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Das Geheimnis von Campodimele: Rezepte für ein langes Leben

Das Geheimnis von Campodimele: Rezepte für ein langes Leben - eBook-Ausgabe

Tracey Lawson
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Das Geheimnis von Campodimele: Rezepte für ein langes Leben — Inhalt

Giovanni isst seit über 100 Jahren regelmäßig Minestrone zum Mittag, Corradino fährt mit 96 noch Fahrrad, und die 93-jährige Signora backt regelmäßig ihr eigenes Brot mit Olivenöl und Rosmarin. Das Dorf Campodimele in den Auruncibergen nennen Wissenschaftler der Weltgesundheitsorganisation den „Ort der Ewigkeit“. Die Bewohner leben nicht nur länger, bekommen seltener Krebs, Herzbeschwerden oder Diabetes, sondern sind auch im hohen Alter noch aktiv und gesund. Tracey Lawson dokumentiert ein Jahr im Leben der Dorfbewohner. Dabei konzentriert sie sich vor allem auf deren Koch- und Essgewohnheiten, die der Schlüssel zu einem langen Leben sind. Die Rezepte der einfachen Gerichte, die dem Jahresrhythmus der Pflanzen und Tiere folgen, können auch viel beschäftigte Stadtmenschen nachkochen und genießen.

€ 12,99 [D], € 12,99 [A]
Erschienen am 18.10.2012
Übersetzt von: Maria Mill
450 Seiten
EAN 978-3-8270-7517-8
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Leseprobe zu „Das Geheimnis von Campodimele: Rezepte für ein langes Leben“

Die ewige Tafel
Kommen Sie im Frühjahr nach Campodimele, frühmorgens, wenn es
noch kühl ist, obwohl sich die Sonne schon über die Aurunker Gipfel
ergießt.
Sie finden das Dorf am Ende der Bergstraße, die sich schlangenlinienförmig
an bewaldeten Felswänden entlang und durch frisch
ergrünte Baumtunnel windet.
Parken Sie am Dorfeingang bei der Statue des Padre Pio, und
wenn Sie einen Moment lang auf die Anfahrtsstrecke zurückblicken,
können Sie im Talgrund die letzten Dunstschwaden abziehen sehen.
Nun nimmt man die hinter dem Dorf bergauf führende Abzweigung
der [...]

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Die ewige Tafel
Kommen Sie im Frühjahr nach Campodimele, frühmorgens, wenn es
noch kühl ist, obwohl sich die Sonne schon über die Aurunker Gipfel
ergießt.
Sie finden das Dorf am Ende der Bergstraße, die sich schlangenlinienförmig
an bewaldeten Felswänden entlang und durch frisch
ergrünte Baumtunnel windet.
Parken Sie am Dorfeingang bei der Statue des Padre Pio, und
wenn Sie einen Moment lang auf die Anfahrtsstrecke zurückblicken,
können Sie im Talgrund die letzten Dunstschwaden abziehen sehen.
Nun nimmt man die hinter dem Dorf bergauf führende Abzweigung
der Straße – der entlang die steinernen Hühnerställe stehen.
Gut möglich, dass Sie dort einigen der Leute begegnen, die in diesem
Buch eine Rolle spielen.
Gerardo vielleicht, der auf seinem altersschwachen Motorroller
vorbeiflitzt, auf dem er nun schon so viele seiner neunundsiebzig
Lebensjahre unterwegs ist. Maria, die auf ihren dreiundachtzigjährigen
Beinen ihre Hennen den Hang hi naufscheucht. Oder Archimede,
der seinen Ruhestand mit regelmäßigen Sieben-Kilometer-
Läufen auf Bergpfaden verbringt.
Ein Stück weiter oben stößt man dann auf die Stadtmauer aus
dem 11. Jahrhundert, die Campodimeles mittelalterlichen Kern, den
borgo, umschließt. Direkt vor einem liegt eine überdachte Gasse, die
durch diese Befestigungsmauer hindurchführt, und wenn man in
die jahrhundertealten Schatten hin ein- und dann irgendwann wieder
da raus auftaucht, wird man schließlich auf die alte Piazza hin
austreten. Hier stehen über steinerne Treppen erreichbar mehrgeschossige
Häuser, geschmückt mit roten Geranien, die kaskadenartig
aus Terrakottatöpfen quellen. Schon jetzt sind die Haustüren aufgerissen,
und Küchendüfte von Knoblauch, Basilikum und süßen Tomaten
wehen ins Freie.
Wenn Sie am Haus mit dem Wandbild der Jungfrau Maria vorbeigehen
und dann die geschwungenen Treppe hi nabsteigen, liegt
unter Ihnen der Hauptplatz der Stadt – wahrscheinlich bleiben Sie
schon auf der ersten Stufe stehen, um die Aussicht zu genießen, die
sich von steil abfallenden Rändern des Platzes bis ins Liri-Tal und
zum Tyrrhenischen Meer hin erstreckt.
Sollte zufällig Mittwoch, also Markttag sein, könnten Sie auch Assunta
begegnen, die womöglich gerade – aus den Zitrushainen des
benachbarten Fondi stammende – Orangen kauft und deren strahlende
Augen ihre dreiundsiebzig Jahre Lügen strafen. Vielleicht aber
ist sie auch unterwegs, um auf den umgebenden Wiesen nach essbaren
Wildpflanzen zu suchen. Oder Sie sehen Adalgesia, die den
Wochenmarkt eher als geselliges Ereignis betrachtet, da sie auch mit
inzwischen Mitte siebzig noch immer fast alle Nahrungsmittel für
ihre Familie selbst anbaut.
Dies sind nur einige der Leute, die ich in Campodimele kennengelernt
habe – jenem italienischen Dorf, das seine Besucher mit einem
Schild willkommen heißt, auf dem unübersehbar sein Spitzname,
›Il Paese della Longevità‹, ›Das Dorf der Langlebigkeit‹ prangt.
Andere, da run ter Wissenschaftler und Mediziner, haben Campodimele
bekanntermaßen auch schon als ›Il Paese dell’eterna Giovinezza‹
– ›Das Dorf der ewigen Jugend‹ – bezeichnet oder, wie ich es
bei mir noch lieber nenne, das Dorf der Ewigkeit.
Wa rum dies so ist? Nun, die Campomelani erfreuen sich derart
guter Gesundheit und hoher Lebenserwartung, dass dies nicht nur
die Aufmerksamkeit italienischer, sondern auch ausländischer Ärzte
erregte.
Nach Angaben der Comune di Campodimele sind 111 von 671
Einwohnern des Dorfes zwischen 75 und 103 Jahre alt. Das heißt,
dass – während ich dies hier schreibe – 16,6 Prozent der Bevölkerung über 75 sind. Die jüngsten, 2009 erhobenen statistischen Zahlen
der Gemeinde zeigen, dass die durchschnittliche Lebenserwartung
sowohl von Männern als auch Frauen 95 Jahre beträgt. Im
Vergleich dazu werden italienische Männer im Durchschnitt 77,5,
italienische Frauen 83,5 Jahre alt, während in der europäischen
Union die Männer im Schnitt 75,6, die Frauen 82 Jahre erreichen.
Und Campodimele hat schon außerordentlich viele Hundertjährige
beherbergt.
Es waren solche Berichte, die mich überhaupt erst nach Campodimele
führten. Damals war ich Zeitungsjournalistin im Vereinigten
Königreich und recherchierte für einen Artikel über Lebensmittel,
die möglicherweise Langlebigkeit begünstigten. Und immer wieder
fand ich dabei Hinweise auf ein italienisches Dorf, von dem ich noch
nie gehört hatte.
Je mehr ich über Campodimele las, umso faszinierter war ich. Bei
vielen seiner Bewohner mit fortgeschrittenem Alter hatten Wissenschaftler
ungewöhnlich niedrige Blutdruck- und Cholesterinwerte
festgestellt; die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte das Dorf
im Rahmen seines MONICA-Projekts erforscht, einer Studie, für die
man zur Erfassung von Entwicklungstrends bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen
weltweit Kommunen untersuchte.
Mehr als diese Befunde faszinierten mich jedoch die Beschreibungen
der Dorfbewohner und ihres täglichen Lebens. Journalisten,
die Campodimele besucht hatten, schilderten die betagten Campomelani
als außergewöhnlich rüstig für ihr Alter – porträtierten Rentner,
die Fahrrad fuhren, in den Bergen Ziegen hüteten, von früh bis
spät auf dem Feld arbeiteten und fast all ihre Nahrungsmittel selbst
anbauten. Reporter erzählten, wie über achtzigjährige Männer sich
unter der Ulme auf der Piazza mit Kartenspielen die sonnigen Nachmittage
vertrieben, während ihre Frauen sich bei den Hühnerställen
trafen und ihr frisch gelegtes Abendessen einsammelten.
Der Anteil an Herzerkrankungen, Fettleibigkeit und Krebs sei,
las ich, in Campodimele relativ niedrig.
Die Menschen, so schien es, durften sich nicht nur über ein längeres
Leben freuen als viele andere in Europa. Wichtiger noch –
fand ich – war, dass sie sich offenbar auf ein gesünderes und aktiveres
Alter freuen konnten als viele Menschen im Vereinigten
Königreich.
Während ich in der Hektik meines großstädtischen Pendlerlebens
in Großbritannien über Campodimele las, sehnte ich mich danach,
auf der Dorf-Piazza zu sitzen, unter ihrer 300-jährigen Ulme
Espresso zu schlürfen und mich an jener Lebensart zu erfreuen, die
diesen Menschen zu einem so guten Leben verhalf. Denn, wie der
irischer Satiriker Jonathan Swift einst schrieb: „Jeder möchte lange
leben, aber niemand will alt sein“.
Und so bestieg ich im Herbst 2006 ein Flugzeug nach Rom und
fuhr dann auf der halsbrecherischen Autostrada und den sich schlängelnden
Bergstraßen Latiums weitere 160 Kilometer nach Süden,
um meine eigenen Nachforschungen anzustellen.
Wie wenig ich damals über das Dorf wusste! Etwa auf halber Strecke
zwischen Rom und Neapel gelegen, befand es sich ungefähr
dreißig Minuten von der Küste entfernt in der Provinz Latina. Auf
einem Felssporn im Nationalpark der monti Aurunci taumelnd, lag es
647 Meter über dem Meeresspiegel. So viel hatte ich der Website der
Gemeinde entnommen.
Meine sonstigen Vorstellungen waren von meinen jugendlichen
Reisen in den Norden Italiens und jener eigentümlich romantischen
Verklärung inspiriert, mit der Engländer das italienische Leben betrachten
– jener goldenen Vision pastoraler Utopien und kulturreicher
Städte, die von den Werken E. M. Forsters, D. H. Lawrence’
und Goethes genährt wurde. Schon der Name des Dorfes ist sinnträchtig
– leitet sich vom lateinischen campus mellis, „Honigfeld“ ab,
denn dies war die Region, wo man einst Bienen züchtete, die den
Honig an die Tafeln des Römischen Reiches lieferten.
Bei meiner Ankunft in Campodimele entdeckte ich tatsächlich
das archetypisch italienische, ländliche Idyll; eine Gruppe von Steinhäusern,
die hoch oben auf der sonnenverbrannten Bergspitze hockten;
enge, gewundene Gassen, umgeben von türmchengeschmückten
mittelalterlichen Mauern; eine Kirche aus dem 11. Jahrhundert
mit hochaufragendem Glockenturm; und eine Piazza mit wahr
haft atemberaubendem Panoramablick über das da run terliegende
Tal. Und überall um mich he rum Evidenz für das, was mich hierhergeführt
hatte – alte Bauern, die durch Olivenhaine kraxelten; alte
Frauen, die Leitern bestiegen, um Trauben von den Reben an ihren
Pergolen zu schneiden; Großmütter, die steile Gassen hinaufschritten
und dabei auf ihren Köpfen Reisigbündel balancierten. Auch ein
Herr von 103 Jahren kam mir unter, der sich eben zu seiner Mittags-
Minestrone zu Tisch setzte.
Als mich Generale Aldo Lisetti, der damalige Bürgermeister von
Campodimele, in seinem Büro im aprikosenfarbenen Rathaus empfing,
erzählte er mir, dass die Gesundheit und Langlebigkeit seiner
Wählerschaft wohl durch mehrere Faktoren gefördert werde, unter
anderem die reine Bergluft und die relativ geringen Stresswerte des
Landlebens. Und vielleicht, sinnierte er, erfreuten sich manche Bewohner
auch einer besonderen Veranlagung zu einem langen Leben.
Doch wie alle anderen Dorfbewohner, mit denen ich sprach, war
auch er der Ansicht, dass es da noch einen weiteren Faktor gebe: die
Ernährung.
„Frisches, saisonales Obst und Gemüse, die ohne chemische
Dünge- und Insektenvernichtungsmittel erzeugt werden“, meinte
Lisetti. „Und nur wenig Fleisch und Fisch, auf einfache Weise zu
Hause zubereitet.“ Und dieser Teil der Gleichung, nämlich was die
Leute hier essen, interessierte mich am meisten, war der Faktor, der
mich vor allem zu dieser Reise nach Campodimele veranlasst hatte.
Die Frage, was Italiener essen, erforsche ich inzwischen seit mehr
als zwanzig Jahren auf die schönstmögliche Weise, indem ich in Italien
lebe und reise, die Sprache lerne und in meiner eigenen Küche
tagein, tagaus italienisch koche.
In Italien und in alles, was es verkörpert, verliebte ich mich schon
als Kind während unserer Familienurlaube im Norden des Landes,
die mich mit den schwindelnd hohen Dolomiten und dem schwülen,
sinkenden Venedig bekannt machten. Schon damals wusste ich, dass
ich Italiens lyrische Sprache erlernen wollte, war überzeugt, dass ich
eines Tages in einer der Touristenfallen an Venedigs Markusplatz sitzen
und Kaffee und Törtchen auf Italienisch bestellen würde. (Von
den astronomischen Preisen dort hatte ich mit elf noch keine Ahnung.)
Mein Romanistikstudium führte dazu, dass ich einmal einen ganzen
Sommer lang in der Toskana Englisch unterrichtete, und während
der vier Monate verwandte ich meinen einzigen freien Wochentag
da rauf, diese verführerische Landschaft kreuz und quer zu
durchstreifen, um die Schätze der Städte Florenz, Siena, Lucca und
Pisa zu erkunden. Die Museen und Altertümer der Toskana, ihre
Zypressenhaine und Sonnenblumenfelder bedürfen keiner Einführung,
ebensowenig wie ihre legendär baufälligen Steinvillen inmitten
von Olivenhainen, die Briten schon seit langem zu einem neuen
Leben unter italienischer Sonne verlocken.
Doch gleich zu Beginn jenes Sommers wurde mir auch klar, dass –
wie faszinierend die großen Attraktionen Italiens auch sein mögen
– es die Nebensächlichkeiten des italienischen Alltags womöglich
noch mehr sind: die Dinge, die die Italiener essen, der Wein,
den sie trinken; die Bars, in denen sie ihren frühmorgendlichen Espresso
kippen, und die Familien-Trattorias, in denen sie speisen; die
Morgenmärkte, auf denen sie die frischesten Früchte und Gemüsesorten
fürs Mittagessen einkaufen, und die alimentari, die man noch
immer an jeder Ecke findet und wo man die besten Käse- und Brotsorten,
Salamis und Oliven zum Improvisieren einer leichten Abendmahlzeit
kaufen kann. Natürlich dauerte es nicht lange, bis ich begriffen
hatte, dass solche Dinge ganz und gar nicht nebensächlich
sind – vielmehr machen sie die Essenz des italienischen Lebensstils
aus, sind sie das Fundament, auf dem sich der Tag eines Italieners
aufbaut; der Herzschlag, der für seine Seele so entscheidend ist, dass
er Mühe hat, irgendeinen anderen Lebens- und Essstil überhaupt zu
begreifen.
Sogar in einer Zeit, in der Italien zu den reichen, industriell und
kommerziell entwickelten Ländern gehört, finden viele seiner Bürger
in vielen seiner Städte immer noch Zeit, sich eine zweistündige
Pause fürs Mittagessen zu gönnen. Und ob man es daheim oder
im Restaurant einnimmt, Italiener verlangen und erhalten die besten
Zutaten, servieren sie oft auf die schlichteste Weise, bei der die
Vollkommenheit jedes Aromas durchs Ganze hindurchscheint. Immer
wieder staune ich über die einfachen Köstlichkeiten der italienischen
Küche. Die Art, wie sich ein paar Eiertomatenscheiben und
mozzarella di bufala lediglich mit ein paar Spritzern Olivenöl, einigen
frischen Basilikumblättern und etwas frisch gemahlenem schwarzem
Pfeffer in eine göttliche Mahlzeit verwandeln lassen. Man serviert
diesen klassischen Salat mit einem Stück Vollweizenbrot und einem
Glas Rotwein und hat eine ernährungsphysiologisch derart ausgewogene
und gesunde Mahlzeit, wie man sie sich nur wünschen kann.
Und in fünf Minuten steht sie auf dem Tisch.
Diese einfache Philosophie, die frischesten saisonalen Zutaten
mit der schlichtesten Zubereitung zu kombinieren, hat im Laufe der
letzten beiden Jahrzehnte mein gesamtes Kochrepertoire inspiriert.
Doch von den Verdiensten der italienischen Küche einmal abgesehen,
weiß ich, dass ihr Platz in meinem Herzen auch da rauf zurückzuführen
ist, dass sie sich so gut mit einem anderen langjährigen Interessengebiet
von mir verbinden lässt: der Rolle der Nahrung als
Präventivmedizin und den gesundheitlichen Vorzügen der Mittelmeerdiät.
Ich verfüge über keine wissenschaftliche Ausbildung, bin weder
Medizinerin noch Ernährungswissenschaftlerin. Als bekennende
Laiin mit lebhaftem Interesse an Ernährungsfragen treibt mich die
instinktive Überzeugung, dass das Bemühen, uns mit den richtigen
Lebensmitteln zu ernähren, eine sehr viel vernünftigere Methode
zu Wohlbefinden und gesundem Körpergewicht ist, als sich
auf schnelle Modediäten zu fixieren. Und während es kaum – falls
überhaupt – Belege dafür gibt, dass chemisch nur wenig belastete
Biolebensmittel besser für uns sind als solche aus konventioneller
Landwirtschaft, hat es mir dennoch stets eingeleuchtet, dass die
Minimierung der chemischen Belastung in unserer Nahrungsmittelkette
besser für unsere Gesundheit sein muss als ihre Verstärkung
durch industrielle Anbau-, Verarbeitungs- und Konservierungsmethoden.
Diese unkomplizierte Denkweise speist sich aus meiner Erfahrung
in italienischen Küchen, wo es sogar einen Begriff für solche
Lebensmittel gibt: cibo genuino. Obwohl sich der Ausdruck mit „unverfälschte
Nahrung“ übersetzen lässt, glaube ich nicht, dass diese
zwei Worte auch nur annähernd wiedergeben, was cibo genuino für die
Menschen in Campodimele bedeutet.
Denn cibo genuino steht (ein wenig wie die deutsche Naturkost) für
eine allumfassende Philosophie – eine Achtsamkeit gegenüber Nahrungsmitteln,
die erfordert, dass Obst und Gemüse auf eine Weise
angebaut, geerntet, zubereitet und serviert werden, dass dabei jedes
Glied der Kette – das Land, das Produkt, die Menschen, die es verzehren,
und die Umwelt – respektiert wird.
Solche Agrarprodukte werden idealerweise ohne alle chemischen
Hilfsmittel angebaut, auf dem Höhepunkt ihrer Reife geerntet, vor
Ort, frisch und einfach zubereitet und verzehrt. Zwar isst man sie am
besten in der Saison, doch sie können auch außerhalb davon konsumiert
werden und dennoch als cibo genuino gelten. So lange nämlich,
wie dabei lediglich natürliche oder nichtchemische Konservierungsmittel
und -methoden zum Einsatz kommen: Salz, Zucker, Öl, Essig,
Einfrieren, Einkochen oder Vakuumverpacken.
Kurzum, cibo genuino stellt die Antithese zur Fertigmahlzeitenund
E-Nummern-Kultur dar, die die alltäglichen Essgewohnheiten
so vieler Leute in den westlichen Industrieländern in ihrem Würgegriff
hält und nach Ansicht vieler zu unseren hohen Raten an Herzerkrankungen,
Fettleibigkeit, Diabetes und Krebs beiträgt.
Die campomelanische Ernährungsweise dagegen verkörpert – bereits
seit Jahrhunderten – geradezu den Inbegriff von cibo genuino.
Für einen großen Teil der Menschen hier gilt noch immer: fanno il
contadino. Das heißt, sie halten in größerem oder kleinerem Umfang
an der kleinbäuerlichen Lebensweise fest. Für viele bedeutet dies,
dass sie einen großen orto, einen neben dem Haus liegenden Gemüsegarten,
bestellen, wo sie das ganze Jahr über saisonale Früchte und
Gemüse anbauen, während sie einem Vollzeiterwerb in landwirtschaftsfernen
Branchen nachgehen. Andere Leute, da run ter viele
Rentner, aber fanno il contadino in Vollzeit – das heißt, sie bauen ihren
eigenen Weizen für das Brot an, halten sich eine Ziege für den
Käse, kultivieren eine rebenüberrankte Pergola für ihren Wein, säen,
ernten und züchten fast alles, was auf ihrem Esstisch landet, mit
eigenen Händen.
Fast all diese Nahrungsmittel werden wie seit Jahrhunderten produziert
und konsumiert: auf Flächen, die mit natürlichem tierischem
Dünger und ohne Pestizide fruchtbar gemacht wurden. Man pflückt
sie täglich oder wöchentlich von Hand und verzehrt sie binnen Stunden
nach der Ernte, so dass sie einen Großteil ihres Vitamin- und
Mineralstoffgehalts bewahren. Und sie werden schnell und einfach
zubereitet – gegrillt, gebraten, gekocht oder roh verzehrt. Bei zeitweisen
Überschüssen an frischem Obst und Gemüse aus dem orto
kann man Hausfrauen bei Einkoch-Marathons erleben, um ja nichts
verkommen zu lassen. Auberginen werden sott’olio, in Öl, eingelegt,
Paprikaschoten in Essig; aus dem Obst wird Marmelade gekocht;
und die Gläser werden auf die Regale der cantini und magazzini gestellt,
der Keller und Speicher, die hier ganz wesentlich zum zyklischen
Muster des bäuerlichen und kulinarischen Jahres gehören.
In welchem Maße aber trägt die Reinheit und die Palette der hier
verzehrten Lebensmittel zum beneidenswerten Wohlbefinden und
dem langen Leben der Campomelani bei, wenn es das denn überhaupt
tut? In Zahlen lässt sich dies nicht wiedergeben.
Pietro Cugini, Professor für Innere Medizin an der römischen Universität
La Sapienza und Wissenschaftler der Akademie Lancisi in
Rom, hat mehrere Studien zur Gesundheit der Campomelani durchgeführt.
Er hat die biologischen Rhythmen und den Blutdruck dreier
Generationen langlebiger Familien überwacht und Aspekte ihrer
Lebensweise wie etwa ihre Arbeits- und Bewegungsgewohnheiten
untersucht. Seine Studien bezogen sich auch auf die Einnahmezeiten
der Mahlzeiten – die regelmäßigen, für viele bäuerliche Kulturen
typischen Zeitraster – ebenso wie auf Essgewohnheiten, wie etwa
den Konsum von Makro- und Mikronährstoffen, Salzaufnahme, Genuss
von Kaffee und Alkohol der gesamten Bevölkerung, von den
Zehnjährigen bis hin zu den über Hundertjährigen.
Professor Cugini hält genetische Merkmale für 30 Prozent der langen
Lebenserwartung verantwortlich. Die restlichen 70 Prozent lassen
sich mehreren anderen Faktoren zuschreiben – dem Lebensstil
der Campomelani und dessen starkem Gleichlauf mit den geophysikalischen
Zyklen (Aufstehen bei Sonnenaufgang, Zubettgehen bei
Sonnenuntergang), reichlich körperlicher Bewegung bis ins hohe Alter;
dem milden Klima der Aurunker Berge, wo Luftverschmutzung
ein Fremdwort ist; und natürlich der auf „unverfälschter, natürlicher
Kost“ beruhenden Ernährung und den Ernährungsgewohnheiten.
All das führt zu Blutdruckwerten, die beträchtlich unter dem italienischen
Durchschnitt liegen.
Auch wenn sich die Rolle der Ernährung bei der Langlebigkeit
unmöglich genau beziffern lässt, beschreibt Professor Cugini die
Campomelano-Kost als ipermediterraneo – als hypermediterran. Damit
ist sie Beispiel für eine Ernährungsweise, die – nachdem die
UNESCO sie inzwischen als Teil des kulturellen Erbes der Menschheit
anerkannt hat – ganz allgemein als eine der gesündesten der
Welt gilt.
Die Campomelani essen jede Menge Hülsenfrüchte – Borlottibohnen,
Kichererbsen, cicerchie, eine regionale Hülsenfrucht, ebenso
wie scalogno (Ascalonia caepa), eine Zwiebelart, die besonders reich an
Antioxidantien ist und von den alten Römern aus der Stadt Ashke lon
in Israel eingeführt wurde. Die in Italien auch carne dei poveri, „Fleisch
des armen Mannes“ genannten Hülsenfrüchte sind reich an Proteinen,
aber frei von Cholesterin, das die Gesundheit von Herz und
Gefäßen beeinträchtigen kann.
Si gni fi kant in der Ernährung der Campomelani, meint Professor
Cugini, sei auch der Mangel an Rindfleisch und Molkereierzeugnissen.
Compodimele liegt in den Bergen, bietet also ideale Weiden
für Ziegen und Schafe, nicht aber für Kühe. Folglich spielen Rindfleisch
und Butter, die einen relativ hohen Anteil an gesättigten Fetten
enthalten, in der hiesigen Küche traditionell nur eine untergeordnete
Rolle. Fleisch liefern eher die Hühner, die viele Familien
ihrer Eier wegen halten und deren Fleisch dank der Freiheit, die die
Vögel beim Erkunden von Straßen und Hügeln genießen, sowohl
mager als auch relativ cholesterinarm ist. Da rüber hinausbringen Jäger
auch die in den Bergen lebenden Wildschweine und Hasen auf
den Tisch, die ebenfalls relativ mageres Fleisch liefern.

Über Tracey Lawson

Biografie

Tracey Lawson hat die italienische Küche und Lebensart in der Toskana kennengelernt, wo sie als Englischlehrerin arbeitete. Sie schrieb viele Jahre Artikel und Features für englische Zeitschriften aus dem In- und Ausland.

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