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Couchsurfing in RusslandCouchsurfing in Russland

Couchsurfing in Russland Couchsurfing in Russland - eBook-Ausgabe

Stephan Orth
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Wie ich fast zum Putin-Versteher wurde

„Von Gastgeber zu Gastgeber ergibt sich ein persönliches und menschliches Bild dieses riesigen Landes, das derzeit ein Comeback auf der weltpolitischen Bühne feiert.“ - Berner Zeitung (CH)

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Couchsurfing in Russland — Inhalt

Das erste Russland-Buch ohne Bären und Balalaikas!

Was ist Propaganda, was ist echt? Über keinen Teil der Erde ist die Informationslage verwirrender als über Russland. Da hilft nur: hinfahren und sich sein eigenes Bild machen. Zehn Wochen lang sucht Bestsellerautor Stephan Orth zwischen Moskau und Wladiwostok nach kleinen und großen Wahrheiten. Und entdeckt auf seiner Reise von Couch zu Couch ein Land, in dem sich hinter einer schroffen Fassade unendliche Herzlichkeit verbirgt.

Ein wilder Streifzug durch ein Land, das auf der Suche nach sich selbst ist.

„Stephan Orth versteht es hervorragend, Land und Leute für den Leser lebendig werden zu lassen.“ Westdeutsche Allgemeine Zeitung

Abseits des Mainstreams: ein Journalist mit einem Faible für „Länder mit einem schlechten Ruf“  

Der Journalist und SPIEGEL-Bestsellerautor Stephan Orth bereist am liebsten Gegenden, in die sich andere Touristen nicht so schnell verlaufen: Länder abseits des Mainstreams oder gefährliche Zonen.. In der gleichen Reihe sind erschienen:

  • Couchsurfing in Saudi-Arabien
  • Couchsurfing in Russland
  • Couchsurfing im Iran
  • Couchsurfing in der Ukraine
€ 12,00 [D], € 12,40 [A]
Erschienen am 01.03.2019
256 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-31440-4
Download Cover
€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 20.03.2017
256 Seiten
EAN 978-3-492-96581-1
Download Cover

Leseprobe zu „Couchsurfing in Russland“

Angekommen

Hinter der Absperrung geht es 500 Meter in die Tiefe, wir stehen am Rand eines riesigen Kraters. „Willkommen am Arschloch der Welt!“, ruft die Leiterin der Dezernate Kultur und Jugend der Stadtverwaltung. Sie hält ihr Handy hoch, um ein paar Selfies unserer kleinen Gruppe zu knipsen. Lächeln. Klick. Victory-Zeichen. Klick. Arme hochreißen, „Ein bisschen näher zusammen!“. Klick. „Und jetzt alle richtig bescheuert gucken!“ Klickklickklick. Wie Teenager am Schloss Neuschwanstein oder am Roten Platz.
Die Luft riecht nach Schwefel und verbranntem [...]

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Angekommen

Hinter der Absperrung geht es 500 Meter in die Tiefe, wir stehen am Rand eines riesigen Kraters. „Willkommen am Arschloch der Welt!“, ruft die Leiterin der Dezernate Kultur und Jugend der Stadtverwaltung. Sie hält ihr Handy hoch, um ein paar Selfies unserer kleinen Gruppe zu knipsen. Lächeln. Klick. Victory-Zeichen. Klick. Arme hochreißen, „Ein bisschen näher zusammen!“. Klick. „Und jetzt alle richtig bescheuert gucken!“ Klickklickklick. Wie Teenager am Schloss Neuschwanstein oder am Roten Platz.
Die Luft riecht nach Schwefel und verbranntem Holz, die Abendsonne hängt tief am Himmel und taucht den staubigen Dunst ringsum in rötliches Licht. Sonnenuntergangsromantik auf Apokalyptisch. Am Geländer der Aussichtsplattform hängen Liebesschlösser mit den Namen von Hochzeitspaaren. Julija und Sascha. Schenja und Sweta. Wjatscheslaw und Marija. Der Bund fürs Leben, besiegelt am Eingang zur Hölle, ein Treueschwur an der absurdesten Touristenattraktion des Planeten.
Ich kenne die Menschen nicht, mit denen ich Gruppenfotos mache. Gerade haben sie mich an einem winzigen Flughafen abgeholt, an dem mehr Hubschrauber als Flugzeuge parken und mehr ausrangierte Flugzeuge als solche, die noch starten und landen können.
Sie kamen zu dritt: die Kulturbeauftragte, die Referentin für industrielle Angelegenheiten und der Student. Unterhalten haben wir uns bislang nicht, dafür war die Musik zu laut. Im Lada Priora mit der Heckscheibenaufschrift „Street Hunters“ vibrierten die Sitzpolster. Der Fahrstil des Studenten und seine Angewohnheit, bei Tempo 75 beide Hände vom Lenker zu nehmen, um sie im Takt in der Luft herumwirbeln zu lassen, kennzeichneten ihn als jemanden, der schon mit zwanzig nicht mehr viel vom Leben erwartet.
Wo zum Teufel bin ich?
Antwort von Wikipedia: Mirny, Republik Jakutien, Ferner Osten Russlands, 37 188 Einwohner laut Zensus von 2010. Bürgermeister Sergej Alexandrow, Postleitzahlen 678 170 bis 678 175 sowie 678 179.
Antwort von Google Maps: zwischen Tschernyschewskij, Almasny, Tas-Jurjach, Tschamtscha, Lensk, Suntar, Scheja Malykaj, Njurba, Werchnewiljujsk, Nakanno, Oljokminsk und Morkoka. Die Bezeichnung „Nachbarorte“ wäre allerdings irreführend, sie befinden sich in einem Radius von 400 Kilometern um Mirny verteilt.
Der Reiseführer antwortet: nichts. Dem „Lonely Planet“ ist Mirny ein bisschen zu lonely.
Und meine Antwort? Genau da, wo ich hinwollte. Selfies vor Neuschwanstein kann jeder, zum Taj Mahal muss niemand mehr hinfahren, weil es schon sieben Milliarden Fotos davon gibt. Ich habe genug Schönheit auf Reisen gesehen, um nun bereit für das andere Extrem zu sein. Nicht die Hässlichkeit einer Kakerlake auf dem Küchenboden oder eines kaputten Autoreifens im Straßengraben. Peanuts. Ich meine Anti-Ästhetik von einem Ausmaß, dass einem die Sinne schwinden. Reisen als Horrorfilm oder Thriller, David Fincher statt Rosamunde Pilcher, Hässlichkeit mit Wow-Effekt, Hässlichkeit mit Geschichte. Nur die Normalnull ist langweilig, interessant wird es an den Extrempunkten der Ästhetikskala. Alles eine Frage der Wahrnehmung, nach welchen Kriterien man ein Reiseziel auswählt.
Das „Arschloch der Welt“, so lautet der lokale Spitzname, ist eine Meisterleistung der Ingenieurskunst. Jahrzehntelange Arbeit, ausgefuchste Statik. Die zweitgrößte Anlage ihrer Art, weltweit. Und einen versteckten Schatz gibt es auch. So weit, so Weltkulturerbe-Kandidat. Gleichzeitig ist die offene Mine von Mirny nun wirklich keine Augenweide, allein das Wort „Weide“ würde ja implizieren, dass hier irgendetwas wächst. Jahrzehntelang wurden Diamanten ausgebuddelt, ein paar Gramm Edelstein pro Tonne Boden. Glitzernde Reichtümer, verborgen irgendwo im Morast.
Schrägwände aus grauem Erdreich führen nach unten, ein paar rostige Rohre sind noch von den Förderanlagen übrig. Am gegenüberliegenden Kraterrand, 1200 Meter entfernt, wirken die achtstöckigen Wohnblocks von Mirny wie eine Legolandschaft.

Im Jahr 2004 legte Russlands Edelstein-Gigant Alrosa die „Mir“-Mine – der Name bedeutet „Frieden“ – aus einem simplen Grund still: weil der Abgrund bald Gebäude der Stadt verschlungen hätte, wenn die Bagger ihn noch weiter ausgebaut hätten. Nun arbeiten die Diamantenschürfer im Untertagebau weiter.
„Kommen viele Touristen her?“, frage ich die Kulturbeauftragte.
„Haha, nein, eigentlich nur die Einwohner“, antwortet sie. „Deshalb haben wir dich zu dritt abgeholt, das ist schon etwas Besonderes.“ Aber gerade sei ein Filmemacher aus Italien da, der nächstes Jahr einen Spielfilm drehen will. „Ich gehe morgen zum Casting, kannst ja mitkommen. Aber jetzt machen wir erst mal eine Stadttour!“
In ihren besten Jahren galt „Mir“ als die ertragreichste Diamantenmine der Welt. 342,5 Karat wog der größte Diamant, der hier ausgegraben wurde. Er ist zitronengelb, so groß wie eine Cocktailtomate und mehrere Millionen Euro wert. Ein Sensationsfund verdient einen sensationellen Namen, also nannte man ihn „26. Kongress der Kommunistischen Partei der Sowjetunion“. Auch der „60. Jahrestag des Komsomol“ (200,7 Karat) wurde hier freigesprengt. Nicht jedoch „70 Jahre Sieg im Großen Patriotischen Krieg“ (76,07 Karat), der stammt aus der Jubilejnaja-Mine weiter nördlich.
„Bist du angeschnallt?“, fragt der Student, dann rasen wir in Schlangenlinien über Schotterpisten Richtung Stadt. Vorbei an einem Hügel mit der Aufschrift „Mir 1957 – 2004“, auf dem riesige ausrangierte Bagger stehen. Der Lada hüpft über Schlaglöcher, die Reifen quietschen, und die Arme des Studenten tanzen. Die beiden Damen von der Stadtverwaltung singen lauthals einen Song von Elbrus Dschanmirsojew mit: Ich bin ein brodjaga, ein Landstreicher ohne Geld, und ich heirate trotzdem die schönste Frau. Nach einigen Wochen unterwegs bin ich es gewohnt, herzlich begrüßt zu werden, aber ein solches Empfangskomitee habe ich noch nicht erlebt. Wegen der Musikbegleitung fällt die erste Stadtführung wenig detailliert aus und besteht darin, dass die beiden Frauen von der Rückbank Ortsbezeichnungen nach vorne brüllen. „Hauptstraße, Uliza Lenina! Stadtzentrum! Schule! Bibliothek! Kirche! Feuerwache! Kriegsdenkmal! Stalinbüste!“
Schmucklose Beton-Hochhäuser, viele ziemlich neu, und zweistöckige lang gezogene Holzbauten aus früheren Jahren säumen die Straßen. Kein Eingang ist ebenerdig, denn alle Häuser sind auf Stelzen gebaut, wegen des Permafrostbodens. Ohne diese Podeste würde durch die Heizungswärme im ostsibirischen Winter der Boden schmelzen, die Gebäude würden absinken. „Du solltest im Januar wiederkommen, da wird es minus vierzig, manchmal minus fünfzig Grad!“, ruft die Referentin für industrielle Angelegenheiten.
Bei Stalin steigen wir kurz aus. Der bärtige Diktator aus dunkelgrauem Stein blickt stolz in Richtung Stadtzentrum, er trägt eine oben zugeknöpfte Uniform mit Sowjetstern am Revers. Auf Stalins Befehl wurde in den Fünfzigerjahren in der Republik Jakutien massiv nach Diamanten gesucht, weil Sanktionen des Westens Russland in eine Wirtschaftskrise katapultiert hatten. Nur deshalb entdeckte man hier die Mine, nur deshalb errichtete man eine Stadt.
Laut Sockel wurde die überlebensgroße Büste 2005 aufgestellt, zum sechzigsten Jahrestag des Kriegsendes. Ich bringe meine Überraschung zum Ausdruck, hier ein Denkmal des Schreckensherrschers vorzufinden. „Im ganzen Land gibt es nur zwei oder drei Stalinstatuen, eine andere steht in Murmansk“, sagt die Kulturbeauftragte. Es habe zunächst Proteste gegeben. „Dann wurde abgestimmt, und viele Kriegsveteranen waren dafür. Bei uns geht es noch etwas kommunistischer zu als anderswo. Komm, wir zeigen dir dein Zimmer.“
Kurz darauf biegt der Lada mit Discosound in die Straße „40 Jahre Oktober“ ein. Das wäre auch ein schöner Name für einen Diamanten, gemeint ist nicht der Monat, sondern die Revolution. Wir halten vor einem Holzhaus mit blauen Wänden, natürlich auf Stelzen. Die Kulturbeauftragte führt mich in den ersten Stock und schließt die schief in den Angeln hängende Tür mit der Nummer elf auf. „Normalerweise ist das eine Unterkunft für Lehrer, die in Mirny arbeiten“, sagt sie und gibt mir den Schlüssel. Mein Zimmer ist auf mindestens 35 Grad geheizt und enthält eine Schlafcouch, einen Kleiderständer und einen Flachbildfernseher. Hier darf ich kostenlos für die nächsten drei Tage wohnen.

Wahrheit Nummer 18:
Ich fühle mich willkommen. Willkommen am Arschloch der Welt.

Moskau
Einwohner: 11,5 Millionen
Föderationskreis: Zentralrussland


Bürokratie

Sechs Wochen vorher.

Wer auf Couchsurfing.com das Profil von Genrich aus Moskau aufruft, sollte sich für die folgende Stunde nichts vornehmen. Zumindest, wenn es nach Genrich aus Moskau geht.
Er schreibt: „Wer mich um einen Schlafplatz bittet, bestätigt damit, die Prinzipien des Zusammenlebens, die ich in meinem Profil aufgelistet habe, gelesen und verstanden zu haben, und verspricht, sich an sie zu halten.“
Oben links steht das Schwarz-Weiß-Foto eines Mannes, der auf der polierten Motorhaube eines Geländewagens sitzt. Er hat kaum Haare auf dem Kopf, dafür einen Vollbart, der den späten Dostojewskij neidisch gemacht hätte, und mustert den Betrachter mit ernsten Augen und tiefen Skepsisfalten auf der Stirn. Man könnte sich das Bild gut an der „Mitarbeiter des Monats“-Fotowand eines Inkasso-Unternehmens vorstellen.
Darunter erwarten den Leser 27 Bildschirmseiten mit Text. Ich erfahre, dass Genrich 31 Jahre alt ist und sich für A-capella-Gesang, Linguistik, Kochrezepte, orthodoxen Glauben, Motorräder, Poesie und „Auf-dem-Tisch-Tanzen“ interessiert. In der Kategorie „Lieblingsfilme“ listet er unter anderem „Easy Rider“, alles von Emir Kusturica und die „Deutsche Wochenschau“ auf. Er spricht fließend Englisch, Französisch, Russisch, Deutsch, Polnisch und Ukrainisch und lernt gerade Altgriechisch, Arabisch, Georgisch und Latein.
Herzstück der Profilseite ist ein kompliziertes Regelwerk, wie sich ein Gast zu verhalten hat, verteilt auf mehrere Google-Dokumente mit Titeln wie „WICHTIGE NACHRICHT VON MIR FÜR DICH“, „Früher habe ich viel Zeit verschwendet“ und „Wenn ich Gäste habe, lebe ich mit ihnen“. Falls Google-Dokumente an dem Ort, an dem sich der Leser gerade befindet, nicht zugänglich sind, gibt es dasselbe Schriftstück noch einmal über einen Link des russischen Yandex-Servers, verbunden mit dem Hinweis: „Und ja, das ist von Festlandchina aus zugänglich.“
Bei der Lektüre erfahre ich unter anderem:
●    dass bei Genrich keine zehn Zwerge hausen, die hinter jedem Besucher herwischen und den Boden staubsaugen,
●    dass seine Wohnung kein Backpacker-Hostel ist
●    und dass er sich dem Prinzip des „rationalen Egoismus“ verbunden fühlt, weshalb er nur Leute einlädt, die er interessant findet.
Eine halbe Din-A4-Seite widmet er einem Satz, den er niemals in einer E-Mail lesen möchte, er lautet: „Ich bin offen, unkompliziert, mag Reisen und freue mich, neue Leute kennenzulernen.“ Klingt doch ganz vernünftig? Nicht für Genrich. Eine solche Selbstbeschreibung findet er auf einem Online-Reiseportal trivial und nichtssagend. Und da man diesen Satz vermutlich aus einem anderen Profil kopiert habe, sei das heutzutage doch nur „eine Art zu sagen: ›Ich bin ein fauler Idiot.‹“
Apropos: Ein weiterer Klick führt zur „Checkliste für Couch-Anfragen“ für „extrem Vielbeschäftigte und extrem Faule“. Das weckt Hoffnungen, den Bewerbungsprozess beschleunigen zu können. Ist aber eine Falle. Auf dem Bildschirm erscheint ein Formular, in dem neun Häkchen gesetzt werden müssen, die ¬zusammengenommen eine Art Eid ergeben: „Ich werde keine Copy/Paste-Anfrage senden“, „Meine Entscheidung, diese Person zu kontaktieren, hat einen tiefer gehenden Grund, den ich in meiner E-Mail erwähnen werde und von dem ich denke, dass er dem Gastgeber gefallen wird“, „Ich habe den hier verlinkten Artikel zu Prinzipien des Zusammenlebens gelesen, werde mich daran halten und werde im Fall einer Kontaktaufnahme alle Punkte erwähnen, in denen mein Verständnis von Gastfreundlichkeit abweicht“.
Der dazugehörige Link führt – wie gesagt, es ist eine Falle – zu einem 79 Bildschirmseiten umfassenden Dokument auf der Seite WikiHow.com mit Gedanken und Illustrationen zu Themen wie Pünktlichkeit, Körperhygiene, Gastgeschenke, Verweildauer und Klobenutzung.
Klickt man nun, zurück im Ankreuzformular, auf „Kann losgehen!“, ohne alle neun Häkchen gesetzt zu haben, erscheint an jedem fehlenden Feld der Hinweis „Ich würde mit Nachdruck vorschlagen, dass du diesen Punkt nicht überspringst“ nebst einem schwarzen Ausrufezeichen in gelbem Kreis. Ein harter Brocken, dieser Genrich. Aber mich reizen harte Brocken, also schreibe ich ihm: „Priwjet, liebes Backpacker-Hostel ›Genrich‹! Ich bin offen, unkompliziert, mag Reisen und freue mich, neue Leute kennenzulernen. Hast du eine Couch für mich?“

Stephan Orth

Über Stephan Orth

Biografie

Stephan Orth, Jahrgang 1979, studierte Anglistik, Wirtschaftswissenschaften, Psychologie und Journalismus. Von 2008 bis 2016 arbeitete er als Redakteur im Reiseressort von SPIEGEL ONLINE, bevor er sich als Autor selbstständig machte. Für seine Reportagen wurde Orth mehrfach mit dem Columbus-Preis...

Zehn Tipps für Russland-Reisende
© Stephan Orth

Moskau, Sankt Petersburg, Baikalsee: Populäre Touristenziele in Russland lassen sich an einer Hand abzählen. Dabei gibt es im größten Land der Erde noch viel mehr zu erleben - mit diesen Tipps des Autors!
 
„Immer wieder wurde ich auf meiner Reise von Russen für verrückt erklärt – weil sie nicht verstehen, warum ich ausgerechnet ihr schroffes, riesiges Land besuchte, anstatt nach Thailand oder Mallorca zu fahren. Aber ich mag Orte, die authentisch, normal, nicht perfekt sind, denn sie fühlen sich echter an als Regionen, die wegen der vielen Touristen längst zu Folklore-Vergnügungsparks verkommen sind.
 
Russland abseits von Roter Platz, Wolga-Flusskreuzfahrt und Sankt-Petersburg-Museumstour ist kein Reiseziel für jedermanns Geschmack. Die meisten Städte sind keine Schönheiten, die Menschen wirken schroff (bis man sie ein bisschen kennenlernt), die Distanzen sind enorm.
 
Und doch kann man diesem Land verfallen, wenn man sich darauf einlässt. Diese zehn Tipps helfen dabei.“
 

Ersten Eindrücken misstrauen 

Wer einen russischen Shop, einen Marktplatz oder ein Restaurant betritt, löst damit meist etwa die Freude aus, die man auch einer mittelgroßen Kakerlake auf der Türschwelle entgegenbringen würde. Zunächst wird man ignoriert, dann als Störfaktor empfunden, weil man die hochverdiente Arbeitspause unterbricht. Zuletzt wird der Preis in einem Ton verkündet, wie ihn Filmbösewichter für Sätze wie „Mach ihn kalt“ verwenden. 

Und doch habe ich es mehrfach erlebt, dass die Stimmung umschlägt. Ich fragte in brüchigem Russisch nach dem Weg zum Bahnhof, und plötzlich nahm sich mein Gegenüber alle Zeit der Welt, um es mir zu erklären und fragte nach meiner Reise und Herkunft. Ich bestellte noch einen Nachschlag von den Blini, und die Wirtin gab mir den Kaffee aus. Oft zahlt sich ein bisschen Geduld und Lockerheit aus, um den Menschen die Chance zum Auftauen zu geben.
 

Den Altai besuchen

Eine der spektakulärsten Straßen des Landes führt von Gorno-Altaisk nach Kosh-Agach im sibirischen Altai-Gebirge. Ein Roadtrip zwischen Viertausendern, mit wilden Kamelen und reißenden Flüssen am Wegesrand und schweißtreibenden Abenden im Banja-Dampfbad. Für die schönsten Wander- oder Jeeptouren in die Wildnis sollten Outdoor-Fanatiker allerdings etwas Vorlauf einplanen: Dafür brauchen sie, zum Beispiel in der Nähe der 4800 Meter hohen Belukha, ein Permit, das Monate im Voraus beantragt werden muss.

 

Abergläubisch werden

Russen setzen sich vor Reisen auf ihren Koffer, streicheln die Nasen von Skulpturen, pfeifen nicht in geschlossenen Räumen, gucken nicht in zerbrochene Spiegel. Kaum ein Land hat mehr abergläubische Traditionen, und gerne erzählen die Einheimischen ausländischen Besuchern davon. Ob was dran ist, kann jeder unterwegs selber testen, beispielsweise, wenn es darum geht, was ein Juckreiz je nach betroffener Körperregion über die eigene Zukunft aussagt. Nase: Ein Besäufnis steht bevor. Lippe: Es wird geküsst. Linke Hand: Es gibt Geld. Rechte Hand: Man wird einen Freund Treffen. Hals: Es wird gefeiert. Oder es gibt eine Schlägerei. Oder beides. Wenn alles gleichzeitig juckt, sollten Sie trotz aller Vorfreude zum Arzt.
 

Nedoperepil auf den Suschnjak warten

Natürlich ist keine Reise komplett ohne eine Workshop im landestypischen Konsum des „ehrlichsten Drinks der Welt“ (weil Wodka nicht schmeckt, sondern nur der Rauscherzeugung dient). Wichtigste Regeln: Getränk niemals mischen und viel Fingerfood dazu, zum Beispiel eingelegte Steinpilze, kalt geräucherten Hecht oder Kartoffeln mit Dill. Das Tischgespräch lockern Diskussionen über folgende Vokabeln auf, die es nur im Russischen gibt: Zapoi (Zustand mehrtägiger Trunkenheit), nedoperepil (betrunkener, als gesund ist, aber nicht so betrunken, wie man sein könnte), suschnjak (das Gefühl im Hals nach einer durchzechten Nacht).

 

Schwanensee angucken

Es gibt wohl keinen besseren Ort, um ins Ballett zu gehen, als das Mariinsky-Theater in Sankt Petersburg. Dieses Jahr erlebt das Traditionshaus seine 236. Saison, geändert hat sich seit der Eröffnung wenig. Prachtvolle Bühnenbilder, knarzende Holzdielen, ein riesiger Kronleuchter an der Decke. Und jeden Abend erschaffen Tänzer und Musiker etwas, das man zur Zeit kaum mit Russland assoziiert: Leichtigkeit, Schönheit und Eleganz.

 

Zug fahren

Natürlich verleiten die immensen Distanzen dazu, Flüge zu buchen. Doch ohne eine längere Zugreise mit Übernachtungspritsche, Instant-Nudel-Abendessen und ein paar Drinks hat man Russland nicht verstanden. Auf Reisen in Sibirien bekommt man einen echten Eindruck der tatsächlichen Größe des Landes, wenn man 18 Stunden am Stück durch einen immer gleich aussehenden Birkenwald fährt.
 

Leningrad hören 

Die Texte und YouTube-Videos der Rockband Leningrad präsentieren überzeichnete Bilder des exzessiven Lebens junger Russen. Und doch steckt, wie in jeder gelungenen Karikatur, auch einige Wahrheit darin. Millionenfach werden die Songs angeklickt, und der für vulgäre Ausfälle bekannte Sänger Sergeij Schnurow lebt den Rock'n'Roll wie kein Zweiter. Zur Reisevorbereitung empfohlen (aber wegen der vielen Wörter aus der Vulgärsprache „Russischer Mat“ nicht in Anwesenheit konservativer Muttersprachler anhören)!

 

Kyrillisch lernen 

Während die russische Sprache eine ziemliche Herausforderung ist, sind die Schriftzeichen leichter zu meistern, als man denkt. Wer sich ein paar Tage lang intensiv damit beschäftigt, kann bald problemlos Ortsschilder, Speisekarten und Reklametafeln lesen. Und da viele Worte deutschen oder englischen Begriffen ähneln, hilft das enorm bei der Orientierung unterwegs.
 

Multikulti erleben

Einige Minderheiten haben sich eine ganz eigene Kultur bewahrt, man kann sich wie auf einer Weltreise fühlen, ohne Russland zu verlassen. Die buddhistisch geprägte Republik Kalmückien erinnert mit ihren Tempeln eher an Tibet als an Moskau, bei einem Kehlkopfgesang-Konzert in der Republik Tuwa fühlt man sich wie in der Mongolei. 

Und in Yakutsk, der kältesten Großstadt der Welt, kann man probieren, wie vergorene Stutenmilch oder im Eisblock servierter Fisch schmeckt, und alles über eine Mythologie dekorativer Elfenwesen lernen, die dem „Herr der Ringe“ Konkurrenz machen könnten.
 

Pelmeni essen 

Die mit Hackfleisch gefüllten Teigtaschen mit Smetana (Schmand) machen süchtig. Das ändert selbst das Wissen, dass ihr Name wörtlich übersetzt „Ohrenbrot“ bedeutet, nicht mehr. In der Stadt Ischwesk in Udmurtien wurde der Russen-Ravioli sogar ein mehrere Meter hohes Denkmal errichtet. Zurecht.

Medien zu „Couchsurfing in Russland“
Pressestimmen
Findos Bücher

„Ein amüsanter Reisebericht der ganz anderen Art.“

Berner Zeitung (CH)

„Von Gastgeber zu Gastgeber ergibt sich ein persönliches und menschliches Bild dieses riesigen Landes, das derzeit ein Comeback auf der weltpolitischen Bühne feiert.“

Berliner Morgenpost

„Der Autor verschweigt weder Probleme noch Propaganda. Tatsächlich schafft es Orth auf unterhaltsame Art, in seinem Buch ein Bild von Russland zu zeichnen, das frei von Stereotypen und den üblichen Klischees ist.“

Kleine Zeitung (A)

„Über seine Abenteuer hat er ein mitreißendes Buch geschrieben, dass Lust macht auf ein Land mit und auch abseits von Putin.“

Kommentare zum Buch
Bitte schnell in den Druck geben!
M.Luther am 30.10.2013

Ich kann S.Werner nur beipflichten. Ein Buch ist ein Buch und da kann für mich dieser E-Book-Quatsch nicht mithalten. Ich möchte blättern, riechen und mich an der Aufmachung erfreuen können und dann so eine Reihe im Regal vor mir sehen. Da kann keine Technik mithalten. Und es enttäuscht mich ein wenig, dass hier zig Bände elektronisch erschienen sind und ich als Leser alter Schule ewig auf den Print jedes einzelnen warten muss! Viele Grüße.

Piper Verlag am 23.07.2013

Lieber Werner S., die Fortsetzung der Reihe in der Printausgabe ist geplant - Band 8 erscheint nächstes Jahr. Liebe Grüße Patricia vom Piper Verlag

Tolle Reihe, leider nur Ebook
S.Werner am 12.07.2013

Schön und gut, die Originale-Reihe ist wirklich klasse, aber so ein Buch will ich im Regal stehen haben, daher hoffe ich, dass sich die weiteren Bände dort zu den bisherigen gesellen werden!

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