Das Jahresbankett der Totengräber
Roman
— Prix Goncourt PreisträgerDas Jahresbankett der Totengräber — Inhalt
„Mich hat dieses Buch fertiggemacht!“ Thea Dorn
Für eine Dissertation über das Leben auf dem Land im 21. Jahrhundert zieht der Pariser Anthropologe David aufs Dorf, um Sitten und Bräuche der Landbevölkerung zu beobachten. Die Stille, die ständige Anwesenheit von Tieren aller Art, vor allem aber die überraschende Unangepasstheit sämtlicher Dorfcharaktere ziehen ihn in ihren Bann. Und bald ist er involvierter in das Landleben, als er es sich je hätte träumen lassen. Mathias Enard schreibt in kühner Fahrt durch Raum und Zeit mit komödiantischer Lust über die Herausforderungen des Landlebens und die Beharrlichkeit der menschlichen Existenz.
„Ein großes Epos“ Vea Kaiser,Literar. Quartett
Lieber Mathias, in Deinen Büchern nimmst Du Deine Leser an so viele ferne Orte mit: Die Konfliktzonen und Kriegsschauplätze des Mittelmeerraums, Jerusalem und Algier, Rom, Florenz und Istanbul, Barcelona und Tanger, Beirut, Damaskus, Aleppo, Palmyra und Wien – um nur ein paar zu nennen. An vielen dieser Orte hast Du selbst gelebt. Wie kamst Du darauf, Deinen neuen Roman ausgerechnet in Frankreich, dem Ort Deiner Herkunft, spielen zu lassen?
Vielleicht liegt es gerade daran, dass ich mich in meinen Romanen bisher nie für Frankreich interessiert habe – plötzlich wurde mir klar, dass es dort Land zu erforschen gibt und dass meine Heimatregion manchen Menschen sogar außerordentlich exotisch erscheinen kann – von Paris, Straßburg oder Lyon aus gesehen, bietet diese westliche Ebene und ihr Sümpfe einen idealen Schauplatz für das Thema, das ich entwickeln wollte.
In Das Jahresbankett der Totengräber lässt Du den jungen Pariser Anthropologen David zur Feldforschung aufs Land ziehen. Es ist die Landschaft um Niort, Deiner Heimatstadt. Wie würdest Du diese Landschaft beschreiben, was macht sie für Dich aus?
Zunächst einmal ist sie extrem flach. Eine Getreidefläche, mit Weizen- oder Rapsfeldern, so weit das Auge reicht. Zwischen dieser Ebene und dem Ozean erstreckt sich ein riesiger Sumpf, der seit dem Mittelalter durch Tausende von Kanälen entwässert wurde: ein bisschen wie ein Venedig ohne Häuser, inmitten eines Waldes aus Eschen, Pappeln und Ulmen. Tausende von kleinen Flüssen, die eine geheimnisvolle Karte zeichnen, auf der einige wenige Dörfer mit weißen Steinhäusern versteckt sind. Diese Landschaft hat für mich natürlich den Geschmack der Kindheit, aber auch den einer doppelten zeitgenössischen Herausforderung: zum einen die intensive Landwirtschaft von heute und zum anderen die Erhaltung einer einzigartigen Landschaft.
David muss sich anfangs an die Stille, Einsamkeit und Kälte auf dem Land, an die ständige Anwesenheit von Tieren aller Art gewöhnen. Als er dann einige Zeit später aus der Weihnachtspause in Paris aufs Land zurückkehrt, merkt er, dass er sich von seinem städtischen Leben entfernt hat und ihm andere Dinge wichtig geworden sind: der Planet, das Klima, die Natur, Leben und Tod. Diese Besinnung könnte aktueller kaum sein. Hattest Du dieses Thema so bereits im Sinn, als Du anfingst, Deinen Roman zu schreiben?
Ja, ich habe 2009 begonnen, dieses Buch zu schreiben. Die letzten zehn Jahre haben unser Verhältnis zur Umwelt, zur Landwirtschaft und zur Ökologie verändert. Ich habe mich selbst verändert. Wie David bin ich immer sensibler für die wirklich wichtigen Fragen unserer Zeit geworden: Wie kann man mit der Natur leben? Was bedeutet das Leben auf dem Land heute? Diese Themen waren von Anfang an präsent, als das Buch geschrieben wurde.
Im Zentrum Deines Romans steht der Berufszweig der Totengräber, verkörpert vom Bürgermeister des Dorfes Martial Pouvreau. Was hat Dich an dieser krisensicheren Branche fasziniert?
Ihre Langlebigkeit. Welches Ritual auch immer gebräuchlich ist; Bestatter, Totengräber sind von den Anfängen der Menschheit bis heute präsent. Sie begleiten uns im Angesicht des Schmerzes und des Geheimnisses des Todes. Sie sind überall. Wir werden alle einmal auf ihren Schultern enden ... etwas, das wir nicht vergessen dürfen. Sie leben inmitten von Tod und Trauer – aber natürlich sind sie Menschen wie alle anderen. Eines Tages stieß ich in einem Museum in Prag auf ein kleines Gemälde, das ein Bankett zeigte. Die Bildlegende besagte, dass sich die Totengräber jedes Jahr, um sich von ihrem traurigen Beruf zu trösten, ein großes Bankett abhielten. Ich finde diese Idee wunderbar. Trösten wir uns! Freuen wir uns! Es ist eine Möglichkeit, wie das Leben über den Tod zu siegen vermag.
Im Roman wechseln sich zwei Erzählperspektiven ab. Zum einen gibt es das Forschungsjournal von David und zum anderen einen allwissenden, frei in Raum und Zeit die Fäden ziehenden Erzähler. Wie verhalten sich diese beiden perspektivischen Ebenen zueinander?
Die beiden Teile ergänzen sich: Im zentralen Teil sieht und versteht man alles, was David nicht versteht und über das Dorf nicht weiß: Figuren, deren Geschichte er nicht kennt, was um ihn herum geschieht, und die Dimension der Zeit, der langen Geschichte all derer, die ihm in diesem Dorf seit der Römerzeit vorausgegangen sind ... Das Forschungsjournal bildet das 21. Jahrhundert ab; der Rest ist das Rad der Zeit.
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