Das Netz der Sterne Das Netz der Sterne - eBook-Ausgabe
Roman
— Actionreiche Science-Fiction des preisgekrönten BestsellerautorsDas Netz der Sterne — Inhalt
In die unbekannten Weiten des Universums vorzustoßen – das ist der Job der Kartografen bei Interkosmika, dem Konzern, der die interstellaren Reisen zwischen den Sternen kontrolliert. Tess ist eine solche Kartografin, doch nicht freiwillig, denn sie muss bei Interkosmika die Schulden ihrer Familie abarbeiten. Und sie weiß, dass ihre Mission alles andere als einfach wird. Denn ihr Auftrag führt sie in eine Region, aus der noch keiner lebend zurückgekehrt ist …
Mit „Das Netz der Sterne“ stößt Andreas Brandhorst das Tor zu einer neuen Welt auf – ideal für Brandhorst-Fans und Neueinsteiger!
Leseprobe zu „Das Netz der Sterne“
Unerwarteter Besuch
1
Die Dämmerung kroch über den Himmel und kündigte eine lange Nacht an, die zweiunddreißig Jahre dauern würde. Tess ging über den steinigen Weg den Hang hinab, zum Obsidian, wie so oft während des fast drei Jahrzehnte langen Tages, der nun zu Ende ging und ihre Kindheit und Jugend gesehen hatte. Der Ozean – er verdankte seinen Namen dem tiefschwarzen Kolorat, einem Licht absorbierenden Mineral – schien mit dem fernen, dunkler werdenden Horizont zu verschmelzen. Noch lag er glatt wie Glas, aber ein scharfer Geruch in der Luft wies [...]
Unerwarteter Besuch
1
Die Dämmerung kroch über den Himmel und kündigte eine lange Nacht an, die zweiunddreißig Jahre dauern würde. Tess ging über den steinigen Weg den Hang hinab, zum Obsidian, wie so oft während des fast drei Jahrzehnte langen Tages, der nun zu Ende ging und ihre Kindheit und Jugend gesehen hatte. Der Ozean – er verdankte seinen Namen dem tiefschwarzen Kolorat, einem Licht absorbierenden Mineral – schien mit dem fernen, dunkler werdenden Horizont zu verschmelzen. Noch lag er glatt wie Glas, aber ein scharfer Geruch in der Luft wies darauf hin, dass bald die Stürme beginnen würden, wie zu Beginn jeder langen Nacht.
Ein letztes Lied, dachte Tess. Ein letzter Gesang, um Abschied zu nehmen von den Oktopoden und ihrer Welt.
Am Ufer blieb sie stehen, bei den kleinen runden Steinen, wie stets seit ihrer Kindheit. Einige Meter hinter ihr setzte sich Sinclair auf einen Felsen und wartete stumm – dies war allein ihr Moment. Schon als Kinder hatten sie diesen besonderen Ort gemeinsam besucht. Tess erinnerte sich an sein Staunen, mit großen Augen und offenem Mund, als er zum ersten Mal ihren Gesang gehört hatte. Damals, zu Beginn des jetzt zu Ende gehenden langen Tages, war etwas zwischen ihnen entstanden und über die Jahre gewachsen, erst eine zarte Verbindung, dann eine feste Brücke und schließlich ein Wir. Es war ein großes Wir, groß genug für Opferbereitschaft und Selbstlosigkeit.
Sinclair hatte beschlossen, seinen Vertrag als Hyperschiffpilot vorzeitig zu kündigen, um Tess nach Harmonie im Ophiuchus-Sektor zu begleiten. Die Einladung von der Musikakademie lag bereits vor. Als Kind hatte er sich nichts sehnlicher gewünscht, als eines Tages Raumschiffe durchs All zu steuern, erst interplanetare Lichtschiffe innerhalb von Sonnensystemen, dann Hyperschiffe, die den von Kartografen und Einrichtern erforschten Gleisen des Hyperons folgten und viele Lichtjahre innerhalb weniger Tage oder Wochen zurücklegten. Sein größter Wunsch war in Erfüllung gegangen, doch er war bereit, darauf zu verzichten, damit sie zusammenbleiben konnten.
Einige Sekunden stand Tess reglos, nahm die Stille in sich auf und spürte, wie sie tief in ihrem Innern zu einer Art Resonanzboden wurde. Erste Sterne funkelten – die heranrückende lange Nacht würde noch viel mehr von ihnen an den Himmel bringen. Ein mehrmaliges Flackern wies auf die Position der Hyperon-Station hin – vielleicht stammte es von dem Schiff, mit dem Anita kam.
Tess lächelte bei diesem Gedanken. Ihre Schwester hatte sich angekündigt, kurz nach der Einladung nach Harmonie. Interkosmika hatte ihren Antrag auf eine Dienstpause genehmigt, damit sie hier auf Rosengarten feiern und Abschied nehmen konnten.
Die Stille schien sich auszudehnen, weit über das Obsidian hinweg. Die Dämmerung schwieg und wartete.
Tess holte tief Luft und begann zu singen.
Sie sang in der alten Sprache, die sie von ihrer Mutter gelernt hatte, vom Tag und von der Nacht, die einander abwechselten, von Wäldern, grün wie Smaragd, und Meeren, blau wie Opal. Sie sang von Leben, Hoffnung und Freude, und wie immer fühlte sie, wie sie dabei wuchs und ihre Stimme in allem Lebendigen widerhallte, das sie umgab.
Erste Oktopoden erschienen. Das Obsidian war nicht mehr glatt und unbewegt. Die schwarze Oberfläche kräuselte sich, kleine Wellen entstanden, und rundliche Geschöpfe mit langen Fangarmen stiegen auf, blickten mit verblüffend menschenähnlichen Augen zum Ufer, erst einige wenige, dann Dutzende, schließlich Hunderte. Rostbraun und dunkelgrau, je nach Alter und Geschlecht, ragten sie aus dem Wasser und neigten sich langsam von einer Seite zur anderen. So war es immer, wenn Tess sang, obwohl die Oktopoden angeblich gar keine Ohren hatten.
Tess beobachtete den Tanz im Meer, weiterhin singend, bis eine kurze Vibration des Signalbands an ihrem Handgelenk darauf hinwies, dass es Zeit wurde – die Familie rief sie.
Das Ende des Gesangs beendete auch den Tanz. Die Oktopoden verschwanden im schwarzen Ozean, einer nach dem anderen.
Sinclair näherte sich. „Ich kann mir kaum vorstellen, dass du jemals noch besser singen wirst.“
„An der Musikakademie auf Harmonie werde ich viel lernen.“
„Vielleicht haben sie dich eingeladen, damit du anderen das Singen beibringst.“
Tess lächelte und nahm seine Hand. „Wir werden sehen, wir werden sehen. Komm, die Familie hat gerufen.“
2
Als sich die Familie Velazca vor mehr als vierhundert Jahren auf Rosengarten im Joumis-System niedergelassen hatte – im Sagittarius-Sektor, mehr als tausend Lichtjahre von der Erde entfernt –, war sie reich und mächtig gewesen. An diesen früheren Status erinnerte das Haupthaus auf dem Hügelplateau: die grauen Mauern dick und wuchtig bis hinauf zu den Zinnen, die allein ästhetischen Zwecken dienten; die runden Türme hoch, als wollten sie den dunkler werdenden Himmel erreichen; die Dächer steil, als erwarteten sie Schnee; in der Mitte die goldene Kuppel des alten Observatoriums mit den Familienarchiven und dem Hyperskop, eingerichtet vom Kartografen, der Rosengarten – damals noch ein Planet ohne Namen, nur mit der Bezeichnung NSK1284-B – ans Netz angeschlossen hatte, ans Hyperon. Über dem wie eine Burg oder Festung wirkenden Hauptgebäude leuchtete hell und bunt das holografische Symbol der Velazca: eine offene Hand, über deren Handfläche die Erde schwebte.
Zwei Bedienstete in blauen Livreen standen beim offenen Tor, aber wenige Meter vor ihnen wandte sich Tess nach links. Es gab noch etwas anderes, auf das sie einen letzten Blick werfen wollte, bevor sie die Reise nach Harmonie antrat.
„Wohin?“, fragte Sinclair hinter ihr. „Wohin willst du?“
Tess lief, als wollte sie den Wind spüren, den jene Nacht brachte, die sie nicht mehr miterleben würde. Sie schlüpfte durch die Lücke zwischen den Nebenhäusern, deren Fenster bereits hell erleuchtet waren, und als sie den großen Werkzeugpavillon an der Ecke des Gartens erreichte, bemerkte sie die Lichter in der Ebene hinter den Hügeln am Rand des Obsidians. Dort bereitete sich die Stadt auf die Nacht vor – die Dormitorien für all jene, die die kommenden zweiunddreißig Jahre im sicheren Schlaf verbringen wollten, waren bereits geöffnet.
Hinter dem Haupthaus erstreckte sich jener Rosengarten, dem der Planet seinen Namen verdankte: ein weiter Park mit Erde von der Erde, großen, alten Eichen und Buchen und zahlreichen Rosen in allen Farben, einige von ihnen fast so schwarz wie das Obsidian.
Das Signalband vibrierte erneut, aber Tess beschloss, sich noch etwas mehr Zeit zu nehmen. Dies war wichtig, sie wusste nicht, wann – in wie vielen Jahren oder vielleicht sogar Jahrzehnten – sie Gelegenheit bekommen würde, den Park erneut zu besuchen.
Hinter den beiden größten Eichen, die eine Art Portal bildeten, lag der Friedhof der Familie Velazca. Tess ging langsam an den Gräbern vorbei, las die Inschriften, dachte an vergangenen Ruhm und fragte sich, ob auch sie irgendwann hier liegen würde.
„Wir waren einmal mächtig“, sagte sie und blieb am Grab ihres Großvaters stehen. Auf einer Marmorplatte weiß wie Schnee stand sein Name in goldenen Buchstaben: Frederik Ibrahim Velazca, Letzter der terranischen Velazca-Dynastie.
„Ihr seid noch immer sehr angesehen“, sagte Sinclair. Er stand neben Tess, schlank und feingliedrig, das dunkle Haar kurz, die Brauen geschwungen. Aus dem Jungen von damals war ein Mann geworden, aber es gab ihn noch, den staunenden Knaben. Sie sah ihn in seinem Gesicht, in seinen Augen.
„Wir leben von vergangenem Ruhm, das weißt du“, erwiderte Tess. „Mit dem Tod von Großvater Frederik begann unser Niedergang. Er war nicht nur der Letzte der terranischen Dynastie, er hat sich auch Interkosmika gegenüber behaupten können. Inzwischen haben wir fast alle unsere Niederlassungen an Interkosmika verloren. Es ist uns kaum mehr geblieben als dieses Haupthaus. Wir sind längst keine Gouverneure und Administratoren mehr, nur noch einfache Bürger.“
„Mir ist gleich, wer ihr seid, ob reich oder arm, ob groß oder klein.“ Sinclair sprach in seiner ruhigen, gelassenen Art. „Du bist du. Nur das ist wichtig.“
Tess belohnte seine Worte mit einem Lächeln. „Und wir sind wir. Wir stehen am Anfang unseres Weges. Wer weiß, wohin er uns führen wird.“
„Zweifellos zu Glanz und Glorie. Du wirst die beste Sängerin in der bekannten Galaxis werden, da bin ich mir sicher.“
„Und du?“
„Oh, vielleicht werde ich der Vater deiner Kinder.“
Tess lächelte erneut, aber nur kurz. „Du solltest Raumschiffpilot sein. Das hast du dir immer gewünscht. Ich weiß noch, wie wir dort unten auf den Steinen gesessen haben, die Sonne noch nicht ganz im Zenit, und du von fernen Sternen und Galaxien erzählt hast. Du wolltest durchs Hyperon reisen, weiter als alle anderen vor dir. Du wolltest neue Welten entdecken.“
„Ja“, sagte Sinclair. „Und dann habe ich dich entdeckt.“ Er fügte hinzu: „Wir haben Zeit, Tess, wir sind jung. Erst kommt deine Ausbildung auf Harmonie. Eine Einladung der Musikakademie schlägt man nicht aus. Und wenn du dort fertig und zur besten Sängerin in der Milchstraße geworden bist … Dann werde ich wieder Pilot, und wir gehen gemeinsam auf Reisen.“
Wir haben Zeit, wir sind jung. Es klang gut und richtig, und trotzdem fröstelte Tess plötzlich. Es lag nicht an der sinkenden Temperatur. Etwas Bedrohliches ragte auf, dunkel wie die kommende Nacht, etwas, das einen tiefen Schatten warf auf Sinclair und sie. Ein Missklang in einer ansonsten perfekten Melodie. Doch die Vision – wenn es wirklich eine Vision gewesen war, geschaffen vielleicht von ihrem Esprit – verschwand sofort wieder.
„Ich bedauere, die Nacht nicht zu erleben“, sagte sie, um sich abzulenken.
„Ich glaube, wir können froh sein, dass wir sie nicht erleben müssen.“ Etwas in Sinclairs sanftem Gesicht verriet: Er hatte gemerkt, dass etwas nicht stimmte, aber er stellte keine Fragen. „Meine Eltern haben mir davon erzählt. Die letzte Nacht muss sehr schlimm gewesen sein. Die Stürme wollten kein Ende nehmen, und es wurde so kalt, dass das Obsidian gefror.“
Tess deutete auf die Rosen, die aus fruchtbarem Boden von der Erde wuchsen. „Ich hoffe, sie überstehen die Nacht.“
„Eure Gärtner werden Lampen aufstellen, damit die Pflanzen genug Licht bekommen, und Schilde werden sie vor Kälte und Wind schützen.“
Das Signalband an Tess’ Handgelenk vibrierte zum dritten Mal, länger als die beiden Male zuvor.
„Meine Familie wird ungeduldig.“ Tess seufzte, ergriff Sinclairs Hand und ging mit ihm über den Weg, vorbei an Rosen, Eichen und Buchen. „Wie auch immer der Wind weht …“, zitierte sie das Credo von Rosengarten.
„Wie auch immer der Wind weht, wir lassen uns nicht beirren.“
3
Als Tess den Großen Saal mit den Ahnenporträts an den hohen Wänden betrat, begriff sie, dass sie tatsächlich eine Vision vom Esprit empfangen hatte – die Präsenz des Mannes in der schiefergrauen Uniform von Interkosmika war Beweis genug.
Begleitet von Sinclair ging sie am langen Tisch vorbei, und mit jedem Schritt verstärkte sich ihr Unbehagen.
Das Gesicht des Mannes von Interkosmika verriet nichts, es war steinern, eine Maske. Seine Augen blickten streng und abschätzend. Unbehagen war darin nicht auszumachen, obwohl ihm klar sein musste, dass er hier, an diesem Ort, bei den Velazca, auf Ablehnung stieß.
Die beiden jüngeren Brüder von Tess, Asgard und Trenkor – beide einen halben Tag alt, vierzehn und sechzehn Normjahre –, standen vorn neben ihrer Mutter, die im Helfer saß, dem mobilen Ektoskelett, das sie bewegte und trug. Mutter Amandea, einen vollen Tag-Nacht-Zyklus von Rosengarten alt – vierundsechzig Jahre –, verdankte ihre Lähmung einer Drehwurm-Infektion. Die zu späte Diagnose und die dadurch ebenfalls zu späte Behandlung der Krankheit waren eine direkte Folge der Verarmung der Familie gewesen.
Vater Solomar, siebenundsechzig Jahre, stand dürr und hoch aufgerichtet neben Amandeas Ekto. Sein gebräuntes Gesicht, das in der kommenden Nacht die Farbe verlieren würde, wirkte fast so steinern wie die Miene des Interkosmika-Mannes.
„Wo ist Anita?“, fragte Tess, ohne einen Gruß an den Mann in der dunkelgrauen Uniform zu richten. „Ich habe ein Hyperschiff kommen sehen.“
„Anita ist nicht da.“ Trenkor warf dem Uniformierten einen finsteren Blick zu.
Tess war stehen geblieben. „Sie hat sich angekündigt. Wir haben ihre Nachricht erhalten. Was ist geschehen?“
Die Ekto-Motoren summten leise. Amandeas Lippen zitterten, und eine synthetische Stimme erklang: „Es tut mir leid, Tochter.“
„Was tut dir leid?“ Als Tess keine Antwort bekam, wandte sie sich an ihren Vater. „Wo ist Anita? Und was macht dieser … Mann hier?“
Der Gesandte von Interkosmika trat vor. „Mein Name ist Tirell Wayfare. Ich bin als Exekutor hier.“
„Was wollen Sie noch von uns?“, fragte Tess scharf.
„Es geht um Ihre Schwester Anita“, sagte Wayfare. „Und es geht um Sie.“
„Was ist mit Anita?“
„Glauben Sie bloß nicht, Sie könnten uns Tess einfach so wegnehmen, wie Sie es mit Anita gemacht haben!“, zischte der impulsive, manchmal jähzornige Asgard.
Vater Solomar räusperte sich. „Trenkor, Asgard …“, mahnte er.
Die beiden Jungen, einer von ihnen fast schon ein Mann, senkten die Köpfe.
Tess fröstelte wie zuvor beim Rosengarten. Da war sie wieder, die Präsenz von etwas Bedrohlichem. „Anitas Antrag auf eine Dienstpause wurde von Interkosmika genehmigt“, sagte sie. „Sie wollte herkommen, vor meiner Abreise nach Harmonie Ophiuchus.“
„Ihre Schwester hat die genehmigte Dienstpause genutzt, um abtrünnig zu werden“, entgegnete Wayfare, und Tess fühlte sich von seinem Blick wie durchbohrt. „Mit anderen Worten: Sie hat sich davongemacht.“
Davongemacht, dachte Tess. Und hier bin ich.
„Interkosmika nimmt Sie in Regress, so wie es die Vereinbarungen vorsehen“, fuhr Wayfare fort. „Sie werden den Vertrag erfüllen, den Ihre Schwester unterschrieben hat.“
Ihr Hals schien plötzlich in einer Schlinge zu stecken. Tess brachte keinen Ton mehr hervor.
„Ich werde nicht zulassen, dass Sie Tess mitnehmen!“, rief Sinclair. Er stand so dicht neben ihr, dass sie seine Körperwärme fühlte.
Der Mann von Interkosmika richtete den Blick auf ihn. „Wer sind Sie?“
„Sinclair Van Groote. Meine Familie gehört zu den Unabhängigen und ist schuldenfrei.“
Für zwei oder drei Sekunden erweckte Wayfare den Eindruck, einer inneren Stimme zu lauschen, vielleicht dem Datenflüstern eines Implantats, dann sagte er völlig emotionslos: „Ich empfehle Ihnen, sich nicht in Dinge einzumischen, die Sie nichts angehen, Van Groote.“
„Das hier geht mich sehr wohl etwas an“, entgegnete Sinclair in einem herausfordernden Ton. „Tess und ich …“ Er zögerte, und Tess bemerkte, wie er kurz zu ihren Eltern blickte. „Wir sind … gebunden.“
„Gebunden?“, wiederholte Amandea in ihrem Ekto. Solomar stand steif, gerade und stumm, sein Gesicht ohne sichtbare Veränderung.
„Die Schulden der Familie Velazca betreffen nicht Sie, Van Groote.“ Wayfare ging zum Tisch, legte einen kleinen Holoprojektor auf das alte Holz und schaltete ihn ein. Eine Interkosmika-Bilanz erschien, eine Debit-Kredit-Waage mit roten und schwarzen Zahlen. „Ich stelle fest: Die Familie Velazca ist mit vierzig Millionen Debitpunkten bei Interkosmika verschuldet“, verkündete der Uniformierte mit offiziell klingender Stimme. „Ich stelle fest: Anita Velazca hat sich bereit erklärt, für zwanzig Jahre in die Dienste von Interkosmika zu treten, ein Jahr für jeweils zwei Millionen Debitpunkte. Ich stelle fest: Anita Velazca hat ihren Dienstbereich verlassen und ist abtrünnig geworden.“ Wayfare legte eine Pause ein und musterte die Versammelten der Reihe nach. „Ich stelle fest: Das Obligat bestimmt Tess Velazca zur Vertragsnachfolgerin. Sie muss die Verpflichtungen von Anita Velazca übernehmen.“
„Zwanzig Normjahre?“, fragte Tess tonlos.
„Achtzehneinhalb Jahre sind von der ursprünglichen Verpflichtung übrig“, erklärte Tirell Wayfare. „Doch für Abtrünnigkeit ist eine Vertragsstrafe von zehn Millionen Debitpunkten vorgesehen.“ Er zeigte auf die betreffende Stelle im Hologramm. „Das entspricht sechs weiteren Jahren. Die Laufzeit des Vertrages beträgt also vierundzwanzigeinhalb Jahre.“
„Ich habe eine Einladung erhalten“, sagte Tess mühsam. „Von der Musikakademie auf Harmonie Ophiuchus. Sie verliert ihre Gültigkeit, wenn ich sie nicht innerhalb von drei Normmonaten annehme.“
Der Mann von Interkosmika deutete erneut ins Hologramm, das über dem Holz des alten Tisches schwebte. „Dies ist die Situation. Dies sind Ihre Pflichten. Sie werden mit mir kommen, Tess Velazca.“
„Wann?“, ächzte Tess.
„Jetzt sofort.“ Wayfare deaktivierte das Holo, nahm den kleinen Projektor vom Tisch und steckte ihn ein.
Amandeas Lippen zitterten wieder. Speichel rann ihr aus den Mundwinkeln. In Solomars Augen lag tiefe Trauer.
„Das können Sie nicht tun!“, platzte es aus Sinclair hervor.
Wayfare hob Brauen, so grau wie seine Uniform. „Ich bin Exekutor. Ich habe die Befugnis.“ Er sah Tess an. „Wenn Sie nicht mit mir kommen, wenn Sie sich weigern, wird das Obligat Ihrer Familie neu bewertet. Dann gehen auch die restlichen Ländereien auf Rosengarten Sagittarius sowie dieses Haupthaus mit allen Nebengebäuden ins Eigentum von Interkosmika über.“
„Es wäre unser endgültiger Ruin“, sagte Solomar leise.
Tess begriff, dass es um mehr ging als ihre eigene Zukunft. „Ich komme mit.“
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