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Das kleine Hotel unter den KirschblütenDas kleine Hotel unter den Kirschblüten

Das kleine Hotel unter den Kirschblüten Das kleine Hotel unter den Kirschblüten - eBook-Ausgabe

Francis Kaufmann
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Roman

— Alte Träume und ein Neuanfang an der japanischen Küste
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Das kleine Hotel unter den Kirschblüten — Inhalt

Von Neuanfängen, Träumen und der Liebe an unerwarteten Orten. Für Fans von Julie Caplin und Miriam Covi 

„In klaren Nächten, so wie heute, kannst du sehen, wie der Himmelsfluss mit dem Horizont verschmilzt, in der Ferne, dort wo nichts als Meer ist, nichts als Wasser. Dort werden die Seesterne geboren, in den warmen Sommernächten.“ 

Das Leben von Ursula Masuda könnte so schön sein, denn nach jahrelanger harter Arbeit floriert ihr geliebtes Hotel. Wären da nicht die dauernörgelnden Schwiegereltern und ihre lieblose, zerrüttete Ehe. Als Ursula auf eine traumhafte Bucht in der japanischen Provinz stößt, ist sie daher sicher: Es ist Zeit für einen Neuanfang! Denn dies ist der perfekte Platz für ihren großen Traum, eine Wellness-Oase, in der sich gestresste Menschen erholen können. Doch Ursula hat nicht mit dem Widerstand der ansässigen Kommune von Selbstversorgern, Künstlern und Dichtern gerechnet. Insbesondere die Landbesitzerin Tomoko ist von den Plänen gar nicht begeistert, während ihr sympathischer Bruder Daisuke plötzlich Ursulas Herz höherschlagen lässt ... 

Dieses Buch erschien bereits 2023 unter dem Titel „Das kleine Hotel am Himmelsfluss“ 

€ 16,00 [D], € 16,50 [A]
Erschienen am 03.05.2024
284 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-50804-9
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€ 3,99 [D], € 3,99 [A]
Erschienen am 03.05.2024
284 Seiten
EAN 978-3-377-90170-5
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Leseprobe zu „Das kleine Hotel unter den Kirschblüten“

Kapitel 1

„Gut, bringen wir es hinter uns“, sprach Ursula kaum hörbar zu sich selbst. Dezent seufzte sie, während sie aus der dunkelblauen Limousine der Schwiegereltern stieg, fast synchron mit Shinji Masuda, ihrem Mann.

Seit geraumer Zeit kam es nur noch selten vor, dass Ursula und Shinji etwas zeitgleich taten, sich dem Rhythmus ehelicher Harmonie hingaben. Jetzt standen sie ebenso schweigsam wie unbeteiligt auf einem Parkplatz, mitten im Wald, unter einem leuchtend roten Shintô-Tor, das beinahe bis in die Wipfel uralter Kiefern ragte.

Shinji schwellte [...]

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Kapitel 1

„Gut, bringen wir es hinter uns“, sprach Ursula kaum hörbar zu sich selbst. Dezent seufzte sie, während sie aus der dunkelblauen Limousine der Schwiegereltern stieg, fast synchron mit Shinji Masuda, ihrem Mann.

Seit geraumer Zeit kam es nur noch selten vor, dass Ursula und Shinji etwas zeitgleich taten, sich dem Rhythmus ehelicher Harmonie hingaben. Jetzt standen sie ebenso schweigsam wie unbeteiligt auf einem Parkplatz, mitten im Wald, unter einem leuchtend roten Shintô-Tor, das beinahe bis in die Wipfel uralter Kiefern ragte.

Shinji schwellte die Brust unter dem gestärkten, blütenweißen Hemd und setzte sich demonstrativ in Szene. „Ah, was für eine Luft“, bemerkte er und schloss für einen Augenblick die Lider. Die Inbrunst, mit der er die salzige Meeresluft inhalierte, grenzte wie üblich an Übertreibung, mutete beinahe wie ein Schauspiel an. So benahm er sich jedes Mal, wenn sie ins Grüne fuhren, um sich im Schatten ominöser Shintô-Gottheiten die Beine in den Bauch zu stehen. Ursula entlockte er damit allenfalls ein heimliches Augenrollen.

Elf lange Jahre war sie nun schon mit Shinji verheiratet. Im Lauf ihrer Ehe hatte sie gelernt, Shinjis Standardphrasen mit neunzigprozentiger Trefferquote vorherzusagen, und schon bald, das ahnte sie, würde sie bei neunundneunzig Prozent liegen. Ihre Ehe machte Sinn und war nicht gerade unglücklich, denn sie hatten gemeinsam etwas Großartiges geschaffen. Etwas worauf zumindest Ursula mehr als stolz sein konnte. Mit ihrem Know-how hatten die Masudas das einfache Familienhotel, in dem einst schon Shinjis Großeltern die Futons bezogen hatten, in ein luxuriöses Wellness-Resort verwandelt. Harte Arbeit war es gewesen, doch am Ende hatte sich der unermüdliche Einsatz weiß Gott gelohnt.

Das Hibiskus-Resort war zu Ursulas Lebensaufgabe geworden, ihm hatte sie in den vergangenen elf Jahren mit dem nötigen Brennen im Herzen jede verfügbare Minute ihres Lebens gewidmet. Nie hatte sie sich zurück nach Hamburg, in ihre alte Heimat gewünscht und nur selten hatte sie so etwas wie Heimweh verspürt. Das Hibiskus war ihr Zuhause geworden, das Zentrum ihrer Welt, um das sich alles drehte. Über die Jahre hinweg hatte sie es geschafft, dass man ihr als Frau Respekt und Anerkennung entgegenbrachte, in einem von Männern dominierten Geschäft. Sie brannte für dieses Leben, für die Gastronomie und für jeden einzelnen Stern, den man ihrem Hotel verliehen hatte. Aber jetzt sollte mit einem Mal alles anders werden, einfach so und Ursula verspürte nicht die geringste Lust dazu.

Mit gequälter Miene stand sie auf dem Parkplatz herum, wie jemand, den das Schicksal an den denkbar unpassendsten Ort der Welt verbannt hatte. Argwöhnisch betrachtete sie ihren allzu entspannt dreinblickenden Shinji und spürte, wie ihre Augenlider nervös zu zucken begannen. Sie zog sich das helle Kostüm, das sich wie angegossen an ihren schlanken, hochgewachsenen Körper schmiegte, glatt und machte sich auf Shintô-Gottheiten der besonderen Art gefasst.

Endlich war die Beifahrertür der Limousine ins Schloss gefallen und im nächsten Moment ertönte das tiefe Klacken der Zentralverriegelung. Ursula musterte Hajime, ihren Schwiegervater. Mit verdrießlicher Miene sah sie ihm dabei zu, wie er unbeholfen in sein dunkles Sakko schlüpfte, während Yumiko, seine Frau, ihre halblange, frisch getönte Frisur zum dritten Mal in den dunkel getönten Scheiben prüfte. Wie eine gealterte Tempeltänzerin bewegte sie ihren feinen Kopf, neigte ihn geschmeidig von Schulter zu Schulter, schob ihn mal nach vorn, mal zur Seite und wandte sich schließlich mit halbwegs zufriedener Miene ab. Yumiko war eitel, fast so eitel wie ihre Schwiegertochter, die das Resort niemals anders, als im tadellos gepflegten Outfit repräsentierte. Ursula zeigte sich stets wie aus dem Ei gepellt, denn sie repräsentierte so gut wie immer, zumindest wenn sie nicht gerade schlief. Das Hibiskus war ihr Leben, ein Leben, das sich weiterentwickeln, gestalten und optimieren ließ, Tag für Tag, in einem fort.

Jetzt tat sie es Yumiko gleich, strich sich mit Bedacht ihr dunkelbraunes Haar zurecht. Seit einer Weile trug sie ihre kinnlangen Locken leicht asymmetrisch und im Nacken etwas kürzer. „Sie haben wunderbar hohe Wangenknochen, große, entschlossene Augen und diese reizvollen Kanten im Amorbogen. Eine markante Frisur ist genau das richtige für Sie“, hatte ihr der Friseur ihres Vertrauens ans Herz gelegt und Ursula war begeistert aus dem Salon gegangen.

„Schön Kinder, lasst uns da hoch gehen! Da vorn beginnt der Pfad“, verlangte Yumiko mit feierlicher Miene und schob sich ihre Handtasche energisch in die Armbeuge. Den alten Hajime bedachte sie mit einem kaum merklichen Nicken und setzte sich in Bewegung.

„Also gut, dann müssen wir wohl!“ Ein kläglicher Seufzer entwischte der sonst so disziplinierten Ursula, als sie mit Shinji unter dem zinnoberrot leuchtenden Shintô-Tor hindurchschritt. Fast im Gleichschritt liefen sie durch den uralten Kiefernwald, die moosbedeckten Steinstufen zur Wohnstätte lustaffiner Gottheiten hinauf.

„Diesmal wird unser Wunsch erhört. Ihr werdet sehen“, kündigte Yumiko mit einem Lächeln auf den schmalen Lippen an, während sie mit Leichtigkeit die letzte Stufe nahm. Aus ihrem Mund klang die Prophezeiung glückverheißender Wunscherfüllung beinahe bedrohlich. „Habe ich euch eigentlich erzählt, dass das hier der Schrein ist, in dem Hajime und ich damals vor zweiundvierzig Jahren um ein Baby gebeten haben“, lüftete Yumiko ihr Geheimnis und ein Hauch von sentimentaler Nostalgie huschte über ihr feines Gesicht.

„Ja, so war es, Shinji. Hier haben deine Mutter und ich damals die Götter um dich gebeten“, pflichtete Hajime seiner Frau mit einem behäbigen Lachen bei und schob sich wie immer die Brille zurück auf die Nase.

„Und prompt war ich in anderen Umständen mit dir, Shinji“, erinnerte sich Yumiko lachend, mit dem Ausdruck der Glückseligkeit im feinen, blassen Gesicht. Sie strahlte, als kehrte soeben die Jugend zurück in ihre gealterte Brust. Im dunkelblauen Sommerkostüm wirkte sie so elegant wie schon lange nicht mehr. Um ihre sorgfältig ausgewählte Garderobe hatte sich sogar die feierliche Aura des Besonderen gelegt. Von Anfang an war etwas anders gewesen als sonst. Erst jetzt fiel es Ursula wie Schuppen von den seegrünen Augen, warum sie ausgerechnet den langen Weg von Yokohama nach Shikoku zurücklegen mussten. Nichts mehr schien neuerdings mit bloßer Willkür zu geschehen. Sie waren nicht einfach so aufgebrochen, um irgendeinen x-beliebigen japanischen Fruchtbarkeitsschrein mit Kinderwunschlizenz zu besuchen. Diesmal wohnte dem Familienausflug der Masudas ein besonderer Ernst inne. Offenbar setzte Yumiko all ihre Hoffnung in einen unheimlichen Ort mitten im Kiefernwald, an der verlassenen Küste im Süden der Präfektur Ehime, irgendwo auf der kleinsten Hauptinsel Japans. Hinter dem zinnoberroten Tor wartete eine geheimnisvolle Gottheit nur darauf, der alten Yumiko zum zweiten Mal im Leben ihren sehnlichsten Herzenswunsch zu erfüllen.

Shinji grinste, als wollte er Gefallen daran finden, ausgerechnet am bedeutungsschwangeren Ort seiner vorexistenziellen Wurzeln um baldiges Vaterglück zu bitten. Um Ursulas verhaltene Teilnahme schien er sich erst gar nicht zu kümmern, so, als wären sie sich alle einig gewesen, wie ein vierblättriges Kleeblatt, das sich nichts mehr herbeisehnte als ein fünftes Rad am Wagen.

Ursula seufzte im Stillen. Sie gab sich alle Mühe, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Danken wir den Göttern, für die Errungenschaften der Medizin, dachte sie und augenblicklich musste sie lächeln. Manche Gedanken zauberten ihr sogar in den unerquicklichsten Situationen des Lebens ganz von selbst eine fröhliche Gelassenheit ins Gesicht. Dank der rosafarbenen Pillen in Ursulas Kosmetikbeutel würden auch in Zukunft sämtliche Gebete der Schwiegereltern unerhört bleiben, ganz egal, welcher Fertilitätsgottheit sie Ursula vorstellen wollten. Jeder hatte eben seine kleinen Geheimnisse und Ursula fühlte sich nicht einmal schlecht dabei. Manche Geheimnisse waren schlicht und ergreifend notwendig. Es war eben nicht die richtige Zeit für Nachwuchs, so, wie es in den vergangenen elf Jahren für Ursula niemals den richtigen Moment gegeben hatte. Jetzt, wo das Hibiskus expandieren sollte, erschien Ursula der Gedanke an Familiengründung erst recht vollkommen absurd. Shinji hätte sich mit guten Argumenten vielleicht noch zur Vernunft bringen lassen. Mit den Schwiegereltern, vor allem mit Yumiko, war das so eine Sache. Mit ihr war über die Jahre hinweg jegliche Diskussion zwecklos geworden, das wusste Ursula nur allzu gut. Für die Schwiegermutter drehte sich das Leben nur noch um ein einziges Thema – um das sehnsüchtig erwartete Enkelkind. Kein Tag verging, ohne einen mütterlichen Hinweis auf die biologische Uhr, die für Ursula wieder um ein Quäntchen lauter tickte, seit sie vierzig geworden war.

„Ihr müsst jetzt mal zur Ruhe kommen, nicht so viel arbeiten“, hatte Yumiko immer wieder von Ursula verlangt. Erst am vergangenen Wochenende hatte sie Ursula ein medizinisches Fachjournal auf den Frühstückstisch gelegt. „Da steht es! Stress verursacht die Deformation der Spermien und Frauen macht er im schlimmsten Fall unfruchtbar“, ließ sie ihre Schwiegertochter mit ernsthaft besorgter Miene wissen.

„Ja, aber ich empfinde meine Arbeit nicht als Stress. Das Resort ist unser Leben, Mutter. Es erfüllt mich“, hatte Ursula eine höfliche Widerrede gewagt und damit nichts weiter als Unverständnis geerntet.

Yumiko hatte sich unterkühlt von Ursula abgewendet, ihr eigenes Frühstück auf ein Tablett gepackt und die verdutzte Ursula mit der Zeitschrift allein zurückgelassen. „Puh, du meine Güte“, hatte Ursula nur gemurmelt, das Magazin zugeschlagen und in der Kiste mit Hajimes Angelzeitschriften verschwinden lassen. Ihr war es vollkommen schnuppe, wie deformiert Shinjis Spermien sein mochten und um ihre eigene Unfruchtbarkeit kümmerte sie sich ohnehin selbst, klammheimlich, ohne ein Wort darüber zu verlieren. „Es ist mein Leben, meins“, hatte Ursula schließlich in ihrer Muttersprache gemurmelt, unverständlich für jedes japanische Ohr im Hause Masuda, und dann hatte sie mit Genuss in ihr krosses, goldbraunes Toastbrot mit Orangenmarmelade gebissen. Warmer Toast war einfach wunderbar, wenn die Butter unter einer glänzenden Schicht Konfitüre einfach so wegschmolz und sich ebenso verdünnisierte wie die unangenehmen Gedanken an Yumikos unerschütterliche Idee, bald eine richtige Großmutter zu werden.

Jetzt lief Ursula neben einer hoffnungsvoll strahlenden Yumiko geradewegs auf ein düsteres Holzgebäude zu. Der dürftig gepflasterte Pfad mündete in einen lichtlosen Schlund, den ein gewaltiges Strohseil unterhalb des Giebels zierte.

„Ah, hier war es also“, bestaunte Shinji den schicksalsträchtigen Ort und sog die frische Luft durch seine feine, ebenmäßige Nase ein. Er atmete, als wollte er ein Stück Geschichte inhalieren, seine eigene Geschichte, die angeblich genau vor seinen Füßen ihren Lauf genommen haben sollte, noch bevor sich das Erbgut seiner Eltern Hals über Kopf in die gemeinsame Zellteilung gestürzt hatte. Tatsächlich zeichnete sich das Erbgut seiner Eltern in Shinjis Gesicht ab. Er hatte zweifellos Yumikos feine Züge um die Augen, ihre schmalen Lippen und dazu Hajimes volle, wohlgeformte Augenbrauen, die sogar noch hinter seiner Goldrandbrille sichtbar hervorstachen. Das leicht kantige Kinn hatte Shinji ebenfalls von seinem Vater geerbt, wenngleich es die zarte Erscheinung seiner Mutter war, die in den Gesichtszügen des Sohnes überwog.

„Ja, so ist es, genau hier!“ Yumiko keuchte, als sie ihren Fuß auf die letzte der fast vierzig Steinstufen gesetzt hatte. „Dein Vater und ich, wir haben auf der Reise nach Matsuyama von diesem ganz besonderen Schrein gehört.“ Als berührte sie die Nostalgie längst vergangener Tage, lächelte Yumiko versonnen in sich hinein. „Wir waren schon fast dreißig“, fügte sie schließlich fast ein wenig bittersüß hinzu. Mit inszenierter Unauffälligkeit warf sie ihrer Schwiegertochter einen ihrer bedauernden Blicke zu, die zugleich die Hoffnungslosigkeit und Tragik der Kinderlosigkeit einer Vierzigjährigen in sich vereinten. Es waren jene Blicke, die Ursulas Unbehagen weckten, ihr auf eine unbegreifliche Weise für einen flüchtigen Augenblick das Gefühl des Scheiterns, der Unzulänglichkeit bescherten. Im nächsten Moment hatte sich das Gefühl schon wieder in Luft aufgelöst, war fort, wie vom Frühlingswind davongetragen.

„Ich weiß!“ Ursula klang unbeteiligt, ein wenig kurz angebunden und doch hatte sie ihn genau verstanden, den Seitenhieb, den Yumiko ihr soeben zugespielt hatte – ihr, der Vierzigjährigen, die nicht einmal betrübt darüber war, noch keine Mutter zu sein.

Sie konnte es sich doch selbst nicht erklären, weshalb sie kein Bedürfnis verspürte, Mutter zu werden. In der Tiefe ihrer Seele war ihr der Grund dafür auch ganz egal, wäre da nicht immer wieder Yumikos Unerbittlichkeit gewesen, die halsstarrigen Erwartungen einer unbeugsamen Schwiegermutter. Yumikos allgegenwärtige Ansprüche waren es, die Ursula in letzter Zeit zu schaffen machten.

„Nun, vielleicht sollten wir ja einen Arzt konsultieren, einen richtigen Spezialisten“, hatte Shinji nach dem vorletzten Schreinbesuch in Chiba zaghaft vorgeschlagen und schlagartig Ursulas Zorn auf sich gezogen.

„Nein!“, hatte sie mit scharfem Unterton und zusammengekniffenen Augen erwidert. Ein Nein, das war weit mehr, als man in Japan einfach so, ohne jegliche Beschönigung, ohne jeden Versuch des Kaschierens über die Lippen lassen durfte. Shinji war erschrocken zusammengezuckt und hatte seine Frau sprachlos angesehen.

„Tut mir leid, Shinji. Ich will mich einfach erst einmal selbst drum kümmern. Ich spreche mit meinem Arzt“, hatte Ursula beschwichtigend entgegnet, wohl wissend, dass sie ihrem Mann das Blaue vom Himmel verhieß. Manchmal hätte Ursula am liebsten ein für alle Mal klargestellt, dass sie überhaupt nicht schwanger werden wollte, wenn Shinji und die Schwiegereltern am Familientisch über Nachwuchs plauderten und Kinderzimmerideen spannen, aber das war in der traditionsbewussten Familie ihres Mannes aussichtslos. Ursula wusste genau, was Konflikte in Japan bedeuteten. Die nüchterne Wahrheit wäre das Ende ihrer Ehe mit Shinji gewesen, das Ende ihrer gemeinsamen Erfolgsgeschichte.

Das Gespräch mit dem Arzt war eine Notlüge gewesen, sonst nichts und wenn man die Sache einmal genauer betrachtete, so war es vielleicht nicht einmal das.

Sie hatte schließlich mit ihrem Arzt des Vertrauens über Empfängnis gesprochen und wie man ein derartiges Schicksal als Vierzigjährige weiterhin erfolgreich vermied.

„Sie sind kerngesund und nichts spricht dagegen, auch weiterhin die Pille einzunehmen“, hatte ihr der Gynäkologe beim letzten Besuch versichert.

Ursula hatte also weiß Gott mit dem Arzt gesprochen und war am Ende zufrieden aus der Praxis gegangen. „Nichts spricht dagegen“, hatte sie Shinji beim Abendessen mit den Worten ihres Gynäkologen informiert und dabei verständnisvoll gelächelt.

„Ah, dann müssen wir nur weiter … ja … es ist großartig“, hatte Shinji nicht weniger kryptisch erwidert und genussvoll in den goldgelb gekleideten Körper einer frittierten Riesengarnele gebissen.

Ursula hatte ihm zugenickt und mit einem stillen Lächeln geantwortet. Auch wenn sie sich oft danach sehnte, im Hause Masuda direkt und ohne Umschweife klarzustellen, dass ein Kind für sie nicht infrage kam, hatte sie die japanische Art miteinander zu reden, im Lauf der Jahre zu schätzen gelernt. Man begnügte sich mit wenigen Worten und am Ende zählte nichts als die Harmonie, der Hafen kollektiver Behaglichkeit. Erst mit Shinji hatte Ursula wahrhaftige Harmonie kennengelernt, eine Harmonie, die bereits mehr als elf Jahre überdauert hatte. Elf Jahre Harmonie fühlten sich an wie eine Ewigkeit, reichten schon fast an einen Weltrekord. Im Lauf der Zeit war der Teppich im Hause Masuda allerdings verdächtig dünn geworden. Zu viele sperrige Puzzleteile ihres Lebens hatten Ursula und Shinji der Harmonie zuliebe einfach daruntergekehrt, um obenauf mit prickelndem Champagner auf einen Stern nach dem anderen anzustoßen.

Sie hatten es geschafft! Vier goldene Sterne glänzten in der Lobby ihres Resorts und erfüllten Ursula mit Stolz. Nur im Teppich ihres gemeinsamen Lebens, da hatten sich langsam die Fäden gelöst. Der Wurm hatte sich eingenistet, seit die ungnädige Yumiko angefangen hatte, mit hocherhobener Hand die biologische Uhr vor Ursula herzutragen. Immerhin hatte sich auch Shinji vor geraumer Zeit einem klinischen Test unterzogen und sich seiner Fruchtbarkeit vergewissert. Wenigstens schien Yumiko noch immer unerschütterlich auf ihre Gottheiten zu vertrauen und darin konnte Ursula das Glück im Unglück sehen. Am Ende des Tages erschien ihr jede noch so qualifizierte Gottheit weniger bedrohlich als die wunderwirkenden Weißkittel in der Gynäkologie.

„Sieh doch nur Hajime, da drüben unter der windschiefen Kiefer, da haben wir damals unser Ema-Täfelchen festgeknotet“, erinnerte sich Yumiko nun und riss Ursula mit ihrer Überschwänglichkeit aus ihren Gedanken. Ema-Täfelchen, so lautete das Stichwort für den hölzernen Kern des Rituals. Ursula konnte sich nicht entsinnen, wie viele der bunt lackierten Sperrholz-Grußkarten sie den Göttern schon auf hoffnungslos überladenen Wunsch-Wäscheleinen hinterlassen hatten.

Hajime stimmte mit seinem schwerfälligen Lachen in Yumikos Begeisterung ein. „Aber ja, stimmt, da war es. Wie kräftig der Baum geworden ist. Er ist gar nicht mehr wiederzuerkennen.“

„Ah, wirklich?“ Mit stolzem Blick schwellte Shinji wieder einmal die Brust, als hätte sein Vater soeben von ihm gesprochen, von Shinji, seinem einzigen Sohn, der sich in den zweiundvierzig Jahren seines Lebens zu einem attraktiven Mann im besten Alter entwickelt hatte. Sicherlich zeichnete sich neuerdings ein kleines Bäuchlein unter dem eng gewordenen Hemd ab und das ein oder andere graue Haar zog sich wie ein Silberfaden durch das seitlich frisierte Deckhaar. Nichtsdestotrotz war Shinji attraktiv und immer eine gepflegte Erscheinung.

Yumiko war die Erste, die am steinernen Wasserbecken nach der Bambuskelle griff, um sich die Hände und den Mund mit frischem Quellwasser zu reinigen. Ehrfürchtig trat sie vor das Tor zum Allerheiligsten, warf eine Fünf-Yen-Münze in eine verwitterte Holzkiste und zog energisch am bunten Glockenseil, um mit blechernem Gebimmel die Aufmerksamkeit der Götter auf sich zu ziehen. Versunken wie ein Zen-Mönch sah sie aus, als sie sich verbeugte und zweimal in die Hände klatschte, ehe sie stillschweigend im Gebet verharrte. Das Spiel hatte begonnen.

Ursula seufzte kummervoll und folgte Shinji im Gleichschritt zum Wasserbecken. Zwischen Yumiko und Shinji starrte sie ins Herz des Schreins, in die modrig riechende Düsternis, aus der ihr nichts als ein übermenschlich großer, glatt polierter Holzpenis entgegenblickte. Wie ich diesen Unsinn hasse, dachte sie insgeheim und verbeugte sich vor dem hölzernen Unikat, das sicherlich zwei komplette Zollstöcke beansprucht hätte, um seine Gesamtlänge abzubilden. Ein gewisser Fumiyoshi Kanda aus Ikata musste sein Leben einst, vor mehr als einhundert Jahren, der Herstellung überdimensionaler Geschlechtsteile aus ganzen Baumstämmen gewidmet haben. So verriet es zumindest die verwitterte Gedenktafel, die unter dem zweifelhaften Kunstwerk unübersehbar schief am Podest festgenagelt war. Bald würde der Name des Künstlers so gut wie verblichen sein, doch sein Werk würde weiter glänzen und frisch poliert auf die nachfolgenden Generationen junger Paare warten. Zum hundertsten Mal stieß Ursula an diesem Tag einen leisen Seufzer aus. Diesmal war es die unverrichtete Arbeit zu Hause im Hotel, die sie bedrückte. Ursula hatte noch nie besonders viel von Familienausflügen gehalten. Freiwillig war sie seit Langem nicht mehr einfach so, ohne triftigen Grund verreist. Triftige Gründe hatten für Ursula immer irgendetwas mit dem Hibiskus-Resort, mit Messen, Geschäftsterminen mit Investoren und wundersamer Finanzvermehrung zu tun. Ein einhundertfünfjähriger Holzphallus, umgeben von den modrigen Ausdünstungen feuchter Holzwände, war in Ursulas Augen keineswegs ein Grund, um den Wagen auch nur einen einzigen Kilometer über den Stadtrand hinauszubewegen.

Durch den Kiefernhain drang leises Gelächter, gedämpft und wie in Watte gepackt. Als die Stimmen näherkamen, entdeckte Ursula vier junge Frauen, die ausgelassen schwatzend auf den Schrein zusteuerten. Plötzlich verstummte das Gelächter und die ausgelassene Clique verfiel in ehrfürchtiges Schweigen. Sie hatten die Masudas entdeckt, verbeugten sich höflich und zogen es ganz offensichtlich vor, ab sofort hinter vorgehaltenen Händen miteinander zu tuscheln. Erst jetzt erkannte Ursula den Grund hinter all dem Gelächter. Höchstens Ende zwanzig mochten die vier Frauen sein, die jetzt auf den Steintreppen saßen und rosige Wassereiskuriositäten am Stiel aus bunten Papiertüten holten.

„Du meine Güte, das ist ja …?“ Ursula musste zweimal hinsehen, als eine der vier Frauen ihren dezent geschminkten Mund öffnete, um einem klebrig angetauten Fruchteispenis die mit Schokolade überzogene Spitze abzubeißen. In der Szene lag eine Komik, die Ursula für einen Moment ihr Unbehagen vergessen ließ. Laut glucksend musste sie loslachen und hätte es fast versäumt, sich die Hand vor den sandelholzfarben geschminkten Mund zu halten, so wie es der Etikette entsprach. Seit sie in Japan lebte, hatte sie unglaublich viele Kuriositäten kennengelernt, aber so etwas war ihr bis jetzt noch nicht untergekommen. Doch schon im nächsten Augenblick blieb ihr das Lachen im Halse stecken. Sie hatte das fröhliche Blitzen in Yumikos mandelförmigen Augen entdeckt und ahnte, es war zu spät. Übers ganze Gesicht strahlte Yumiko beim Anblick der obszönen Eisspezialitäten und selbst über ihre blassen Wangen hatte sich ein zarter Hauch von Rosé gelegt. Ein nostalgisches Gefühl musste sie von einer Sekunde auf die andere aus ihrer Andacht gerissen haben.

„Hajime, sieh doch! Die gibts noch immer hier!“ Yumikos Stimme überschlug sich beinahe.

„Ja wirklich, tatsächlich!“ Hajime lachte bedächtig, während er sich mit einem Taschentuch den verschwitzten Nacken trocknete. Die Frühlingssonne schien schon ungewöhnlich warm für Ende April, viel zu kräftig für Hajimes dunkelblaues Wollsakko. Hajime liebte es, an sonnigen Tagen Angeln zu gehen und diesem Hobby verdankte er letztlich auch seinen gesunden Teint, der das volle weiße Haar erst recht zur Geltung brachte. Heute sah er erschöpft aus, fast ein wenig bleich um den Mund. Yumikos überschwängliche Begeisterung schien ihn nicht wenig anzustrengen und doch bemühte er sich, die nostalgische Freude seiner Frau zu teilen. „Ich kann mich noch gut erinnern“, sagte er und sah Yumiko gerührt an.

„Oh ja, was für eine Überraschung, und es sind genau dieselben“, frohlockte Yumiko. So aufgekratzt hatte Ursula ihre Schwiegermutter seit einer Ewigkeit nicht mehr erlebt. Mit glänzenden Augen blickte sie in die Runde und schenkte den jungen Frauen schließlich ein fast übertriebenes Nicken. Wie immer schien Yumiko ihre liebste Rolle zu spielen, die Lebenserfahrene, die junge Frauen mit ihrem Lob bedachte, wann immer sie auf dem richtigen Weg waren. Yumikos richtiger Weg hatte zwangsläufig mit dem traditionellen Rollenverständnis aus der Edo-Zeit zu tun, das wusste Ursula nur zu genau. Für Yumiko schien es gar keine Rolle zu spielen, dass die Edo-Periode auf der Zeitleiste in den Geschichtsbüchern schon ziemlich weit nach hinten gerutscht war. Ursula wusste, sie war eine verirrte Seele in Yumikos Augen und meist war sie sogar froh darüber. Hajimes Atem streifte Ursulas Nacken, während er auf seine tiefe, behäbige Weise lachte. Die Gedanken an vergangene Zeiten schienen ihn zu amüsieren. Yumiko hingegen war längst drauf und dran, sich zu den vier jungen Frauen zu gesellen.

„Wisst ihr, so einen hab ich hier als junge Frau schon verspeist“, suchte Yumiko das Gespräch und schien ganz offensichtlich in ihren Erinnerungen zu schwelgen.

„Himbeere. Die gibts da drüben, neben den Glücksbringern“, erklärte eine der Frauen mit glänzenden Fruchteislippen und schenkte Yumiko ein strahlendes Lachen. Sie würde mit Sicherheit bald voll und ganz im Mutterglück aufgehen, daran hegte Ursula nicht den geringsten Zweifel.

„Nichts hat sich verändert hier. Ich glaube, ich hole Eis, für meine Schwiegertochter. Sie ist schon vierzig“, verriet Yumiko den kichernden Frauen zu allem Überdruss und lief schnurstracks die Treppen hinunter, um zwischen den Kiefern zu verschwinden.

„Oh nein, bitte nicht“, stammelte Ursula peinlich berührt, doch niemand schien ihre flehenden Worte zu hören. Hajime und Shinji waren in ein Gespräch vertieft, schienen gedanklich weit fort zu sein, irgendwo in vergangenen Zeiten.

„Ja mein Sohn, ich habe schon damals gespürt, dass diesem Ort hier eine magische Kraft innewohnt. Deine Mutter und ich, wir haben uns damals vorgenommen, noch einmal wiederzukommen, um den Göttern zu danken“, hörte Ursula ihren Schwiegervater in Erinnerungen schwelgen.

So wenig ihr Mann und Hajime sich für gewöhnlich zu erzählen wussten, so gespannt lauschte Shinji mit einem Mal den alten Geschichten seines Vaters, als wollte er wissbegierig jedes noch so kleine Detail über den geheimnisvollen Ort seiner Wurzeln aufsaugen. Ursula rollte die Augen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sehnte sich nach dem berühmten Kelch, der bisweilen auf wundersame Weise an gepeinigten Menschen vorüberzog. Nichts zog vorüber, nichts als die flockigen Schäfchenwolken am Himmel.

„Rasch, beeil dich, Ursula, bevor es schmilzt!“ Yumiko sah ihre Schwiegertochter mit einem verzückten Lächeln an und hielt ihr, etwas außer Atem, die rosarote Zumutung aus Himbeereis vor die Brust.

„Aber, ich finde das nicht so schön, Mutter“, wagte Ursula vorsichtigen Protest. Sie hatte ihre Widerrede noch nicht einmal zu Ende gebracht, als Yumiko ihr das unappetitliche Eis am Stiel auf die Brust setzte. Ursula blieb nichts übrig, als angewidert nach dem klebrigen Holzstäbchen zu greifen. Ihre Schwiegermutter war in den Überschwang ihrer Jugend zurückgekehrt, war zu jedem Schabernack bereit und Ursula selbst hatte wenig Lust, den Rest des Tages mit Himbeerflecken auf dem champagnerfarbenen Sakko zu verbringen.

„Ein alter Brauch hier, Ursula, ein Glücksbringer, na los“, spornte die ungeduldige Yumiko ihre Schwiegertochter an, von der glücksverheißenden Süßigkeit zu naschen. Sogar die Männer hatten ihr Gespräch unterbrochen, um Yumikos Überredungskünste zu unterstützen. Es war Shinji, der ein prustendes Lachen ausstieß. Hajime legte die Hand auf Shinjis Schulter und nickte seiner Schwiegertochter aufmunternd zu.

Ursula wurde unbehaglich zumute. Fassungslos starrte sie in Shinjis belustigtes Gesicht, spürte klebriges Zuckerwasser über ihren Daumen laufen und sah es schließlich auf ihre Schuhspitze tropfen. „Bitte, iss du das für mich“, brachte sie gepresst über die Lippen und drückte dem amüsierten Shinji den hinschmelzenden Eispimmel in die Hand. „Entschuldigt mich, ich fühl mich grad nicht wohl“, zog sie sich in letzter Verzweiflung aus der Affäre und machte kehrt, um die Treppen hinab zu flüchten.

„Genau so hat es bei mir auch angefangen. Aber ja, das ist ein gutes Zeichen, glaubt mir“, hörte sie Yumiko eben noch mit freudiger Stimme prophezeien.

„Gott, wer soll das noch aushalten“, murmelte sie, wandte sich noch einmal um und lief mit eiligen Schritten die labyrinthartigen Stufen durch den Bambusgarten hinunter. Langsam war ihr das Leben mit Yumiko zu einem schrecklich beschwerlichen Spießrutenlauf geworden.

Endlich war sie allein, umgeben von grünem Bambus, von klackernden Rohren, die sich über ihrem Kopf verschlossen. Am liebsten wollte sie laut schreien, einfach so. Irgendwann war das Fass voll. Und das war jetzt. Sie wollte aus der Haut fahren, ertrug es nicht mehr, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Für einen Augenblick hielt sie inne, ballte ihre eisverklebten Hände zu Fäusten und schrie. Wie eine Verrückte schickte sie einen gellenden Schrei in den dichten Bambus hinein und erschrak selbst an seinem herzzerreißenden Klang. Aufmerksam betrachtete sie ihre Fäuste, ließ die Anspannung weichen und öffnete ihre Hände. Schreien konnte befreiend sein, in einer Welt, die viel zu viele Erwartungen bereithielt.

Keine zwanzig Treppen musste Ursula noch nach unten laufen, als sich das Ende der Sackgasse vor ihr auftat, ein sagenhafter Ausblick, der ihr den Atem raubte. Sie lehnte sich gegen das rustikale Holzgeländer und blickte auf das tiefblaue Meer hinaus, in die Ferne, bis in den aquarellblauen Horizont hinein. Am Fuß des Berges entdeckte sie eine kleine Siedlung auf einem Stück Land, das sich in eine wilde, von dunklem Wald gesäumte Bucht hinein erstreckte. Ein fast weißer Strand löste sanft die bizarre Wildheit ab. Natur, bisweilen konnte sie vor einem liegen wie ein Gemälde im Louvre, als wollte die Welt stillstehen, für Tausende und Abertausende von Jahren. Von einer Sekunde auf die andere war Ursulas Ärger wie weggeweht und war dem Gefühl der Faszination gewichen.

„Das ist es“, stieß sie ergriffen und entschlossen aus. In ihrem Kopf vollendete sich das Gemälde, ganz von allein, verwandelte sich in eine Welt schwimmender Farben, die ein Paradies der Luxusklasse in sich bargen. Die kleine Siedlung hatte sich im nächsten Moment vor Ursulas Augen in Luft aufgelöst. An ihre Stelle war ein harmonisch in die Bucht eingepasster Superkomplex gerückt. Sie konnte ihn im Geiste ganz genau vor sich liegen sehen, den schneeweißen Bau im klassisch mediterranen Stil. Verandatreppen führten durch dunkelgrünen Bambus mitten hinein in eine türkisfarbene Poollandschaft. Yoga- und Massageräume sah sie als Bungalows, mit Blick auf das offene Meer hinaus.

„Mein Gott, das muss Bestimmung sein“, stammelte sie überwältigt vor sich hin und drückte sich vor Aufregung die Hände vor die Brust. Dort unten wollte sie ihr neues Baby in die Welt setzen, das Hibiskus Royal, märchenhaft, harmonisch, auf einer unglaublich ebenmäßig geformten Landzunge, in einer von dichtem Grün gesäumten Bucht. Versunken in ihre Zukunftsvision lehnte Ursula am Holzgeländer, gab sich ganz hin, an die Bilder, die in ihrem Kopf entstanden, heranwuchsen, Farbe und Gestalt annahmen.

„Es ist einfach perfekt“, hauchte sie in die salzige Luft hinaus, als wollte sie der Szene mit einem einzigen Atemzug die Echtheit ihrer Fantasiegebilde einflößen. Wenngleich Ursula mit beiden Beinen fest im Leben stand, so gab es sie doch, die seltenen Momente, in denen sie die Welt um sich herum ganz einfach vergaß, fast so, als hätte nichts mehr außerhalb ihrer Vorstellungskraft existiert. In solchen Augenblicken fing sie üblicherweise damit an, eine außergewöhnliche Idee auszubrüten. Nicht einmal Shinji hatte sie den Pfad herunterkommen hören, bis er mit schriller Stimme ihren Namen rief und ihr mit banger Miene unmittelbar ins Gesicht blickte.

„Ursula, hier bist du ja. Wir haben dich aufschreien hören?“ Seine Sorge stand ihm ins Gesicht geschrieben.

Ursula lächelte und hob die Hand, um dem aufgeregten Shinji noch für einen Moment einzubremsen. Noch schwebte sie mittendrin, in der traumhaften Welt ihrer mediterranen Vision. Sie hatte ihre Idee vom Traumprojekt noch nicht ganz zu Ende gedacht. Eine blaue Kugel auf dem Türmchen neben dem Foyer sollte das Tüpfelchen auf dem I sein, das Markenzeichen ihrer Vision. Begeistert von ihrer Idee atmete sie Zufriedenheit hinaus auf das wunderbar blaue Meer. Jetzt war sie zurück und jederzeit für Shinji zu sprechen.

„Was ist los, Ursula? Mutter will mit uns die Ema-Tafel beschriften“, platzte es aus Shinji heraus. Seine Augen suchten die Szene ab, schweiften nervös umher, versuchten, in ihr zu lesen. „Ist alles in Ordnung mit dir?“ Hilflos stand Shinji neben seiner sichtlich entrückten Frau.

„Sieh dir das an, Shinji! Das ist es! Da unten ist es!“ Als streichelte sie ihre Vision in der Ferne, ließ sie ihre Hand durch die Luft gleiten.

„Was? Was ist da?“ Angestrengt blickte Shinji in die Bucht hinunter.

„Das da unten Shinji, das ist Gold wert. Das ist es, das ist der Ort, der unsere Investoren überwältigen wird. Das ist, wonach wir seit Monaten suchen.“ Selbst solch ein banaler Satz klang jetzt so unglaublich feierlich.

„Ursula, wie kommst du jetzt darauf? Wir sind hier, weil … weil … ja und Mutter wartet auf uns“, klagte Shinji in jämmerlichem Ton.

„Darum geht es jetzt nicht, verstehst du nicht! Da unten, da liegt das perfekte Grundstück für unsere Pläne, für das Hibiskus Royal, für einen Wellness-Tempel der Superlative.“ Wild entschlossen reckte sie ihr Gesicht der Bucht entgegen, wie ein Adler, der sich jeden Moment auf seine ahnungslose Beute stürzen will. „Ich muss da runter, Shinji! Ich muss herausfinden, wem dieses Land gehört“, verkündigte Ursula wild entschlossen.

Shinji schien ihn ganz genau zu kennen, den besonderen Ausdruck, der ihm soeben aus Ursulas Augen entgegenblickte. So benahm sie sich, wenn sie sich etwas so sehr in den Kopf gesetzt hatte, dass sie im selben Atemzug alle Hebel in Bewegung setzte, um an ihr Ziel zu gelangen. „Ursula …“, brach es entrüstet aus ihm hervor.

„Da unten, Shinji“, wiederholte Ursula mit der Aura der Entdeckerin. Tatendrang war in ihr hochgestiegen, in solch gewaltiger Fülle, dass die Energie durch jede noch so kleine Faser ihres Körpers strömte. Ursula war Feuer und Flamme, drauf und dran, in den Wagen zu steigen, um in die Bucht hinunterzufahren. Im nächsten Augenblick stutzte sie, betrachtete den rosaroten Fleck, der vorn auf der Brusttasche, auf Shinjis weißem Hemd prangte. Himbeere, fuhr es ihr durch die fantastisch entrückten Gedanken und schlagartig war sie zurück, sah ihn vor sich, den rosaroten Eispenis, den Yumiko für sie gekauft hatte. Shinji musste ihn seiner Mutter zuliebe aufgegessen haben, nicht ganz ohne Spuren auf seinem Hemd zu hinterlassen.

„Mutter wartet, Ursula, und wir haben doch sowieso längst über das Objekt in Hakone gesprochen“, wendete Shinji ein und griff nach Ursulas Ärmel. Seine Stimme hatte für den Bruchteil einer Sekunde versagt, noch ehe er die erste Silbe von Hakone über die Lippen gebracht hatte. Seine sonderbare Unsicherheit war Ursula nicht verborgen geblieben.

„Unsinn!“, tadelte Ursula ihren Mann mit einem verständnislosen Blick.

Shinji ganz allein war es, der plötzlich ständig vom Nationalpark Hakone sprach, von einer heruntergekommenen Anlage, in die es kein bisschen zu investieren lohnte. In Hakone hatte man über die Jahre hinweg ein Luxus-Resort neben dem anderen hochgezogen, direkt am Fuß des Mount Fuji. Man musste blind sein und naiv, um sich auf einen derartigen Deal einzulassen. Nie hatte sich Shinji um die Geschäfte gekümmert. Er hatte sich von Anfang an auf Ursulas Know-how verlassen und plötzlich verbiss er sich mit einer ungewöhnlichen Hartnäckigkeit ausgerechnet in die fruchtlose Sache im Nationalpark Hakone.

Ursula schüttelte den Kopf. „Ich möchte mir die Bucht da unten wenigstens ansehen und herausfinden, wem dieses traumhafte Stück Grund und Boden gehört“, verlangte sie, während sie die Treppen hochlief. „Betrachte es doch einfach als kleinen Ausflug und, ja, im Gegenzug werde ich ganz artig alles auf dieses Stück Holz kritzeln, was Yumiko will.“ Ursula wusste nicht nur, wie ungern Shinji seine Mutter enttäuschte, sie wusste vor allem auch, wie sich aus allem im Leben ein Deal herausschlagen ließ, immer und überall.

„Also gut, aber nur ein kurzer Ausflug“, stimmte Shinji hastig zu. Ursula hörte, wie er aufatmete, erleichtert, als wäre ihm ein gewaltiger Stein vom Herzen gefallen. Für Ursula waren der Schrein und seine phallischen Absonderlichkeiten zur Nebensache geworden. Alles, woran sie jetzt noch dachte, lag ihr zu Füßen, unten in der dunkelgrün gesäumten Bucht. Sie war kein bisschen mehr bei der Sache und dennoch lächelte sie. Vor weniger als einer Stunde hätte sie es nicht für möglich gehalten, ihrer Schwiegermutter noch einmal dankbar zu sein, für den ungeliebten Wochenendtrip in das verrückte Reich der Fruchtbarkeitsgötter. Jetzt wollte sie Yumiko am liebsten um den Hals fallen, sie küssen. Manchmal waren es eben die Ungläubigen, die im Diesseits von den Göttern ganz besonders beschenkt wurden, das war schon immer Ursulas Vermutung gewesen.

Yumiko hatte schon alles vorbereitet. Sie hatte eine Wunschtafel mit hellblauen Bändchen und Kaninchendekor besorgt. „Wir bitten um baldigen Kindersegen im Hause Masuda“, diktierte sie ihrer Schwiegertochter, die nun mit schwarzem Lackstift die üblichen Schriftzeichen auf die leere Seite der kleinen Tafel malte. Ursula summte dabei eine alte französische Melodie vor sich hin und ihre kurzen, dunklen Locken wippten über ihrer Stirn. „Du freust dich, Ursula?“ Yumiko schien soeben alle Hoffnung der Welt zu schöpfen.

„Aber ja, ich freu mich, Mutter, und zur Feier des Tages machen wir nach dem Essen eine kleine Spritztour. Wir fahren runter zum Strand“, verkündete Ursula ihre Pläne und überreichte Yumiko die korrekt beschriftete Wunschtafel.

„Ah, ich mach das schon, Mutter!“ Shinji war mit einem Satz zur Stelle und nahm Yumiko hastig das kleine Stück Holz aus der Hand. Mit Schweißperlen auf der Stirn legte er sich ins Zeug, als wäre es an ihm ganz allein gewesen, den Tag zu retten. Er musste gewusst haben, dass Yumiko es sich nicht nehmen lassen würde, mit feierlicher Miene danebenzustehen, wenn ihr Sohn den Kinderwunsch der ganzen Familie Masuda an den Ort seiner eigenen magischen Wurzeln übergab. In einem großen Moment wie diesem waren alle Fragen vergessen. Die Augen der Eltern ruhten andachtsvoll auf dem hellblauen Bändchen, mit dem Shinji die Wunschtafel im Potpourri unzähliger Baby-Wünsche am Holzzaun befestigte.

„Ja, genau an dieser Stelle haben wir damals unsere sehnliche Bitte festgeknotet!“ Yumiko staunte und beugte sich bescheiden nach vorn. Jetzt, zweiundvierzig Jahre später, waren die Masudas zurück und noch einmal ließen sie einen Herzenswunsch zurück, in diesem pastelligen Meer hingeschriebener Sehnsüchte. „Schon bald wird uns das Schicksal beschenken. Das spüre ich“, sagte Yumiko gerührt und verbeugte sich zum Abschied.

„Es wird“, unterstrich Ursula die hoffnungsvolle Gewissheit ihrer Schwiegermutter. Ihr Blick schweifte in die Ferne, durch das pastellige Meer der Wünsche hindurch, dorthin, wo der Hang hinter dem Bambushain steil nach unten abfiel, in eine grüne Ebene, die in eine unberührte Traumbucht mündete.

„Es wird“, sprach Ursula noch einmal zu sich selbst. Für einen kurzen Augenblick sahen sich die beiden Frauen in innigster Einigkeit an, so, wie sie es schon lange nicht mehr getan hatten.


Kapitel 2

Hausgemachte Gyoza hatte die Tageskarte im Gasthaus neben der Pension versprochen, ohne einen Hehl daraus zu machen, dass der Wirt erst in der vergangenen Woche die vierte regionale Auszeichnung für seine unübertroffenen Teigtaschen erhalten hatte. Die leer gegessenen Teller verrieten nicht nur, wie hungrig die sonderbare Pilgerreise die Masudas gemacht hatte, sondern obendrein, wie fantastisch die preisgekrönten Teigtaschen wahrhaftig geschmeckt hatten. Hajime hatte sich am Ende ein zweites Gyoza-Set mit Misosuppe bestellt und sogar das Reisschälchen bis auf das letzte Körnchen geleert.

„Ein Gedicht von Gyoza, und der Reis, jawohl, so sieht guter Reis aus. Die Körner müssen kleben, ohne dabei Glanz und Form verloren zu haben“, gab Hajime seine berühmte Unterweisung in Sachen Reis.

„Natürlich“, erwiderte Ursula und verstand nur allzu gut die versteckte Kritik in Hajimes Worten. Seit das Hibiskus kein einfaches Familienhotel mehr war, wurde dort auch keine handfeste Hausmannskost mehr serviert. Man konzentrierte sich jetzt auf andere Vorzüge, die Ursula schon lange nicht mehr mit ihrem Schwiegervater diskutierte. Diskutieren – allein das Wort zählte in ihrer Wahlheimat nicht gerade zu den beliebtesten Vokabeln, so viel hatte Ursula recht schnell begriffen. „Wie mein Schwiegervater schon sagte, sie sind exzellent, Ihre Gyoza“, richtete Ursula stattdessen ihr Wort an Shunsuke den Wirt, der sich geschmeichelt über den ergrauten Haarschopf strich. Er war ein stämmiger Mann mittleren Alters, der in Jeans steckte und ein Shirt mit Sushi-Print unter einer blauen Arbeitsjacke trug.

„Oh, ich bitte Sie. Wir haben nichts als einfache Küche hier“, erwiderte der Wirt in aller Bescheidenheit und rückte sich verlegen sein blau-weißes Stirnband zurecht.

„Doch, absolut. Aber sagen Sie, da unten, diese Bucht, das ist ja ein besonders schönes Fleckchen Erde“, kam Ursula schließlich auf die wirklich interessanten Fakten zu sprechen und bedachte Shunsuke mit dem sympathischen Vorzeigelächeln der Geschäftsfrau.

„Ah, ja ja, sie meinen da unten, die Siedlung bei der Salzfarm.“ Gutmütig nickte Shunsuke und machte sich daran, den Tisch abzuräumen.

„Die Siedlung, genau. Wer hat denn das Glück, da unten zu leben?“ Ursula brannte geradezu darauf, so viel wie möglich über die begehrte Bucht zu erfahren.

„Da unten ja, da findet man Ursprünglichkeit, da lebt unsere Tomoko mit ihrer Kommune, alles naturverbundene Leute“, gab der arglose Wirt Auskunft. „Der Rettich und die Kräuter für die Gyoza das kommt alles von dort, alles ökologisch, keine Pestizide.“ Der rundliche Shunsuke nickte höflich, um mit einem Stapel Geschirr wieder in der Küche zu verschwinden.

„Eine Kommune? Gott im Himmel“, murmelte Ursula betreten vor sich hin und erntete Yumikos fragende Blicke. Mit einer Kommune hatte sie weiß Gott nicht gerechnet. Wenn Ursula ehrlich war, so hatte sie auf ein ausgestorbenes Dorf gehofft, allenfalls auf ein paar betagte Hausbesitzer, die sich erfahrungsgemäß ohne große Mühe in ein Gesamtkonzept integrieren ließen. Geld bewirkte eben manchmal Wunder.

Shinji hatte es die Sprache verschlagen, wie so oft, wenn seine Frau geradewegs und unverblümt, ganz ohne jede weibliche Zurückhaltung auf ein neues Ziel zusteuerte. Aufgeregt räusperte er sich, um den Frosch aus dem Hals zu vertreiben. „Mutter, Vater, ihr seht müde aus!“ Shinji konnte seine Nervosität nicht verbergen, die ihm nicht nur als glänzender Schweiß aus jeder Pore drang, sondern obendrein seine Stimmlage um zwei Nuancen nach oben ausbrechen ließ. Nichts schien er mehr zu fürchten, als das jähe Ende einer wunderbaren Harmonie, wie sie Yumiko und Ursula urplötzlich mit einer warmen Aura der Zuversicht umspielte.

Nicht auszudenken, wenn Mutter den wahren Grund für meine gute Laune spitzbekommt, erahnte Ursula Shinjis unausgesprochene Kritik.

„Nun also, tatsächlich bin ich ziemlich erschöpft. Shinji, Ursula, wenn es euch nichts ausmacht, allein zum Strand zu fahren, also, ich würde mich drüben im Zimmer gern etwas hinlegen“, entschuldigte sich Yumiko. Sie schien mehr als erleichtert zu sein, den Strandbesuch ohne großes Aufsehen absagen zu können.

Selbst Hajime, den seine Angelleidenschaft normalerweise an jedes Gewässer zog, vermochte sich gerade noch für seine müden Knochen zu entschuldigen, als der Wirt ein Tablett mit Reiskuchen auf den Tisch stellte.

„Bitte, für meine ehrenwerten Gäste aus der Stadt. Selbstgemachte Beifuß-Mochi von Tomoko. Grüßen Sie sie, wenn Sie ihr da unten begegnen.“ Es schien Shunsuke eine Freude zu sein, Großstadttiere wie die Masudas mit regionalen Köstlichkeiten zu bewirten.

„Lecker!“ Im Chor bekundeten Yumiko, Shinji und Hajime ihre Begeisterung.

„Ja, wirklich, ausgezeichnet“, bestätigte Ursula wie immer separat, mit etwas Verzögerung und strengte ihr Erinnerungsvermögen an. Obwohl es gewiss der erste Beifuß-Mochi in ihrem Leben war, kannte sie den eigenwilligen Geschmack, den der Beifuß im Klebreis hinterließ. Die Füllung aus roter Bohnenpaste zerging ihr auf der Zunge, wie süßer Samt, unvergleichlich fein. Tomoko, sprach Ursula den Namen der Fremden im Stillen aus, ohne sich ein imaginäres Gesicht ausmalen zu können. Ursula hatte ein Faible für alles Eigensinnige. Tomokos Beifuß-Mochi gehörten zweifellos dazu.

„Danke, vielen Dank“, bemühte sich Shinji wie gewohnt um ein höfliches Schlusswort und half Yumiko in ihre dunkle Jacke. Seine fahrigen Hände verrieten, wie eilig er es doch hatte, Yumiko und Hajime auf ihr Zimmer zu begleiten, sie ihrem Futon anzuvertrauen, noch bevor ihnen der wahre Grund für Ursulas enthusiastischen Frohsinn allzu bewusst werden würde.

„Angenehme Nacht wünsche ich Ihnen“, verabschiedete der Wirt seine Gäste mit einem freundlichen Nicken.

„Vielen Dank, in unserem Alter macht so ein Schreinbesuch unglaublich müde“, erwiderte Hajime mit seinem üblichen, behäbigen Lachen, ehe er Yumiko und Shinji nach draußen folgte.

Ursula dachte weiter über die Frau namens Tomoko nach und malte sich eine buckelige Farmersfrau mit sprödem, hellgrauem Haar aus. Bestimmt sehnte sie sich nach Ruhe, diese abgearbeitete Seele, die den herben Geschmack des einfachen Lebens sogar in ihre sonderbaren Beifuß-Mochi zauberte.

„Sagen Sie, diese Tomoko, wie alt ist sie eigentlich?“ Neugierig musterte Ursula den Wirt. Shinjis entsetzter Blick war ihr dabei keinesfalls entgangen.

„Tomoko ist mit meinem Bruder zur Schule gegangen. Sie muss dieses Jahr fünfundvierzig werden“, erzählte Shunsuke vertrauensselig, während er den Tisch abwischte.

Fünfundvierzig, das war beileibe nicht, was Ursula erwartet hatte. In ihren Ohren klang fünfundvierzig wie mitten im Leben. Menschen ließen sich nicht gern aus der Mitte ihres Lebens verpflanzen, das wusste sie aus eigener Erfahrung. „Und das Land? Gehört es ihr ganz allein? Dieser Tomoko?“

„Hm, Sie scheinen sich ja sehr dafür zu interessieren“, bemerkte Shunsuke schließlich, hielt für einen Augenblick inne und legte den Lappen hinter der Theke ab.

„Och, Berufskrankheit, nichts weiter.“ Ursula versuchte es mit einem Lächeln und strich sich die dunklen Locken aus der Schläfe.

„Ah so? Nun ja, Tomoko hat das Land da unten geerbt, zusammen mit ihrem jüngeren Bruder. Familienbesitz, seit Generationen.“ Eine Spur von Argwohn hatte sich nun doch zwischen die dichten Brauen des Wirts geschlichen.

„So so, verstehe.“ Ursula nickte. Hastig griff sie nach ihrer Handtasche und stöberte im Seitenfach herum, nur um den Anschein von Beiläufigkeit zu vermitteln.

„Sie sind aber doch wegen des Schreins hier, oder nicht?“, wagte er eine vorsichtige Gegenfrage und warf ihr einen misstrauischen Blick von der Seite zu.

„Sicher, deshalb sind wir hergekommen“, erwiderte sie und klappte die Handtasche zu, ohne auch nur irgendetwas herausgenommen zu haben. „Auf diese Siedlung oder Kommune sind wir ganz zufällig gestoßen.“

„Ah, ja sicher. Also wenn Sie da unten einkaufen wollen, dann ruf ich Tomoko an. Da kriegen Sie das beste Gemüse weit und breit, hundert Prozent bio. Tomoko liebt ihren Garten“, warb Shunsuke für Tomokos Ökoverkauf und zückte im Nullkommanichts den lindgrünen Hörer eines betagten Retrotelefons.

Besser hätte die Kontaktanbahnung gar nicht laufen können. „Sie würden mir unglaublich weiterhelfen, wirklich!“ Ursula klatschte vor Begeisterung in die Hände. Der Tag, der so verdrießlich begonnen hatte, musste ihr Glückstag sein. Sie strahlte, als Shinji ganz allein durch die Tür des Gastzimmers kam. „Er ruft da unten in dieser Kommune an“, flüsterte sie ihrem Mann hinter vorgehaltener Hand zu. Mit einem Ohr belauschte sie den Wirt, wie er hinter der Theke in den Hörer plauderte. Er kennt sie wohl gut, diese Tomoko, ging es Ursula durch den Kopf.

Shunsuke sprach so vertraut mit der Frau am anderen Ende der Leitung, wie ein Bruder oder ein alter Freund. Er scherzte über dies und jenes, lachte mehrmals herzhaft auf und kündigte seinen eigenen Besuch für das darauffolgende Wochenende an. Seine Gäste aus Yokohama hätten die köstlichen Beifuß-Mochi mit Genuss vertilgt und würden nun gern die Farmerin mit dem besten Bio-Gemüse kennenlernen, erzählte er Tomoko und sie schien sich über das Lob zu freuen.

„Sie ist zu Hause und führt Sie gern herum“, verkündete er, nachdem er das Gespräch beendet hatte mit kindlich aufgeregter Stimme. Die Rolle des Vermittlers schien ihm das größte Vergnügen zu bereiten.

„Wunderbar, ich danke Ihnen“, freute sich Ursula und nun war Shinji der Einzige im Raum, der ein langes Gesicht der Besorgnis zog.

„Ich war nicht einmal fünfzehn Minuten weg“, murrte er, ohne seinen Mangel an Begeisterung zu verbergen.

„Es ist das Haus mit dem roten Gartentor und den Bohnenstauden im Beet. Tomoko ist im Garten, Sie können sie gar nicht verfehlen.“ Shunsuke stand mit einem zufriedenen Lächeln in der Tür, als hätte er soeben die beste Tat des Tages vollbracht.

„Du hast ihm nicht gesagt, was du da unten willst?“ Misstrauen lag in Shinjis Blick, als er Ursula musterte.

„Natürlich nicht! Was denkst du?“ Ursula schob Shinji sanft in Richtung Beifahrertür und setzte sich hinters Steuer. „Danke übrigens, dass du dieses etwas obszöne Eis für mich gegessen hast“, versuchte sie es mit versöhnlichen Worten.

„Keine Ursache!“

„War nicht gerade appetitlich anzusehen.“

„Hat aber gar nicht schlecht geschmeckt“, erwiderte Shinji auf seine pragmatische Art. Manchmal war Ursula froh darüber, dass Shinji das Food-Design bereitwillig Sato, dem Küchenchef, überlassen hatte. Früher, als das Hibiskus noch das Familienhotel Masuda gewesen war, hatte Shinji in der Küche noch selbst das Regiment geführt. Tagtäglich hatte er Nudelsuppe in Schalen gefüllt und Fleischspieße auf den Grill gelegt. Alsbald hatte das Hibiskus-Resort seine Pforten geöffnet und mit den Sternen waren über die Jahre die Ansprüche gestiegen. Die einfache Nudelküche war dem hochmodernen Gastrobetrieb zum Opfer gefallen und Shinji hatte nie besonders viel an gesunder Wellness-Kost oder an Asian Fusion für Gourmets gefunden. Umso mehr erstaunte es Ursula, wie sehr sich ihr Mann plötzlich für das unglückselige Luxusprojekt in Hakone einsetzte. Das renovierungsbedürftige Resort mit dem einstigen Sterne-Restaurant zog ihn mit einer beinahe magischen Kraft an den Fuß des Berges Fuji. Wenn Ursula daran dachte, wuchs augenblicklich die Skepsis in ihr. Hakone war so etwas wie eine Premiere. Zum ersten Mal in elf Jahren Ehe hatte Shinji seine Präferenz geradewegs über den Tisch hinweggesprochen und zum allerersten Mal wollte er sich den Fisch nicht ohne Weiteres vom Reisbällchen nehmen lassen.

„Wie dem auch sei.“ Ursula warf ihrem Mann einen verheißungsvollen Blick zu, so vielversprechend wie schon lang nicht mehr. „Gleich werden wir hoffentlich was richtig Atemberaubendes zu sehen bekommen“, verkündete sie aufgeregt. Das Herz wollte ihr aus der Brust hüpfen und dennoch steuerte sie die Limousine ruhig die kurvige Bergstraße hinunter. Eine schmale Straße schlängelte sich durch dichten Wald in die Bucht hinein. Sie verlief auf der Landzunge, direkt an der Siedlung vorbei.

„Ich dachte, wir suchen diese Tomoko?“ Shinjis Gesicht klebte am Wagenfenster, als hielte er Ausschau nach einer Frau im Bohnenbeet.

„Wir wollten doch einen Ausflug machen, Shinji, zum Strand“, gab Ursula den Ton an, so, wie sie es gewohnt war. Immerhin brauchten sie Tomoko nur dann zu besuchen, wenn sich das zauberhafte Fleckchen Erde auch aus der Nähe als ein Sechser im Lotto erweisen würde.

Shinji blies seinen Unmut mit dem gesammelten Inhalt seiner Lungen gegen das Wagenfenster. Es war nicht zu überhören, was er von Ursulas Exkursion zu halten schien. Wenn Shinji keine Lust auf etwas hatte, musste man ihn bitten, um jeden einzelnen Schritt. Als Ursula auf dem Parkplatz am Ende der Straße hielt, machte er noch nicht einmal Anstalten, aus dem Wagen zu steigen. Er stellte sich schlafend, ganz demonstrativ, so, wie er es immer tat, wenn Ursula für seinen Geschmack wieder einmal zu weit gegangen war.

„Na gut, dann sehe ich mich allein um!“ Ursula löste den Gurt und stieg aus dem Wagen. Kein bisschen sanft schlug sie die Fahrertür zu, ehe sie die mehr schlecht als recht zementierte Bootsrampe zum Strand hinunterlief. Shinji schmollte ohnehin nie lange, denn irgendwann trieb ihn die Neugierde von ganz allein aus seiner Reserve.

Der Strand lag wie ein weißer Teppich vor ihr, mit glatt geschliffenen Steinen durchsetzt. Seichtes Wasser schillerte hellblau in der Sonne und verschmolz irgendwo weit draußen mit tiefdunklem Blau.

„Das ist Wahnsinn! Ein Traum“, staunte Ursula und setzte einen ersten Fuß in ihre Zukunftsvision. Weißer, feiner Sand suchte sich den Weg durch die blütenförmig ausgestanzten Löcher ihrer Designerschuhe und drang durch ihre Nylons zwischen ihre Zehen.

„Huch, ich versinke“, stieß sie aus und flüchtete sich auf festen Boden. Hastig entleerte sie ihre sandgefüllten Schuhe und zupfte sich die Nylons von den Zehen. Schließlich seufzte sie resigniert und steckte ihre sandigen Füße zurück in die Schuhe. „Ein Spazierweg aufs Meer hinaus“, dachte sie laut und stellte sich einen hölzernen Steg vor, der über den Strand bis aufs Wasser hinausführte. In jeglichem Schuhwerk würden Hotelgäste in Zukunft vom Parkplatz bis hinaus aufs Meer spazieren können, ganz nach Belieben.

Ursula genoss es, sich ihre wunderbare Vision bis ins kleinste Detail auszumalen. Soweit ihre Augen im Schutz der Bucht zu sehen vermochten, erstreckte sich ein traumhafter Landstrich in das satte Grün der Wälder hinein. Die Natur war hier großzügig und verschwenderisch. Jetzt war es an erstklassigen Architekten, an Bauprofis, Investoren und nicht zuletzt an Ursula selbst, etwas Einmaliges zu schaffen, einen märchenhaften Ort, der durch wild-romantischen Luxus glänzen würde, harmonisch eingelassen in die Weite unberührter Natur. Ursula wusste nur zu gut, dass ihre Fantasie der Wirklichkeit um eine Weltreise voraus war. Aber nur so wurden Visionen geboren, Ideen, aus denen sich etwas Außergewöhnliches schaffen ließ.

Endlich würde sie zeigen können, welche Fähigkeiten in ihr schlummerten, was sie wirklich draufhatte. Sie konnte die überwältigten Gesichter ihrer Geschäftspartner ganz genau vor sich sehen. Ursula war die einzige Frau in der Riege nennenswerter Kooperationspartner und eine Fremde obendrein. Das hatte sie oft genug zu spüren bekommen. Immer hatte sie doppelt so hart arbeiten müssen, dreimal so überzeugend sein müssen, um sich in der Geschäftswelt der Männer zu behaupten. Stufe für Stufe hatte sie es nach oben geschafft und nun lag alles vor ihr, eine Traumbucht wie hingemalt, dazu eine Idee, die jedes andere Projekt um Längen toppen würde. Keine ganze Woche war es her, seit Ursula und Shinji Masuda mit Mishima und Co zu Abend gegessen hatten und mit dem Vorstand ihrer Hauptinvestoren über Innovationen im Wellness-Bereich gesprochen hatten. Neuland wollte man erschließen, so hatte es die Vorstandschaft ausgedrückt und die Masudas auf dezentem Wege wissen lassen, dass man keineswegs auf jedes x-beliebige Pferd aufspringen würde.

„Hier ist Neuland in Hülle und Fülle!“, flüsterte Ursula fast ehrfürchtig und wollte am liebsten in frenetischen Jubel ausbrechen, doch sogar in der menschenverlassenen Wildnis erschien ihr solches Verhalten höchst unprofessionell. Unglaublich dankbar war sie ihrer Schwiegermutter für diesen Ausflug, auf den sie zunächst gar keine Lust gehabt hatte. Hier an Ort und Stelle würde sich Neuland erschließen lassen, würden die Ideen nur so sprudeln, wie glasklares Wasser in einem bambusgesäumten Whirlpool. Ursula kniff die Augen zu, um im gleißenden Licht den Horizont zu erkennen. Die Zukunft lag vor ihr, dank Yumiko und ihrem Faible für sonderbare Rituale.

„Ursula? Ich dachte schon, du bist Schwimmen gegangen“, ertönte Shinjis Stimme aus dem Hinterhalt. Erstaunt wandte sich Ursula um. Shinji schmollte zwar niemals lange, aber so rasch hatte sie ihn nicht erwartet. Sanfter Wind fuhr ihr durchs kinnlange Haar, ließ ihre dunkelbraunen Locken sachte tanzen.

Er sollte mich doch langsam besser kennen, dachte Ursula und warf ihrem Mann einen unverwandten Blick zu. „Ich? Schwimmen? Im Meer?“ Ursula wurde unbehaglich zumute, wenn sie nur daran dachte. Seit sie denken konnte, war sie im Pool von Beckenrand zu Beckenrand geschwommen und obwohl sie durchaus sportlich war, konnte sie wirklich nicht behaupten, eine gute Schwimmerin zu sein. Ursula liebte das Meer und doch hatte sie sich nie hineingewagt. Das Meer war eine andere Welt, faszinierend und unberechenbar zugleich. Man wusste nie, was sich in der dunkelblauen Tiefe verbarg. „Schwimmen im Meer“, wiederholte sie leise und ließ ihre Augen über die glitzernde Wasseroberfläche schweifen. Es muss wunderbar sein, das salzige Wasser des Ozeans auf der Haut zu spüren, ging es ihr durch den Kopf. Plötzlich sehnte sie sich danach, einfach einzutauchen und das fremde Gefühl am eigenen Leib zu erleben. „Salzwasserpools“, murmelte sie und erinnerte sich an ein Wahnsinnsprojekt in Dubai, das sie auf der letzten Gastronomie-Messe so beeindruckt hatte. Im Hibiskus Royal wird jeder Gast sicher im Meer baden können, beschloss Ursula. Im Geiste sah sie bereits Salzwasser-Pools mit Meerblick, dort, wo das erhabene Festland steil auf den Strand abfiel.

„Komm, lass uns diese Tomoko finden“, schlug sie vor und musterte Shinji, der sich den feinen Sand durch die Finger rieseln ließ, bis schließlich eine kleine, schwarz gesprenkelte Schneckenmuschel in seiner Hand liegen blieb. Aufmerksam betrachtete er das konisch gewundene Muschelhäuschen, wie ein Junge, der sich ganz und gar im Spiel verloren hatte. Manchmal konnte Shinji der Welt so fern sein und doch träumte er mittendrin.

„Hast du die Autoschlüssel?“, fragte Ursula und stapfte durch den Sand in Richtung Parkplatz.

„Sie stecken!“ Im Laufschritt holte Shinji seine Frau ein und klopfte sich auf dem Parkplatz den feinen Sand aus der Hosenkrempe.

„Okay“, entgegnete Ursula und steuerte auf den Wagen zu. Früher hatte sie immer wieder mit Verwunderung reagiert und manchmal hatte sie Shinji für seinen Leichtsinn getadelt. Mittlerweile verstand sie, dass Diebstahl in ihrer neuen Heimat so gut wie nicht vorkam.

Eine samtene Staubschicht hatte sich über den dunkelblauen Lack der Limousine gelegt und Ursula konnte Hajimes besorgte Miene deswegen schon vor sich sehen.

„Gibt’s hier eine Waschstraße?“, sprach Shinji ganz präzise die Frage aus, die Ursula auf der Zunge lag. Sie kannten Hajime und sein fast schon menschliches Verhältnis zu seinem Wagen. Für einen Augenblick sahen sie sich an, so, wie sie es früher oft taten, wenn sie einen Gedanken teilten. Sie hatten in solchen Momenten wie auf Knopfdruck losgelacht, einfach so. Jetzt sahen sie sich nur an, tastend unter dem Mantel einer banalen Einsicht, die sie im selben Moment teilten. Hajime würde alles andere als begeistert sein, so viel stand fest.

„Keine Ahnung! Wir fragen diese Tomoko, wenn wir sie gefunden haben“, schlug Ursula vor und manövrierte den Wagen ganz in Hajimes Sinne geschickt um zwei lange Risse im Teer. Es war eine kurze, schweigsame Fahrt bis zur Siedlung. Nicht einmal fünfhundert Meter trennten den Strand von der Kommune. „Mein Gott, das ist ja wie im Mittelalter“, entfuhr es Ursula, als sie mit Schrittgeschwindigkeit auf der Sandstraße in die Siedlung hineinfuhr. Aus unmittelbarer Nähe erwiesen sich die kleinen Holzhäuser als einfache, ärmliche Hütten. Brennholz stapelte sich an den Seitenwänden und die meisten der Häuser hatten einen blechernen Brennofen, um das Bad zu beheizen.

„Wir sollten das Auto hier stehen lassen, wegen der Schlaglöcher“, gab Shinji zu bedenken, während seine Augen nervös zwischen Ursula und der rustikalen Umgebung umherschweiften.

Ursula parkte am Straßenrand und starrte mit offenem Mund direkt auf ein sperrangelweit geöffnetes Badehaus, das durch ausgesprochene Schlichtheit und ein Minimum an Komfort bestach. „Stell dir vor, du lebst so spartanisch und plötzlich kommt jemand und bietet dir gutes, sehr gutes Geld für Haus und Hof. Was würdest du tun?“ Nachdenklich sah sie Shinji an.

„Keine Ahnung, vermutlich nichts“, entgegnete Shinji gleichgültig.

„Also bitte, du nimmst das Geld und siehst zu, irgendwo ein besseres Leben anzufangen. Das ist doch naheliegend.“ Ursula zog die Brauen nach oben und nickte. Alles musste sie Shinji neuerdings sagen und doch war ihr grenzenloser Elan plötzlich nicht mehr ausreichend, um ihren Mann für ein großartiges Projekt zu begeistern. Shinji sah müde aus. Oder war es doch nur Teilnahmslosigkeit, die ihm ins Gesicht geschrieben stand.

Er zuckte mit den Achseln. „Keine Ahnung, wirklich.“ Er machte keinen Hehl daraus, wie wenig er sich mit Ursulas Vision anfreunden wollte. Schließlich räusperte er sich leise. „Ursula, was soll das hier eigentlich?“ Shinji senkte den Blick, ohne seine Frau anzuschauen.

Erstaunt wandte sie sich ihm zu, suchte nach seinem Gesicht. „Ich möchte mir ein Bild machen, das ist alles“, sagte sie und bedachte ihn mit einem erfrischenden Lächeln. „Neuland Shinji, Neuland.“

„Ich meine, das hier, das ist doch …“, begann er und stockte.

„Das hier ist, wovon ich die ganze Zeit geträumt habe“, vollendete sie seinen Satz ganz in ihrem Sinne. „Ich kann viel mehr, Shinji, als aus einem Mittelklassehotel ein Luxus-Resort aufzuziehen … und das hier, das könnte die Chance sein, etwas aus dem Nichts zu schaffen, vollkommen neu, an einem perfekten Ort.“ Fast hätte sich Ursulas Stimme überschlagen vor Aufregung. „Versteh doch, ich hab so viel auf mich genommen, mich durchgeschlagen, habe mir meinen Platz am Tisch unserer Investoren erkämpft, als Fremde und als Frau, weil ich Träume habe, Shinji.“ Mit glänzenden Augen sah sie aus dem Wagenfenster, hinüber auf die Siedlung. „Große Träume“, sprach sie leise mehr zu sich selbst.

„Ich weiß, wie hart du arbeitest.“ Shinji klang nüchtern, fast vorwurfsvoll. Schweiß stand ihm auf der Stirn, ließ die feine Falte über der Augenbrauenpartie feucht glänzen. „Du hast uns reich gemacht, das weiß ich“, fügte er hinzu.

„Es geht mir nicht ums Geld Shinji, ich will endlich zeigen, was ich kann, meine Visionen umsetzen. Das ist es, was ich will, wofür ich lebe“, versuchte sie, ihm klarzumachen. „Hast du nie davon geträumt, für den Hinode-Award nominiert zu werden?“ Noch nie war einer Frau diese Gastronomieauszeichnung des japanischen Tourismusverbands zuteilgeworden und Ursula war der Meinung, dass sich dringend etwas ändern musste.

„Eigentlich nicht“, entgegnete Shinji trocken und entlockte seiner Frau ein resigniertes Seufzen.

In letzter Zeit war es schwierig geworden, mit Shinji über Visionen zu reden. Es war neuerdings überhaupt recht mühsam geworden, ein verbindendes Thema zu finden … ein Thema, in das sie sich beide leidenschaftlich hineinzustürzen vermochten. Vielleicht waren Shinji und ihr im Lauf der Jahre schlichtweg die gemeinsamen Ziele abhandengekommen? Der Gedanke daran schmerzte ein kleinwenig und doch war es nicht der Zeitpunkt, ihn weiterzudenken. Ursula trug frischen Lippenstift auf und warf einen Blick in den Rückspiegel. „Also gut, lass uns gehen“, sprach sie mit einem rosenholzfarbenen Lächeln und nickte ihrem Mann ermutigend zu. „Da vorn muss es sein, da ist ein rotes Gartentor!“ Salopp stieg sie aus dem Wagen und gab der Tür einen schwungvollen Schubs, sodass sie unüberhörbar ins Schloss fiel. Sie atmete einmal tief durch, so, wie sie es vor jedem wichtigen Termin zu tun pflegte. Shinji folgte ihr, schweigend und mit verhaltenem Blick.

Inakamono, war der erste Gedanke, der Ursula beim Anblick der Frau im Bohnenbeet durch den Kopf ging. Inakamono – ein Ding vom Lande. So nannte man in Japan das typische Landei, das dem Betrachter schon aus der Ferne betrachtet, durch eine gewissermaßen klobige Schlichtheit ins Auge stach. „Hallo! Hallo Sie! Entschuldigen Sie, wir suchen Tomoko“, rief Ursula über den Gartenzaun und neigte sich sachte über die obere Holzlatte. Ein Weilchen dauerte es, bis die Frau im verwaschenen blauen Arbeitsgewand ihre Zaungäste bemerkte. Erst als sie suchend den Kopf hob, konnte Ursula ihr glattes, braun gebranntes Gesicht unter dem blauen Kopftuch erkennen. „Sie scheint eine Vorliebe für Blau zu haben“, raunte Ursula ihrem Mann zu, doch der zuckte nur wieder teilnahmslos mit den Achseln.

„Arbeitsklamotten“, bemerkte er unbeeindruckt, als hätte die Wahl tauglicher Gartenbekleidung für gewöhnlich nicht viel mit Geschmack und Vorliebe zu tun.

„Ja? Das bin ich“, gab sich die Frau im Bohnenbeet als die Gesuchte zu erkennen. Ihre tiefe Stimme klang sanft und kräftig zugleich. Sie passte zu den Arbeiterinnenhänden, die ein Bündel Zwiebeln und eine Harke hielten. Der glatte Pagenkopf der Frau lugte im Nacken unter dem Kopftuch hervor und glänzte in der Frühlingssonne. Sie war eine kleine und zierliche Erscheinung, aber doch verrieten ihre sehnigen Unterarme, dass eine Menge Kraft in ihrem Körper stecken musste. Ein Blick auf Ursula schien der Frau im Beet auszureichen, um die Situation zu deuten. „Aber ja, wie konnte ich es vergessen, ihr müsst Shunsukes Gäste aus der Stadt sein“, landete sie den Volltreffer und strahlte, dass das Weiß ihrer Zähne nur so in der Sonne blitzte. Sie schien sich kein bisschen um Etikette zu kümmern oder um die uralte Maxime weiblicher Eleganz. In Japan lacht Frau ohne Zähne, zumindest zeigt sie nicht, dass sie welche hat. Richtig zu lachen, das war immerhin eine der ersten Lektionen, die sich Ursula einst in ihrer Wahlheimat angeeignet hatte. Tomokos Lachen verstieß gegen alle Regeln, es kam einfach so daher, ungefiltert, wahrscheinlich direkt aus der Mitte ihrer selbst.

„Ja, die sind wir. Masuda, Shinji und Ursula. Freut mich, Sie kennenzulernen“, versuchte Ursula, die hochgeschätzte Formalität zu retten, und legte zeitgleich mit ihrem Mann die passende Standardverbeugung hin. Formalität, die absolut zuverlässige Reglementierung des Sozialen, das war eine Errungenschaft, für die Ursula die japanische Kultur so sehr liebte. Sicherlich hatte es etwas gedauert, bis Ursula das Spiel verstanden hatte. Doch mittlerweile bewegte sie sich geschmeidig durch die Geschäftswelt, ohne anzuecken, wie ganz von selbst. Nun bemerkte Ursula, wie ihre Mundwinkel verunsichert zuckten.

„Wegen des Gemüses, stimmts?“ Tomoko stieg aus dem Beet und legte die Zwiebeln zusammen mit der Harke auf einer bunt bemalten Regentonne ab. Flugrost hatte Sommersprossen in die aufgesprühte Silhouette eines Gesichts gezaubert. Es war unschwer zu erkennen, dass es niemand anders als Che Guevara war, der orange-rot gepunktet mit dem Blech der Tonne dahinalterte.

„Ja, genau, wegen des Gemüses“, mischte sich Shinji ein und trat einen Schritt nach vorn an das Gartentor.

Ursula überspielte Shinjis Worte mit einem höflichen Lächeln. „Bitte schön, unsere Karte“, sagte sie und hielt das kleine Papierkärtchen mit der goldenen Hibiskusblüte über den Gartenzaun. Zumindest rieb sich Tomoko die Erde von den Händen, ehe sie, ganz wie es sich gehörte, mit beiden Händen nach dem Papier griff.

„Hibiskus“, las sie den sanft verspielten Schriftzug ab, lächelte und ließ das Kärtchen in der Tasche ihrer Arbeitsjacke verschwinden. „Kommt doch rein! Shunsukes Gäste sind auch die meinen!“ Wieder lachte Tomoko auf ihre ungenierte, fast schon unkultivierte Art und öffnete das Tor. Ein bisschen wunderte sich Ursula über Tomokos legere Sprache. Die unbefangene Gastfreundschaft und die Zwanglosigkeit fühlten sich für die Geschäftsfrau aus der Stadt recht unbehaglich an. Zu Hause in Yokohama hatte noch nie ein Fremder so zwanglos zu ihr gesprochen.

„Wir wollten aber gewiss nicht stören“, entschuldigte sich Shinji. Ursula konnte seine Fluchtgedanken spüren. Sie wusste nur allzu gut, dass die Bemerkung ihres Mannes alles andere, als eine bloße Höflichkeitsfloskel war. Shinji meinte es ernst.

„Danke, sehr gern!“, räumte Ursula jeden Zweifel aus und beeilte sich, höflich zu lächeln.

„Kommt, ich zeige euch, wo das Gemüse wächst“, schlug Tomoko vor und bat ihre Gäste in den Garten. Ursula bekundete Interesse, begleitete Tomoko über die Wiese und ließ sich allerlei Gemüse zeigen. Shinji orderte sogar bereitwillig eine Kiste japanische Riesenrettiche, weiße Auberginen und einen Sack rote Zwiebeln.

„Unser Koch freut sich über solch frische Qualität“, lobte er Tomokos Gemüse und machte sich sogleich über den Kräutergarten her.

„Hajime mit Sicherheit auch!“ Manchmal konnte sich Ursula den Sarkasmus nicht verkneifen, auch wenn er in Japan für gewöhnlich nirgendwo hinführte.

Verdutzt sah Shinji seine Frau an. „Ja, ich denke schon“, sagte er schließlich und schnupperte am Beifuß. Er schien vergessen zu haben, wie empfindlich sein Vater auf Lebensmitteltransporte in seinem geliebten Wagen reagierte. Dafür waren die beiden Vans da, nicht die Limousine.

Tomoko servierte kalten Gersten-Tee und Beifuß-Mochi. „Ist nur eine Kleinigkeit, aber bitte, bedient euch“, sagte sie und legte Ursula ein Sitzkissen auf die verwitterte, abgeriebene Holzbank im Gemüsegarten. „Zu rau für so edles Gewebe aus Wildseide und Leinen“, bemerkte sie und betrachtete das champagnerfarbene Kostüm.

„Danke!“ Verwundert ließ Ursula ihre Augen über die abenteuerliche Patchwork-Reparatur auf Tomokos blauen Arbeitshosen wandern. Tomoko führte ein einfaches, bäuerliches Leben und dennoch war sie in der Lage, den feinen Stoff eines Designerkostüms treffsicher zu bestimmen, ohne einen Blick auf das Etikett in der Jacke geworfen zu haben. Langsam wurde ihr die Frau mit den blauen Händen unheimlich. Höflich und doch etwas verdattert trank Ursula den kühlen Tee, nicht ohne verstohlen auf Tomokos Hände zu starren.

„Indigo“, verriet Tomoko und streckte ihre Finger aus.

„Bitte?“ Ursula erschrak. Nichts war ihr unangenehmer, als beim heimlichen Starren ertappt zu werden.

„Indigo, das ist Naturfarbe. Ich habe eine Färberei, wie man an meinen Händen sieht“, erklärte Tomoko und lüftete das Geheimnis ihrer sonderbar blau-violetten Hände. „Aber, nun sagt, was führt euch hierher?“, wollte sie sogleich wissen und schenkte Tee nach.

„Familienausflug, zum Katsuyama-Schrein.“ Shinji kaute noch auf einem Stück Mochi, während er bereitwillig Auskunft gab.

„Ah, verstehe!“ Da war es wieder, das ungeschliffene Lachen in Tomokos Gesicht, diesmal blitzte darin der Funke einer Ahnung auf. Ursula konnte Tomokos Blick spüren, der für einen Augenblick auf ihrem Bauch ruhte. Es war ein unheimlicher Blick, begleitet von einem nachdenklichen Lächeln. Ursula gefiel weder das eine noch das andere.

„Den Schwiegereltern zuliebe.“ Ursula lächelte gequält. „Aber, sagen Sie, wie lebt es sich hier draußen? Also haben Sie Unwetter, Tsunami, Stürme?“ Die Qual war aus Ursulas Lächeln verschwunden und war ganz einfach der Neugierde gewichen. Endlich waren sie beim Thema angekommen.

Tomoko schien verblüfft, offenbar dachte sie nach. „Also, so viel ich weiß, leben wir alle in Japan mit irgendwelchen Risiken, Erdbeben, Tsunami, ja, das ist möglich, das kann uns passieren.“ Plötzlich sah Tomoko sehr ernst aus und blickte über die Siedlung hinunter zum Meer. „Meine Urgroßeltern haben ein furchtbares Erdbeben erlebt. Es hat damals hier im Dorf Tote gegeben.“

„Das muss schrecklich gewesen sein, tut mir leid“, sagte Shinji und warf Ursula einen wachsamen Blick zu.

„Entsetzlich, ja“, beeilte sich Ursula, ihrem Mann mit einem Nicken beizupflichten.

„Bestimmt, ja, so hat man es sich erzählt. Unsere Generation musste das hier zum Glück noch nicht erleben.“

Tomoko saß gedankenverloren da. „Die erhabene Landzunge stammt von damals und man hat oben auf ihr eine neue Siedlung errichtet. Rundherum schützen uns die Hügel und unter uns die Anhöhe“, fügte sie hinzu und nickte.

Shinji schien es zu frösteln, bei dem Gedanken, auf verschütteten Ahnen eine Tasse Tee zu schlürfen. Ursula hingegen hörte gern, was die arglose Tomoko ihr zu berichten wusste.

„Shikoku ist doch häufig von Tsunamis betroffen? Haben Sie denn keine Angst?“, forschte sie hartnäckig weiter. Jede kleine Information speicherte sie in ihrem Gedächtnis ab.

Tomoko lächelte weich. „Ach wo, hier unten in Ehime nicht so sehr.“ Als wollte sie die alten Geschichten augenblicklich wegspülen, goss sie abermals frischen Tee in die klobigen Tontassen.

„Hm, aber manchmal wünschen Sie sich doch sicher ein weniger beschwerliches Leben, oder?“ Ursula wagte einen forschen Blick und einen Schritt nach vorn.

Jetzt war das ungezügelte strahlende Lachen zurück in Tomokos Gesicht. „Ah woher, wir lieben unser Leben hier, genauso wie es ist, mit allen Freuden und Beschwerlichkeiten.“ Stolz lag in Tomokos Gesicht, als sie ihre Augen über die Siedlung wandern ließ. „Ich habe mir nie etwas anderes gewünscht. Das ist, was ich kenne … meine Heimat.“ Ehrlich und stark blickte sie in die Welt, und kein bisschen einfältig, wie Ursula es von einem Landei erwartet hatte.

Ursula ahnte schon jetzt, dass es nicht leicht werden würde, Tomoko für ihre Pläne zu gewinnen. Fast wäre ihr ein Augenrollen entwischt, als das Wort Heimat mit dem Klang glücklicher Zufriedenheit über Tomokos Lippen kam. Ursula mochte den Begriff Heimat nicht besonders und wenn sie ehrlich war, dann verunsicherte er sie sogar. Heimat – das Wort barg etwas Eigentümliches, etwas das nicht zu greifen war. „Wissen Sie, mein Vater war beruflich viel unterwegs. Wir haben in München, Zürich, Straßburg und Hamburg gelebt … und jetzt lebe ich in Yokohama“, verriet Ursula.

„Oh, das war gewiss nicht leicht“, bemerkte Tomoko und lächelte mitfühlend.

Ursula schluckte und spürte die Unsicherheit in der Brust. Es musste das sonderbare Gefühl sein, das Menschen ohne Wurzeln bisweilen beschlich. „Aber nein, es gibt doch so viel zu sehen auf der Welt.“ Es wollte ihr nicht so richtig gelingen, heiter zu lachen. Dezent räusperte sie sich und bedachte Tomoko mit einem wohlwollenden Blick. „Manchmal ist es nicht schlecht, etwas im Leben zu ändern. Immerhin hat man nur eins. Wir könnten vielleicht ins Geschäft kommen, Sie und ich. Ich meine, wir kommen ja aus der Hotelbranche und das alles hier ist traumhaft.“

Tomoko lachte, als wäre sonnenklar, wovon die elegante Hotelchefin in ihrem Garten sprach. „Ah, natürlich. Aber ja, es wäre mir eine Ehre, euch mit meinem Gemüse beliefern zu dürfen, frisch und saisonal.“ Beherzt griff sie nach einem Rettich, der in ihrer rauen, bläulichen Hand geradezu makellos und rein anmutete. „Nur den Transport, den müsstet ihr selbst organisieren“, fügte sie ein wenig verlegen hinzu.

Ursula hatte es befürchtet, der Groschen wollte wohl von allein nicht fallen. „Das ist sehr freundlich von Ihnen“, begann sie ihre Richtigstellung.

„Ja, sehr freundlich.“ Shinji nickte.

„Nur wollte ich Ihnen ein ganz anderes, sehr viel lukrativeres Geschäft vorschlagen.“ Hoffnungsvoll musterte sie Tomoko und versuchte, in ihrer Mimik zu lesen.

„Ja?“ Tomoko neigte ihren Kopf ein wenig zur Seite und sah Ursula verwundert an.

„Lassen Sie es mich so sagen, ich habe starke Investoren an der Hand und … nun ja, das Hibiskus-Resort soll eine Tochter bekommen, das Hibiskus Royal.“ Erwartungsvoll lächelte Ursula und hoffte darauf, Tomokos Neugierde geweckt zu haben.

„Und wie kann ausgerechnet ich euch dabei helfen?“ Tomoko sah sie fragend an.

„Lassen Sie es mich ganz unmissverständlich und direkt sagen, Tomoko. Ich denke, dass unsere Investoren sehr großes Interesse an diesem Grundstück haben würden, und ich kann für Sie den besten, ja den allerbesten Preis herausschlagen. Das ist Ihre Chance, auf einen Schlag reich zu werden, Tomoko, sehr reich“, versuchte Ursula das Verlangen im Herzen der Unbedarften wach zu kitzeln.

Aber alles, was in Tomoko zu erwachen schien, war der Instinkt, die Flucht zu ergreifen. Fast peinlich berührt lachte sie auf. Als wollte sie ein Dutzend Fliegen verscheuchen, wedelte sie sich unentwegt mit der bläulich-violetten Hand vor dem Gesicht herum. Unmissverständlicher hätte sie gar nicht abzulehnen vermocht, zumindest nicht in Japan, das hatte sogar Ursula begriffen.

Schließlich lächelte Tomoko peinlich berührt und ihr gequältes Räuspern sprach Bände. „Wir sind schon reich, wir brauchen kein Geld.“ Beinahe liebevoll wandte sie sich der Kiste mit Shinjis Rettichen zu. „Wir sind glücklich, wir haben alles, was wir zum Leben brauchen“, ließ sie die ratlose Ursula wissen und bedeckte die Rettiche sorgsam mit Zeitungspapier. Obenauf legte sie die Auberginen und die Zwiebeln, um die übervolle Kiste schließlich Shinji zu überreichen. „Bitte, ein Geschenk, ein Dankeschön für euren freundlichen Besuch. Es hat mich sehr gefreut“, sagte sie und ließ die Kiste augenblicklich in Shinjis Arme gleiten.

„Vielen Dank, aber das wäre ja gar nicht nötig.“ Shinji keuchte, er hatte alle Mühe, das ebenso großzügige wie sperrige Geschenk nicht auf der Stelle fallen zu lassen.

„Ja, aber?“ Jetzt war sogar Ursula sprachlos. Sie brauchte einen Augenblick, um die Gedanken in ihrem Kopf zurechtzurücken. Diese Tomoko war soeben dabei, eine vor Ideen nur so sprudelnde Ursula samt Shinji mit einer Kiste Rettiche hinauszukomplimentieren. Mit hastigen Schritten folgte sie Tomoko zum Gartentor und schnappte fassungslos nach Luft. „Gut, überlegen Sie es sich einfach ganz in Ruhe und für Fragen haben Sie ja meine Nummer auf der Karte!“ Ursula ließ es sich nicht nehmen, wie immer das letzte Wort zu haben. Diese entsetzlich verschrobene Tomoko sollte nur nicht glauben, dass eine Ursula Masuda so schnell die Flinte ins Korn werfen würde. Ursula würde wiederkommen, mit Investoren, mit Plänen und mit sehr viel Geld. Am Ende war der Geruch des Geldes unwiderstehlich, für jeden Menschen, zumindest wenn er halbwegs bei Verstand war.

„Danke, vielen Dank“, sagte Tomoko und verbeugte sich jetzt auf das Höflichste.

Es war ein unbefriedigender Abschied, der Ursula alles andere als fröhlich stimmte. „Das gibts doch wohl nicht! Zumindest ihre Rettiche hätte sie uns bezahlen lassen können“, schimpfte sie, während sie dem verschwitzten Shinji, der vom Bauchnabel aufwärts hinter seiner Gemüsekiste verschwand, den Kofferraum öffnete.

Ächzend ließ er die Kiste ins Innere des Wagens gleiten. „Kann sein, dass sie Stolz hat“, gab er zu bedenken.

„Wie bitte?“

„Du hast sie beleidigt!“ Shinji klang so gleichmütig und nüchtern, kein bisschen vorwurfsvoll, fast so, als hätte er über eine Beiläufigkeit berichtet.

„Ich? Ich will sie für ein Geschäft gewinnen, für ein Geschäft, das sich lohnt!“ Ursula verstand die Welt nicht mehr. „Sie wird zur Vernunft kommen, ganz bestimmt“, beruhigte sie sich selbst und setzte sich hinter das Steuer. Es war zu früh, um die Lage als aussichtslos abzuhaken, so hatte sie entschieden. Vorerst brauchten potenzielle Investoren noch gar nichts zu wissen, von dieser schrecklich heimatverbundenen Tomoko, die erst noch Blut lecken und auf den unwiderstehlichen Geschmack des Geldes kommen musste. Es war noch ein Stück harte Arbeit, aber harte Arbeit war Ursula schließlich gewöhnt.

„Pass auf!“ Shinjis Aufschrei ließ Ursula augenblicklich auf die Bremse treten, ehe der Wagen auf den Kiesweg rollte. Ein Radfahrer in verwaschener, blauer Leinenkluft fing sich nach einem Schlenker, warf Ursula einen verdatterten Blick zu und fuhr einfach weiter. Sein hüftlanger Zopf lag geflochten, wie eine dünne, schwarze Schlange auf seiner Wirbelsäule und reichte bis hinunter zum Sattel. Mit jedem Schlagloch hüpfte er ein klein wenig vom Rücken, um wieder exakt in der Mitte zu landen.

Ursulas Herz pochte. Fast hätte sie mit dem Kotflügel das Fahrrad gerammt. „Blau“, murmelte sie benommen. Blau – war ihr erster Gedanke, sobald ihr Puls sich beruhigt hatte.

„Indigo“, korrigierte Shinji, zuckte mit den Achseln und ließ sich mit geschlossenen Augen zurück in den Beifahrersitz fallen. Wann immer er konnte, vermied er es tunlichst, selbst am Steuer der Limousine zu sitzen. Seit sein zitronengelber Suzuki das Zeitliche gesegnet hatte, fuhr Shinji allenfalls den kleinsten Van der Masudas oder bewegte sich im Golfmobil über kurz geschorenes Grün. Shinji hasste es zu fahren und Ursula kannte niemanden, der auf dem Beifahrersitz schneller in einen gesegneten Schlaf fiel, als ihr Mann. Manchmal hatte sie das Gefühl, er schlief gar nicht wirklich, sondern schloss nur die Augenlider, um für sich zu sein und über nichts auf der Welt plaudern zu müssen.

Es war eine schweigsame Fahrt und auch in Shunsukes Pension sprachen sie noch immer kein Wort miteinander.

Ein höfliches „Willkommen zurück“ war alles, was Shunsuke zu sagen hatte. Er klang zaghaft und senkte befangen den Blick, so, als würde er hinter der Theke nach etwas suchen; nach einem Gegenstand, den es gar nicht gab. Er schien gar nichts wissen zu wollen über die Erlebnisse des Nachmittags und den Besuch in Tomokos wundersamer Gartenwelt. Ursula konnte den kühlen Wind spüren, der sich urplötzlich in die Gastlichkeit geschlichen hatte. Sie fragte sich, ob Tomoko in der Zwischenzeit bei Shunsuke angerufen hatte? Am Ende hatte sie ihm den Grund für ihren Besuch längst erzählt. Ob er deshalb so reserviert reagierte?

„Bin ich vielleicht ein bisschen zu forsch gewesen?“, murmelte sie vor sich hin. Ach was, beschwichtigte sie ihre Befürchtung und schob den Gedanken, zu entschlossen aufgetreten zu sein, beiseite. Immerhin hatte sie doch gelernt, dass Zielstrebigkeit das A und O war, wenn man ein Geschäft an Land ziehen wollte. Den Gedanken, Tomoko mit ihrer unverblümten Geschäftigkeit überrumpelt zu haben, konnte sie vertreiben, aber ein unbehagliches, beklemmendes Gefühl blieb dennoch zurück.

Eine warme Dusche vermochte Wunder zu wirken, all die aufwühlenden Gedanken in Ursulas Kopf zur Ruhe zu bringen. Mit frisch geföhntem Haar stand sie vor der limitierten Auswahl an Garderobe, die noch immer sorgsam gefaltet und farblich abgestimmt im nagelneuen Koffer lag. Kurzerhand entschied sie sich für ein bequemes lavendelfarbenes Poloshirt und ein farblich passendes Sakko mit zarten Karos. Gekonnt legte sie sich im Badezimmerspiegel dezentes Make-up auf und beschloss, Shunsuke um eine Tasse Kaffee zu bitten. Ursula war zweifellos auch ungeschminkt eine äußerst attraktive Frau mit hübschen Gesichtszügen und doch ließ sie sich nicht einmal in Shunsukes rustikaler Dorfkneipe ohne Make-up blicken. Zumindest Lippenstift trug sie auf, um ihren hübschen, markanten Mund noch besser zur Geltung zu bringen. Er war groß für ihr schmales Gesicht und dennoch wohl proportioniert. Ursula war eine hervorragende Rednerin und doch hatte sie oft das Gefühl, dass es immer auch ein bisschen ihr ausdrucksvoller Mund war, mit dem sie Zuhörer sofort in ihren Bann zog.

Ursula steckte die Kappe zurück auf ihren rosenholzfarbenen Lippenstift und sprühte sich einen Hauch von Chanel aufs Dekolleté.

Shinji lag mit offenem Hemd auf dem Futon und zappte sich mit der Fernbedienung durch stumpfsinnige Gameshows, ohne seine Ursula auch nur eines Blickes zu würdigen. Er wirkte abgespannt und träge. Ursulas Vorschlag, im Restaurant eine Tasse Kaffee zu trinken, entlockte ihm gerade noch ein müdes Brummen. Schließlich ließ er sich nur noch tiefer in die bunten Patchwork-Kissen sinken. Heute waren mit Shinji ohnehin keine Visionen mehr zu spinnen, das wusste Ursula und ging allein.

Ein verdächtig stiller Shunsuke goss heißes Wasser in den Keramikfilter und im nächsten Moment erfüllte der Duft nach frischem Kaffee die düstere Gaststube. Zuerst war Ursula der dürre Mann in der blauen Leinenkluft, der in der Nische am Fenster saß, gar nicht aufgefallen. Die Sonne stand schon tief und warf einen milden, gelben Lichtschein durch die Glasscheibe, direkt in das ausgemergelte Gesicht des Hageren. Alles an dem Mann war unglaublich dünn, sein Haar, sein Körper, sein Gesicht und sogar seine Lippen. Ursula hatte den stillen Gast sofort wiedererkannt. Sie hatte ihn entdeckt, als Shunsuke ihm ebenfalls eine Tasse einschenkte. Jetzt schmiegte sich der lange, schwarze Zopf an die Schulter des Hageren, um ihm vorn schnurgerade über die Brust zu fallen. Er war der Mann mit dem Fahrrad, den Ursula am Nachmittag um ein Haar umgefahren hätte, daran bestand nicht der geringste Zweifel. Nachdenklich nippte sie am heißen Kaffee und beobachtete die Szene am Fenster. Als Shunsuke den Gast am Fenster wieder sich selbst überließ, um in der Küche zu verschwinden, steuerte Ursula seinen Tisch an. Aus der Nähe wirkte er um einiges jünger, als sein gebrechlicher Körperbau vermuten ließ.

„Tut mir leid wegen vorhin“, startete Ursula den Versuch, mit dem Mann ins Gespräch zu kommen.

„Ah? Ja?“ Unverwandt sah er sie an.

„Unten, im Dorf. Ich hab Sie vorhin um ein Haar umgefahren. Tut mir wirklich leid.“

„Oh, ja ja, deshalb, ja ja.“ Verlegenheit huschte ihm über sein Gesicht.

„Darf ich mich setzen?“ Ursula griff nach dem leeren Stuhl, noch ehe der Hagere zu antworten vermochte.

„Ah, bitte.“

„Freut mich, ich bin Ursula Masuda. Mein Mann und ich haben uns Ihre Siedlung angesehen. Sie wohnen doch da unten, nicht wahr?“

„Mhm, ja ja“, schmunzelte der Hagere. „Yota Ishigawa, ich bin Künstler“, stellte er sich mit bescheidener Miene vor.

„Ein Künstler? So? In dieser entlegenen Gegend?“ Ursula mimte die Interessierte.

„Lyrik und Poesie.“

„Oh, verstehe.“ In Wirklichkeit verstand Ursula kaum etwas von schöngeistiger Literatur. Am allerwenigsten verstand sie jedoch, wie ein Mensch sein Leben der Poesie, einer doch so schrecklich brotlosen Kunst widmen konnte. „Mein Metier ist ja mehr das Geschäft, also die Hotelbranche“, gab sie sich als diejenige zu erkennen, die sie war.

Der Poet namens Yota schmunzelte. „Ich habe davon gehört“, räumte er ein.

Ursula wollte es kaum glauben und hätte sich um Haaresbreite an der letzten Neige aus ihrer Kaffeetasse verschluckt. Neuigkeiten schienen sich auf dem Land wie ein Lauffeuer zu verbreiten. „Ach wirklich?“ Erstaunt sah sie den mageren Poeten an. Irgendwie wurde Ursula mit einem Mal den Verdacht nicht los, dass dieser Yota Ishigawa nicht ganz ohne Grund bei Shunsuke im Gästehaus saß.

„Wissen Sie, so manchem Flecken Erde wohnt eine besondere Magie inne, etwas Außergewöhnliches.“ Prüfend schien er sie von der Seite zu mustern.

„Bitte?“

„Nun, es ist der Himmelsfluss. Weit draußen vor der Bucht, da mündet der Himmelsfluss ins Meer, so erzählt man sich hier seit Generationen.“ Yota Ishigawa lächelte mit dem Ausdruck von Nostalgie um die Mundwinkel. „So einen Ort sollte man erhalten, wie die Götter ihn geschaffen haben. Verstehen Sie?“ Das Feuer in seinen Augen brannte sogleich um drei Nuancen heller.

Du meine Güte, dachte Ursula und holte tief Luft. „Meinen Sie?“, erwiderte sie kühl. Zum Glück war dieser Yota Ishigawa nicht der Verhandlungspartner, auf den Ursula und sämtliche Investoren am Ende angewiesen sein würden.

Wieder schmunzelte Yota Ishigawa, als könnte ihn nichts auf der Welt aus der Ruhe bringen. Auf rhetorische Fragen schien ein Poet erst gar nicht zu antworten. „Wie dem auch sei, bleiben Sie vorsichtig hier, als Fremde. Das hier ist nicht nur ein magischer, sondern auch ein blutiger Ort“, verriet er stattdessen mit geheimnisvoller Miene und trank seine Tasse leer.

„Blutig? Wie meinen Sie das?“ Irritiert versuchte sie, in seinem Gesicht zu lesen.

„Ah, dann hat Ihnen Tomoko gar nichts über das dunkle Geheimnis unserer Kiefernwälder erzählt?“

„Nein, sollte sie?“ Ursula stutzte.

„Ach, bestimmt wollte Sie sie nicht beunruhigen.“

„Beunruhigen? Womit?“ Ursula war ganz Ohr. Beunruhigter hätte sie nicht sein können.

„Nun, wegen der alten Geschichten über Sumie und die mysteriösen Todesfälle.“

„Sumie? Mysteriöse Todesfälle?“ Das Gefühl der Ungeduld wuchs in Ursulas Brust. Diesem Yota musste man wahrlich jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen.

Der Poet beugte sich über den Tisch und schob seine Hände ineinander. „Die tote Sumie. Ihr Geist streift da draußen noch immer durch die Wälder, dürstend nach menschlichem Blut“, verriet er mit gedämpfter Stimme, als hätte er soeben ein echtes Geheimnis über seine Lippen gelassen.

Jetzt entwischte Ursula ein schallendes Lachen. „Ein Geist? Sie wollen mir wohl einen Bären aufbinden?“

„Wissen Sie, als ich noch ein Schuljunge war, da sind in den Wäldern hinter der Siedlung zwei junge Männer verschwunden. Man hat sie nie wiedergesehen“, erzählte Yota Ishigawa und schien für einen Augenblick nachzudenken. „Na ja, und ein Pärchen, eine Lehrerin und zwei junge Mädchen haben sich vor nicht allzu langer Zeit im Wald das Leben genommen.“ Eine mystische Aura legte sich über das knöchrige Gesicht des Mannes. „Also ehrlich gesagt, im Fall der Lehrerin wurde nie aufgeklärt, ob es wirklich ein Selbstmord war, oder vielleicht sogar … nun ja …“

Ursula räusperte sich. Mit Sicherheit gab es Erbaulicheres über den malerischen Ort zu berichten, an dem sie das Hibiskus Royal schon blütenweiß unter dem azurblauen Sommerhimmel blitzen sah. „So etwas passiert bedauerlicherweise. Das hat sicherlich nichts mit einem Geist zu tun!“ Sollte dieser Yota Ishigawa doch so viel Tinnef reden, wie er wollte. Ursula würde sich niemals von irgendwelchen Schauermärchen ins Bockshorn jagen lassen.

Das überlegene Schmunzeln schien dem Poeten zur Gewohnheit geworden zu sein. „Wir alle hier sind vorsichtig da draußen“, sagte er. „Und zeigen Ehrfurcht und Respekt, verstehen Sie?“

„Wegen eines Geistes?“ Fast hätte Ursula sich an den Kopf gefasst.

„Sumie war eine Kriegerin, eine Samurai, damals in der Heian-Zeit, so wie die berühmte Tomoe Gozen.“

„Was Sie nicht sagen.“

„Nun, während Tomoe Gozen ihren Lebensabend in einem Kloster verbrachte, musste Sumie schon im Alter von siebenundzwanzig sterben. Man hat sie zum Seppuku verurteilt. Es war auf der Anhöhe im Kiefernwald, dort hat sie sich einst selbst die Kehle durchgetrennt.“ Yota machte ein mitfühlendes Gesicht, als hätte er Sumie höchstpersönlich die Hand geführt. „Jung, wie sie war, muss sie mit unfassbaren Rachegefühlen gestorben sein, denn ihr Geist ist nie zur Ruhe gekommen, bis heute nicht“, beendete er die grauenhafte Geschichtsstunde beinahe flüsternd und warf Ursula einen durchdringenden Blick zu.

„Ich bitte Sie“, erwiderte Ursula mit einem leichten Frösteln im Rücken.

„Genießen Sie die Schönheit unseres Waldes mit Vorsicht“, bedachte der Poet eine ungläubig dreinblickende Ursula mit seinem wohlgemeinten Ratschlag, ehe er sich erhob und sich zum Abschied höflich verbeugte.

„Gut, ich danke Ihnen!“ Ursula gab sich alle Mühe, höflich zu klingen. So sonderbar diese ganze Kommune auch sein mochte, verscherzen wollte sie es sich mit Tomokos Völkchen keineswegs. Mit Befremden blickte sie Yota Ishigawa nach, bis er durch den dunkelblauen Vorhang am Eingang entschwunden war. Vor dem Fenster sah sie ihn auf sein altes Hollandrad steigen und davonfahren. „Geister“, murmelte sie vor sich hin und schüttelte den Kopf. Ein wenig verweilte sie noch am Fenster, bis die Sonne des späten Nachmittags in den Kiefernwald eintauchte. Stille erfüllte das Gastzimmer, als wollte die Zeit versiegen.

Francis Kaufmann

Über Francis Kaufmann

Biografie

Francis Kaufmann, Jahrgang 1972, ist Sozialwissenschaftlerin und hat im Schwerpunkt japanische Kulturtheorien sowie Kommunikation promoviert. Sie hat mehrere Jahre in Japan und Südostasien verbracht, dort vor allem auch das Leben in den entlegenen, ländlichen Regionen kennengelernt. Ihr tiefer...

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