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Das Jahr, in dem ich dich traf Das Jahr, in dem ich dich traf - eBook-Ausgabe

Cecelia Ahern
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Roman

— Herzerwärmender Roman der SPIEGEL-Bestsellerautorin Cecelia Ahern!
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Das Jahr, in dem ich dich traf — Inhalt

Ein herzerwärmender Roman mit viel Liebe zum Detail

Ein ganzes Jahr freigestellt von der Arbeit? Für Jasmine ein Albtraum! Ohne Ideen, wie sie nun ihre Zeit verbringen soll, sitzt sie vor dem Fenster und beobachtet ihre Nachbarn. Über eine Person kann sie sich besonders gut aufregen: Matt, der unsensible Radiomoderator aus dem Haus gegenüber. Er tyrannisiert die ganze Straße, Jasmine weiß schon bald: Mit ihm will sie nichts zu tun haben! Eigentlich … Trotzdem denkt sie ständig an ihn. Als auch Matt seinen Job verliert, stellen sie fest, dass sie gar nicht so viel trennt. Es beginnt ein Jahr, das ihrer beider Leben auf den Kopf stellen wird.

€ 12,00 [D], € 12,40 [A]
Erschienen am 30.01.2025
Übersetzt von: Christine Strüh
416 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-32073-3
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€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 30.01.2025
Übersetzt von: Christine Strüh
416 Seiten
EAN 978-3-492-60997-5
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Leseprobe zu „Das Jahr, in dem ich dich traf“

1

Ich war fünf Jahre alt, als ich erfuhr, dass ich irgendwann einmal sterben würde.

Dass ich nicht ewig leben würde, war mir bis dahin nie in den Sinn gekommen, warum auch? Niemand hatte je ein Wort darüber verloren, nicht einmal flüchtig. Dabei wusste ich schon einiges über den Tod. Goldfische starben, das hatte ich hautnah miterlebt. Sie starben, wenn man sie nicht fütterte, aber manchmal auch, wenn man sie zu viel fütterte. Hunde starben, wenn sie vor fahrende Autos liefen, Mäuse starben, wenn wir sie mit Schokokeksen in die Mausefalle lockten, die wir [...]

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1

Ich war fünf Jahre alt, als ich erfuhr, dass ich irgendwann einmal sterben würde.

Dass ich nicht ewig leben würde, war mir bis dahin nie in den Sinn gekommen, warum auch? Niemand hatte je ein Wort darüber verloren, nicht einmal flüchtig. Dabei wusste ich schon einiges über den Tod. Goldfische starben, das hatte ich hautnah miterlebt. Sie starben, wenn man sie nicht fütterte, aber manchmal auch, wenn man sie zu viel fütterte. Hunde starben, wenn sie vor fahrende Autos liefen, Mäuse starben, wenn wir sie mit Schokokeksen in die Mausefalle lockten, die wir in der kleinen Toilette aufgestellt hatten. Kaninchen starben, wenn sie aus dem Stall ausrissen und von den bösen Füchsen erwischt wurden. Doch die Erkenntnis, dass all diese Wesen unter bestimmten Bedingungen sterben konnten, versetzte mich keineswegs in Panik, denn selbst mit meinen fünf Jahren wusste ich, dass pelzige Tiere dumme Dinge taten – Dinge, die mir niemals einfallen würden.

So war es ein ziemlicher Schock für mich, als ich erfuhr, dass der Tod auch mich irgendwann einmal erwischen würde.

Meiner Quelle zufolge würde ich, wenn ich Glück hatte, auf die gleiche Weise sterben wie mein Großvater, nämlich alt. Nach Pfeifenrauch und Fürzen riechend, mit Taschentuchklümpchen vom Naseputzen auf der Oberlippe. Mit Dreck unter den Fingernägeln von der Gartenarbeit. Mit Augen, die sich in den Winkeln gelblich verfärbten und mich an die Murmeln aus der Sammlung meines Onkels erinnerten, auf denen meine Schwester so gern herumlutschte, bis sie mal eine verschluckte, sodass mein Vater herbeistürzte und ihr so lange auf den Bauch drückte, bis das Ding wieder herausgehopst kam. Alt. Mit bis an seine wabblige Titten-Brust hochgezogenen braunen Hosen, die sich über dem weichen Wanst spannten, sodass darunter seine von der Hosennaht zur Seite gedrückten Eier zu sehen waren. Alt. Nein, ich wollte absolut nicht so sterben wie mein Großvater, aber meiner Quelle zufolge war es das Beste, worauf ich hoffen konnte.

Es war am Tag der Beerdigung meines Großvaters, als ich von meinem Cousin Kevin über meinen bevorstehenden Tod aufgeklärt wurde. An diesem heißesten Tag des Jahres saßen wir im Gras ganz hinten im langgezogenen Garten meines Großvaters – so weit wie möglich von unseren trauernden Eltern entfernt, die in ihren schwarzen Klamotten aussahen wie Mistkäfer – und tranken rote Limonade aus Plastikbechern. Die Wiese war übersät mit Löwenzahn und Gänseblümchen und viel höher als sonst, denn aufgrund seiner Krankheit hatte Großvater es in seinen letzten Wochen nicht mehr geschafft, den Garten richtig zu pflegen. Ich erinnere mich, dass ich traurig war und Großvater gern davor bewahrt hätte, dass sein wunderschöner Garten ausgerechnet an diesem Tag, an dem er sich nicht in dem von ihm stets angestrebten perfekten Zustand befand, so vielen Nachbarn und Freunden präsentiert wurde. Dass er heute nicht dabei sein konnte, hätte ihn sicher nicht gestört – Reden war nicht seine Lieblingsbeschäftigung –, aber er hätte sich garantiert bemüht, den Garten für die Gäste angemessen zurechtzumachen. Dann wäre er verschwunden und hätte sich von Weitem die lobenden Bemerkungen angehört, vielleicht am offenen Fenster oben im Haus. Er hätte so getan, als wäre ihm die allgemeine Bewunderung egal, aber das wäre sie ihm keineswegs gewesen, und er hätte mit seinen grasfleckigen Knien und seinen schwarz geränderten Fingernägeln dort gestanden, ein zufriedenes Lächeln im Gesicht. Eine ältere Dame, die sich ihren Rosenkranz ganz fest um die Fingerknöchel geschnürt hatte, behauptete, sie fühle seine Präsenz im Garten, aber ich merkte nichts davon. Ich war ganz sicher, dass mein Großvater nicht anwesend war. Der Zustand des Gartens hätte ihn geärgert, er wäre ihm unerträglich gewesen.

Immer wieder füllte Großmutter eine Gesprächspause mit Bemerkungen wie: „Aber seine Sonnenblumen gedeihen ganz prächtig, Gott hab ihn selig“, oder: „Jetzt hat er die Petunien gar nicht mehr blühen sehen“, worauf der Klugschwätzer Kevin murmelte: „Ja, jetzt ist er selber der Dünger.“

Alle lachten leise. Über Kevins Kommentare wurde immer gelacht, denn Kevin war cool. Er war der Älteste, fünf Jahre älter als ich, und als reifer Zehnjähriger sagte er gemeine und grausame Dinge, die sich kein anderer von uns Kindern getraut hätte. Selbst wenn wir etwas gar nicht lustig fanden, lachten wir, denn wir wussten, dass wir sonst umgehend zur Zielscheibe seiner Gemeinheiten wurden. An jenem Tag traf es mich. Ich fand es einfach nicht witzig, dass mein toter Großvater unter der Erde lag und den Petunien beim Wachsen half. Ich fand es auch nicht schrecklich. Nein, für mich war es eher eine schöne, irgendwie bereichernde Vorstellung – und vor allem schien es mir richtig. Genau das hätte mein Großvater gewollt, jetzt, da er nicht mehr mit seinen dicken Wurstfingern zum Blühen und Gedeihen seines wundervollen Gartens beitragen konnte, der das Zentrum seines Universums gewesen war.

Dass ich den Namen Jasmine bekam, ist ebenfalls der Liebe meines Großvaters zum Gärtnern zu verdanken. Als er meine Mutter nach meiner Geburt im Krankenhaus besuchte, brachte er ihr einen großen Strauß von dem Jasmin mit, der an dem selbstgezimmerten, rotgestrichenen Holzspalier an der schattigen hinteren Hauswand emporkletterte. Er hatte ihn in Zeitungspapier eingepackt, braune Schnur darum, und die Tinte des halb fertigen Kreuzworträtsels in der Irish Times war zerlaufen, weil die Stiele vom Regen noch ganz nass gewesen waren. Es war kein Sommerjasmin, wie man ihn von teuren Duftkerzen und schicken Raumsprays kennt. Ich war ein Winterkind, und in Großvaters Garten gab es eine Menge Winterjasmin, der die graue Jahreszeit mit seinen kleinen gelben Sternenblüten ein bisschen aufhellte. Ich glaube nicht, dass mein Großvater über die Bedeutung seines Geschenks nachgedacht hatte, und ich weiß auch nicht, ob er sich sonderlich geehrt fühlte, als meine Mutter mich nach den Blumen nannte, die er ihr mitgebracht hatte. Eigentlich denke ich eher, dass er den Namen seltsam fand – er war doch für die Pflanzen in seinem Garten gedacht und nicht für ein Kind. Namen, die nicht aus der Bibel stammten, waren ungewohnt für ihn – er selbst hieß Adalbert, nach dem Heiligen, der in Irland missioniert hatte, und mit Zweitnamen Mary.

Im Winter davor hatte er meiner Mutter violettes Heidekraut – heather – in die Klinik gebracht, und prompt hatte sie meiner Schwester den Namen Heather gegeben. Ein schlichtes Geschenk zur Geburt meiner Schwester, aber manchmal frage ich mich, ob er mit dem Jasminstrauß nicht doch irgendwelche Absichten verfolgte. Als ich nämlich nachforschte, entdeckte ich, dass der Winterjasmin ein naher Verwandter des Heidekrauts ist und ebenfalls ein Farbtupfer im winterlichen Garten. Ich weiß nicht, ob es vielleicht an meinem Großvater und an seiner Persönlichkeit lag, aber ich habe schon immer gehofft, dass stille Menschen einen Zauber besitzen, der weniger zurückhaltenden Menschen fehlt, dass sie mehr wissen als andere und nur deshalb so schweigsam sind, weil in ihrem Kopf wichtigere Dinge vor sich gehen. Vielleicht täuscht das, was nach außen wie Schlichtheit wirkt, über ein gut verstecktes Mosaik fantasievoller Gedanken hinweg – wie zum Beispiel, dass Großvater Adalbert sich für mich den Namen Jasmine gewünscht hat.

Damals im Garten interpretierte Kevin die Tatsache, dass ich über seinen Todeswitz nicht lachte, fälschlicherweise als Missbilligung, und es gab nichts, was er mehr hasste und fürchtete. Deshalb richtete er seinen wilden Blick auf mich und verkündete: „Du wirst auch mal sterben, Jasmine.“

So saß ich als Jüngste im Kreis von sechs weiteren Kindern und versuchte, die Tatsache meines zukünftigen Todes zu verdauen, während meine Schwester sich neben uns damit vergnügte, sich so lange im Kreis zu drehen, bis ihr schwindlig wurde und sie ins Gras plumpste. Ich hatte eine Gänseblümchenkette um den Knöchel und einen Kloß im Hals, der sich so groß anfühlte, als hätte ich eine der riesigen, um das blumengeschmückte Büfett herumsummenden Hummeln verschluckt. Sicher, auch die anderen Kinder waren über Kevins Bemerkung schockiert, aber statt mich zu unterstützen und diese ominöse Mitteilung zu bestreiten, fixierten sie mich mit ernsten Blicken und nickten traurig. Ja, das stimmt, sagten diese Blicke, Ja, auch du wirst sterben, Jasmine.

Da ich lange schwieg, ging Kevin gnadenlos weiter in die Einzelheiten: Nicht nur würde ich sterben, davor würde ich auch noch von etwas heimgesucht werden, das sich Periode nannte und mir für den Rest meines Lebens jeden Monat unerträgliche Qualen bereiten würde. Dann erfuhr ich in allen Einzelheiten, wie Babys gemacht wurden, und die Beschreibung war so abstoßend, dass ich meinen Eltern eine Woche lang kaum in die Augen sehen konnte. Wie um noch weiter Salz in meine Wunden zu streuen, gipfelte das Ganze in der Information, dass es keinen Weihnachtsmann gab.

Man versucht ja, solche Dinge zu vergessen, aber so etwas konnte ich nicht vergessen.

Warum ich diese Episode aus meinem Leben erwähne? Nun, weil ich damals entstanden bin – ich, wie ich mich heute kenne und wie alle anderen mich kennen. Mein Leben hat begonnen, als ich fünf Jahre alt war. Die Erkenntnis, dass ich sterben würde, hat etwas in mir verändert, was mich bis zum heutigen Tag prägt: Mir ist klar geworden, dass die Zeit an sich zwar unendlich, meine Zeit jedoch begrenzt ist und irgendwann zu Ende gehen wird. Ich habe begriffen, dass das, was ich eine Stunde nenne, nie das Gleiche ist wie für einen anderen Menschen. Wir können sie nicht auf die gleiche Weise verbringen, wir können sie nicht auf die gleiche Weise betrachten. Natürlich kann jeder mit seiner Zeit machen, was er für richtig hält, aber ich lasse mich da nicht mit hineinziehen; ich will meine Zeit nicht verschwenden. Wenn du etwas tun willst, musst du es jetzt tun. Wenn du etwas sagen willst, musst du es jetzt sagen. Und noch wichtiger: Du musst es selbst tun. Es ist dein Leben, du bist derjenige, der stirbt, du bist derjenige, der dieses Leben irgendwann verliert. So gewöhnte ich mir an, immer in Bewegung zu bleiben, Dinge ins Rollen zu bringen. Ich arbeitete in einem Rhythmus, der mich selbst oft so atemlos machte, dass ich kaum einen Augenblick fand, mich zu besinnen, zu mir zurückzufinden. Ich jagte mich, ich hetzte mich und schaffte es nur selten, mich einzuholen. Denn ich war schnell.

Als wir den sonnenverbrannten Trauergästen an jenem Abend zurück nach Hause folgten, nahm ich von unserem Treffen im Gras viel mehr mit als nur die Gänseblümchen, die von meinen Hand- und Fußgelenken baumelten und in meine Haare geflochten waren. Mein Herz war voller Angst, aber es dauerte nicht lange, bis ich sie auf die einzige für eine Fünfjährige mögliche Art verarbeitet hatte. Wenn ich an den Tod dachte, dachte ich immer an meinen Großvater Adalbert Mary, der unter der Erde lag und selbst dort noch seinen Garten zum Wachsen brachte, obwohl er nicht mehr da war, und das gab mir Hoffnung.

Man erntet das, was man gesät hat. Und ich machte mich fleißig ans Säen.


2

Mir ist gekündigt worden, ich bin gefeuert – und das genau sechs Wochen vor Weihnachten, meiner Meinung nach ein extrem unwürdiger Zeitpunkt für einen Rausschmiss. Um die Peinlichkeit zu vermeiden, mich persönlich feuern zu müssen und außerdem einer Szene oder womöglich sogar einem Rechtsstreit aus dem Weg zu gehen, hatte man eigens eine Frau von einer dieser auf saubere Entlassungen spezialisierten Agenturen angeheuert. Sie lud mich zum Lunch in ein ruhiges Lokal ein, ließ mich einen Caesar Salad bestellen, nahm selbst aber nur schwarzen Kaffee und beobachtete dann, während sie mich über meine neue Arbeitssituation informierte, in aller Ruhe, wie mir die Croûtons im Hals stecken blieben. Vermutlich wusste Larry ganz genau, dass ich die Kündigung weder von ihm noch von sonst jemandem aus der Firma widerspruchslos hingenommen hätte – dass ich alle Register gezogen hätte, um es ihm auszureden, ihm mit einem Prozess gedroht oder ihn geohrfeigt. Also hatte er wohl versucht, mich eines ehrenvollen Todes sterben zu lassen – nur dass ich mich alles andere als geehrt fühlte. Eine Entlassung ist eine öffentliche Angelegenheit, ich würde den Leuten mitteilen müssen, dass ich rausgeschmissen worden war – abgesehen natürlich von denen, die es bereits wussten. Ich schämte mich. Ich schäme mich noch immer.

Ich habe meine berufliche Laufbahn als Buchhalterin begonnen. Ab dem reifen jugendlichen Alter von vierundzwanzig hatte ich eine Stelle bei Trent & Bogle, einer großen Firma, in der ich es ein Jahr aushielt, dann aber von heute auf morgen zu Start It Up wechselte, wo ich Leute, die vorhatten, ein eigenes Unternehmen zu gründen, finanziell beriet und anleitete. Meiner Erfahrung nach legen sich die meisten Menschen zu einem Ereignis zwei Geschichten zurecht: die verfälschte und die wahre. Ich beispielsweise erzähle, dass ich nach achtzehn Monaten kündigte, um mich selbstständig zu machen, weil die Menschen, die in mein Büro kamen, mich so inspiriert hatten, dass mich der Wunsch überwältigte, meine eigenen Ideen zu verwirklichen. In Wirklichkeit aber irritierte es mich, dass manche meiner Kunden ihr Projekt einfach nicht richtig umsetzten. Also gründete ich, hochmotiviert und leistungsorientiert, wie ich nun mal bin, lieber selbst eine Firma, und das so erfolgreich, dass sie mir schon nach kurzer Zeit jemand abkaufen wollte. So verkaufte ich sie. Dann baute ich eine neue Firma auf, verkaufte auch diese, und gleich kam mir die nächste Idee. Aber das dritte Mal hatte ich nicht einmal Zeit, meine Idee ordentlich zu entwickeln, weil ein anderes Unternehmen sie entweder so toll fand oder aus Konkurrenzgründen so hasste, dass sie sie vom Fleck weg kaufen wollte. Das wiederum führte zu meiner Arbeitsbeziehung mit Larry, dem jüngsten Start-up-Unternehmen und dem einzigen Job, aus dem ich je gefeuert worden bin.

Das Geschäftskonzept dieses Start-ups war ursprünglich Larrys Idee, und wir entwickelten sie gemeinsam weiter. Ich war Mitgründerin der Firma und hegte und pflegte dieses Baby, als hätte ich es selbst zur Welt gebracht. Ich half ihm, sich zu entwickeln. Ich sah zu, wie es gedieh, wie es unsere kühnsten Träume übertraf, und bereitete mich schließlich auf den Moment vor, in dem wir es verkaufen würden. Aber es kam ganz anders. Ich wurde gefeuert.

Unsere Firma trug den Namen Idea Factory; wir halfen Unternehmen mit ihren eigenen ambitionierten Ideen. Dabei nahmen wir ihre Ideen als Grundlage und verbesserten sie, oder wir entwickelten unsere eigenen Konzepte und brachten sie entsprechend zur Anwendung. So kreierten wir zum Beispiel für einen Coffeeshop die Daily Fix, eine Zeitung mit lokalen Berichten, eine Publikation, die ansässige Unternehmen, Schriftsteller und Maler unterstützte, oder arbeiteten mit einem Sexshop an dem Projekt, im Laden Eis zu verkaufen – übrigens meine Idee und ein Riesenerfolg. Nicht einmal die Wirtschaftskrise machte uns zu schaffen, im Gegenteil – wir blühten auf, denn Fantasie war genau das, was ein Unternehmen brauchte, um in diesem Klima nicht unterzugehen. Und das war es, was wir verkauften – unsere Fantasie. Ich liebte meine Arbeit.

Wenn ich es jetzt in meiner ja reichlich vorhandenen Freizeit analysiere, dann sehe ich, dass meine Beziehung zu Larry schon seit einiger Zeit nicht mehr richtig funktionierte. Ich steuerte, vielleicht etwas betriebsblind, auf das Ziel „Firma verkaufen“ zu, wie ich es schon dreimal durchexerziert hatte – während Larry sie selbst weiterführen wollte. Rückblickend sehe ich, dass das ein großes Problem war. Ich glaube, ich habe meinen Plan zu stark forciert, indem ich ständig Ausschau nach potenziellen Käufern hielt, obwohl ich tief in meinem Innern wusste, dass Larry daran überhaupt nicht interessiert war – und das setzte ihn unter Druck. Für ihn bedeutete „weitermachen“, die Firma zu entwickeln, für mich, sie abzustoßen und etwas Neues anzufangen. Ich traf Entscheidungen mit dem Ziel, mich von dem Projekt zu verabschieden, er dagegen hatte nichts anderes im Sinn, als es festzuhalten. Wenn man sich anschaut, wie Larry mit seiner halbwüchsigen Tochter und seiner Frau umgeht, dann weiß man, dass er diese Philosophie so ziemlich auf jeden Aspekt seines Lebens anwendet. Festhalten um jeden Preis! Das gehört mir! Bloß nicht die Kontrolle abgeben. Aber sei’s drum.

Ich bin dreiunddreißig und habe vier Jahre in unserer Ideenfabrik gearbeitet. Ich war nie krank, es gab nie Klagen, keine Vorwürfe, keine Abmahnung, ich hatte keine unpassende Liaison – jedenfalls keine, die negative Auswirkungen auf die Firma gehabt hätte. Ich habe in meinem Job alles gegeben, mir selbst zuliebe, weil ich es so wollte, aber ich habe schon damit gerechnet, dass die Maschinerie, für die ich arbeitete, mir etwas zurückgibt und das, was ich für sie getan habe, honoriert. Meine frühere Überzeugung, dass Gefeuertwerden nichts Persönliches ist, beruhte darauf, dass ich selbst noch nie gefeuert worden war, sondern andere Leute hatte feuern müssen. Inzwischen weiß ich, dass es etwas sehr Persönliches ist, denn mein Job war mein Leben.

Meine Freunde und Kollegen waren allesamt sehr hilfsbereit, aber auf eine Art und Weise, dass ich, sollte ich je Krebs kriegen, die Information lieber strikt für mich behalten werde. Alle vermitteln mir das Gefühl, dass ich ein hilfloses Opfer bin. Sie sehen mich an, als würde ich vermutlich demnächst in ein Flugzeug nach Australien steigen und mich zu all den überqualifizierten Leuten gesellen, die dort auf Wassermelonenfarmen arbeiten.

Kaum zwei Monate sind vergangen, und schon melden sich bei mir Zweifel, ob ich überhaupt noch ein vollwertiger Mensch bin. Ich habe keine Aufgabe, ich habe der Welt nichts zu bieten. Ich fühle mich nutzlos. Sicher, ich weiß, es ist nur ein vorübergehender Zustand und ich werde meine Rolle irgendwann wieder erfüllen können, aber im Moment fühle ich mich einfach so. Fast zwei Monate geht das nun schon so, und mir ist langweilig. Ich bin eine Macherin, und ich mache so gut wie gar nichts.

Schon im Lauf des ersten Monats war fast alles erledigt, was ich mir an stressigen Tagen erträumt habe. Kurz vor Weihnachten habe ich einen Strandurlaub gemacht, und jetzt bin ich braun gebrannt und friere. Ich habe mich mit meinen Freundinnen getroffen – fast durch die Bank junge Mütter, entweder neuerdings in Elternzeit oder bereits in der Verlängerung oder in der Phase, in der sie vielleicht nie wieder ins Berufsleben zurückkehren wollen, und wir haben zusammen Kaffee getrunken zu einer Tageszeit, zu der ich in der Öffentlichkeit früher nie Kaffee getrunken habe. Es fühlte sich an wie Schulschwänzen, und die ersten paar Male war es wundervoll, aber dann wurde es weniger wundervoll, denn ich fing an, mich auf die Leute zu konzentrieren, die den Kaffee servierten oder die Tische abwischten oder die Paninis stapelten, und alle hatten sie etwas zu tun, alle haben gearbeitet. Ich habe mich mit sämtlichen süßen Babys meiner Freundinnen angefreundet, obwohl sie meistens nur auf ihren Matten herumliegen, die quietschen und rascheln, wenn man aus Versehen darauf tritt, und nichts tun, außer vielleicht mal ihre fetten Beinchen in die Höhe zu strecken, nach ihren Zehen zu grapschen, zur Seite zu rollen und sich dann abzurackern, um wieder in die Ausgangslage zurückzukommen. Das ist sehr lustig anzusehen – die ersten zehn Mal.

Innerhalb von sieben Wochen hat man mich zweimal gefragt, ob ich Patin werden möchte, fast so, als wollten sie dem Gehirn der Freundin, die sonst nichts zu tun hat, ein bisschen was zu tun geben. Beide Anfragen waren nett gemeint, ich war gerührt, aber wenn ich gearbeitet hätte, wäre niemand auf die Idee gekommen, mich zu fragen, denn ich hätte meine Freundinnen ja auch nicht so oft besucht und ihre Babys nicht so gut kennengelernt, und so hat letztlich wieder einmal alles damit zu tun, dass ich keine Arbeit habe.

Jetzt bin ich die Frau, die von ihren Freundinnen angerufen wird, wenn sie mal dringend unter die Dusche müssen, weil sie verschwitzt sind und mit dem Latein am Ende, weil ihre Haare wie ein Ölfilm am Kopf kleben und sie nach Schweiß und Babykotze stinken. Dann hauchen sie mit einer Stimme, die mir eine dicke Gänsehaut verursacht, ins Telefon, dass sie nicht mehr weiterwissen und Angst davor haben, was sie anrichten könnten, wenn nicht bald Hilfe herbeieilt, sodass ich sofort losrenne und das Baby im Arm halte, während sie sich wohlige zehn Minuten unter die Dusche stellen. Inzwischen weiß ich, dass eine zehnminütige Dusche für junge Eltern ein ebenso hochwillkommenes Geschenk ist wie die Möglichkeit, in aller Ruhe zur Toilette zu gehen, und dass beides wesentlich mehr wieder ins Lot bringt als nur die Körperhygiene.

Jetzt kann ich ganz spontan meiner Schwester einen Besuch abstatten, was bisher nie möglich war. Aber sie gerät jedes Mal völlig aus der Fassung, und wenn ich bei ihr bin, fragt sie mich ständig, wie spät es ist – als hätte ich ihre innere Uhr durcheinandergebracht. Ich habe Weihnachtsgeschenke gekauft und hatte noch reichlich Zeit übrig. Ich habe echte Weihnachtskarten aus Papier gekauft und rechtzeitig abgeschickt, zweihundert Stück. Ich gehe sogar für meinen Vater einkaufen. Ich bin ultraeffizient, so war ich schon immer.

Natürlich bin ich gern auch mal faul – ich liebe einen zweiwöchigen Urlaub, ich liebe es, am Strand zu liegen und nichts zu tun –, aber nur, wenn ich es selbst bestimme, nur unter meinen eigenen Bedingungen und wenn ich weiß, dass danach etwas auf mich wartet. Wenn der Urlaub vorbei ist, möchte ich ein Ziel vor Augen haben. Etwas Sinnvolles. Ich brauche eine Herausforderung. Eine Aufgabe. Ich möchte meinen Beitrag leisten. Ich muss etwas tun.

Ich habe meinen Job geliebt, aber weil ich nicht arbeiten kann, versuche ich mich auf das zu konzentrieren, was ich nicht vermisse – um mich ein bisschen besser zu fühlen.

Ich habe hauptsächlich mit Männern zusammengearbeitet. Die meisten waren Dödel, einige waren amüsant, ein paar sogar richtig sympathisch. Ich habe nie Zeit mit ihnen außerhalb der Arbeit verbracht, was bedeuten könnte, dass mein nächster Satz keinen Sinn ergibt, aber das stimmt nicht. In meinem Team haben zehn Männer gearbeitet, und mit dreien von ihnen war ich im Bett. Bei zweien von ihnen habe ich es bereut, und der eine, bei dem ich es nicht bereue, bereut seinerseits, dass er mit mir geschlafen hat. Das ist schade.

Ich werde die Leute nicht vermissen, mit denen ich zusammengearbeitet habe. Menschen sind sowieso der größte Störfaktor in meinem Leben. Es beunruhigt mich, dass so viele kein bisschen Menschenverstand haben, dass ihre Meinungen so voreingenommen und so wenig durchdacht sind, so zutiefst frustrierend, irregeleitet, fehlinformiert und gefährlich, dass ich es kaum aushalte, ihnen zuzuhören. Ich bin nicht übermäßig empfindlich. Ich mag politisch unkorrekte Witze unter kontrollierten Bedingungen, in einer Umgebung, wo sie angemessen sind und jeder weiß, dass sie auf Kosten der Ignoranten gehen, die es mit der Korrektheit übertreiben. Wenn jemand einen politisch unkorrekten Scherz macht, weil er ernsthaft an dessen Inhalt glaubt, ist das nicht witzig, sondern widerlich. Ich mag keine Debatten darüber, was angeblich richtig oder falsch ist, mir ist es lieber, wenn Menschen das einfach wissen. Und zwar von Geburt an. Ein Prick-Allergietest und eine Grips-Injektion.

Die Arbeitslosigkeit hat mich dazu gebracht, mich dem zu stellen, was ich an der Welt und an mir selbst am wenigsten mag. In meinem Job konnte ich mich verstecken und ablenken. Ohne Job muss ich den Dingen ins Gesicht schauen, über sie nachdenken, sie infrage stellen und eine Möglichkeit finden, auch mit dem zurechtzukommen, was ich seit Langem vermeide. Das schließt auch das Viertel mit ein, in das ich vor vier Jahren gezogen bin und mit dessen Bewohnern ich nie etwas zu tun hatte – bis jetzt.

Es ist Silvester. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich allein. Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens ist das Wetter so scheußlich, dass ich mich nicht dazu aufraffen konnte, nach draußen zu gehen, vor allem, nachdem ich fast von der Tür enthauptet worden wäre, als ich dem tapferen Mann, der den Kampf mit den Elementen aufgenommen hatte, um mir mein Essen zu bringen, mein Thai-Take-away abnehmen wollte. Die Krabbenchips hatten sich praktisch aufgelöst, er hatte die Soße für die gefüllten Teigtaschen verschüttet, sodass unten in der Tüte alles schwamm, aber ich brachte es nicht übers Herz, mich zu beschweren. Sein sehnsüchtiger Blick in die Geborgenheit meines gemütlich warmen Hauses machte es mir unmöglich, auch nur ein Wort über den Zustand seiner Lieferung zu verlieren.

Draußen heult der Wind mit solcher Kraft, dass ich mich frage, ob er vorhat, mein Dach abzudecken. Das Gartentor meines Nachbarn klappert unablässig, und ich frage mich, ob ich hingehen und es richtig schließen sollte, aber das würde bedeuten, dass ich vom Wind genauso durch die Gegend geschubst würde wie die Mülltonnen, die neben dem Haus gegeneinanderrumsen. Heute ist der stürmischste Tag, den Irland seit Menschengedenken erlebt hat. Ganz Großbritannien ist betroffen, und auch die USA bleiben nicht verschont. In Kansas herrschen minus vierzig Grad, die Niagara-Fälle sind gefroren, New York wird von eisiger Luft, einem sogenannten Polarwirbel, attackiert, in Kerry landen Wohnmobile auf den Klippen, zuvor absolut trittsichere Schafe verlieren das Gleichgewicht und landen neben angespülten Robben am Strand.

Es gibt Flutwarnungen, völlig durchnässte Live-Reporter stehen bibbernd und mit blaugefrorenen Lippen an der Küste und beschwören die Anwohner, zu Hause zu bleiben. Seit zwei Tagen steht die Straße, die ich am häufigsten benutze, wenn ich irgendwohin fahre, komplett unter Wasser. Ausgerechnet in einer Zeit, in der ich mich unbedingt beschäftigen wollte, geradezu beschäftigen müsste, bringt Mutter Natur mich gnadenlos zum Stillstand. Ich weiß, was sie vorhat: Sie will mich zum Nachdenken zwingen, und sie schafft es tatsächlich! Deshalb beginnen jetzt alle Gedanken, die ich mir über mich selbst mache, mit Vielleicht … – weil ich auf eine Art über mich nachdenken muss, wie ich noch nie über mich nachgedacht habe, und ich bin mir nicht sicher, ob ich das überhaupt kann.

Im Heulen des Sturms ist das Bellen des Hundes gegenüber kaum zu hören. Ich glaube, Dr. Jameson hat mal wieder vergessen, ihn ins Haus zu lassen. Er wird langsam ein bisschen schusslig – oder er hat sich mit dem Hund gestritten. Den Namen des Hundes kenne ich nicht, aber es ist ein Jack-Russell-Terrier. Gelegentlich erwische ich ihn in meinem Garten, gelegentlich hinterlässt er dort einen Haufen, und ein paarmal ist er auch schon in mein Haus gerannt, sodass ich ihn einfangen und dem ehrenwerten Gentleman von gegenüber zurückbringen musste. Ich nenne Dr. Jameson den ehrenwerten Gentleman, weil er ein ziemlich nobler Siebzigjähriger ist, pensionierter Arzt, der früher nebenbei auch noch Vorsitzender von ungefähr jedem Club war, Schach, Bridge, Golf, Cricket. Jetzt ist er Vorsitzender unseres Eigentümervereins, der sich um Laubsaugen, den Austausch von kaputten Birnen in Straßenlaternen, die Nachbarschaftswache und so weiter kümmert. Dr. Jameson ist stets gut gekleidet, mit perfekt gebügelten Hosen und Hemden, dünnen V-Ausschnitt-Pullis, blitzblanken Schuhen und gut frisierten Haaren. Er redet mit mir, als richte er seine Sätze immer knapp über meinen Kopf hinweg – Kinn vorgereckt, Nase in der Luft wie ein Laienschauspieler. Aber er ist nie direkt unhöflich, sodass ich auch keinen Grund dafür habe, meinerseits unhöflich zu sein, ich halte mich einfach nur auf Distanz. Das mache ich immer, wenn ich Menschen nicht richtig einschätzen kann. Bis vor einem Monat wusste ich nicht einmal, dass Dr. Jameson überhaupt einen Hund besitzt, aber inzwischen weiß ich für meinen Geschmack ja schon viel zu viel über meine Nachbarn. Je mehr der Hund gegen den Wind anbellt, desto nervöser werde ich. Womöglich ist Dr. Jameson in seiner Wohnung zusammengebrochen, womöglich hat der Wind ihn in einen Nachbargarten geweht wie die Trampoline, die plötzlich in fremden Gärten aufgetaucht sind. Angeblich hat ein kleines Mädchen morgens beim Aufwachen auf der Wiese hinter dem Haus eine Schaukel und eine Rutsche vorgefunden und gedacht, der Weihnachtsmann hätte ihr noch einen verspäteten Besuch abgestattet, aber wie sich herausstellte, stammten die Geräte aus einem Garten fünf Häuser weiter.

Ich kann die Party, die Mr und Mrs Murphy im Haus neben mir veranstalten, zwar sehen, aber nicht hören – es ist ihre übliche ausgelassene Silvesterfeier. Sie beginnt und endet jedes Jahr mit traditionellen irischen Liedern, Mr Murphy spielt die Bodhran, und Mrs Murphy singt mit einer solch traurigen Innigkeit, als säße sie mitten auf einem Acker mit verrotteten Kartoffeln. Wenn dann auch noch der Rest der Gäste mit einstimmt, hat man das Gefühl, sie sitzen in einem Hungerschiff nach Amerika und werden von der stürmischen See gebeutelt. Ich bin nicht traurig, dass der Wind die Töne in eine andere Richtung trägt, aber ich kann auch eine Party hören, die ich nicht sehe. Wahrscheinlich findet sie ein paar Straßen weiter statt; Gesprächsfetzen von Leuten, die verrückt genug sind, draußen zu rauchen, werden zusammen mit dem fernen Rhythmus irgendeiner Partymusik durch meinen Schornstein hereingeweht, aber gleich wieder weggerissen; Geräusche und Blätter wirbeln fieberhaft auf meiner Türschwelle herum.

Ich war zu drei Partys eingeladen, aber ich konnte mir wirklich nichts Schlimmeres als Party-Hopping vorstellen, obendrein hätte ich mir am Silvesterabend bei diesem Wetter und in meiner momentanen Stimmung ein Taxi besorgen müssen. Außerdem sollen die Fernsehprogramme an Silvester echt großartig sein, und ich will mir davon heute endlich mal selbst ein Bild machen. Also wickle ich mich fester in meine Kaschmirdecke, trinke einen Schluck Rotwein und bin zufrieden mit meiner Entscheidung, allein zu bleiben. Jeder, der sich bei diesem Wetter draußen herumtreibt, muss doch verrückt sein. Wieder heult der Wind mit aller Kraft, und ich greife nach der Fernbedienung, um die Lautstärke hochzudrehen, aber im selben Moment erlischt im ganzen Haus das Licht, und der Fernseher geht aus. Ich sitze im Dunkeln, der Hausalarm piept.

Ein kurzer Blick aus dem Fenster zeigt mir, dass die ganze Straße keinen Strom hat. Im Gegensatz zu den anderen mühe ich mich erst gar nicht mit Kerzen ab, sondern nehme die Dunkelheit als zusätzlichen Grund, mich die Treppe hinaufzutasten und ins Bett zu klettern, obwohl es gerade mal 10 Uhr ist. Die Ironie, dass ich sozusagen im doppelten Wortsinn keine Power habe, entgeht mir nicht. Zuerst schaue ich mir die Silvester-Show auf meinem iPad an, und als der Akku leer ist, höre ich ein bisschen Musik auf meinem iPod, der allerdings auch schon einen bedrohlich niedrigen Akkustand anzeigt. Er geht so rasant zur Neige, dass ich die verbleibenden Songs kaum genießen kann. Zum Schluss stelle ich meinen Laptop an, und als auch er den Geist aufgibt, möchte ich am liebsten losheulen.

Dann höre ich ein Auto auf der Straße und weiß, jetzt gibt es Action.

Ich klettere aus dem Bett und ziehe die Vorhänge zurück. Die ganze Straße ist vom Stromausfall betroffen. In ein paar Häusern sehe ich flackernden Kerzenschein, aber sonst ist es stockdunkel, denn die meisten meiner Nachbarn sind über siebzig und vermutlich schon im Bett. Ich vertraue darauf, dass mich keiner sehen kann, denn auch mein Haus ist dunkel, ich kann mit offenen Vorhängen am Fenster stehen und ungehindert das Spektakel beobachten, das sich jetzt vor mir entfalten wird.

Ich schaue hinaus. Und da sehe ich dich.

Cecelia  Ahern

Über Cecelia Ahern

Biografie

Cecelia Ahern ist eine irische Romanautorin. Ihr Debütroman „PS: Ich liebe dich“ wurde 2004 veröffentlicht und war ein internationaler Bestseller. Er wurde mit Hilary Swank in der Hauptrolle verfilmt. Ihr zweiter Roman „Für immer vielleicht“ wurde als Love, Rosie mit Lily Collins in der Hauptrolle...

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