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Deine Welt wird brennen (Hannover-Krimis 13) Deine Welt wird brennen (Hannover-Krimis 13) - eBook-Ausgabe

Susanne Mischke
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Kriminalroman

— Ein fesselnder Krimi aus der Bestseller-Reihe

„Susanne Mischke ist wieder ein spannender, facettenreicher Krimi gelungen.“ - Allgäuer Zeitung

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Deine Welt wird brennen (Hannover-Krimis 13) — Inhalt

Ein tödlicher Sinneswandel - ein neuer Fall für Bodo Völxen und sein Hannover-Team
Hauptkommissar Bodo Völxen wird von Sirenen aus dem Schlaf gerissen. Auf dem benachbarten Grundstück brennt die Scheune lichterloh. Am Morgen steht fest: Es war Brandstiftung, eine Leiche wurde gefunden und vom Bewohner, dem CEO einer Frackingfirma, fehlt jede Spur. Dieser hatte sich Feinde gemacht, weil er nach dem Genuss psychoaktiver Pilze seinen Ölreichtum gegen Umweltschutz eintauschen wollte. Ein Plan, der in der Firma und Familie viele erzürnte. Das Team ermittelt und Völxen will den Fall schnellstmöglich lösen, denn das Verbrechen auf dem Nachbargrundstück steht ihm unerwartet nahe.

Frackingfirma gegen Umweltschützer – Völxen und sein Team geraten zwischen die Fronten

In diesem Kriminalroman schreibt Bestsellerautorin Susanne Mischke wieder einen hoch spannenden Fall rund um das Ermittlerteam aus Hannover und nimmt sich dabei dem aktuellen Thema Umweltschutz an. 

Für Fans von Nele Neuhaus

„Akribisch und grundsolide erzählt Susanne Mischke von den sechs Ermittlern.“ ― NDR Kultur „Neue Bücher“ 

€ 17,00 [D], € 17,50 [A]
Erschienen am 02.01.2024
304 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-492-06373-9
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€ 12,99 [D], € 12,99 [A]
Erschienen am 02.01.2024
304 Seiten
EAN 978-3-492-60513-7
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Leseprobe zu „Deine Welt wird brennen (Hannover-Krimis 13)“

Kapitel 1 – Der Brand

Nacht von Mittwoch auf Donnerstag


Bodo Völxen sitzt in der ersten Bank und soll ein Gedicht aufsagen. Er hat es geübt, aber jetzt ist alles weg. Er beginnt zu schwitzen. Der alte Schafbock hinter dem Lehrerpult mustert ihn mit schrägen Pupillen und leckt sich hämisch grinsend über die gelben Zähne. Dann hebt er den Kopf mit dem schweren Gehörn und stößt ein schauerliches Geheul aus, denn er ist gar kein Schafbock, sondern ein Wolf, der heult und heult …

Völxen fährt aus den Kissen und reißt die Augen auf. Schwaches Mondlicht fällt [...]

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Kapitel 1 – Der Brand

Nacht von Mittwoch auf Donnerstag


Bodo Völxen sitzt in der ersten Bank und soll ein Gedicht aufsagen. Er hat es geübt, aber jetzt ist alles weg. Er beginnt zu schwitzen. Der alte Schafbock hinter dem Lehrerpult mustert ihn mit schrägen Pupillen und leckt sich hämisch grinsend über die gelben Zähne. Dann hebt er den Kopf mit dem schweren Gehörn und stößt ein schauerliches Geheul aus, denn er ist gar kein Schafbock, sondern ein Wolf, der heult und heult …

Völxen fährt aus den Kissen und reißt die Augen auf. Schwaches Mondlicht fällt durch die Ritzen der Jalousie. Langsam schälen sich die vertrauten Konturen des heimischen Schlafzimmers aus dem Dunkel. Er atmet tief durch. Was für ein Irrsinn, jetzt verfolgt ihn Amadeus, das alte Biest, sogar schon in seinen Träumen. Das darf er keinesfalls Sabine erzählen, die lacht ihn aus. Oder rät ihm zu einer Therapie.

Nicht alles war ein Traum, das Heulen ist echt. Es hält an und bohrt sich wie eine Schraube in seinen Kopf. Oscar, der Terriermischling, sitzt am Fußende des Bettes. Dem Fenster zugewandt jault er um die Wette mit den Sirenen, die von draußen zu hören sind.

„Still, Oscar. Verdammt noch mal!“

Zu spät, jetzt ist auch Sabine wach. Sie knipst die Nachttischlampe an, blinzelt und fragt: „Was ist denn los?“

„Feuerwehr“, konstatiert der Hauptkommissar, denn er muss es schließlich wissen.

Bei Westwind kann man ab und zu Polizei- oder Feuerwehrsirenen von der Bundesstraße hören, aber daran hat sich der Hund längst gewöhnt. Die Töne, die Oscar zum Jaulen animiert haben, waren lauter und näher. Soeben sind sie verstummt. Nicht so der Terrier.

„Oscar, Ruhe! Und runter vom Bett!“, schimpft Sabine.

Widerstrebend und in Zeitlupe wird der Befehl ausgeführt.

Die Leuchtziffern des Weckers zeigen 02:25. Schlaftrunken wankt Völxen durchs Zimmer, stolpert über den Hundekorb und flucht. Er zieht die Jalousie hoch und öffnet das zuvor gekippte Fenster ganz. Die Sommernacht ist angenehm kühl, frische Luft strömt ins Zimmer und streichelt seinen verschwitzten Nacken. Im Dorf scheint alles in Ordnung zu sein, nirgendwo ein Widerschein von Flammen oder Blaulichtern. Er hat das doch nicht geträumt, oder? Nein, Oscar ist sein Zeuge. Wo sind die Fahrzeuge denn dann hin? Sie waren doch ganz nah.

Sabine scheint sich ähnliche Gedanken zu machen. „Vielleicht ist was passiert, drüben, beim Hühnerbaron“, flüstert sie ängstlich, als könnte es sich bewahrheiten, wenn sie es nur laut genug ausspricht.

Die beiden schauen einander an. Eine Menge Unausgesprochenes liegt in diesem Blick, allem voran die Frage, wie gefährlich ein Feuer beim Nachbarn ihnen selbst werden kann. Ziemlich gefährlich, durchzuckt es Völxen. Je nachdem, wie stark und woher der Wind weht.

Er schlüpft in seinen gestreiften Bademantel, verlässt das Zimmer und überquert den Flur. Vom Badfenster aus hat man einen guten Blick auf das Wohnhaus und die Hühnerställe des Nachbarn.

Da ist etwas im Gange. Fast alle Fenster im Haus von Jens und Hanne Köpcke sind erleuchtet. Zwei Löschfahrzeuge bewegen sich hinter Köpckes Hof mit zuckenden Blaulichtern einen holprigen Feldweg entlang. Die Sirenen wurden abgeschaltet. Da draußen gibt es keine Verkehrsteilnehmer, die man warnen müsste, der Weg führt nur durch Rüben- und Kornfelder zu einer alten Feldscheune. Diese Scheune ist der Grund für den Einsatz. Sie steht in Flammen, Feuerzungen lodern hoch zum Dach hinaus in den Nachthimmel. Für einige Momente überlässt Völxen sich diesem Schauspiel, das ihn auf eine morbide Weise fasziniert.

„Es ist nicht Köpckes Hof“, sagt er zu Sabine, die nun ebenfalls ins Badezimmer kommt. „Da hat er Schwein gehabt, der Hühnerbaron.“

Jetzt schaut auch sie aus dem Fenster und spricht dann mit schriller Stimme aus, wovor ihr Ehemann seit Wochen die Augen verschließt: „Bodo! Wie kannst du das nur sagen? Da drin wohnt doch dieser Arnold!“

 

An Schlaf ist nicht mehr zu denken, also tauscht Völxen sein Lieblingskleidungsstück, den Bademantel, gegen seine Arbeitshose und ein T-Shirt. Vorsichtshalber steckt er auch noch seinen Dienstausweis ein. Zurück bleiben ein kläffender Terrier und Sabine, die hinuntergegangen ist in die Küche. Gähnend füllt sie den Wasserkocher, um sich einen Tee zuzubereiten, denn auch sie kann jetzt nicht einfach zurück ins Bett und weiterschlafen.

Der Hauptkommissar schnappt sich sein Rad und schiebt es durch den Garten in Richtung der Schafweide mit den Obstbäumen und dem Stall. Alles liegt friedlich im Dunkeln. Die vier Schafe und der Bock sind nachts im Stall eingeschlossen. Früher konnte man sie getrost draußen lassen, aber inzwischen gibt es in dieser Gegend immer wieder herumstreunende Wölfe. Völxen kann nur hoffen, dass der Lärm der Einsatzfahrzeuge die Schafe nicht in allzu große Panik versetzt hat. Er wird sich gleich morgen früh um seine Lieblinge kümmern, jetzt, mitten in der Nacht, würde sein Erscheinen sie nur noch mehr aufregen. Ächzend tritt er in die Pedale. Der Trampelpfad entlang der Schafweide ist Gift für seine Bandscheiben, aber der kürzeste und schnellste Weg zur Brandstelle führt über Köpckes Hof und den Feldweg dahinter. Man kann die Scheune zwar auch von der anderen Seite mit dem Auto erreichen, doch nur auf einem Riesenumweg über das Nachbardorf.

Da drin wohnt doch dieser Arnold. Der Satz von Sabine hallt als aufdringliches Echo in seinem Kopf nach. Natürlich hat er mitbekommen, dass der seltsame Kauz seit dem Frühjahr mit ziemlicher Regelmäßigkeit in der Scheune schläft. Jedenfalls brennt da drüben fast jeden Abend Licht. Strom gibt es dort nämlich, denn früher nutzte Jens Köpcke das Gebäude als Werkstatt für alte Traktoren, die er aufkaufte, herrichtete und teuer verkaufte. Irgendwann bekam das Finanzamt Wind von diesem lukrativen Hobby, und nach einer saftigen Steuernachzahlung verlor der Hühnerbaron die Lust daran. Von der Elektrizität abgesehen fehlt der Scheune jedoch jegliche Errungenschaft moderner Zivilisation. Vor allen Dingen eine Toilette. Aus diesem Grund mied Völxen die Umgebung der Scheune in letzter Zeit bei seinen Hundespaziergängen. Man weiß ja nicht, wie dieser Arnold das Problem handhabt, und Terrier Oscar hat eine ausgesprochen unappetitliche Angewohnheit …

Völxen verdrängt den Gedanken daran. Er hat Köpckes Hof erreicht, lässt Hühnerställe und Wohnhaus links liegen, biegt auf den Feldweg ein und nimmt Fahrt auf. Der Dynamo schnurrt, der Lichtkegel zittert über die Schlaglöcher. Jetzt kann er den Brand nicht nur sehen und riechen, sondern auch hören. Er hat fast vergessen, wie laut so ein Feuer sein kann. Vor langer Zeit, auf Streife und beim KDD, war Völxen häufiger unter den Ersten an einer Brandstelle. Während der letzten zwanzig Jahre, als Leiter des Kommissariats für Todesdelikte, kam er meistens nur noch zu bereits gelöschten oder leise vor sich hin schwelenden Brandorten. Doch dieses Feuer ist noch dabei, sich richtig auszutoben. Die Flammen führen einen wilden Tanz auf, fast wie ein lebendes Wesen, eine Bestie, die faucht und braust, dazwischen knackt es. Balken krachen in die Glut. Als würde das nicht genügen, gibt es hin und wieder eine kleine Explosion. Farbdosen vielleicht oder Terpentin, denn der Scheunenbewohner hat sich der Malerei verschrieben. Was vorhin, vom Fenster aus, noch eine gewisse archaische Faszination auf den Hauptkommissar ausübte, empfindet er nun als beängstigend und bedrohlich. Außerdem weckt es unangenehme Erinnerungen. Vor etlichen Jahren tauchte eine verbrannte Leiche im Osterfeuer auf dem Süllberg auf. Er hat den grässlichen Anblick bis heute nicht vergessen. Seither hat er es nicht mehr so sehr mit Feuer, abgesehen vom heimischen Kaminofen.

Von hinten nähern sich Scheinwerfer. Völxen muss absteigen und ins Rübenfeld ausweichen. Schon wird er überholt von einem LHF, was für Lösch-Hilfeleistungs-Fahrzeug steht, dem folgt ein größeres Tanklöschfahrzeug. Die Feuerwehren werden nicht allzu viel ausrichten können, befürchtet er. Ein paar Tausend Liter Wasser sind schnell versprüht. Einen Hydranten gibt es mitten in der Feldmark nicht, erst recht keinen Löschteich. Da ist nur ein Brunnen vor der Scheune, mit einer Handpumpe. Morgens duschte der Scheunenbewohner dort regelmäßig mithilfe dieser Pumpe und einer selbst gebastelten Duschkonstruktion, was Sabine Völxen zu manch anerkennender Bemerkung über den athletischen Körperbau des neuen Nachbarn veranlasste. Kürzlich erkundigte sie sich beiläufig, wo eigentlich der Feldstecher abgeblieben sei, den Völxen von seinem Großvater geerbt habe, und man kann getrost davon ausgehen, dass sie damit keine Vögel beobachten wollte.

Der Hauptkommissar hat sich wieder aus dem Rübenacker herausgearbeitet, doch er muss erneut zur Seite springen. Ein Passat rast mit aufgesetztem Blaulicht ohne Rücksicht auf Verluste den Feldweg entlang. Der Kriminaldauerdienst. Völxen hat als junger Polizist ebenfalls ein paar Jahre dort verbracht. Flott unterwegs, die Herrschaften, stellt er fest.

Zum Qualm des Feuers und der Anstrengung des Radelns kommt nun auch noch die Staubwolke, die die Fahrzeuge aufgewirbelt haben. Völxen muss husten. Er macht sich Sorgen. Wann hat es eigentlich zum letzten Mal geregnet? Ist schon etliche Tage her, zwei Wochen bestimmt. Die Böden in den Gärten und auf den Äckern haben Risse, das Korn ist reif und trocken. Einige Felder wurden schon abgeerntet, doch zwischen der Scheune und seinem und Köpckes Hof steht das Korn noch ordentlich hoch. Da reicht ein Funke, ein paar Windböen, und dann ist ein halber Kilometer plötzlich keine Entfernung mehr. Andererseits wissen die Feuerwehrleute vom Land nur allzu gut um diese Dinge, sie werden darauf achten und entsprechend handeln. Zumindest hofft Völxen das.

Warum brennt die Scheune denn überhaupt? Hat dieser Freak wieder einmal ein Lagerfeuer entfacht, die Glut nicht ordentlich gelöscht – und schon ist die Kacke am Dampfen, wie es der Kollege Raukel ausdrücken würde.

Völxen ist heiß vom Radeln oder vielleicht auch von den Flammen, die ihre Hitze abstrahlen. Rauchschwaden umfangen ihn wie Nebel, ehe der Wind sie fortweht. Ungeachtet seiner Befindlichkeit strampelt er, so schnell er kann. Sollte der worst case eintreten und dieser Arnold in den Flammen umgekommen sein, dann ist das ohnehin ein Fall für ihn und seine Leute. Da ist man dann besser gleich von Beginn an vor Ort. Diese praktische Erwägung ist jedoch nicht der wahre Grund für seine Eile.

Es ist ein vages Schuldgefühl, das ihn antreibt. Er hätte den Hühnerbaron längst darauf ansprechen sollen, dass das Wohnen in einer Feldscheune, die offiziell als Maleratelier vermietet wurde, nicht erlaubt ist. Nicht ohne eine Nutzungsänderungsgenehmigung. Doch er hat geschwiegen, bis heute, denn ihm ist klar, dass Köpcke, das alte Schlitzohr, die Vorschriften genau kennt – und ignoriert. Und was, fragte sich Völxen, kümmern mich derlei Lappalien? Sein Kommissariat ist schließlich für Straftaten gegen das Leben zuständig, nicht für Bau- und Mietrecht. Hauptsächlich aber wollte er das gutnachbarliche und freundschaftliche Verhältnis mit Jens Köpcke, das seit bald dreißig Jahren besteht, nicht belasten. Hier, in diesem Dorf, in diesem alten, umgebauten Bauernhof, ist Völxens Zuhause, sein Rückzugsort. Hier ist er Privatmann, Schafhalter, Hundebesitzer, Nachbar. Alles, nur nicht im Dienst. Obgleich Köpcke und Konsorten ihn mit Kommissar anzusprechen pflegen, möchte er in seiner privaten Umgebung keinesfalls den Dorfsheriff geben. Deshalb drückt er bisweilen ein Auge zu – oder auch mal zwei.

Was, wenn sein Wegsehen und Schweigen nun fatale Folgen hat? Jens und Hanne Köpcke werden auf alle Fälle Ärger bekommen, denn mit den Brandermittlern ist nicht zu spaßen. Für die ist jeder Besitzer einer abgebrannten Immobilie zuerst einmal ein potenzieller Versicherungsbetrüger. Es kommt also einiges auf den Hühnerbaron zu, selbst wenn die Sache glimpflich ausgeht. Glimpflich heißt in diesem Fall: ohne brennende Felder und ohne einen Toten in dem verbrannten Gebäude.

Die Leute vom Kriminaldauerdienst haben keine Zeit verloren. Das kann Völxen erkennen, als er am Einsatzort ankommt und sein Rad abstellt. Eine Beamtin in den Dreißigern hat den Hühnerbaron in der Mache, ihr Kollege unterhält sich mit Hanne Köpcke. Völxen kennt die beiden nicht, sie sind zu jung. Oder er zu alt. Vom Mieter der Scheune ist nichts zu sehen, auch sein Wagen parkt nicht vor dem Tor. Völxen nimmt dies erst einmal mit Erleichterung zur Kenntnis.

Außer den Kollegen vom KDD sind zwei Streifenwagen und vier Löschfahrzeuge vor Ort. Scheinwerfer werden aufgestellt, Schläuche ausgerollt, Kommandos gebrüllt. „Wasser marsch!“ Das erste Löschfahrzeug ist schon im Einsatz, das zweite positioniert sich auf der anderen Seite der Scheune. Blaulichter zucken durch die Nacht.

„Achtung! Weg da! Der Dachstuhl kommt runter!“, schreit es aus mehreren Kehlen.

Schon kracht es. Balken stürzen herab, dazwischen Heuballen, sie sehen aus wie Kissen aus Feuer. Funken sprühen. Die Männer richten den Wasserstrahl auf die glühenden Heuballen. Es zischt und dampft. Völxen weicht zurück.

„Was wollen Sie hier?“ Ein Jungspund von der Streife, der gerade das Absperrband ausrollt, betrachtet ihn mit grimmiger Miene. Offenbar hält er ihn für einen Schaulustigen, dem kein Weg zu weit war. Völxen zeigt dem Mann seinen Dienstausweis.

„Hauptkommissar Völxen vom 1. 1 K?“ Der Junge nimmt Haltung an. „Aber wer hat Sie denn gerufen? Hier gibt es gar keinen Personenschaden.“

„Umso besser“, antwortet Völxen knapp, denn gerade hat ihn der Hühnerbaron bemerkt und wirft ihm über die Schulter der Kollegin vom KDD einen halb erfreuten, halb verzweifelten Blick zu.

Völxen mag sich nicht in die Befragung der Kollegen einmischen, das käme nicht gut an. Er hält Blickkontakt mit dem Hühnerbaron und streicht sich dabei mit der Hand über seine Lippen, als müsse er dort etwas abwischen. Der Nachbar nickt kaum merklich. Die Botschaft, Klappe halten!, ist angekommen. Nun, in der Krise, zahlt sich die wortkarge Kommunikation am Zaun der Schafweide aus, die Völxen und sein Nachbar seit Jahren praktizieren und perfektionieren. All die Sundowner in Form lauwarmer Herrenhäuser wurden nicht vergeblich schweigend getrunken, registriert Völxen mit Befriedigung.

Er macht sich auf und umrundet in gebührendem Abstand die Brandstelle, nur um sich zu vergewissern, dass Arnolds Wagen wirklich nicht da ist. Auf der Rückseite angelangt, bekommt er eine ordentliche Wolke Qualm ab. Der Rauch brennt in den Augen und lässt ihn erneut husten. Der Wind hat aufgefrischt. Das ist gar nicht gut. Jetzt muss die Feuerwehr wirklich aufpassen, dass es nicht zu einem Flächenbrand kommt. Ein kräftiger Regenguss wäre Gold wert, aber es sieht überhaupt nicht danach aus. Wie schon die letzten Sommer ist auch dieser recht trocken, obwohl das Frühjahr verheißungsvoll regnerisch begann.

Immerhin kommt Verstärkung. Auf dem befestigten Weg aus Richtung Hemmingen nähern sich drei weitere Löschfahrzeuge. Eines muss man den freiwilligen Feuerwehren der Dörfer lassen, wenn es irgendwo brennt, sind sie sofort zur Stelle. Manchmal entbrennt – was für ein makabrer Ausdruck – sogar ein regelrechter Wettbewerb zwischen den Ortschaften, wer die schnellsten sind.

Völxen sieht zu, dass er dem Rauch entkommt und den eintreffenden Einsatzfahrzeugen nicht im Weg ist.

Nein, der Volvo ist nicht da, zum Glück. Alles halb so schlimm, kein Personenschaden, wie es das junge Streifenhörnchen eben formuliert hat.

„Kommissar! Gut, dass du hier bist!“ Hanne Köpcke taucht wie ein kompaktes Gespenst aus dem Qualm auf. Ihr rundes Gesicht glänzt feucht, ihr Doppelkinn bebt. Anders als ihr Gatte war die Nachbarin noch nie eine Anhängerin der nonverbalen Kommunikation. Schon schnattert sie drauflos. Sie sei es gewesen, die das Feuer entdeckt habe, erklärt sie. Sie könne in letzter Zeit oft nicht durchschlafen. „Die Wechseljahre! Ehe ich mich nur im Bett herumwälze, stehe ich lieber auf und mache mir eine Tasse Kräutertee. Wenn es eine schöne Nacht ist, so wie heute, dann gehe ich auch mal ein paar Schritte vor die Tür. Ich denk mir noch, was riecht denn hier so komisch, und als ich um die Ecke biege, da sehe ich das Feuer. Hab ich einen Schrecken bekommen! Ich habe sofort den Jens geweckt und die Feuerwehr gerufen.“ Sie deutet auf die Flammen, die inzwischen nicht mehr ganz so hoch und hell lodern. Der alles verschlingenden Bestie scheint allmählich das Material auszugehen. „Mein Gott, wie kann denn das passieren?“

„Das wüsste ich auch gerne“, antwortet Völxen. „Noch mehr würde mich allerdings interessieren, wo unser Künstler abgeblieben ist.“

„Der Becker? In der Scheune war er jedenfalls nicht“, antwortet die Nachbarin. „Sein Auto ist auch weg.“

Bei den Einsatzkräften der Feuerwehr wird beratschlagt, wie man weiter verfährt. Völxen entnimmt den Gesprächsfetzen, dass man sich gegen die Anforderung weiterer Löschfahrzeuge entscheidet. Da die Scheune ohnehin nicht mehr zu retten ist, will man den Rest kontrolliert abbrennen lassen und lieber die Umgebung sichern. Später, wenn alles heruntergebrannt ist, kann man noch eventuell vorhandene Glutnester mit Schaum löschen. Diese Strategie ist ganz in Völxens Sinn. Es beruhigt ihn etwas, dass die Männer und die ein, zwei Frauen, die er bis jetzt unter den Helmen ausmachen konnte, die Lage im Griff haben.

Der Hühnerbaron ist den Fängen des KDD entronnen und nähert sich. „So ein verdammter Mist!“, schimpft er. „Da macht man einmal im Leben ein gutes Geschäft und dann das!“

„Sei lieber froh, dass der Kerl nicht da drin war“, versetzt Völxen missmutig.

„Hm, ja, ist auch wieder wahr“, grummelt Köpcke.

„Hast du ihn schon angerufen?“, fragt Völxen

„Nein. Ich hatte Besseres zu tun. Das erfährt er schon noch früh genug.“

„Weißt du, wo er ist?“

„Keine Ahnung, er hat sich bei uns nicht abgemeldet.“

Die zwei Beamte vom Kriminaldauerdienst steigen gerade wieder in ihren Wagen. Sie können hier nicht viel ausrichten. Die Scheune wird man erst morgen betreten können, und die Brandursache zu erforschen ist nicht mehr ihre Sache. Sollte dabei ein gewisser Verdacht aufkommen, dann bekommt der Hühnerbaron es mit den Kollegen vom 1. 2 K – Brandstiftung – zu tun.

„Was haben sie euch gefragt?“, will Völxen von seiner Nachbarin wissen.

„Wo wir waren, als wir das Feuer bemerkt haben.“

„Und ob sich in der Scheune gefährliche, explosive Substanzen befinden“, fügt ihr Mann hinzu.

„Was hast du gesagt?“

„Dass da drin ein paar alte Möbel, Gerätschaften und Bilder lagern. Und altes Heu, oben auf dem Boden. Ist ja auch die reine Wahrheit“, grinst Köpcke.

Zumindest Teile davon, ergänzt Völxen in Gedanken. Kann es sein, überlegt Völxen, dass den Köpckes nicht so recht klar ist, wie haarscharf sie an einer Katastrophe vorbeigeschlittert sind?

„Hast du erwähnt, Jens, dass der Kerl dort praktisch gewohnt hat?“

„Nein. Du etwa, Hanne?“

Die Gefragte plustert sich auf. „Mit keinem Wort! Ich bin ja nicht bescheuert. Ich habe genug Krimis gesehen, ich weiß, wie das läuft. Alles, was Sie sagen, kann gegen Sie verwendet werden …“

„Dann vergesst das mal nicht in nächster Zeit“, rät Völxen.

„Du meinst, wir werden noch richtig vernommen? Wegen der ollen Scheune?“ Der Hühnerbaron runzelt zweifelnd die Stirn.

„Darauf kannst du dich verlassen“, antwortet Völxen. „Mit den Brandermittlern ist nicht zu spaßen.“

„Du verstehst es wirklich, einen aufzumuntern, Kommissar.“

Völxen verspürt plötzlich eine bleierne Müdigkeit und starke Sehnsucht nach seinem Bett. „Soll ich noch hierbleiben?“, fragt er anstandshalber das Ehepaar Köpcke.

„Nicht nötig, Kommissar. Wir kommen schon klar“, meint der Nachbar.

 

Völxen schwingt sich auf sein Gefährt und radelt zurück, deutlich langsamer als vorhin. Trotz Hanne Köpckes vorgeblicher Abgebrühtheit durch fleißigen Krimikonsum ist der Nachbarin nämlich doch etwas herausgerutscht, wenn auch vielleicht nur ihm gegenüber: Becker. Offenbar der Nachname ihres Mieters, welchen Jens Köpcke ihm die ganze Zeit über partout nicht verraten wollte. Völxen war deswegen sogar ziemlich angefressen in den letzten Wochen.

Arnold Becker also. Damit lässt sich schon mal etwas anfangen, und wenn er nicht so müde wäre, würde er ihn heute noch überprüfen und googeln.

Morgen ist auch noch ein Tag.

Seit Anfang März wusste Völxen schon, dass Köpcke seine Scheune vermietet hatte, denn wo sich sonst nur Krähen und Füchse tummelten, herrschte auf einmal ein Kommen und Gehen. Natürlich kann Köpcke mit seiner Scheune anstellen, was er will, das hielt ihm auch Sabine vor Augen, wenn Völxen sich bei ihr beklagte. Aber es missfiel ihm trotzdem.

Ein paar Tage darauf kam der Scheunenmieter im Gefolge von Jens Köpcke an den Zaun der Schafweide. Unangemeldet. Was Völxen sofort gegen den Mann einnahm. Dieser Platz ist sein kleines Refugium, dort steht er frühmorgens oder nach Feierabend gerne lange und in sich gekehrt da und beobachtet die grasenden Schafe und den Sonnenuntergang hinterm Deister. Selbst Familienmitglieder sind dabei nicht immer willkommen, und der Hühnerbaron nur, weil er die Kunst des Schweigens beherrscht.

Der ungebetene Gast stellte sich mit Arnold vor.

„Völxen“, sagte Völxen und taxierte den Eindringling mit Polizistenscharfblick. Teure Sneakers, teurer Haarschnitt, das karierte Hemd weit aufgeknöpft. Eine Kette mit einem Anhänger verlor sich in seinem Brusthaar. Das und die militärisch anmutende Cargohose wirkten an ihm wie eine Verkleidung. Ohne dass ihn jemand gefragt hätte, erklärte Arnold, er habe aufgrund eines einschneidenden Erlebnisses eingesehen, dass sich in seinem Leben einiges ändern müsse. Er wolle die Scheune nutzen, um darin zu malen, zu meditieren und die ländliche Ruhe zu genießen. Völxen wünschte ihm dabei viel Vergnügen und dachte an die Traktoren mit den Spritzmitteln, die bald losziehen würden, und den Mähdrescher, welcher der ländlichen Ruhe zur Kornernte im Sommer gründlich den Garaus machen würde. Dasselbe noch einmal im Herbst, beim Rübenroden, nur mit weniger Staub.

Danach versandete die Unterhaltung, denn Köpcke und Völxen übten sich demonstrativ in ihrer Königsdisziplin.

Am nächsten Tag knöpfte Völxen sich den Hühnerbaron vor. Ob derlei ungebetene Besuche jetzt zur Gewohnheit würden?

Köpcke, sichtlich verlegen, entschuldigte sich und meinte, der Kerl sei ihm einfach nachgelaufen. Unter Völxens bohrenden Fragen wand er sich wie ein Wurm an der Angel. Der Mann habe ihn um Diskretion gebeten, war zunächst alles, was Völxen aus Köpcke herausquetschen konnte, und dass Arnold ihm die Miete für ein halbes Jahr in bar und im Voraus bezahlt habe, einen überaus großzügigen Betrag für eine alte Scheune ohne fließendes Wasser.

Bei diesen Worten zogen sich die Augenbrauen des Hauptkommissars zusammen, zwei buschige graue Raupen auf Kollisionskurs. Ob Köpcke denn schon davon gehört habe, dass in den Niederlanden und in Belgien die Drogenkartelle gerne abgelegene Scheunen anmieteten, um darin Ecstasy und dergleichen herzustellen? Zwar sei man nicht in den Niederlanden, sondern in Niedersachsen, aber könne man deshalb ausschließen, dass diese Unsitte nicht auch hierzulande bereits um sich griff? „Dir ist schon klar, Jens, dass du mit einem Bein im Knast stehst, wenn der Kerl in deiner Scheune ein Drogenlabor betreibt?“, setzte er noch einen drauf.

„Ein Drogenlabor? In meiner Scheune! Das ist doch …“

„Was? Abwegig?“

„Irgendwie schon“, meinte Köpcke. „Wenn du mich fragst, ist das ein reicher Spinner mit einer Midlife-Crisis, nichts weiter.“ Um Völxen zu beruhigen, versicherte er, alle paar Tage nach dem Rechten zu sehen.

„Versprich es mir!“

„Großes Indianerehrenwort.“

Bald gab der Hühnerbaron Entwarnung. „Kein Drogenlabor, Kommissar. Er hat ein paar Möbel da reingestellt, die sehen aus wie vom Sperrmüll. Und Staffeleien und Leinwände. Er malt. Seltsames Zeug. Aber das ist ja nicht verboten.“

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Eines Nachmittags radelte Völxen höchstpersönlich zur Scheune und spähte durch das schmutzige Fenster. Er sah Köpckes Aussage bestätigt. Ein geradezu Spitzweg’sches Idyll breitete sich vor seinen misstrauischen Blicken aus. Der Tisch mit den Malsachen, Staffeleien mit und ohne Leinwand, ein rotes Samtsofa, das auch schon bessere Tage gesehen hatte, genau wie das Bett, der Tisch und das alte Küchenbuffet. Kann es sein, grübelte Völxen auf dem Rückweg beschämt vor sich hin, dass der Beruf zu sehr abfärbt und ich überall Verdächtiges wittere?

War der Künstler anwesend, dann parkte vor dem Scheunentor ein protziger, mit allen Schikanen ausgestatteter Volvo-Geländewagen, der zum Lebensstil des Scheunenbewohners nicht passen wollte. Eine Kennzeichenabfrage wäre für den Hauptkommissar ein Leichtes gewesen. Mit dem Namen könnte man die Daten des Einwohnermeldeamts einsehen, überprüfen, ob eine Kriminalakte existiert, und Google befragen. Die Versuchung war sehr groß, manchmal schier übermächtig. Andererseits geschah in der Scheune nichts, was eine solche Maßnahme gerechtfertigt hätte.

Je wärmer es wurde, desto öfter übernachtete dieser Arnold in seinem Atelier und erfreute die weibliche Nachbarschaft mit seinem morgendlichen Duschritual. Dieses Benehmen war unverfroren und exzentrisch, aber nicht kriminell. Das hielt Völxen sich in schwachen Momenten vor Augen. Datenabfragen für private Zwecke verstoßen seit jeher gegen die Dienstvorschrift. Früher sah man das nicht ganz so eng. Es gab Kollegen, die jemandem einen Gefallen taten oder aus eigenem Interesse die Adresse zum Kennzeichen einer attraktiven Verkehrsteilnehmerin abfragten. Heute ist das sowohl verpönt als auch riskant. Sämtliche Abfragen werden automatisch protokolliert. Wenn es dumm läuft, handelt man sich mit so einer Sache eine Menge Ärger ein. Es wäre überaus peinlich, wenn er als Dienststellenleiter bei einer derartigen Regelverletzung erwischt würde. Dieses Risiko war Völxen seine Neugierde dann doch nicht wert. Also übte sich der Hauptkommissar zähneknirschend in Selbstbeherrschung.

Aber er blieb wachsam. Sein Instinkt sagte ihm, dass mit diesem Mann etwas nicht stimmte.

Susanne Mischke

Über Susanne Mischke

Biografie

Susanne Mischke wurde 1960 in Kempten geboren und lebt heute in Wertach. Sie war mehrere Jahre Präsidentin der „Sisters in Crime“ und erschrieb sich mit ihren fesselnden Kriminalromanen eine große Fangemeinde. Für das Buch „Wer nicht hören will, muß fühlen“ erhielt sie die „Agathe“, den...

Pressestimmen
Hessische Allgemeine

„Spannender Krimi“

Radio Leinewelle “Radiolounge”

„Immer wieder findet die Autorin interessante Themen für die Fälle. Die Charaktere des Ermittlerteams sind auf jeden Fall unschlagbar authentisch.“

Allgäuer Zeitung

„Susanne Mischke ist wieder ein spannender, facettenreicher Krimi gelungen.“

StadtRadio Göttingen „Book's n' Rock's“

„Sie begeistert mit einem gut durchdachten Plot, sympathischen Charakteren und jeder Menge Lokalkolorit.“

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