Lieferung innerhalb 1-3 Werktage
Bezahlmöglichkeiten
Vorbestellung möglich
Kostenloser Versand*
Blick ins Buch
Blick ins Buch

Deadline Deadline - eBook-Ausgabe

Elmar Theveßen
Folgen
Nicht mehr folgen

Wie das System Trump die Demokratie aushöhlt und uns alle gefährdet

— Der bekannte Amerika-Korrespondent über Handelskriege, Staatsverachtung und Inflation unter Trump
Hardcover (22,00 €) E-Book (21,99 €)
€ 22,00 inkl. MwSt. Erscheint am: 30.05.2025 Bald verfügbar Das Buch kann 30 Tage vor dem Erscheinungstermin vorbestellt werden. Im Buchshop Ihrer Wahl bestellen
Geschenk-Service
Für den Versand als Geschenk können eine gesonderte Lieferadresse eingeben sowie eine Geschenkverpackung und einen Grußtext wählen. Einem Geschenkpaket wird keine Rechnung beigelegt, diese wird gesondert per Post versendet.
Kostenlose Lieferung
Bestellungen ab 9,00 € liefern wir innerhalb von Deutschland versandkostenfrei
€ 21,99 inkl. MwSt. Erscheint am: 30.05.2025 Bald verfügbar Das Buch kann 30 Tage vor dem Erscheinungstermin vorbestellt werden.
Geschenk-Service
Für den Versand als Geschenk können eine gesonderte Lieferadresse eingeben sowie eine Geschenkverpackung und einen Grußtext wählen. Einem Geschenkpaket wird keine Rechnung beigelegt, diese wird gesondert per Post versendet.
Kostenlose Lieferung
Bestellungen ab 9,00 € liefern wir innerhalb von Deutschland versandkostenfrei

Deadline — Inhalt

Abriss einer Demokratie

Abriss einer Demokratie

Die alte Weltordnung zerbröselt, befeuert durch den US-Präsidenten Donald Trump. Er zettelt Handelskriege an, untergräbt multilaterale Bündnisse und hebelt die Schutzmechanismen der amerikanischen Demokratie aus. Mit einer Säuberungswelle ungekannten Ausmaßes entfernt Trump alle Kritiker aus dem öffentlichen Dienst. Billionen von Dollar, die das Parlament für konkrete Projekte genehmigt hat, sind rechtswidrig beschlagnahmt. Ein nicht gewählter Milliardär bekommt Macht über die gesamte amerikanische Regierung. Wichtige Bürgerrechte und der Schutz von Minderheiten werden geschleift. Elmar Theveßen entwirft in diesem Buch das düstere Szenario vom Abgleiten in einen Autoritarismus, der uns alle bedroht. Deshalb brauchen wir endlich eine Vision und eine Strategie, um die Zukunft unseres Landes und unseres Kontinents zu gestalten; und wir brauchen ein entschlossenes und geschlossenes Europa, das die Stärken der liberalen Demokratie ausspielt gegen die Allmachtsfantasien von autoritären Anführern.

€ 22,00 [D], € 22,70 [A]
Erscheint am 30.05.2025
288 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag
EAN 978-3-492-07332-5
Download Cover
€ 21,99 [D], € 21,99 [A]
Erscheint am 30.05.2025
256 Seiten
EAN 978-3-492-61030-8
Download Cover

Leseprobe zu „Deadline“

Prolog
Stunde der Wahrheit

„Ich glaube immer noch nicht, dass es das ganze Land ist“, sagt Susan. Dann versagt ihre Stimme, sie schluchzt, versucht weiterzureden. „Wenn ich dran denke, wie schnell es gegangen ist. Ich hätte nie gedacht, dass das möglich sein würde.“ Wieder muss sie sich fassen, fährt mit zitternder Stimme fort. „Ich habe an unsere Institutionen geglaubt. Ich habe allen gesagt, dass unsere Institutionen stark sind und nicht so schnell zusammenbrechen können.“ Verzweiflung liegt in ihren Worten und Angst. Sie hatte uns gebeten, ihre [...]

weiterlesen

Prolog
Stunde der Wahrheit

„Ich glaube immer noch nicht, dass es das ganze Land ist“, sagt Susan. Dann versagt ihre Stimme, sie schluchzt, versucht weiterzureden. „Wenn ich dran denke, wie schnell es gegangen ist. Ich hätte nie gedacht, dass das möglich sein würde.“ Wieder muss sie sich fassen, fährt mit zitternder Stimme fort. „Ich habe an unsere Institutionen geglaubt. Ich habe allen gesagt, dass unsere Institutionen stark sind und nicht so schnell zusammenbrechen können.“ Verzweiflung liegt in ihren Worten und Angst. Sie hatte uns gebeten, ihre Identität um jeden Preis zu schützen. Deshalb findet das Gespräch an einem neutralen Ort statt, Susan – das ist natürlich nicht ihr richtiger Name – sitzt mit dem Rücken zur Kamera, hat die Kapuze ihrer Jacke über den Kopf gezogen, ihre Stimme haben wir verfremdet. Noch nie mussten wir so etwas tun bei unserer Berichterstattung aus den USA, nie hätten auch wir gedacht, dass es so weit kommen würde.

Gerade mal zwei Wochen ist Donald Trump im Amt, da sind Hunderttausende von Regierungsmitarbeitern eingeschüchtert und voller Angst. Sie tauschen sich untereinander nur noch per Signal aus, einer App, in der Chats und Gespräche verschlüsselt werden, wie uns Susan erzählt. Sie arbeitet bei USAID, der Regierungsbehörde für internationale Entwicklung. Donald Trump hat gerade alle Gelder für Projekte rund um den Erdball eingefroren, alle Mitarbeitenden suspendiert. Unsere Gesprächspartnerin erzählt von der Mail, die sie und alle anderen bekommen haben. „Uns wurde mitgeteilt, dass wir unsere Arbeit nicht mehr machen können, weil die Auslandshilfe nicht mehr mit der Agenda des derzeitigen Präsidenten übereinstimmt und unsere Programme dieser Agenda nicht dienen. Deshalb seien alle Stellen hier in Washington und draußen in der Welt nicht mehr notwendig.“ Sie hätten keinen Zugriff mehr auf ihre Computer, auf ihre E-Mails und Akten. „Wir dürfen nicht in die Büros, und die meisten Leute rechnen damit, in den kommenden Wochen entlassen zu werden.“ Ich will ein wenig ausführlicher aus dem Interview zitieren, weil es zeigt, was hier im Gange ist. Susan macht sich Sorgen, vor allem um die Menschen, die für USAID weltweit im Einsatz waren. „Es ist nicht leicht, wenn ich an all die Leute denke, die mit mir zusammengearbeitet haben, Kollegen aus Lateinamerika, Afrika und Asien, die darauf angewiesen waren und jetzt keinen Lebensunterhalt mehr haben. Am meisten hat mich der Schock in ihren Gesichtern getroffen, in ihren Augen, als sie erfuhren, dass ihr amerikanischer Vertrag nicht mehr gilt. Das ist wirklich das Schlimmste, besonders weil die Menschen in den Ländern, in denen wir arbeiten, Amerika wirklich als Ideal der Demokratie, der Integrität und des Vertrauens ansehen. Es dauert lange, dieses Vertrauen aufzubauen, und man kann es nicht so einfach wiederherstellen, wenn es einmal weg ist.“

Da geht gerade etwas kaputt in Amerika, weil das Land einen Systemsprenger zum Präsidenten gewählt hat, der die Demokratie umbauen, vielleicht gar abschaffen will, gemeinsam mit einem zweiten Systemsprenger, den niemand gewählt hat. Elon Musk, ausgerechnet der reichste Mann der Welt, führt im Auftrag Donald Trumps den Feldzug gegen die Ärmsten, die ihre Hoffnungen auf Amerika gesetzt hatten. 70 Milliarden Dollar an Auslandshilfen einfach gestrichen, ein Gesetzesbruch, wie ich später zeigen werde. Aber Musk führt auch eine Art Krieg gegen die Bediensteten im Regierungsapparat, er schüchtert sie ein und verbreitet Angst. „Jeder einzelne Tag ist schwieriger als der letzte, weil ständig neue Informationen kommen, übers Wochenende, in den Abendstunden“, erzählt Susan, „es wird von uns erwartet, dass wir sie verdauen und dann so tun, als ob wir wüssten, was passiert, obwohl niemand sie versteht. Wir sollen sie auch gar nicht verstehen. Wir sollen uns nur fügen, Angst haben und uns zurückziehen.“ Zuerst hätten einige überlegt, ob und wie sie sich wehren könnten, aber wer es versuchte, wurde direkt ins Visier genommen, so Susan: „Je stärker jemand versucht, sich innerhalb der Behörde zu wehren, desto schärfer wird der Angriff. Die Botschaft ist: Kämpfe nicht, leiste keinen Widerstand, sonst wird es für dich noch schlimmer. Es fühlt sich wie eine Schlacht an, wie Unterdrückung.“ Susan und ihre Kolleginnen und Kollegen fürchten, dass sich Trump und Musk an ihnen rächen könnten, wenn sie sich öffentlich äußern: „Vergeltung – sie ermutigen Anhänger der Regierung offen, Andersdenkende zu benennen. Sie haben damit begonnen, Namen in den Nachrichten zu veröffentlichen. Da entsteht ein Gefühl der Angst. Die Leute haben Angst, nicht nur um sich selbst, sondern auch um ihre Familien, um ihre Zukunft. Es geht nicht um das, was jetzt, sondern um das, was später passieren könnte.“

Willkommen im Amerika von Donald Trump. Beginnen wir damit, was die Vereinigten Staaten nicht sind – eine Diktatur. Auch wenn manche jetzt schon das Gegenteil behaupten, gibt es doch eine Reihe von Anhaltspunkten, dass wir noch ein ganzes Stück vom Worst-Case-Szenario entfernt sind. Der Präsident wurde gewählt. Trumps Partei hält die Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses. Einige seiner Amtsvorgänger – neben George W. Bush auch Barack Obama und Joe Biden – verhängten ebenfalls gern Dekrete, über die man politisch und rechtlich trefflich streiten konnte. Die Gerichte geben sich Mühe, die Exekutivbefehle auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen und den Präsidenten zu bremsen, wo es juristisch notwendig erscheint. Noch sind Wahlen in den USA nicht bedeutungslos. Noch werden politisch Andersdenkende nicht willkürlich verhaftet und ins Gefängnis geworfen, wie das in Russland, China oder im Iran jederzeit geschehen kann.

Trotz allem können wir jetzt dennoch schon sagen, was Amerika unter Donald Trump definitiv nicht mehr ist – eine Demokratie, deren Grundprinzipien von Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung vom amtierenden Präsidenten respektiert und eingehalten werden. Dabei hat er am 20. Januar 2025 folgenden Eid abgelegt: „Ich schwöre feierlich, dass ich das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten treu ausführen und dabei – so gut ich es vermag – die Verfassung der Vereinigten Staaten bewahren, beschützen und verteidigen werde.“ Wenn Donald Trump das wirklich täte, hätte er Susan und rund zwei Millionen andere Staatsbedienstete nicht einschüchtern und in Angst um ihre Familien versetzen lassen. Dann hätte er nicht jene Exekutivbefehle mit seinem geliebten schwarzen Filzstift unterzeichnet, die in Teilen eindeutig rechtswidrig sind, weil eine Vielzahl der Bestimmungen die verfassungsmäßige Macht des Kongresses untergraben und die Gewaltenteilung der amerikanischen Demokratie zerstören. Und dann gäbe es auch keine Zweifel daran, dass sich Amerikas Präsident am Ende der rechtlichen Klärung dem Urteil des Obersten Gerichtshofes beugen würde, auch wenn es nicht in seinem Sinne ausfällt. Wenn Donald Trump sich weigert, dann könnte man ihn tatsächlich als Diktator bezeichnen. Ich kann aber sehr gut verstehen, warum einige Verfassungsrechtler und Historiker doch jetzt schon von einem Coup, einem Staatsstreich oder Umsturz reden. Schließlich erinnern wir uns alle nur zu gut, dass es genau dazu im Jahr 2021 beinahe gekommen wäre, als ein Umsturzversuch, befeuert durch den Präsidenten, in der Herzkammer der amerikanischen Demokratie, dem Parlament, am Ende doch scheiterte. Wir stecken jetzt zweifellos mitten im zweiten Umsturzversuch, der größte Aussicht auf Erfolg hat, wenn man die Ereignisse der ersten Monate 2025 betrachtet.

Für den aktuellen Status quo des amerikanischen Regierungssystems haben Politikwissenschaftler und Historiker einige passende Bezeichnungen zur Auswahl. „Competitive Authoritarianism“[i], also in etwa „rivalisierender Autoritarismus“. Das mag sich seltsam anhören, doch gemeint ist ein System, in dem Parteien zwar weiter zu Wahlen antreten, die Amtsinhaber aber alle Register ihrer exekutiven Macht ziehen, um die Chancen der Opposition auf Machtgewinn zu mindern oder gar zu zerstören. Dabei greifen sie Grundprinzipien der Demokratie an, die da wären: die Auswahl der Exekutive (Präsident) und Legislative (Parlament) durch offene, freie und faire Wahlen; die Beteiligung aller Erwachsenen als Wähler; der Schutz von Grundrechten wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit einschließlich der offenen Kritik an der Regierung ohne Angst vor Vergeltung; die Ausübung der Macht durch die gewählten Autoritäten ohne Kontrolle durch militärische oder religiöse Anführer. Und schließlich die Gewaltenteilung einschließlich der Kontrolle durch die dritte Macht im Staat – die Judikative (Gerichte). Auch wenn die Wahlen im „rivalisierenden Autoritarismus“ regelmäßig und weitgehend frei von Betrug stattfinden, missbrauchen die Machthaber die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen, um die Opposition und ihre Anhänger einzuschüchtern, die Mechanismen und Regeln der Wahlen zu ihren Gunsten zu verändern und die Medienlandschaft zuungunsten der politischen Gegner umzugestalten. Andersdenkende, Regierungskritiker und Journalisten werden ausgespäht, ebenfalls eingeschüchtert und mit Repressalien bedroht. Manche bezeichnen ein System mit diesen Merkmalen auch als „gefälschte Demokratie“ oder „illiberale Demokratie“ – wie es der ungarische Premierminister Victor Orbán selbst nennt. Orbán behauptet, mit seinen autoritären Methoden immer im besten Interesse seines Landes zu handeln und damit den wahren Willen des ungarischen Volkes zu erfüllen. Orbán bestreitet vehement die unleugbare Tatsache, dass er damit Grundprinzipien wie Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Pressefreiheit in Ungarn untergräbt. Das wichtigste Werkzeug im Leitfaden des autoritären Anführers nennt man „Executive Aggrandizement“,[ii] also die exekutive Vergrößerung. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Politiker seine Macht über die von der Legislative und der Judikative wahrgenommenen Kontrollfunktionen (checks and balances) hinaus ausdehnt und die Unabhängigkeit des öffentlichen Dienstes einschränkt. Selbst ein rechtmäßig gewählter Politiker kann so die Demokratie untergraben. Und genau das tut Donald Trump gerade. In den ersten Monaten hat uns eine Flut von Maßnahmen überwältigt, und das ist volle Absicht, denn dieses „flooding the zone“ dient allein dem Ziel, den Blick auf das große Ganze zu verstellen – nämlich den Generalangriff auf die amerikanische Demokratie, der an scheinbar zahllosen Fronten geführt wird. Hier ein kleiner Überblick ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Mit einer Säuberungswelle ungekannten Ausmaßes werden alle Kritiker aus dem öffentlichen Dienst entfernt. Hunderttausende von Staatsbediensteten werden eingeschüchtert, gemobbt oder gefeuert. Loyalisten mit zweifelhaftem Hintergrund – Verschwörungsfans, Diktatorenfreunde, Rassisten, Sexisten, Alkoholiker – bekommen hohe Regierungsämter. Der Regierungsapparat wird mit Erfüllungsgehilfen durchsetzt. Alle sind aufgefordert, Abweichler und Kritiker zu denunzieren. Die Trumpisten übernehmen Institutionen, die dem Kongress gegenüber verantwortlich sind, wie die Steuerbehörde IRS, die Medienaufsicht FCC und die Wahlaufsicht FEC. Ganze Behörden werden abgeschafft, obwohl nur der Kongress das Recht dazu hätte. Billionen von Dollar, die das Parlament für konkrete Projekte genehmigt hat, sind rechtswidrig beschlagnahmt. Ein nicht gewählter Milliardär bekommt unkontrollierten Zugang zu den Zahlungssystemen, den Personalakten und den vertraulichen Geschäftsdokumenten der amerikanischen Regierung sowie den Steuerdaten aller Bürger. Ein Dutzend der unabhängigen Aufseher der Behörden sind gefeuert. Wichtige Bürgerrechte und der Schutz von Minderheiten werden geschliffen. Das Recht auf Asyl gibt es de facto nicht mehr. Die Aufständischen vom Sturm auf das Kapitol, darunter Gewalttäter und Anführer von rechtsextremistischen Milizen, sind begnadigt. Der Präsident hält seine schützende Hand über die Feinde der Demokratie. FBI-Beamte und Staatsanwälte, die an den Ermittlungen beteiligt waren, sind gefeuert. Laufende Strafverfahren gegen Trump-Freunde werden eingestellt, neue Verfahren gegen politische Gegner eingeleitet, die ihre Familien erschüttern, ihren Ruf zerstören und ihren finanziellen Ruin bedeuten könnten. Die Trump-Administration droht Medien und leitet Ermittlungsverfahren ein. Nicht genehme Journalisten werden von der Berichterstattung ausgeschlossen. Abweichler und Kritiker innerhalb der republikanischen Partei werden von Donald Trump und seinen Helfern zur Linientreue genötigt und erpresst. Willfährige Unternehmen werden bei der Deregulierung bevorteilt, kritische Firmen abgestraft. Konzernchefs beugen die Knie aus Angst vor negativen Konsequenzen. Überall im Land bringt sich die republikanische Partei in Stellung, um künftige Wahlergebnisse zu ihren Gunsten zu manipulieren. In allen Bereichen geht es um Nötigung, Erpressung und Einschüchterung, um ein Ziel zu erreichen: Unterwerfung. Das gleiche Prinzip wendet die Trump-Administration auch in der Außenpolitik an. Sie droht mit Handelskriegen, wirtschaftlichem und militärischem Zwang gegen andere Länder. Sie missachtet Grundprinzipien der Charta der Vereinten Nationen, wie die territoriale Integrität und Souveränität eines jeden Landes, und kokettiert mit einer völkerrechtswidrigen Zwangsumsiedlung von zwei Millionen Palästinensern. Trump behauptet, die Europäische Union gebe es nur, um die „Vereinigten Staaten zu bescheißen“. Die Ukraine habe den Krieg selbst begonnen. Mit dem Eklat beim Besuch des ukrainischen Präsidenten Selenskyj im Weißen Haus positionierte sich das Amerika von Donald Trump und J. D. Vance als systemischer Gegner der regelbasierten und wertegeleiteten Weltordnung.

Glaubt man den Umfragen der ersten Wochen, hat eine Mehrheit der Amerikaner mit vielen der aufgezählten Entwicklungen und Maßnahmen kein Problem – kein Wunder, denn schon seit Jahren zeichnete sich in den USA eine alarmierende Hinwendung zum Autoritarismus ab. Nach einer repräsentativen Befragung des Public Religion Research Institutes PRRI und der Denkfabrik Brookings Institution vom August 2023 glauben 55 Prozent der Amerikaner, dass sich die amerikanische Kultur und der American Way of Life seit den 50er-Jahren zum Schlechteren entwickelt haben;[iii] nach Parteien aufgeschlüsselt, sind Republikaner mit 73 Prozent deutlich skeptischer als die Demokraten mit 34 Prozent. 52 Prozent sind überzeugt, dass die besten Tage Amerikas vorbei sind (Republikaner 67 Prozent, Demokraten 35 Prozent). Besonders besorgniserregend sind die Zahlen zur daraus resultierenden Gewaltbereitschaft: 23 Prozent der Amerikaner sind der Meinung, dass „die Dinge so weit vom Weg abgekommen sind, dass echte amerikanische Patrioten vielleicht zu Gewalt greifen müssen, um unser Land zu retten“. 33 Prozent der Republikaner teilen diese Haltung, 13 Prozent der Demokraten.

Das Ipsos-Institut hat im November/Dezember 2023 in einer ebenfalls repräsentativen Untersuchung zum globalen Populismus festgestellt, dass 65 Prozent der Amerikaner die US-Gesellschaft für zerrüttet halten.[iv] 66 Prozent glauben, dass die Wirtschaft zugunsten der Reichen und Mächtigen manipuliert ist. Ebenfalls zwei Drittel der Befragten sehnen sich nach einem starken Anführer, der das Land den Eliten entreißt. 40 Prozent wollen eine Führungspersönlichkeit, die bereit ist, die Regeln zu brechen; nur 27 Prozent der Befragten lehnen das ab. In Deutschland sieht es ähnlich aus. Nach der Ipsos-Studie sind 67 Prozent der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger überzeugt, dass die deutsche Gesellschaft zerrüttet ist, 63 Prozent glauben, es gehe bergab. Eine deutliche Mehrheit wirft der Politik vor, sich nicht um die Belange der Menschen zu kümmern (59 Prozent), und kritisiert, die Wirtschaft agiere nur für die Reichen und Mächtigen (62 Prozent). Dass „nur“ 38 Prozent der Bundesbürger nach einem starken Anführer rufen, „nur“ 27 Prozent nach einem, der auch die Regeln brechen würde, mag in der historischen Erfahrung Deutschlands mit dem Autoritarismus begründet sein, die es in den USA so nicht gab. Aber auch in Deutschland sehen wir eine grundsätzliche Sympathie für den Autoritarismus, die bei künftigen Wahlen volle Wirkung entfalten könnte, wenn die im Februar gewählte Regierungskoalition keine überzeugende Wirtschafts-, Sicherheits- und Gesellschaftspolitik liefert. Da ist sie also, die Deadline für unsere liberale Demokratie. In den Vereinigten Staaten von Amerika ist ihr Verfall bereits in vollem Gange, befeuert von einem, der offenbar auch den Autoritarismus für die bessere und erfolgreichere Herrschaftsform hält.

„Demokratie ist, wenn die Mehrheit die Minderheit zu Tode knüppeln will, das ist Demokratie“, sagte Kristina Karamo. Solch ein Satz würde uns kaum aufschrecken, wenn wir ihn am Rande einer Kundgebung von Donald Trump aus dem Mund eines seiner Anhänger gehört hätten. Aber Karamo war damals bei unserem Gespräch im Jahr 2022 die republikanische Kandidatin für das Amt der Innenministerin in Michigan. Beinahe wäre sie dann auch zur obersten Wahlaufseherin in ihrem Bundesstaat gewählt worden. Ihre Worte waren ein Alarmzeichen für eine historisch begründete Demokratieverachtung, befeuert von allen Vertretern des Trumpismus. Sie machten sich den Umstand zunutze, dass in der amerikanischen Verfassung Worte wie „Demokratie“ oder „demokratisch“ nicht vorkommen. Tatsächlich stritten sich die Gründungsväter beim Entwurf des Dokuments darum, ob man als Kontrast zur Monarchie des Kolonialreichs England eine direkte Demokratie einführen sollte. Am Ende fanden sie einen weisen Kompromiss. Die Demokratie sollte durch verfassungsmäßige Menschen- und Bürgerrechte, Gesetze und Regeln eingegrenzt werden, sodass die individuellen Freiheiten der Bürger garantiert waren. Politikwissenschaftler nennen das eine konstitutionelle oder repräsentative Demokratie mit unverzichtbaren Prinzipien: Rechtsstaatlichkeit, Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit, Religionsfreiheit und Schutz der Minderheiten. In den USA sagt man: „If it walks like a duck and quacks like a duck, it is a duck“ – „wenn es watschelt wie eine Ente und quakt wie eine Ente, dann ist es eine Ente“. Also war Amerika unzweifelhaft eine Demokratie, auch wenn Karamo das entschieden bestritt: „Wir sind eine konstitutionelle Republik. Eine Demokratie ist die Herrschaft des Mobs.“ Aus dieser Haltung heraus sind Donald Trump und seine willfährigen Helfer dabei, die amerikanische Demokratie zu demontieren. Das Ziel ist nicht eine konstitutionelle Republik, sondern ein autoritäres System.

Ich will in diesem Buch aufzeigen, wie genau Trump die Demokratie in den USA gefährdet. Zunächst gehe ich der Frage nach, wie es dem neuen, alten Präsidenten gelungen ist, grünes Licht für seine Revolution zu bekommen, und warum seine demokratische Widersacherin die Wahl – zwar nicht in einem Erdrutschsieg für Trump, aber dennoch deutlich – verloren hat. Im zweiten Kapitel geht es um die Methoden, mit denen Donald Trump nach seinem Amtsantritt versucht, seine präsidentielle Macht massiv auszudehnen. Dabei helfen sollen ihm willfährige Regierungsmitglieder, die sich als Vollstrecker sehen und aufführen, wie ich im Kapitel 3 zeigen werde. Im vierten Kapitel werfen wir einen Blick auf seine Wirtschafts- und Finanzpolitik vom gewünschten Ausbau der Öl- und Gas-Förderung über die steuerlichen Erleichterungen für die großen Unternehmen bis zu einer weitgehenden Deregulierung. Diese Vorhaben sind mit erheblichen Risiken verbunden, die durch Trumps Vorliebe für Strafzölle noch verschärft werden. Letztere könnten auch der deutschen Wirtschaft einen Schaden von bis zu 180 Milliarden Euro in der vierjährigen Amtszeit Trumps zufügen.[v] Im Kapitel 5 geht es vor allem um Elon Musk und andere Reiche, die sich den amerikanischen Staat ein Stück weit zur Beute machen. Im Kapitel 6 schauen wir auf die Zuwanderungspolitik der neuen Trump-Administration, genauer: die bereits laufende Massenabschiebung von Migranten, die ohne Aufenthaltsgenehmigung in den Vereinigten Staaten leben. Ganz so einfach, wie der Präsident sich das vorstellt, ist es aber nicht. Im siebten und achten Kapitel geht es um die weltpolitischen Ambitionen der Vereinigten Staaten, die das Ansehen Amerikas schwer beschädigen könnten. Was bedeuten Trumps Ideen für die NATO, die multilateralen Gipfelformate und die regelbasierte Ordnung dieser Welt? Man bekommt dabei den Eindruck, dass die neue US-Regierung all das abschaffen will, was Amerika nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs selbst federführend erschaffen hat, um weitere Katastrophen zu verhindern: Regeln, Institutionen, Bündnisse. Nichts scheint Trump heilig. Deshalb erkunde ich im neunten Kapitel die moralischen Implikationen einer Politik, die fatal an ethische und rechtliche Überzeugungen aus der düstersten Zeit der europäischen und deutschen Geschichte erinnert. Als wäre das nicht schon bedrückend genug, ist das Kapitel 10 der vielleicht besorgniserregendste Teil dieses Buches. Es beschäftigt sich mit der merkwürdigen Gedankenwelt um den amerikanischen Vizepräsidenten J. D. Vance, der ja – wie man so sagt – nur einen Herzschlag vom mächtigsten Amt dieser Welt entfernt ist. Welche Einflüsse wirken auf Vance, und womit müssen wir rechnen, falls er den Trumpismus nach Trump weiterführt? Im elften Kapitel geht es um die möglichen Antworten, die wir in Europa und Deutschland auf die Herausforderungen aus Washington finden müssen, eine Art Masterplan mit Ansätzen für eine bessere Politik, die unsere Demokratie wieder attraktiver machen kann.

Dieses Buch basiert auf umfangreichen Recherchen und intensiven Gesprächen mit Menschen, die ich bei meinen Reisen in den USA getroffen habe. Natürlich habe ich auch mit führenden Politikern, einflussreichen Wirtschaftsmanagern und hochrangigen Militärs geredet, meist am Rand von Gipfeltreffen, Sicherheitstagungen und politischen Großereignissen. Viele Namen meiner Quellen müssen leider ungenannt bleiben, weil sie um den Schutz ihrer Identität gebeten haben, auch angesichts der Spannungen im transatlantischen Verhältnis.

Natürlich stammt das meiste in diesem Buch aus offenen Quellen, die jedermann zugänglich sind, zum Beispiel aus deutschen und internationalen Zeitungen, Zeitschriften, Büchern und wissenschaftlichen Publikationen. Einen Großteil der Informationen habe ich mithilfe der oben genannten Quellen verifizieren können. An manchen Stellen bleibt ein Restrisiko: Informationen, die zwar zu den übrigen Rechercheergebnissen passen, aber nicht unabhängig bestätigt werden konnten. Das betrifft insbesondere Informationen aus nachrichtendienstlichen Kreisen, die wiederum auf Quellen zurückgreifen, die entweder nicht namentlich genannt wurden oder deren Zuverlässigkeit sich nicht unabhängig bestätigen ließ. Natürlich sind manche Angaben, auf die ich mich stütze, auch interessengesteuert. Gerade bei behördlichen Quellen kann es vorkommen, dass das eigene Wirken in einem möglichst günstigen Licht erscheinen soll, während das der anderen kritisiert wird. Ich habe bei meinen Gesprächen auch Angst gespürt, Angst um das transatlantische Bündnis, Angst um unsere westliche Wertegemeinschaft und Angst davor, dass wir in Deutschland nicht die Kurve kriegen vor der Deadline für unsere Demokratie.

Auch für uns tickt die Uhr angesichts der populistischen Strömungen auf unserem Kontinent. Der Druck, den Donald Trump auf Europa und Deutschland erzeugt, könnte deshalb eine positive Wirkung entfalten. Er zwingt uns zu einem klaren Bekenntnis: Wollen wir das erfolgreiche Experiment der liberalen Demokratie und einer sozialen Marktwirtschaft, basierend auf Werten und Idealen, in Europa fortsetzen? Dann müssen wir für die regelbasierte Weltordnung und für die Grundprinzipien der Demokratie entschlossen und geschlossen eintreten, im Zweifel auch ohne oder gar gegen ein autoritäres Amerika unter Donald Trump.


[i]Vgl. scholar.harvard.edu/levitsky/files/SL_elections.pdf

[ii]Vgl. www.brookings.edu/articles/democratic-erosion-the-role-of-executive-aggrandizement/

[iii]PRRI American Values Study „Threats to American Democracy“. Repräsentative Umfrage unter 2525 Befragten des Ipsos-Knowledge-Panels. Befragungszeitraum 25. – 30. 08. 2023.

[iv]Ipsos-Global-Advisor-Studie „Populism 2024“. Repräsentative Umfrage unter 20 630 Befragten im Alter von 16 bis 74 Jahren in 28 Ländern. In den USA und Deutschland repräsentativ. Befragungszeitraum 22.11.–06. 12. 2023.

[v]Vgl. www.iwkoeln.de/presse/pressemitteilungen/thomas-obst-samina-sultan-juergen-matthes-handelskrieg-unter-trump-koennte-deutschland-bis-zu-180-milliarden-euro-kosten.html

Elmar Theveßen

Über Elmar Theveßen

Biografie

Elmar Theveßen, Jahrgang 1967, studierte Politische Wissenschaft, Geschichte und Germanistik in Bonn. Nach verschiedenen journalistischen Stationen, u. a. 1995-2001 als ZDF-Korrespondent für Nordamerika im Studio Washington und 2007-2019 als stellvertretender Chefredakteur des ZDF, ist er seit März...

Veranstaltung
Buchpräsentation
Mittwoch, 02. Juli 2025 in Bayreuth
Zeit:
20:00 Uhr
Ort:
Buchhandlung Rupprecht,
95444 Bayreuth

Die Veranstaltung ist ausverkauft.

Im Kalender speichern
Kommentare zum Buch
Kommentieren Sie diesen Beitrag:
(* Pflichtfeld)

Elmar Theveßen - NEWS

Erhalten Sie Updates zu Neuerscheinungen und individuelle Empfehlungen.

Beim Absenden ist ein Fehler aufgetreten!

Elmar Theveßen - NEWS

Sind Sie sicher, dass Sie Elmar Theveßen nicht mehr folgen möchten?

Beim Absenden ist ein Fehler aufgetreten!

Abbrechen