. Ein Kasten in der oberen rechten Ecke des Bildschirms gibt die Zahl der aktiven User an.

Doch wie viele von ihnen lesen hier nur, und wie viele haben eine Beichte abgelegt? Haben einen Teil von sich der Welt preisgegeben?

Emilia kann verstehen, was sie dazu verleitet. Man wird förmlich hineingesogen, wenn man die Geständnisse der anderen liest, und irgendwann überkommt einen die Gewissheit, dass es einem guttun würde, seine finstersten Gedanken in Worte zu fassen. So, wie sie es getan hat, vor Monaten schon, als sie die Webseite entdeckte. Buchstabe für Buchstabe hat sie das Geheimnis eingetippt, das sie seit Sophies Tod wie ein schleichendes Gift mit sich herumgeschleppt hatte.

Ich hätte meine Schwester retten können. Es ist meine Schuld, dass sie tot ist.

Doch das war nicht alles gewesen. Ein nagender, finsterer Impuls war aus ihr hervorgebrochen, brutal und ungehemmt wie ein Stoßseufzer.

Wenn ich wüsste, wer es getan hat, würde ich ihn umbringen.

Emilia zuckt zusammen, als das Geräusch einer zufallenden Tür erklingt, dumpf und unheilvoll – es zeigt an, dass ein neuer Post eingegangen ist. Bei ihrem ersten Besuch des Forums hat diese Ankündigung sie so erschreckt, dass sie ihren Tee auf ihre Pyjamahose verschüttete; ihre Oberschenkel waren danach knallrot.

Jetzt huscht ihr Blick zur neuesten Beichte. Im ersten Moment weiten sich ihre Augen, dann runzelt sie nachdenklich die Stirn.

Ganz egal, wie schrecklich er mich behandelt, ich werde wohl nie den Mut aufbringen, ihn zu verlassen. Dafür hasse ich mich.

Kopfschüttelnd greift Emilia nach ihrem Glas und trinkt. Ein so schlichtes Geständnis, das gleichzeitig so vieles ungesagt lässt. Der erste Satz löst eine Menge Fragen aus, eine Kettenreaktion wie in einer Reihe von Dominosteinen. Denn auch wenn Emilia nicht mehr bei der Polizei arbeitet, denkt sie noch immer wie eine Ermittlerin. Aber sie darf sich nicht von jedem Geständnis auf dieser Seite mitreißen lassen – vor allem, da die meisten von ihnen inzwischen so düster und wirr sind. Sie muss lernen abzuschalten. So, wie sie es früher bei der Polizei auch getan hat. Man kann nicht jeden Fall an sich heranlassen. Man kann nicht jedes Opfer retten.

Ihr wird übel. Man kann nicht jedes Opfer retten. Das gelingt nicht einmal den Besten unter uns. Nicht einmal …

Nein. Sie darf jetzt nicht an Sophie denken.

Hektisch blinzelnd scrollt Emilia sich durch die Seite, hält wahllos an einer Stelle an. Während sie den Text überfliegt, verkrampfen sich ihre Zehen in Erwartung des nächsten Gefühlssturms, aber dann muss sie grinsen.

Mein Mann hat offenbar beschlossen, mich für eine Frau zu verlassen, die er im Internet kennengelernt hat. Er hat keine Ahnung, dass ich das bin. Bestimmt bricht es ihm das Herz, wenn sie nicht zu ihrem Treffen am Flughafen erscheint und sich spurlos in Luft auflöst. Überraschung, du verlogener Mistkerl!

Noch einmal liest Emilia den Eintrag, vor allem den letzten Satz. Ein raues Lachen löst sich aus ihrer Kehle. Das tut gut. Sie scrollt weiter, saugt die Worte in sich auf. Dieser Ort, an dem Menschen ihre Geheimnisse gestehen und in sichere Hände geben können, gefällt ihr. So kann man sich von ihnen befreien, ohne etwas anderes als Erleichterung befürchten zu müssen. Hier werden heimliche Affären gebeichtet, Intrigen gegen Kollegen, Diebstahl, Hassgefühle gegenüber dem Partner, Reue bezüglich der Elternschaft.

Als Emilia ungefähr ein Drittel der Seite geschafft hat, hält sie abrupt inne.

Manchmal folge ich dieser Frau, wenn sie von der Bahn nach Hause geht. Sie ist so wunderschön. Ich würde ihr niemals etwas antun, überhaupt niemandem, aber hin und wieder frage ich mich, wie es wohl wäre, sie mir einfach zu schnappen.

Emilia wird für einen Moment schwarz vor Augen, ihr Herz beginnt zu rasen, ihre Finger kribbeln.

Ich frage mich, wie es wohl wäre, sie mir einfach zu schnappen.

So fängt es an. So fängt es immer an. So hat bestimmt auch der Mann empfunden, der Sophie getötet hat. Zuerst hat er sie nur beobachtet – sie hatte der Polizei gesagt, dass jemand sie verfolge. Dass sie sich sicher sei, einen Stalker zu haben. Und irgendwann ist immer das erste Mal; irgendwann kommt der Moment, in dem es ihnen nicht mehr reicht, sich das Ganze nur vorzustellen. In dem sie es wirklich spüren wollen.

Wer ist diese Frau, der dieser Mann nachstellt? Geht es ihr gut? Irgendwie hat dieser Post etwas Bedrohliches an sich, wie ein schrilles Warnsignal, das auf eine bevorstehende Gefahr hinweist. Aber an wen ist das Signal gerichtet? Der User, der es gepostet hat, lässt sich nicht ermitteln.

Übermäßig laut durchdringt der Vibrationsalarm ihres Handys die Stille. Emilia zuckt zusammen, dann nimmt sie den Anruf an.

„Hi, Dad.“

„Emi! Wollte nur mal hören, wie es dir geht. Ist alles in Ordnung?“

„Ja.“ Sie räuspert sich, um das vom Adrenalin ausgelöste Quietschen aus ihrer Stimme zu vertreiben. „Wieso?“

„Du klingst irgendwie merkwürdig.“

„Nein, nein. Ich habe mir nur gerade diese Dokumentation angesehen, und das Telefon hat mich erschreckt. Bei euch alles okay?“

„Ja, ich wollte mich nur mal melden.“ Er seufzt. „Ich verstehe nicht, warum du dir solche Sachen ansiehst, Emi. All diese Verbrechen, diese ungelösten Fälle … Warum versuchst du es nicht mal mit etwas Entspannendem? Oder etwas Lustigem? Wie hieß noch diese Show, die Sophie und du immer zusammen angeschaut habt? Der größte Bäcker?“

Nun ist es Emilia, die seufzt. Sie schafft es einfach nicht mehr, sich Das Große Backen anzusehen – nicht ohne ihre Schwester. Das war eine feste Institution für sie, jede Woche, ohne Ausnahme: gemeinsam unter einer dicken Decke zusammengerollt, die Teebecher auf dem Schoß, mit jeder Menge Shortbread, das immer so schön krümelte, wenn man mit vollem Mund seinen Kommentar zur Show abgab.

„Für mich ist das nicht schlimm, Dad. Du weißt doch, wie sehr ich mich für diese Themen interessiere. Das ist eben meine Leidenschaft.“

„Na, wenn das deine große Leidenschaft ist, warum …?“

„Sag es nicht, Dad.“

„Warum gehst du dann nicht wieder zur Polizei?“, fuhr er fort, ohne ihrem Protest die geringste Beachtung zu schenken. „Die würden dich sofort zurücknehmen, das weißt du doch.“

Mit einem Schnauben erwidert Emilia: „Da wäre ich mir nicht so sicher.“

„Du bist eine brillante Polizistin.“

„War.“ Angespannt knabbert sie an dem losen Hautfetzchen an ihrem Daumen herum, das sie bis jetzt zu ignorieren versucht hat. „Ich war eine gute Polizistin. Davor.“

„Du bist es immer noch.“

„Nein, Dad. Du weißt, dass das nicht stimmt. Du weißt, dass ich nach … nach der ganzen Sache keine gute Polizistin mehr war. Ich habe kaum noch funktioniert. Und ich habe es einfach nicht mehr geschafft. Deshalb kann ich nicht zurück.“

„Emi, deine Mum und ich sind wirklich der Meinung …“

„Bitte, nicht schon wieder.“ Kurz versagt ihr die Stimme, ihre Augen fangen an zu brennen. Emilia atmet tief durch. „Bitte.“

Ihr Vater zögert. Er weiß nicht, was er noch sagen soll. Natürlich will er sie nicht verletzen, aber er tut es eben doch. Jedes Mal, wenn er ihr vorschlägt, wieder zur Polizei zu gehen, jedes Mal, wenn er ihr sagt, sie sei immer noch gut darin, erinnert sie das nur wieder daran, dass es eben nicht so ist. Und das tut weh.

Sie hat es nicht mehr in sich. Die Hingabe und die Liebe schon, aber nicht die Fähigkeiten. Nicht die Standfestigkeit. Mental und emotional schafft sie es einfach nicht. Es ist zu schwierig geworden. Alles erscheint ihr so … persönlich nach Sophie. Es ging nicht mehr. Die Kollegen schienen sie nur noch mit Samthandschuhen anzufassen, als würden sie bei jedem Fall vor allem darauf achten, welche Gefühle er in ihr auslösen könnte, ob sie damit klarkäme. Während sie in Wahrheit mit überhaupt nichts mehr klarkam.

Emilia ging zum Therapeuten, zum Psychiater, tat einfach alles, um wieder auf die Beine zu kommen. Trotzdem hatte sie immer das Gefühl, flussaufwärts zu waten, gegen eine Strömung anzukämpfen, die ihr jederzeit den Boden unter den Füßen wegziehen konnte. Und dann fing sie an, Fehler zu machen. Ihr Arzt diagnostizierte eine posttraumatische Belastungsstörung. Danach hielt sie sich nur noch wenige Tage.

„Bitte entschuldige, Emi. Aber als Privatdetektiv verschwendest du dein Talent.“

„Ich bin gut darin“, protestiert sie. „Ich kann einfach jeden aufspüren. Und es bringt Geld ein. Gutes Geld. Mehr Geld als der Polizeidienst, das steht fest.“

„Wir wollen nur das Beste für dich, das weißt du.“

„Ich weiß …“ Sie versucht, die Tränen runterzuschlucken, die aufsteigenden Gefühle zu verdrängen. „Und ich wünschte wirklich, ich könnte es, Dad. Das weißt du doch, oder?“

Stille am anderen Ende der Leitung.

„Dad?“ Emilia lauscht auf seine Atemzüge. Offenbar überlegt er, was die richtige Antwort sein könnte. „Bist du noch dran?“

„Ja, natürlich, Liebes. Also, du gehst definitiv nicht zurück?“

Für einen Moment schließt Emilia die Augen. Sie will nicht wieder weinen. Ihre Hand wandert an den Mund, die Zähne erwischen den losen Hautfetzen. Stumm zuckt sie zusammen. Wie salziges Eisen breitet sich der Blutgeschmack in ihrem Mund aus. So schmeckt Leben.

„Nein“, antwortet sie dann nachdrücklich, lässt die Hand sinken und beobachtet, wie ein Blutstropfen an ihrem Finger herunterrinnt und an ihrem Nagelbett hängen bleibt.

Ein verräterisch gereiztes Seufzen dringt aus dem Hörer. „Nun, das ist natürlich deine Entscheidung. Wir sind immer für dich da. Das weißt du?“

„Ja, das weiß ich.“

Nach kurzem Zögern fügt er hinzu: „Ich hab dich lieb, Emi.“ Fast schon überstürzt kommt ihm dieses Geständnis über die Lippen.

In dieser Hinsicht sind sie alle aus der Übung. Emilia hat ihre Eltern lange auf Distanz gehalten, unfähig, sich den Schuldgefühlen zu stellen, die sie jedes Mal überfielen, wenn sie die beiden in ihrer Trauer sah. Ob sie ihr auch die Schuld gaben?

„Ich … ich hab dich auch lieb.“

Sie beendet das Telefonat und legt das Handy weg. Minutenlang starrt sie auf das verschwommene Bild, das von dem dunklen Display zurückgeworfen wird.

Schließlich sackt sie in ihrem Stuhl zusammen. Der unvermittelte Gefühlssturm ist abgeflaut und hat sie erschöpft zurückgelassen. Wie aus einer Batterie wurde alle Energie aus ihr herausgesogen.

Langsam wandert ihr Blick zurück zum Computermonitor. Ebenso langsam hebt sie die Hand, streckt die Finger aus, stupst die Maus an.

Da ist das Forum wieder, all die Geständnisse sind noch immer auf dem Bildschirm ausgebreitet. Träge scrollt sie nach oben und liest. Bei manchen lächelt sie, bei anderen verdreht sie nur die Augen. Schließlich ist sie ganz oben angekommen, bei der jüngsten und durch Fettdruck hervorgehobenen Beichte: Jemand hat seiner Mutter zwei Fünfziger aus der Handtasche gestohlen.

Emilia schüttelt unwillig den Kopf. Ein Blick auf die Uhr entlockt ihr ein lautes Gähnen. Es ist 19:45 Uhr, Zeit fürs Abendessen.

Das Geräusch der zuschlagenden Tür dringt aus dem Computer und lässt Emilia auch diesmal zusammenzucken.

Oben auf dem Bildschirm ist eine neue Beichte erschienen.

Sie beugt sich vor, überfliegt die Worte. Stirnrunzelnd liest sie den Eintrag ein zweites Mal, versucht angestrengt, die Bedeutung zu verarbeiten, wie ein Kind, das neu gelernte Wörter nachspricht.

Anonymus 01
Mein Geständnis: Mord. London. Hayley James, Luca Franco.

Lia Middleton

Über Lia Middleton

Biografie

Lia Middleton ist Rechtsanwältin und spezialisiert auf Straf- und Gefängnisrecht. Vor einigen Jahren begann sie mit dem Schreiben und zählt heute zu den erfolgreichsten und spannendsten Thriller-Autor:innen Großbritanniens.  Sie lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Buckinghamshire.

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