Das Glück wohnt neben dem Großhirn - eBook-Ausgabe
Wie der Kopf unsere Gefühle steuert
„Ein feiner Ratgeber über das Leben, der allem empfohlen werden kann.“ - bn Bibliotheksnachrichten (A)
Das Glück wohnt neben dem Großhirn — Inhalt
Warum gehen manche Menschen unbeschwert durchs Leben, während es anderen trotz zahlreicher Bemühungen und Therapien nicht gelingt, zufrieden zu sein? Wissenschaftsjournalistin Jeanne Rubner und Psychiater Peter Falkai beantworten diese spannende Frage mit den neuesten Erkenntnissen der Hirnforschung – denn Glück ist im Wesentlichen ein Gehirnzustand. Wenn wir verstehen, wie das Belohnungssystem in unserem Kopf funktioniert und unter welchen Bedingungen es Glücksgefühle auslöst, können wir unser Befinden aktiv beeinflussen. Die Autoren bieten keine simple Glücksformel an, sondern erklären fachlich fundiert und unterhaltsam, wie Emotionen im Körper entstehen. Dabei gehen sie auch auf Angst und Depression ein und geben dem Leser ein Training an die Hand, mit dessen Hilfe er lernen kann, glücklich zu sein.
Leseprobe zu „Das Glück wohnt neben dem Großhirn“
Für Sabine Maier kommt das Unglück schleichend. Zuerst fühlt sich die Mittfünfzigerin nur etwas schlapp. Doch die Müdigkeit will nicht weichen und macht sich täglich in ihrem Körper breit. Nach ein paar Wochen verspürt sie eine große Lustlosigkeit, die sich zu einer regelrechten Erschöpfung auswächst. Der Hausarzt schickt sie zum Psychiater, der eine Depression feststellt und ihr ein Antidepressivum verschreibt. Doch ihr Zustand verbessert sich dadurch nicht. Im Gegenteil – Frau Maier ist nun nicht mehr nur erschöpft, sondern auch leicht reizbar und tut [...]
Für Sabine Maier kommt das Unglück schleichend. Zuerst fühlt sich die Mittfünfzigerin nur etwas schlapp. Doch die Müdigkeit will nicht weichen und macht sich täglich in ihrem Körper breit. Nach ein paar Wochen verspürt sie eine große Lustlosigkeit, die sich zu einer regelrechten Erschöpfung auswächst. Der Hausarzt schickt sie zum Psychiater, der eine Depression feststellt und ihr ein Antidepressivum verschreibt. Doch ihr Zustand verbessert sich dadurch nicht. Im Gegenteil – Frau Maier ist nun nicht mehr nur erschöpft, sondern auch leicht reizbar und tut sich schwer, Entscheidungen zu treffen. An die Arbeit als Buchhalterin ist nicht mehr zu denken, sie quält sich nur noch durch den Tag. Auf Anraten von Freunden lässt sie sich einen Termin in der Psychiatrischen Klinik der Universität München geben. Dort empfehlen die Ärzte, das Medikament zu wechseln. Doch auch das neue Mittel verschafft ihr keine Linderung, sondern ihr Zustand verschlechtert sich zunehmend, und es kommt noch hinzu, dass sie sich jetzt auch nicht mehr konzentrieren kann. Sie denkt immer häufiger an Selbstmord.
Ihr Ehemann bittet nun die Psychiater, seine Frau erneut zu untersuchen. Er kann sich nicht erklären, warum sie, die zuvor glücklich und zufrieden war, psychisch derart am Ende ist. Ihm ist zudem aufgefallen, dass sie in den letzten Wochen Erinnerungslücken hatte und die Namen von Freunden und Familienmitgliedern nicht mehr nennen konnte. Die Mediziner machen einen Kognitionstest, dabei werden unterschiedliche Gehirnleistungen wie Spracherkennung, Rechnen, Orientierung und Planungsvermögen gemessen. Der Test dient normalerweise dazu, eine Demenz im frühen Stadium zu erkennen. Als sie die Ergebnisse der Patientin sehen, sind sie überrascht: Frau Maier hat nur die Hälfte von 30 möglichen Punkten erreicht, schon ab 24 geht man davon aus, dass das Gehirn sich in einem Zustand des Abbaus befindet.
Eine Computertomografie und Kernspinaufnahme des Kopfes zeigen: Die Patientin hat Meningeome an gleich mehreren Stellen. Das sind gutartige Tumore der Gehirnhaut, die langsam wachsen, bis in die Großhirnrinde hinein. Einer der Krebsherde ist im Fall von Frau Maier jedoch ziemlich groß, er befindet sich auf der linken Seite, hinter der Stirn. Und er hat sich bis in den Stirnlappen ausgedehnt. Dieser Teil des Gehirns hinter der Stirn ist ganz wesentlich beteiligt, wenn wir aufmerksam sind, komplizierte Aufgaben lösen oder Handlungen planen. Das erklärt, warum Frau Maier müde und antriebslos ist, aber sich auch nicht mehr konzentrieren kann und sich schwertut, Handlungen zu planen. Sie wird sofort operiert, und einen Monat nach dem Eingriff sind ihre Symptome verschwunden. Auch jetzt, zwei Jahre später, geht es ihr gut.
Die Tumore hatten Teile des Gehirns geschädigt und aus einer glücklichen, zufriedenen Frau eine depressive Patientin gemacht. Normalerweise beeinträchtigen Zellwucherungen eher die kognitiven Fähigkeiten, aber sie können auch Depressionen, Halluzinationen oder Ängste auslösen. Zuweilen sind diese psychischen Beeinträchtigungen sogar die einzigen Symptome eines Tumors.
Französische Ärzte, die kürzlich einen ähnlichen Fall in der renommierten Fachzeitschrift British Medical Journal beschrieben haben, schlagen daher vor, in bestimmten Fällen einer Depression – wenn die Patienten älter sind, auf Medikamente nicht ansprechen oder an ausgeprägter Apathie leiden – routinemäßig eine Gehirnaufnahme zu machen.
Nun muss nicht jeder, der an einer Depression leidet, Angst haben, dass Krebszellen in seinem Kopf wuchern. Depression ist eine häufige Krankheit, Meningeome oder andere Tumore des Gehirns sind eher selten. Trotzdem zeigt der Fall von Frau Maier ganz deutlich: Das Gehirn ist beteiligt, wenn wir glücklich oder unglücklich sind. Depressionen sind ein Zustand extremer Traurigkeit und Unzufriedenheit, also das Gegenteil von Glück, von Lebenslust und Zufriedenheit. All diese Gefühle entstehen im Gehirn, wo genau und wie – davon handelt dieses Buch.
Glück ist die einzige wichtige Sache im Leben, hat der US-Psychologe und Glücksforscher Daniel Gilbert in einem Interview einmal gesagt. Das klingt zwar etwas pathetisch, aber es stimmt: Wir alle streben nach Glück, Freude und Zufriedenheit. Diese Sehnsucht steckt tief im Menschen drin. Es ist gewissermaßen ein Lebensprinzip. Zum Leben braucht man es zwar nicht so zwingend wie Essen, ein Dach über dem Kopf oder ein Einkommen. Aber man braucht das Glück, um gut zu leben. Wer nicht glücklich ist oder zumindest zufrieden, lebt zwar, aber er lebt nicht gut. Glück und Gesundheit sind dabei eng miteinander verbunden. Wer gesund ist, ist zwar nicht automatisch glücklich, und wer krank ist, kann trotzdem glücklich sein, aber es gibt einen Zusammenhang. „Da es sehr förderlich für die Gesundheit ist“, hat der französische Philosoph und Aufklärer Voltaire geschrieben, „habe ich beschlossen, glücklich zu sein.“
Bereits biblische Geschichten wie die vom Paradies oder auch die griechische Sagenwelt zeugen davon, dass die Suche nach dem Glück eine lange Tradition hat. So glaubte beispielsweise der griechische König Midas, nur durch Reichtum glücklich werden zu können, und wünschte sich, dass alles, was er anfasste, zu Gold werde. Er vergaß dabei, dass man Gold bekanntlich nicht essen und trinken kann. Selbst seine geliebte Tochter erstarrte zu Gold.
In Wirklichkeit kann Glück so vieles sein. Auch der glückliche Zufall, für den die Angelsachsen den Ausdruck „luck“ haben. Um diesen Zufall oder die Schicksalswendung geht es uns allerdings in diesem Buch weniger, sondern um den innerlich empfundenen Zustand. Um das Gefühl, das sich besonders anfühlt, besser als das durchschnittliche Leben. Und damit ist schon klar: Glück ist etwas sehr Individuelles und Persönliches, es hängt vom Alter ab, von den Erfahrungen, die man gemacht hat, und von den Erwartungen, die man ans Leben hat. Kinder empfinden häufig Glück, wenn sie mit ihren Freunden spielen. Und für viele Menschen ist Glück die Beziehung, die Liebe zu einem Partner. Soziale Beziehungen machen in der Regel glücklich, wie wir später sehen werden. Aber das gilt natürlich nicht immer und auch nicht für jeden im selben Maße: Ein viel beschäftigter Freund, der von diesem Buchprojekt erfuhr, sagte spontan, dass er schon glücklich sei, wenn man ihn in Ruhe lasse und er ganz allein einer Beschäftigung nachgehen könne. Die alte, einsame Dame dagegen ist glücklich, wenn ihre Enkelin zu Besuch vorbeischaut.
Glück kann eine kurze, heftige Empfindung sein, der Geschmack einer reifen Kirsche, die ersten Noten von Mozarts Kleiner Nachtmusik oder das Kribbeln im Bauch, wenn wir verliebt sind. Glück kann aber auch ein paar Stunden anhalten, zum Beispiel als dieses wohlige Gefühl, wenn die Familie nach dem Stress am Weihnachtsabend endlich am Tisch zusammensitzt und sich die Gans schmecken lässt. Oder die tiefe Verbundenheit, die wir empfinden, wenn wir einen alten Freund treffen, den wir lange nicht gesehen haben, und uns trotzdem viel zu sagen haben. Das macht dankbar und zufrieden. Wenn wir uns Glücksgefühle auf einer Skala vorstellen, stünde die Ekstase, die fast sprichwörtliche Glückseligkeit an einem Ende und am anderen Ende würde man eher von Zufriedenheit sprechen.
In den letzten Jahrzehnten ist die Suche nach dem Glück zu einem Leitmotiv geworden. Wohlstand, zumindest in der industrialisierten Welt, hat das Leben einfacher gemacht. Wir haben Krankenversicherungen, mit denen wir zum Arzt gehen und im Krankenhaus operiert werden können. Wir haben ein Rentensystem, das uns versorgt, wenn wir nicht mehr arbeiten. Viele von uns müssen nicht mehr körperlich schuften, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, und Hartz IV sollte zumindest das Betteln überflüssig machen. Unser Alltag ist im Vergleich zu den vergangenen Jahrhunderten einfacher geworden. Gleichzeitig wird uns von vielen Seiten eingeredet, dass wir auch glücklich und zufrieden zu sein haben. Angst, Unglück, Trauer, Niedergeschlagenheit, das sind Zustände, die man besser nicht erlebt, sondern verdrängt. Negative Gefühle sind keine Option. Es geht nicht mehr ums Überleben, es geht um die Suche nach dem Glück.
40 Millionen Einträge zählt die Suchmaschine Google beim Stichwort „Glück“. 2800 deutschsprachige Bücher nennt der Versandhändler Amazon. Es gibt Ratgeber für jede Lebenslage und jedes Buch hat ein anderes Glücksrezept. Iss dich glücklich! Glücklich durch Yoga! Die Glücksformel! Das Geheimnis glücklicher Kinder! Berge von Glücksrezepten, die suggerieren: Wir sind für unser Glück selbst verantwortlich, und wir können es sogar regelrecht erzeugen – so wie man einen Kuchen backt. Hier sind die Zutaten, rühre sie zusammen und das Ergebnis ist Glück.
Doch mit dem Glück ist es nicht so einfach. Es entsteht nämlich im Kopf und ist sehr viel mehr ein Ergebnis unseres Denkens, also hirnphysiologischer Abläufe, als der äußeren Lebensumstände, wie wir sehen werden.
Wir beide – ein Psychiater, der sich jeden Tag mit vielen Fällen unglücklicher Menschen auseinandersetzt, und eine Journalistin, die sich intensiv mit Gehirnforschung beschäftigt hat – sind aufgrund der wissenschaftlichen Evidenz davon überzeugt, dass das Glück im Gehirn zu suchen und zu finden ist. Wir wollen in diesem Buch tief in das Gehirn eintauchen, bis zu den Nervenzellen, und dort nach den Spuren des Glücks und auch des Unglücks suchen. Welche Nervennetze sind aktiv, wenn dunkle Gefühle uns plagen und daran hindern, glücklich zu sein? Welche Botenstoffe wirken zwischen den Nervenzellen, und welche dieser chemischen Substanzen machen uns besonders glücklich? Manche wirken regelrecht wie Drogen, sie lindern Schmerzen und lassen unangenehme Erinnerungen verblassen. Wie funktioniert diese Chemie des Glücks?
Auch wollen wir der Frage nachgehen, was genau es eigentlich ist, das uns glücklich macht. Häufig scheinen wir glücklich zu sein, wenn unsere Wünsche an das Leben, an den Job, an den Partner, an die Freunde erfüllt werden. Aber warum haben wir überhaupt bestimmte Erwartungen? Warum trainieren manche Menschen täglich drei Stunden und erleben ein Hochgefühl, wenn sie einen Marathon laufen? Und warum sind andere wie im Rausch, wenn sie das hundertste Paar Schuhe kaufen, das sie dann doch nur zweimal in ihrem Leben tragen werden? Warum sind manche Menschen glücklich, wenn sie mit ihrem Partner vor dem Kaminfeuer in ihrem Reihenhäuschen sitzen, während andere ständig neue Abenteuer suchen? Wir werden zeigen, dass die Antworten darauf ebenfalls in unserem Gehirn zu finden sind.
Dieses Buch handelt von Glücksgefühlen, und wir werden sehen, dass sie nicht einfach vom Himmel fallen, sondern dass der Weg zu Glück und Zufriedenheit oft ein beschwerlicher ist. Damit wollen sich viele Menschen nicht abfinden. Die moderne Medizin hat Medikamente gegen Depressionen und Angst gefunden. Doch man muss nicht unbedingt krank sein, um Substanzen zu schlucken, die ähnlich wirken wie stimmungsaufhellende Medikamente. Manche Menschen wollen einfach so ihre Leistung und ihre Stimmung verbessern. Aber wie gut funktioniert dieses Neuro-Enhancement, also die Verbesserung des Gehirns? Halten Glückspillen tatsächlich das, was sie versprechen? Was verändern sie in unserem Kopf? Die Frage ist natürlich auch, wie gefährlich sie sind und ob sie uns eher süchtig als glücklich machen.
Anstrengender und langwieriger, als Glückspillen zu schlucken, scheinen die Methoden zu sein, die versprechen, durch mentales Training unsere Gedanken zu verändern. Wirken sie womöglich langfristiger als die Chemie? Wir werden der spannenden Frage nachgehen, ob man Glück tatsächlich lernen kann. Können wir unsere Nervennetze und Botenstoffe entsprechend trainieren, damit sie Glück erzeugen?
Viel Glück! Das wünschen wir anderen häufig und sagen es so schnell dahin. Es klingt einfach. Aber die Suche nach dem Glück und das Erlangen von Zufriedenheit sind nicht einfach. Das liegt vor allem daran, dass das Gehirn alles andere als einfach ist. Es ist ein komplexes, ein großartiges Organ, das unendlich viel kann und uns befähigt, ein interessantes und auch ein glückliches Leben zu führen. Wenn wir verstehen, warum das Glück im Gehirn wohnt, können wir es dort suchen. Lesen Sie sich also glücklich!
Am 20. August 1994 räumte der arbeitslose Teppichleger Lothar Kuzydlowski aus Hannover im Lotto 3,9 Millionen Mark ab, umgerechnet 2 Millionen Euro. Daraufhin baute er sich ein Häuschen im Grünen, in das er mit Frau und Tochter zog. Er gönnte sich schöne Urlaube und einen schneeweißen Sportwagen. Um seinen Hals baumelte eine Goldkette mit drei L: Lothar, Lotto, Lamborghini. Er war ein glücklicher Mensch, könnte man meinen.
Kurze Zeit später starb nicht nur Lothar Kuzydlowskis Vater, sondern auch sein Bruder, mit dem er gemeinsam Lotto gespielt hatte. Nach ein paar Jahren verließ ihn auch noch seine Frau, denn sie hatte genug von seinen Abenteuern mit Bardamen. Nach fünf Jahren, 1999, starb „Lotto-Lothar“ mit nur 53 Jahren an einer Leberzirrhose. Vom Lottogewinn waren noch ein paar Zehntausend Mark übrig, um die sich nach seinem Tod die Exfrau und die Geliebte stritten.
War Lothar ein unglücklicher Mensch? Schwer zu sagen, er hatte sicher glückliche Momente im Leben. Aber unterm Strich hat ihm der Glücksgewinn kein Glück gebracht. Und auffälligerweise gibt es viele Geschichten von Lottospielern, die im Suff, in einer Krankheit oder mit dem Tod enden. Solche Berichte erfreuen uns zwar nicht gerade, aber zumindest beruhigen sie uns vielleicht ein bisschen. Denn sie geben uns die Gewissheit, dass Geld eben wirklich nicht glücklich macht.
Eine Statistik über das Schicksal von Lottogewinnern gibt es nicht. Aber tatsächlich existiert das, was Psychologen die „hedonistische Tretmühle“ oder „hedonistische Anpassung“ nennen. Hedonismus kommt vom altgriechischen hēdonḗ und bedeutet so viel wie Freude, Genuss oder sinnliche Begierde. Wenn Menschen etwas erleben, das in ihnen starke Gefühle hervorruft – also zum Beispiel große Freude, weil sie im Lotto eine Million Euro gewonnen haben –, dann bleibt die Intensivität dieses Gefühls nicht lange erhalten. Recht schnell fallen sie auf ihr ursprüngliches Glücksniveau zurück. Wie schnell, das hängt davon ab, wie einschneidend das Erlebnis war. Der Lottospieler ist demnach kurz nach dem Freudentaumel auch nicht glücklicher, als bevor er den Jackpot geknackt hat. Man könnte auch sagen: Wir gewöhnen uns schnell an das neue Glück.
Diese Tretmühle funktioniert zum Glück, muss man sagen, nicht nur bei unerwartetem Reichtum und anderen freudigen Ereignissen im Leben. Auch an negative Ereignisse gewöhnen wir uns, sie stürzen uns nicht zwangsläufig lebenslang ins Unglück. Dazu gibt es eine bemerkenswerte Studie, die US-Psychologen vor etwa 40 Jahren gemacht haben. Sie befragten 22 Lottogewinner und 29 Personen, die als Folge eines Unfalls gelähmt waren, wie glücklich sie jetzt waren, wie glücklich sie vor dem Unfall beziehungsweise dem Lottogewinn gewesen waren und welche Erwartungen sie an die Zukunft hatten. Die Forscher verglichen die Antworten mit einer Kontrollgruppe, die keine besonderen Ereignisse erlebt hatte, weder positive noch negative.
Das Ergebnis: Die Lottogewinner waren nicht glücklicher als die Kontrollpersonen. Befragt nach ihrem Alltag, ob sie sich etwa über ein gutes Essen oder ein Kompliment freuten, waren sie sogar unzufriedener als die Kontrollgruppe und als die Unfallopfer. Noch überraschender war, dass die Unfallopfer zwar ihr früheres Leben als glücklicher als das heutige bewerteten, aber sie ebenso hohe Erwartungen an die Zukunft hatten wie die beiden anderen Gruppen. Irgendwann verblassen also die extremen Ereignisse, die uns aus dem Gleichgewicht gebracht haben – man könnte auch sagen, wir kehren zu einem früheren, für uns normalen Glückslevel zurück.
US-Forscher haben Menschen begleitet, die einen schweren Unfall hatten, bei dem ihre Wirbelsäule verletzt worden war. Eine Woche nach dem Unfall beschrieben sie ihre negativen Gefühle als viel stärker als die positiven. Doch schon acht Wochen später dominierten bei den Unfallopfern wieder die positiven Emotionen. Nun könnte man meinen, dass sie sich das Leben gewissermaßen schönreden, in der Hoffnung darauf, dass die Zukunft es besser mit ihnen meint. Tatsächlich beeinflussen negative Ereignisse wie Krankheiten, Scheidungen oder der Verlust des Jobs unser Glückslevel sehr viel stärker als positive. Aber insgesamt zeigt sich immer derselbe Mechanismus: Unsere Zufriedenheit kehrt zurück, und zwar in etwa dem Maße, wie wir sie zuvor verspürt haben. Das hängt, wie wir später noch sehen werden, damit zusammen, wie unser Gehirn Gefühle verarbeitet.
Diese Anpassung an die Schwankungen des Lebens ist einerseits schön, weil sich der Schmerz und das Unglück einer Niederlage oder eines Unfalls irgendwann verflüchtigen – andererseits passiert eben auch dasselbe mit den Glücksgefühlen. Wir sind überglücklich, wenn wir unseren Traumjob oder Traumpartner gefunden haben, aber der Zustand hält leider nicht sehr lange an. Jeder kennt das: Wir haben uns verliebt und der neue Partner ist für uns einzigartig und perfekt. Wir können uns gar nicht vorstellen, mit jemand anderem zu leben. Es ist, als hätten wir eine rosarote Brille verpasst bekommen, durch die alles wunderbar wirkt. Selbst die schmutzigen Socken, die er immer in die Ecke des Zimmers wirft, stören uns nicht, wir übersehen sie. Nach ein paar Monaten aber denken wir, dass er seine Wäsche doch aufräumen könnte. Und allmählich wird die Euphorie immer weniger, wir stellen fest, dass der geliebte Partner ein ganz normaler Mensch mit Fehlern und Schwächen ist. Ähnlich fühlt es sich an, wenn wir einen neuen Job beginnen. Am Anfang finden wir alles großartig, das bessere Gehalt, die neuen Kollegen, die Chefin, die uns eingestellt hat. Wir sind überglücklich. Doch nach spätestens ein paar Monaten kennen wir das Unternehmen, unsere Aufgaben sind Routine geworden, alles fühlt sich wieder normal an. Warum das so ist, liegt, wie wir später zeigen werden, an den Teilen des Gehirns, die Glück und Zufriedenheit steuern. Aber die gute Nachricht ist: Man kann selbst verhindern, dass die Glücksgefühle abflauen oder ganz verschwinden.
Wir haben eine Art psychologisches Immunsystem, so beschreibt es Daniel Gilbert, Psychologe an der Harvard University. Es verhindert in der Regel, dass wir in tiefes Unglück stürzen und uns nicht mehr davon befreien können. Denn wir passen uns an neue Gegebenheiten an und definieren unsere Welt immer wieder neu. Gilbert nennt Beispiele von Menschen, denen – teilweise selbst verschuldet – großes Unglück widerfahren ist und die sich danach als glücklicher bezeichnen als zuvor. So berichtet er von einem Mann, der 37 Jahre hinter Gittern saß für eine Tat, die er nicht begangen hatte. Als er mit 78 Jahren das Gefängnis verlassen durfte, sagte er, es sei eine „tolle Erfahrung“ gewesen. Ein anderes Beispiel ist Pete Best, der erste Schlagzeuger der Beatles. Er verließ die Band, bevor sie richtig berühmt wurde. Das sei das Beste gewesen, was ihm passieren konnte, sagte Best, der den Rest seines Lebens als erfolgloser Musiker verbrachte. Das Gehirn passt sich an die jeweilige Situation an, es konstruiert sich gewissermaßen sein Glück. Gilbert nennt das „synthetisches Glück“. Um glücklich zu sein, biegen wir uns die Tatsachen immer wieder zurecht.
„Eine höchst willkommene Abwechslung zu den schlichten Weisheiten all der Ratgeber, die ihren Lesern profundes Glück ›in nur zehn Schritten‹ versprechen.“
„Spannend und gleichzeitig wissenschaftlich fundiert.“
„Wie der Kopf unsere Gefühle steuert: Das erklären fachlich fundiert und unterhaltsam Prof. Dr. Peter Falkai und Jeanne Rubner.“
„Ein feiner Ratgeber über das Leben, der allem empfohlen werden kann.“
„Den beiden gelingt eine kurzweilige, umfassende Beschreibung der Hirnvorgänge, die nach aktuellem Forschungsstand Glücksempfindungen regulieren, sie hervorbringen oder eben auch nicht.“
„Das Buch gibt einen guten Einblick darin, wie Glück in unserem Gehrin entsteht.“
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