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Crashing Stars Crashing Stars - eBook-Ausgabe

Jennifer Estep
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Roman

— Eine Seherin, ein Auftragsmörder und geheimnisvolle Magie, die ihre Schicksale aneinanderbindet.
Paperback (18,00 €) E-Book (14,99 €)
€ 18,00 inkl. MwSt. Erscheint am: 29.08.2024 Bald verfügbar Das Buch kann 30 Tage vor dem Erscheinungstermin vorbestellt werden.
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Crashing Stars — Inhalt

Vesper Quill arbeitet für den mächtigen Großkonzern Kent Corp. Als sie erkennt, dass dessen neu entwickelte Raumschiffserie erhebliche Sicherheitsrisiken aufweist, ist ihr Name plötzlich in aller Munde – und steht ganz oben auf der Eliminierungsliste von Kent Corp. Von Feinden umgeben, muss Vesper um ihr Leben kämpfen. Dabei kommt ihr der Elitesoldat Kyrion Caldaren gefährlich nahe, doch statt sie zu töten, beharrt er darauf, dass zwischen ihren Seelen ein magischer Bund besteht – einer, der ihnen beiden zum Verhängnis werden könnte.

€ 18,00 [D], € 18,50 [A]
Erscheint am 29.08.2024
Übersetzt von: Vanessa Lamatsch
448 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-492-70654-4
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€ 14,99 [D], € 14,99 [A]
Erscheint am 29.08.2024
Übersetzt von: Vanessa Lamatsch
448 Seiten
EAN 978-3-492-60738-4
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Leseprobe zu „Crashing Stars“

1  Vesper


Manchmal hat das Leben nur schlechte Alternativen zu bieten.

So kannst du dich am Vormittag als Wirtschaftsspionin betätigen, bis zum Mittag Whistleblowerin werden und dann versuchen, bis Mitternacht nicht ermordet zu werden.

Diese Gedanken – und ein Dutzend verstörende Visionen meiner eigenen potenziellen Ermordung – schossen mir durch den Kopf, als ich auf dem Sofa kauerte und auf den niedrigen Tisch vor mir starrte.

Schraubenzieher, Lasercutter und andere kleine Werkzeuge bedeckten die verkratzte Oberfläche aus Holzimitat, zusammen mit [...]

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1  Vesper


Manchmal hat das Leben nur schlechte Alternativen zu bieten.

So kannst du dich am Vormittag als Wirtschaftsspionin betätigen, bis zum Mittag Whistleblowerin werden und dann versuchen, bis Mitternacht nicht ermordet zu werden.

Diese Gedanken – und ein Dutzend verstörende Visionen meiner eigenen potenziellen Ermordung – schossen mir durch den Kopf, als ich auf dem Sofa kauerte und auf den niedrigen Tisch vor mir starrte.

Schraubenzieher, Lasercutter und andere kleine Werkzeuge bedeckten die verkratzte Oberfläche aus Holzimitat, zusammen mit farbenfrohen Gelstiften und durchsichtigen Plastipapieren, auf die Pläne verschiedenster Geräte gezeichnet waren, von Schockstäben bis hin zu Handschuhen, die das Gefühl und Aussehen menschlicher Haut nachahmten. Gekritzelte Zeichnungen von blauen Augen und schwarzen Pfeilen zierten die Ränder des dünnen, wiederverwendbaren Plastipapiers. Denn diese seltsamen Symbole verfolgten mich bis in meine Träume, seit ich denken konnte. Kabel schlängelten sich unter dem Papier heraus, und auf der Ecke des ­Tisches stand ein Becher mit den Resten eines Himbeer-Proteinshakes, der das durchsichtige Plastik hässlich pink verfärbt hatte.

Ich beugte mich vor, griff nach dem kleinen Raumschiffmodell in der Mitte des Chaos und drehte es langsam in den Händen. Das billige Plastikmodell war ein wenig größer als meine Handfläche, geformt hatte es einer der multidimensionalen Drucker bei der Kent Corporation, der Firma, in der ich im Forschungs- und Entwicklungslabor arbeitete. Ja, ich war eine Laborratte, dafür verantwortlich, Fehler in den Konstruktionen der Kent Corporation zu beheben und neue Produkte für die Firma im Besitz einer edlen Familie zu entwickeln, um noch mehr Geld auf die Konten von Haus Kent zu spülen.

Auf der Seite des Modells prangte der Name Velorum – genau dort, wo er auch auf dem eigentlichen Raumschiff gestanden hatte. Ich ließ die Fingerspitzen über die Buchstaben gleiten, folgte den kleinen Vertiefungen und Wirbeln. Kent-Produkte hatten immer prahlerische, grandiose Namen, egal ob es um einen neuen Raumkreuzer, einen solarbetriebenen Blaster oder einen Dosenöffner ging.

Ich schnaubte. Hybris wäre ein viel passenderer Name gewesen, besonders, wenn man den kleinen, aber tödlichen Fehler im Design des Kreuzers in Betracht zog.

Ich hörte Schritte, dann schlurfte eine Frau in den Raum, in dem ich saß und das Raumschiffmodel umklammerte wie ein bockiges Kind, das sich weigerte, sein Lieblingsspielzeug herzugeben.

Die Frau um die dreißig trug einen hellbeigen Hosenanzug, der ihren fitten Körper umschmeichelte. Schwarze Stilettos machten sie noch größer, als sie sowieso schon war. Goldener Lidschatten und Eyeliner betonten ihre dunkelbraunen Augen, und der pflaumenfarbene Lippenstift hob die ebenholzschwarze Haut hervor. Ihr dunkelbraunes Haar war tief im Nacken zu einem strammen Dutt gebunden, und um ihren Hals hing eine Kette aus schweren, goldenen Gliedern.

Ihr schickes Auftreten stand in starkem Kontrast zu meinem Outfit: ein formloser, weißer Laborkittel über einem langärmligen, grauen Hemd und der dazu passenden Cargohose sowie Arbeitsstiefeln.

Die Frau gähnte, ihre Augen waren noch vom Schlaf verquollen. „Wieso machst du dich an diesem Modell zu schaffen? Ich dachte, du hättest den Bericht zum Velorum-Absturz letzte Woche abgegeben?“

„Ich wünsche dir auch einen guten Morgen, Tivona“, antwortete ich, ohne auf ihre Frage einzugehen.

Sie schüttelte sich angewidert, bevor sie in die winzige Küche trat. „So etwas wie einen guten Morgen gibt es nicht, und schon gar nicht gilt das für einen Montagmorgen.“

Tivona Winslow mochte eine tolle Verhandlungsführerin sein, aber sie war definitiv kein Morgenmensch. Trotzdem: Ihre Schwäche für lange Nächte passte gut zu meiner Früh-aus-dem-Bett-und-Dinge-erledigen-Mentalität, denn auf diese Art waren wir selten gleichzeitig zu Hause. Das erleichterte unser Zusammenleben in der kleinen Drei-Zimmer-Wohnung, weil wir selten zur selben Zeit das Bad benutzen mussten.

Tivona grinste breit und blinzelte anzüglich. „Auch wenn das Wochenende sehr unterhaltsam war. Besonders der Samstagabend.“

Trotz der Anspannung, die meinen Körper erfüllte, lachte ich. „Lass mich raten. Du hast die wahre Liebe auf der Tanzfläche gefunden und wieder verloren, dank eines Chembond-Cocktails.“

„So in der Art.“ Tivona rümpfte die Nase. „Auch wenn der Kerl am nächsten Morgen bei Weitem nicht mehr so süß und charmant war.“

„Das sind sie nie, wenn ein Chembond mit im Spiel ist …“

Tivona wedelte mit der Hand, um meinen Vortrag abzuwehren. „Ich weiß, ich weiß. Ein Chembond ist nicht real.“ Sie seufzte sehnsüchtig. „Aber solange er anhielt, hat es Spaß gemacht. Du solltest es irgendwann mal versuchen, Vesper.“

Ich verdrehte die Augen. „Nein, vielen Dank auch. Ich habe jeglichen Beziehungen abgeschworen, schon vergessen? Besonders chemisch induzierten. Sie vergehen sogar noch schneller als normale.“

Tivona hob bei meinem bitteren Tonfall eine Augenbraue. „Was hast du noch mal nach der Trennung von Conrad gesagt? Dass Anziehungskraft, Verlangen und Liebe nichts anderes sind als Effekte der Hirnchemie. Du hast etwas von Dopamin und Lustzentren und ähnlich technischem Kram gemurmelt, so wie immer.“

Ich schob das Kinn vor. „Und ich stehe zu jedem einzelnen Wort.“

Diesmal seufzte ich, erfüllt von der Melancholie, die mich verfolgte wie ein schlechter Traum. „Vielleicht hast du recht. Vielleicht sollte ich mal mit dir durch die Clubs ziehen, mit jemandem einen Cocktail trinken und einfach schauen, was passiert. Zumindest weiß man bei einem Chembond, was einen erwartet – und nach ein paar Stunden ist es wieder vorbei.“

Anders als mein aktueller Liebeskummer, der jetzt schon seit Monaten anhielt.

Tivona musterte mich voller Mitgefühl. „Diese Sache mit Conrad wird auch vorbeigehen. Vor allem, wenn du mal die Wohnung verlässt und jemand Neuen kennenlernst. Du wirst schon sehen, Vesper. An Conrad wirst du bald schon gar nicht mehr denken.“

Ihre fröhlichen Worte waren vollkommen unschuldig, aber sie hallten in meinem Kopf wider wie eine Sirene, die mich vor etwas Schlimmem warnen sollte. Ich unterdrückte ein Schaudern und bemühte mich, die Magie zu ignorieren, die ein Gefühl auf meiner Haut erzeugte, als läge ich auf einem Meditisch und würde mit Nadeln traktiert.

Tivona drückte einen Knopf an dem Brühmeister auf der Küchenarbeitsfläche. Sofort stieß er eine Reihe von hohen Pieptönen aus, fast als wollte die Maschine mit ihr reden. Flüssigkeit ergoss sich in eine Chromkanne, und der vielschichtige Duft von Schokoladenespresso erfüllte die Luft. Er sah viel appetitlicher aus als mein zähflüssiger Himbeershake – und roch auch besser.

Brühmeister war eigentlich eine falsche Bezeichnung, da es sich um einen Nahrungsgenerator handelte, der alles, vom Rührei über Haferflocken mit Mandeln bis zu einem essbaren Steak, produzieren konnte – je nachdem, welche Protein-Pods man einlegte. Aber die Leute nannten die Geräte Brühmeister, weil sie überwiegend verwendet wurden, um Getränke zu generieren: Kaffee, Tee, Proteinshakes. Egal, wie fortgeschritten die verwendete Technologie auch sein mochte, die Leute liebten es immer noch, Koffein, Ginseng und andere Stimulanzien zu konsumieren, gepaart mit riesigen Mengen raffiniertem Zucker.

Tivona atmete einmal tief durch. „Ah! Ich werde das nie öffentlich zugeben … schließlich bin ich rechtlich dazu verpflichtet, zu behaupten, dass Kent-Produkte in ihrer ursprünglichen Form perfekt sind, und sie gegen alle Klagen zu verteidigen … aber deine Verbesserungen an diesem Brühmeister haben es wirklich gebracht. Espresso in weniger als zehn Sekunden, in der perfekten Temperatur, sodass man sich nicht den Mund verbrennt? Das ist genial, Vesper.“

„Du weißt doch, wie gern ich an Sachen herumbastele.“

Tivonas dunkler Blick huschte über das Chaos aus Werkzeugen, Plastipapieren und Kabeln auf dem Tisch vor mir, dann runzelte sie missbilligend die Stirn. „So kann man es natürlich auch ausdrücken.“

Als wir vor drei Jahren zusammengezogen waren, hatten Tivona und ich das Wohnzimmer in zwei Hälften geteilt. Ihre Seite, zu der auch die Küche gehörte, war makellos sauber. Alles war immer ordentlich aufgeräumt – wie die Masse von Tassen in den Schränken – oder in ordentlichen Stapeln organisiert – wie die neuesten Verträge, an denen sie gerade arbeitete, auf dem Küchentisch.

Meine Seite des Raums, die das Sofa und den Couchtisch beinhaltete, war viel weniger organisiert. Wie Tivona häufte ich Dinge gerne zu Stapeln auf, meine waren aber unordentliche Berge, in denen sich von alten Anleitungen bis zu Bauteilen alles tummelte. Ich fand die Unordnung gemütlich und tröstend, Tivona aber trieb sie fast in den Wahnsinn. Mehr als einmal hatte sie mich herausgefordert, ein bestimmtes Plastipapier oder Werkzeug zu finden, in der Hoffnung, mich so zum Aufräumen zu animieren. Doch ich hatte den betreffenden Gegenstand immer innerhalb von Sekunden gefunden, wie ein altmodischer Magier, der ein Kaninchen aus dem sprichwörtlichen Hut zauberte. Immer zu wissen, wo sich Dinge gerade befanden, gehörte zu den wenigen Vorteilen von Sehermagie.

Obwohl Tivona starke Tendenzen zur Ordnungsfanatikerin zeigte, war sie eine echte Freundin und bei Weitem die beste Mitbewohnerin, die ich je gehabt hatte – hauptsächlich, weil wir uns nicht allzu oft sahen. Nicht einmal in der Kent Corporation, wo wir beide arbeiteten. Mich persönlich mit ihr zu unterhalten, war ein seltenes Vergnügen, keine tägliche Verpflichtung.

Tivona goss ihren Schokoladenespresso in eine riesige Tasse, dann ließ sie sich aufs Ende des Sofas fallen. Sie griff nach der Fernbedienung auf dem Beistelltisch, der auf ihrer Seite des Raums stand, und drückte einen Knopf. Dadurch erwachte der Holoscreen in der gegenüberliegenden Wand zum Leben. Gähnend gönnte sie sich einen Schluck Espresso, den Blick auf ihre liebste Tratschsendung gerichtet.

„Und jetzt haben wir Neuigkeiten für euch über den fortdauernden Konflikt zwischen dem Imperium und der Techwave …“ Die Sprecherin der Tratschsendung spulte eintönig eine weitere Variation einer Geschichte ab, die ich schon Hunderte Male gehört hatte.

Das Imperium unter Führung von Lord Callus Holloway und anderen adeligen Familien, die als Edle bezeichnet wurden, war eine der dominanten Mächte in der Archipel-Galaxie, zusammen mit der etwas weniger mächtigen Techwave und den Erztons. Jede Gruppe konzentrierte sich auf andere Bereiche, die von ihr beherrscht wurden. Im Imperium drehte sich alles um Magie, Genetik und Blutlinien, während die Techwave solch altmodische Dinge verabscheute und sich auf innovative Technologien, Experimente und Waffen fokussierte. Die Erztons blieben neutral, sie verkauften Mineralien, Holz und andere Rohstoffe sowohl an das Imperium als auch an die Techwave … sowie an andere wohlhabende Organisationen und Personen. Grundsätzlich ließen sich die drei Gruppen mit den Worten Magie, Technik und Mineralien verbinden, auch wenn sie alle einsetzten, was auch immer sie in die Finger bekamen, um noch mehr Reichtum, Waffen, Macht und Ressourcen anzuhäufen.

Zwischen dem Imperium und der Techwave bestanden schon seit Jahren Spannungen, aber in letzter Zeit waren die Feindseligkeiten offen ausgebrochen. Die Techwave hatte mehrere Firmen von edlen Familien angegriffen und alles gestohlen, was nicht niet- und nagelfest war. Angeblich wollte die Techwave – deren Angehörige auch Techwaver genannt wurden – persönliche Verbesserungen, Waffen in Militärstandard und andere fortgeschrittene Technologien allen zugänglich machen, um so gleiche Chancen für die magiebegabten Edlen und das einfache Volk zu schaffen. Eigentlich wollte die Techwave aber nur die Galaxie beherrschen, so wie Callus Holloway es seit dreißig Jahren tat.

Ich verspürte wenig Zuneigung zum Imperium und noch weniger für die Edlen mit ihren aufgeblasenen Adelshäusern, esoterischen Gesellschaftsnormen und ihrer absoluten Entschlossenheit, Magie, Bündnisse und Blutlinien über alles andere zu stellen – aber zumindest hielt Callus Holloway ein gewisses Maß an Recht und Ordnung aufrecht. Anders als die Techwaver, die kaum mehr als Terroristen waren, die sich nahmen, was sie wollten, und Tod und Zerstörung hinter sich zurückließen.

Wie auf Temperat 33.

Vor zwei Monaten war dort der Velorum-Raumkreuzer bei seinem Jungfernflug kurz nach dem Start abgestürzt. Alle an Bord waren umgekommen, zusammen mit Hunderten von Menschen am Raumflughafen auf dem Boden. Ich hatte zu dem guten Dutzend Laborratten gehört, die ausgeschickt worden waren, um die rauchenden Reste des Schiffes zu untersuchen. Eine Gruppe von Techwavern hatte das Chaos des Absturzes und die Folgen genutzt, um in die Büros der Kent Corporation auf Temperat 33 einzubrechen und Informationen über die neueste Waffenlinie der Firma zu stehlen. Dabei hatten sie mehrere Gebäude in Stücke gesprengt.

Für eine Gruppe, die angeblich dafür sorgen wollte, dass es allen besser ging, hatten sich die Techwaver erstaunlich wenig darum gekümmert, wen sie verletzten, solange sie nur bekamen, was sie wollten. Gierige Mistkerle. Andererseits … in der Archipel-Galaxie rebellierte eigentlich immer irgendjemand gegen jemand anderen.

„Die Kämpfe werden gerade besonders intensiv auf Magma 7 geführt, wo die Techwave vor drei Tagen eine große Metallraffinerie übernommen hat“, fuhr die Sprecherin fort. „Das Imperium hat bei dem Versuch, die Raffinerie zurückzuerobern, große Verluste hingenommen. Ein weiterer Angriff soll im Verlauf des heutigen Tages stattfinden. Die Soldaten des Imperiums hoffen, die Techwaver endlich aus ihrer befestigten Stellung innerhalb der Raffinerie aufzuscheuchen …“

In anderen Worten: Beide Seiten würden die Raffinerie beschießen, um sich dann zurückzuziehen und sich die Wunden zu lecken. Noch eine wenig überraschende Tatsache.

„Und nun zu angenehmeren Themen: Der Frühlingsball, der diese Woche auf Corios stattfindet.“

Tivona quietschte vor Begeisterung. „Endlich!“

Wie viele andere verfolgte Tivona das Treiben der Edlen mit großem Interesse – besonders, wenn es um ihre aufwendigen Feierlichkeiten auf Corios, dem Heimatplaneten der Edlen, ging. Während ich mich bemühte, die permanenten Klatschsendungen zu ignorieren, da sie mich immer daran erinnerten, wie ich zurückgelassen worden war, und alte Wunden aus meiner Kindheit aufrissen.

Die Sprecherin grinste in die Kamera und zeigte dabei ihre leuchtend weißen Zähne. „Der Frühlingsball gehört zu den am sehnlichsten erwarteten Events der Saison. Es wird allgemein damit gerechnet, dass dabei mehrere Verlobungen bekannt gegeben werden. Anonyme Quellen behaupten, dass eine davon Kyrion Caldaren betrifft, den aktuellen Anführer der Arrows, der Elite-Kampftruppe des Imperiums.“

Jetzt zeigte der Holoschirm eine schattenhafte Gestalt in dunkler Kleidung, die durch einen rauchgefüllten Flur auf irgendeinem Raumschiff stapfte. Der Mann trug einen dunklen Helm, sodass ich sein Gesicht nicht sehen konnte, aber das war auch gar nicht nötig. Allein die große, eindrucksvolle Silhouette und das Sturmschwert in seiner Hand reichten, um jedem mit einem Mindestmaß an gesundem Menschenverstand Angst einzujagen.

Tivona stieß noch einen begeisterten Quietschlaut aus, vollkommen gefesselt von den Bildern auf dem Schirm. Nun, zumindest ging es bei dieser Sendung um jemanden, den ich noch nie getroffen hatte, was sie für mich leichter erträglich machte.

„Kyrion Caldaren ist der Sohn des verstorbenen Lord Chauncey Caldaren und seiner Frau, Lady Desdemona“, fuhr die Sprecherin fort, als wüssten das nicht längst alle. „Er ist außerdem das aktuelle Oberhaupt von Haus Caldaren und kontrolliert damit das beträchtliche Caldaren-Vermögen. Diverse edle Lords und Ladys haben über die Jahre versucht, Kyrions Blick auf sich zu ziehen, doch bisher hat er sich noch von niemandem angeln lassen. Vielleicht hat jemand beim Ball ja das Glück, sein Interesse zu erregen.“

Die Sprecherin zwinkerte glucksend in die Kamera, als wäre Kyrion Caldaren eine fette Forelle, die nur darauf wartete, aus dem Becken einer Aqua-Farm geholt zu werden.

Ich verdrehte die Augen. „Als würde sich irgendwer, der bei klarem Verstand ist, mit dem berüchtigtsten Killer der Galaxie verloben … oder ihn sogar heiraten. Komm schon. Der Mann hat angeblich als Teenager seinen eigenen Vater ermordet, um die Kontrolle über das Haus zu übernehmen.“

Tivona wedelte irritiert mit der Hand, ohne den Blick vom Bildschirm abzuwenden. „Still!“

Die Sprecherin fuhr fort, die vielen vermeintlichen Tugenden von Kyrion Caldaren aufzuzählen, wobei sie großzügig unter den Teppich kehrte, dass die Arrows die tödlichsten Krieger der Galaxie waren, deren Hauptaufgabe darin bestand, systematisch die vielen Feinde von Callus Holloway auszumerzen. Was Kyrion Caldaren den Gerüchten zufolge mehr als einmal getan hatte.

Aber unter den Edlen stellte Kyrion Caldaren einen wirklich guten Fang dar. Und das war auch nicht die erste Sendung, in der darüber spekuliert wurde, wen er letztendlich – auch ohne Truebond – heiraten würde. Andererseits, er war reich genug, um jede Form von Chembond zu implementieren, so lange er das wollte. So etwas war nicht ungewöhnlich unter den Edlen – besonders, da Truebonds so selten waren, selbst unter den Psions, Sehern, Spelltechs, Siphons und den anderen Magiebegabten.

Plötzlich schlich sich die Stimme meiner Mutter in meinen Kopf. Ich sollte wieder auf Corios sein. Ich sollte Teil der edlen Gesellschaft sein, statt auf einem nutzlosen Planeten zu verrotten, gefangen in einem nutzlosen Leben mit einem vollkommen nutzlosen Kind.

Ein stechender Schmerz durchfuhr mein Herz wie ein Bohrer, der sich in eine Stahlplatte gräbt. Ich verzog das Gesicht und wünschte mir, ich könnte dieses Gespräch vergessen – eines der letzten Gespräche, das meine Mutter Nerezza mit ihrer Cousine Liesl geführt hatte, bei der wir zu dieser Zeit gewohnt hatten. Aber mein perfektes Erinnerungsvermögen gehörte zu meiner Sehermagie, zumindest, wenn es um all die schrecklichen Dinge ging, die in meinem Leben vorgefallen waren – besonders das Verschwinden meiner Mutter. Nerezza hatte mich zurückgelassen, als ich sieben Jahre alt gewesen war … und selbst heute, dreißig Jahre später, hörte ich ihre harschen Worte noch genauso deutlich, als hätte sie sie gerade erst gesprochen.

„Vesper? Geht es dir gut?“, fragte Tivona. „Du siehst aus, als würdest du dieses Modell gleich in zwei Teile brechen.“

Tatsächlich umklammerte ich die Miniatur-Velorum mit aller Kraft so fest, dass das weiße Plastik protestierend knirschte. Ich löste meine Finger und warf das Modell auf den Tisch. „Es geht mir gut. Ich sollte ins Labor aufbrechen.“

„Woran arbeitest du jetzt?“, fragte Tivona. „Lässt du dir Dutzende neue Möglichkeiten einfallen, den Brühmeister zu verbessern? Obwohl er bereits perfekt ist?“

Ich zwang mich, ihre neckenden Worte mit einem Lächeln zu beantworten. „Das ist das Projekt, das ich morgen angehen werde. Heute muss ich noch ein paar Dinge im Bericht über den Velorum-Absturz nachbessern.“

Tivona prostete mir mit ihrer Tasse zu, dann nahm sie einen Schluck Kaffee und wandte sich wieder ihrer Tratschsendung zu.

Ich sammelte die Plastipapiere vom Tisch und klemmte sie mir unter den Arm. Nach einem kurzen Zögern schnappte ich mir auch das Velorum-Modell. Sobald meine Finger sich darum schlossen, spürte ich das Prickeln von Magie auf meiner Haut. Ein schwaches, silbernes Leuchten erhellte das Modell, während mir im selben Moment ein kalter Schauder über den Rücken lief.

Normalerweise hätte ich alles stehen und liegen gelassen und mich wieder auf die Couch gesetzt, um das Modell von allen Seiten zu untersuchen. Meine Sehermagie ließ oft Dinge aufleuchten … doch dann war es meine Aufgabe, herauszufinden, was genau mir meine Macht damit sagen wollte. Allerdings hallten die harschen Worte meiner Mutter immer noch in meinen Ohren wider, und der von ihrem Desinteresse ausgelöste Schmerz brannte in meinem Herzen, also starrte ich den Schein um das kleine Raumschiff nur böse an.

Geh weg!, zischte ich lautlos.

Das silberne Leuchten verging, doch das unangenehme Gefühl blieb. Selbst ohne Sehermagie wusste ich, dass meine Pläne für das Schiffsmodell mir eine Menge Ärger einbringen würden – wenn sie mich nicht sogar umbrachten.

Jennifer Estep

Über Jennifer Estep

Biografie

Jennifer Estep ist SPIEGEL- und internationale Bestsellerautorin und immer auf der Suche nach ihrer nächsten Fantasy-Romanidee. In ihrer Freizeit trifft sie sich gerne mit Freunden und Familie, macht Yoga und liest Fantasy- und Liebesromane. Außerdem sieht sie viel zu viel fern und liebt alles, was...

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