„Das drucken Sie aber nicht!“ „Das drucken Sie aber nicht!“ - eBook-Ausgabe
Die besten Interviews
„Großartige Gespräche“ - Lübecker Nachrichten
„Das drucken Sie aber nicht!“ — Inhalt
Ausnahmeköpfe ergründen sich und das Leben
Keinen Satz hört Sven Michaelsen öfter als: „Das drucken Sie aber nicht!“ Doch jedes Mal siegt die Sehnsucht der Interviewten, vor den Spiegel zu treten und sich darüber klar zu werden, wie sie wurden, wer sie sind. Und so erzählt der Schauspieler Rupert Everett von seiner Vergangenheit als Callboy. Der Publizist Fritz J. Raddatz erinnert, wie ihn mit elf Jahren die eigene Stiefmutter vergewaltigt. Der Kunst-Tycoon Simon de Pury fragt sich, ob man ein Bild lieben kann, dessen Schöpfer ein Scheusal ist. Jeff Koons durchlebt noch einmal seine Schlammschlachten mit der Pornodarstellerin Cicciolina. Peter Handke begründet, warum er Journalisten ohrfeigt. Und sein Lektor offenbart, wieso er Schriftsteller für Kotzbrocken hält. Der Leser erlebt eine ebenso lehrreiche wie hoch amüsante Bildungsreise zu Hirn, Herz und Unterleib der prägenden Figuren unserer Gegenwart.
Leseprobe zu »„Das drucken Sie aber nicht!“«
Vorwort von Benedikt Erenz
Worum es hier geht: Um Leben und Werk. Um Klatsch und Trash. Um Leben und Tod. Wir sitzen im Café, sehen auf die Promenade im Sonnenlicht oder den Boulevard am Abend, und die Welt plappert vorbei. Bunt und roh, flüsternd und keifend, hell auflachend, bitter, mit einem unterdrückten Weinen. Mit einem tiefen Seufzer, in dem alle Lust und alles Weh zergeht.
Künstlerinnen und Künstler der Mode sind es, der Literatur, der Malerei, des Schauspiels … des Lebens. Sven Michaelsen hat mitgeschrieben. Seit Jahren veröffentlicht er die [...]
Vorwort von Benedikt Erenz
Worum es hier geht: Um Leben und Werk. Um Klatsch und Trash. Um Leben und Tod. Wir sitzen im Café, sehen auf die Promenade im Sonnenlicht oder den Boulevard am Abend, und die Welt plappert vorbei. Bunt und roh, flüsternd und keifend, hell auflachend, bitter, mit einem unterdrückten Weinen. Mit einem tiefen Seufzer, in dem alle Lust und alles Weh zergeht.
Künstlerinnen und Künstler der Mode sind es, der Literatur, der Malerei, des Schauspiels … des Lebens. Sven Michaelsen hat mitgeschrieben. Seit Jahren veröffentlicht er die aufregendsten Interviews in den großen Blättern des deutschen Sprachraums. Gespräche, die Furore machten, wie zum Beispiel jenes mit dem Verleger Hubert Burda oder der wunderbar freimütigen Heide Sommer für das Magazin der Süddeutschen Zeitung. Es sind Gespräche, die zunächst nur luftig kreisen, um dieses und jenes, Gesehenes, Gehörtes, Erlebtes. Doch plötzlich geht es um alles und nichts. Um Leben und Tod.
Wie macht er das?
Vielleicht … nein.
Vielleicht … nein, auch nicht.
Vielleicht – da kommen wir dem Geheimnis dieser abgründigen Dialoge schon ein bisschen näher –, schafft er das, weil Michaelsen nicht nach dem fragt, was sein Gegenüber für Werk und Leben hält. Sondern nach der Erfahrung, die der Version von sich selbst und der eigenen Arbeit zugrunde liegt. Nicht nach Kindheit und Lehrjahren, sondern nach dem Menschen, der das Kind und der Lernende einmal war. Diesen Moment versucht er zu fassen, den Moment, in dem der Mensch seine Erfahrung begreift und im Gespräch neu erfindet, wie oft auch immer er sie schon erzählt haben mag. Wie sehr er selber daran glaubt oder im Stillen daran zweifelt.
Kein Insistieren. Kein Diskutieren. Nur Geduld, Witz und sanfte Neugier. Vor allem aber kommt diese Fragekunst aus der besten Schule, die es für einen Menschenforscher geben kann: aus der guten, alten, alles zersetzenden Schule des Existenzialismus. Es ist jene große Schule des Zweifels, die unsere Nachkriegskultur – mal schwarzweiß streng, mal poppig bunt – bis weit in die siebziger Jahre bestimmt hat. Camus, Ionesco, Améry, Frisch, Jandl. Michaelsen hat sie studiert. Ihre Skepsis und illusionsfreie Weltsicht inspirieren seine Fragen. Denn was ist das: diese Erfindung, die wir das Leben nennen? Warum machen wir dies und nennen es gut? Und jenes und nennen es böse? Warum verstehen wir nicht, was die Welt von uns will? Und das Schicksal, was immer das ist? Warum ist das Schreckliche oft so komisch? Das Lustige oft zum Weinen? Und was ist das überhaupt, über alle Sprache hinaus: Erfahrung? Was macht sie mit uns bis in unsere Körper, unsere Träume hinein?
Michaelsen fragt nach diesem und jenem, nach Anekdoten, Gerüchten, Zitaten. Scheinbar ziellos bis sich das Gespräch verdichtet. Bis es tief hineingeht in den Raum der individuellen Erfahrung. Dabei dreht es sich nicht um Daten und Deutungen. Seine Fragen zielen auf Lebensgrund und Lebensgepäck. Auf die Risse und Widersprüche, aus denen die Energie kommt. So öffnen ein paar beiläufige Anekdoten, die Juergen Teller über die gewalttätige, hoffnungslose Figur seines Vaters erzählt und über die eigene Ohnmacht, die Ohnmacht des Sohnes, der er war, den Blick auf das Panische in Tellers Fotografie. „Zuhause lief ich immer geduckt herum, denn jeden Moment konnten die Dinge explodieren.“ Da geht es nicht mehr um einen Aspekt des Werkes, sondern um den Kern. Da geht es (auch darin gut existenzialistisch) im Beiläufigen um die Menschliche Komödie im Großen, um die Absurdität, ein Mensch zu sein.
„Ich schaue dir gern beim Leben zu“, habe ihre große Liebe Jean-Claude Carrière einmal zu ihr gesagt, erinnert sich Hanna Schygulla, und in der Erinnerung an diesen einen Satz liegt alles: die Unmöglichkeit ihrer Liebe und die Wehmut über ein Leben, wie wir alle es leben und doch zu verfehlen glauben. Es sind solche völlig unscheinbaren Momente, die viele dieser Gespräche so unvergesslich machen – neben den grellen Lichtern, die hier natürlich auch nicht fehlen. Das sind sich exzentrische Naturen wie Peter Sloterdijk, André Heller oder die großartige Inge Feltrinelli natürlich schuldig.
Eine der denkwürdigsten Begegnungen und Höhepunkte dieses Best-of-Albums von Michaelsens Interviews aus den Jahren 2012 bis 2017 ist vielleicht das Gespräch mit dem heute fast schon ein wenig in Vergessenheit geratenen kanadischen Künstler und Autor Douglas Coupland, dessen Roman Generation X 1991 zum Kultbuch wurde. Die Fragen sind diesmal so kurz wie simpel, Couplands Antworten voll Satire und Melancholie, zugleich von einer provokanten Abgeklärtheit. Der Leser weiß nicht so recht, wo die Prätention aufhört und die Verzweiflung beginnt, und wird zum Zeugen einer furiosen Improvisation über den rasenden Wahn und Witz unserer Zeit.
„Sagen Sie mal was Nettes zu mir“, blafft Peter Handke Michaelsen an, „Sie blättern da wie ein Untersuchungsrichter in Ihren Aufzeichnungen.“ O nein. Da irrt Handke. Ein Untersuchungsrichter ist dieser Ethnologe der Kulturmenschheit nicht. Ein Fragen-, kein Fallensteller. Ein Forscher, der wissen will, nicht urteilen. Bescheiden zudem: In den vorausgegangenen Auswahlbänden mit seinen Interviews – Starschnitte (2006) und Wendepunkte (2012) – sind die Fragen weggelassen und nur die Antworten gedruckt. So werden aus Gesprächen Monologe, Selbsterforschungen, denen der Leser als Komplize des Autors wie durch einen Venezianischen Spiegel hindurch zusieht respektive -hört. Ein reizvolles Spiel, das viele Leser fasziniert hat.
Diesmal allerdings hat Michaelsen die Fragen stehengelassen, zugelassen. Diesmal tritt er selber auf. Nicht als Untersuchungsrichter, sondern als Mann in der Menge, im Café am Boulevard, an der Strandpromenade. Da sitzt er, hört zu und rührt in seiner Tasse. Er hört genau, hört im Lärm das leise Wort, den flüchtigen Satz. Eine Erinnerung, eine Anekdote, die der Andere eigentlich gar nicht erzählen will, albern, banal, peinlich – „Das drucken Sie aber nicht!“ –, ein kleines Übrigens nur, ganz nebenbei. Denn die ganze Wahrheit erfährt man immer nur ganz nebenbei.
„Kunst zu sammeln ist eine unheilbare Suchtkrankheit, aber es ist die schönste Krankheit, die es gibt“
Simon de Pury
Ein junger Mann mit lädiertem Selbstbewusstsein will unbedingt Maler werden, doch als seine Bilder bei den Galeristen durchfallen, wird er stattdessen weltweiter Chefauktionator von Sotheby’s und Kunstberater von Milliardären und arabischen Potentaten: Simon de Pury über die Keramikvase am Totenbett von Jackie Onassis und seine Jahre als Trüffelhund von Baron Thyssen-Bornemisza, über die Rezepte von Jeff Koons zur Steigerung der Potenz und den schwarzen Tag, als er ein Bild von Max Ernst aus Versehen in vier Teile zerschneidet
Der Bildhauer Alberto Giacometti wurde einmal gefragt, was er aus einem brennenden Haus retten würde: eine Katze oder einen Rembrandt. Er entschied sich ohne zu zögern für die Katze.
Ich würde bedenkenlos den Rembrandt retten und die Katze ihrem beklagenswerten Schicksal überlassen. Kunstwerke sind für mich lebende Objekte, die den Tod ihres Schöpfers überdauern, manchmal für Jahrtausende. Weil große Kunst das Beste in uns Menschen verstärkt, ist ihr Überleben wichtiger als das eines Tieres.
Seit wann können Sie einen Monet von einem Manet unterscheiden?
Seit meinem 13. Lebensjahr. Meine Mutter fuhr mit mir nach Florenz und Paris und führte mich durch Museen und Galerien. Ich schämte mich immer ein wenig, wenn wir vor einem Gemälde standen und sie mir Erläuterungen aus dem Kunstführer vorlas, aber mit meinen Kindern habe ich später das Gleiche gemacht.
Mit welchem Ergebnis?
Als meine Kinder Teenager waren, fuhr ich mit ihnen für eine Woche nach New York. Sechs Tage lang absolvierten wir ein Programm für Halbwüchsige. Am siebten Tag, einem Mittwoch, wollte ich ihnen unbedingt das Museum of Modern Art zeigen. Als wir vor dem Eingang standen, bekamen meine Kinder Smiley-Gesichter. Als ich fragte, warum sie so beglückt gucken würden, deuteten sie auf ein Schild: „Mittwochs geschlossen“.
Sie wollten seit früher Jugend Maler werden. Nachdem Ihre abstrakten Tuschbilder bei drei Galerien durchgefallen waren, gingen Sie für 18 Monate beim Schweizer Kunsthändler Eberhard Kornfeld in die Lehre. Eine gute Zeit?
Der Höhepunkt war, dem berühmten Sammler Heinz Berggruen für ein paar Tage als Chauffeur zugeteilt zu werden. Der Tiefpunkt war, für eine wertvolle Zeichnung von Max Ernst ein Passepartout zuschneiden zu sollen. Ich übersah, dass die Zeichnung unter der Pappe lag, und zerschnitt sie in vier Teile. Ich hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen und war mir sicher, rausgeworfen zu werden, aber Kornfeld reagierte höchst gelassen: „Kein Problem, junger Mann, für mich arbeitet der weltbeste Restaurator. Wenn er mit seiner Arbeit fertig ist, wird niemand darauf kommen, was passiert ist.“ Bei der Versteigerung der Zeichnung wurde der Schaden mit keinem Wort im Katalog erwähnt. Ich zitterte, dass alles herauskommen würde, aber vom Käufer kam nie eine Beschwerde. Ich hatte das perfekte Verbrechen begangen.
Haben Sie noch andere Kunstwerke auf dem Gewissen?
Nein, aber es ist erschreckend, wie oft Objekte hinter den Kulissen zerstört werden. Als junger Mann habe ich Kunsttransporte begleitet. Wenn ich in feuchtheißen Städten wie Bombay oder Bangkok das Flugzeug wechseln musste, standen die Kisten mit wertvollen Gemälden manchmal stundenlang in der prallen Sonne. Beim Auktionshaus Christie’s rutschte einmal ein Klavier vom Podium und machte aus einer mehrere Millionen Dollar teuren Stradivari Kleinholz. Bezeichnend ist auch, was mit einem Objekt von Christo passiert ist, als es bei einem Auktionshaus eingeliefert wurde. Man hatte vergessen, den Mitarbeitern der Frachtabteilung zu sagen, dass Christo ein Verpackungskünstler ist. Indem die Männer sein Werk auspackten, zerstörten sie es.
Mit 23 waren Sie eine unbezahlte Hilfskraft am Empfangstresen des Auktionshauses Sotheby’s in London, bereits zwei Jahre später schickte Ihr Arbeitgeber Sie als Verkaufschef nach Monaco. Zu Ihren Insignien zählten eine Cabana im „Monte Carlo Beach Club“ und ein privates Whisky-Depot im Nachtklub „Jimmy’z“. Es folgten Fotogeschichten über Sie in der Vogue und in der International Herald Tribune. Schmorte Ihr Ego durch?
Nein, die geringschätzigen Blicke meiner Mutter waren an mir haften geblieben und verhinderten, dass ich der Sonne zu nahe kam. Vom zehnten bis zum 18. Lebensjahr war ich felsenfest davon überzeugt, der größte Versager unter Gottes Himmel zu sein. Ich war ein miserabler, ängstlicher Schüler, der von seiner leistungsbesessenen Mutter, die stets Klassenbeste gewesen war, von morgens bis abends an seinen brillanten Geschwistern gemessen wurde. Mit 15 schickte sie mich für zweieinhalb Tage zu einem angesehenen Psychologen ins Engadin. Nach endlosen Tests schrieb der Mann einen siebeneinhalbseitigen Bericht über mich, den meine Mutter mir viermal vorlas. Das Fazit des Fachmanns war verheerend: Ich solle auf keinen Fall das Gymnasium beenden oder gar studieren, Krankenpfleger wäre genau das Richtige für mich. Heute kann ich meine Schande wie eine Anekdote erzählen, aber sie hat Spuren hinterlassen. Obwohl meine Mutter schon lange tot ist, spüre ich immer noch den Wunsch, sie zu beeindrucken. Wir können unseren hartnäckigsten Feinden entkommen, nicht aber unseren Eltern.
Wie kamen Sie in Monaco an Kunden, die sich von ihren Schätzen trennen wollten?
Das Auktionsgeschäft lebt von drei Ds: divorce, debt, death – Scheidung, Schulden, Tod. Deshalb begann mein Tag mit Zeitungslektüre, erst die Gesellschaftsseiten, dann die Todesanzeigen.
Nach fünf Jahren bei Sotheby’s wurden Sie 1979 Kurator der Kunstsammlung von Hans Heinrich Àgost Gábor Tasso Baron Thyssen-Bornemisza de Kászon, genannt Heini, Enkel des Stahl-Tycoons August Thyssen und einer der reichsten Männer der Welt. Warum wechselten Sie Ihren Beruf?
Der Baron hatte in der Villa Favorita in Lugano die großartigste private Kunstsammlung der Welt zusammengetragen. Alle großen Künstler vom 12. bis zum 20. Jahrhundert waren vertreten. Nur die englische Königin besaß etwas Vergleichbares. Ein weiterer Grund war, dass der Baron mir ungeheuer imponierte. Er war eine auratische Erscheinung, hatte Ladykiller-Appeal und besaß Manieren, die mehr als tadellos waren. Einmal trafen wir uns in meinem Sotheby’s-Büro. Wenn eine Angestellte hereinkam, stand er jedes Mal auf und begrüßte sie so galant und formvollendet, als stünde ihm ein gekröntes Haupt gegenüber. Um seine Sammlung vorzuführen, schickte er mir sein Flugzeug, eine Dassault Falcon. Damals gab es einen Jetset, aber niemand besaß einen Jet. Für den Baron war es ein gewöhnlicher Tag, wenn er morgens in London frühstückte, in Amsterdam zu Mittag aß, nachmittags in Paris den Louvre besuchte und abends in Rom auf einer Party tanzte.
„Ihm gelingt es auch in offiziellen Interviews, seinen Gesprächspartnern erstaunliche Aussagen über ihre Abgründe zu entlocken. Das bedient durchaus einen gewissen Voyeurismus, aber auf höchstem Niveau und garantiert großes Lesevergnügen.“
„(...) eine spannende, unterhaltsame und skurrile Sammlung vieler Interviews, die Michaelsen im Laufe seiner Karriere (...) geführt hat. (...) Intime Details und lustige Anekdoten inklusive.“
„Enorm interessant und spannend zu lesen – wahrlich eine Kunstform für sich.“
„Großartige Gespräche“
„Der deutsche Journalist Sven Michaelsen entlockt berühmten Menschen Geständnisse wie kaum jemand.“
„Sven Michaelsen schafft es, dass er dem Leser ein paar sehr vergnügliche Stunden bereitet; so vergnüglich, dass man das Buch immer mal wieder aus der Hand legen will, weil man es nicht zu schnell durchgelesen haben möchte.“
„Oft wundert sich der Leser, dass die pikanten, ehrlichen, großmäuligen, entlarvenden, verletzenden Antworten da wirklich gedruckt sind. Sind sie aber. Großartige Gespräche.“
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