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Der Muslim und die JüdinDer Muslim und die Jüdin

Der Muslim und die Jüdin Der Muslim und die Jüdin - eBook-Ausgabe

Ronen Steinke
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Die Geschichte einer Rettung in Berlin

— Dr. Mod Helmy zum 122. Geburtstag

„Einfühlsam und bewegend.“ - Der Tagesspiegel

Alle Pressestimmen (13)

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Der Muslim und die Jüdin — Inhalt

Eine Geschichte, die Mut macht in Zeiten des Hasses

Die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem hat bis heute mehr als 25 000 mutige Männer und Frauen geehrt, die während des Zweiten Weltkriegs Juden retteten. Diese Geschichte ist trotzdem einzigartig. Unter den „Gerechten unter den Völkern“ ist bislang nur ein Araber: Mohammed Helmy. Er lebte in Berlin. Den ganzen Krieg über blieb er in der Stadt. Der Ägypter balancierte ständig auf einem schmalen Grat zwischen Anpassung und Subversion, und er vollbrachte ein wahres Husarenstück, um die Nazis auszutricksen. So rettete er die Jüdin Anna Boros. Dieses Buch wirft ein Licht auf eine fast vergessene Welt, das alte arabische Berlin der Weimarer Zeit, das gebildet, fortschrittlich und in weiten Teilen alles andere als judenfeindlich war. Einige Araber in Deutschland stellten sich in den Dienst des NS-Regimes. Aber eine nicht unbedeutende Gruppe – und von ihr handelt diese Geschichte – bildete einen Teil des deutschen Widerstands gegen den NS-Terror.

Die Geschichte des einzigen Arabers, der in Yad Vashem geehrt wurde

„Die eindrucksvoll erzählte Geschichte von der wundervollen Rettung über Religionsgrenzen hinweg.“Deutschlandfunk

€ 14,00 [D], € 14,40 [A]
Erschienen am 01.03.2019
208 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-31424-4
Download Cover
€ 11,99 [D], € 11,99 [A]
Erschienen am 01.08.2017
208 Seiten
EAN 978-3-8270-7953-4
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Leseprobe zu „Der Muslim und die Jüdin“

Kapitel 1: New York

Eine große jüdische Familie ist zusammengekommen, die Gutmans, es ist eng, es gibt zu essen, es wird gelacht, es werden Fotoalben hervorgeholt. Das Schwarz-Weiß-Porträt einer stillen, stämmigen Frau mit dunklen Haaren. Anna Gutman, innig geliebt. „Unsere Großmutter.“ Die Tochter ähnelt ihr sehr. Ohne sie gäbe es diese ganze Familie nicht. Sie wuchs auf in Hitlers Berlin, sie überlebte den Krieg dort – dank eines mutigen Retters, eines Ägypters. „Ohne ihn“, so erklärt die Tochter, Carla Gutman Greenspan, beim Familientreffen in New [...]

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Kapitel 1: New York

Eine große jüdische Familie ist zusammengekommen, die Gutmans, es ist eng, es gibt zu essen, es wird gelacht, es werden Fotoalben hervorgeholt. Das Schwarz-Weiß-Porträt einer stillen, stämmigen Frau mit dunklen Haaren. Anna Gutman, innig geliebt. „Unsere Großmutter.“ Die Tochter ähnelt ihr sehr. Ohne sie gäbe es diese ganze Familie nicht. Sie wuchs auf in Hitlers Berlin, sie überlebte den Krieg dort – dank eines mutigen Retters, eines Ägypters. „Ohne ihn“, so erklärt die Tochter, Carla Gutman Greenspan, beim Familientreffen in New York zwischen Brüder, Halbbrüdern und Kindern, „wäre dieser ganze Raum mit 25 Menschen heute leer.“ Die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem hat bis heute fast 25 000 mutige Männer und Frauen, die während des Zweiten Weltkriegs Juden retteten, als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt, die bekannteste dieser Geschichten handelt von dem Frankfurter Mädchen Anne Frank, das in Amsterdam vom Ehepaar Miep und Jan Gies vor den Nazis versteckt wurde. Aber diese Geschichte ist trotzdem einzigartig. Unter den 25 000 „Gerechten unter den Völkern“ ist bislang nur ein Araber. Er lebte im Berliner Wedding, und während er dem jüdischen Mädchen Anna das Leben rettete, war er selbst der Verfolgung durch die Nazis ausgesetzt. Dies ist seine Geschichte – es ist eine, die Mut macht in diesen Zeiten des Hasses. Es ist eine Geschichte, die zeigt, wie viel Solidarität und Menschlichkeit möglich war zwischen Muslimen und Juden – sogar mitten in Hitlers Hauptstadt. Wenn heute manche Araber in Deutschland sagen, die Erinnerung an den Holocaust tangiere sie nicht, sie selbst hätten darin keine Rolle, dann zeigt diese Geschichte das Gegenteil: Sie wirft ein Licht auf eine fast vergessene Welt, das alte arabische Berlin der Weimarer Zeit, das gebildet, fortschrittlich und alles andere als antisemitisch war. Einen Teil des klandestinen deutschen Widerstands gegen den NS-Terror.  

Kapitel 2: Araber in Berlin?

In den 1920er- und 30er-Jahren gab es schon einmal eine solche Community, und was für ein faszinierendes, schillerndes Milieu das war: Berlin war ein Anziehungspunkt für Arabiens Hochgebildete, hier sammelten sich Tausende junge Männer aus bestem Kairoer oder Damaszener Hause, die als Studenten in Berlin die Puppen tanzen ließen – mit Alkohol und Frauen – und gar nicht mehr nach Hause zurück wollten. Sie führten auch ein reges intellektuelles Leben. Leute wie Albert Einstein waren gern gesehene Gäste. Ein paar dieser jungen Araber sind sogar so angefixt – und fühlen sich offenbar so unverwundbar dabei –, dass sie selbst nach der Machtübernahme der Nazis nicht das Weite suchen, sondern unbedingt bleiben wollen. Der vielleicht originellste unter ihnen ist der junger Ägypter Mohammed Helmy. Er hat Medizin studiert in Berlin, arbeitet im Krankenhaus. Und er hat in Deutschland seine große Liebe gefunden: die Berlinerin Emmy. Er kann sie als „Nicht-Arier“ aber nicht heiraten, auch Kinder zu bekommen wäre schwierig, was ihn schmerzt, der Kinder liebt. Der junge Ägypter kann sich Hohn und Spott über die lächerlichen Figuren, die 1933 in Deutschland an die Macht gekommen sind, nicht verkneifen: In seiner Heimat Ägypten hat er die Gebrüder Rudolf und Alfred Heß einst als Schüler aus nächster Nähe kennengelernt. Die Familie Heß lebte zeitweise in Ägypten. Was für dumme Kinder das doch gewesen seien, amüsiert sich der Ägypter nun in Berlin öffentlich – derart, dass der Führer-Stellvertreter Heß persönlich sich für sein Schicksal interessiert und hinter den Kulissen immer wieder interveniert, um z.B. 1939 die Freilassung aus Polizei-Haft oder die Approbation des Ägypters Helmy zu verhindern. Dokumente zeigen: Die Nazis haben den jungen Mann auf dem Kieker, mehr als jeden anderen Muslim in Berlin. Aber er provoziert weiter, als könne ihm niemand etwas anhaben.  

Kapitel 3: Kairo heute

Ich treffe zwei Nachfahren des Ägypters Helmy in einem schicken Shisha-Café im Osten Kairos, es sind stolze Männer, sehr aufrecht, zwischen den Zigaretten schlürfen sie Mokka: der Ex-General Mohammed El-Kelish und der Ex-Offizier Ahmed Nur el-Din Farghal. Sie haben Fotos mitgebracht, auf denen ihr Vorfahr Mohammed Helmy (1901-1982) schlank und nachdenklich aussieht, eines zeigt ihn im weißen Arztkittel in Berlin, eines im Tennis-Dress. Ein Bild von Erfolg. Er soll in Deutschland Juden gerettet haben? Ja ja, das habe man natürlich gehört. Nur, mit Juden wolle man heute nichts zu tun haben. Der große Stolz der Familie ist heute, dass einer der Ihren in einem Krieg mit Israel zum Flieger-Helden wurde. So vergiftet ist heute das politische Klima, so sehr wird die Vergangenheit von dem inzwischen Geschehenen überlagert.  

Kapitel 4: Der Tanz mit den Nazis

1933 verlassen fast alle Araber das Land. Helmy ist einer von nur 300, die geblieben sind. Er hat seine Emmy, die er nicht verlassen will, und er hat seine Patienten. Der junge Ägypter taktiert, so wie auch andere Araber, er beteuert bei Bedarf nach außen hin seine Treue zum in Deutschland herrschenden Regime. Zeitweise kommt er als Ausländer in ein NS-Internierungslager, von dort schreibt er überfreundliche, salbungsvolle Briefe an Nazi-Größen, er hat auch keine Scheu, sich sogar an Hitler persönlich zu wenden. Der junge Ägypter – er kommt aus einer wichtigen Offiziersfamilie – ist eine Art Promi-Häftling. Die iranische Botschaft schreibt ständig Bittbriefe für ihn. Rudolf Heß schreibt ständig zurück, warum man bei Helmy hart bleiben müsse. Am Ende kommt Helmy 1940 frei.  

Kapitel 5: Helmy hilft Juden

Als „nicht-arischer“ Arzt darf er keine „Arier“ mehr behandeln, also kommen in seine Praxis faktisch nur noch Juden, und zu vielen dieser Familien entstehen Vertrauensbeziehungen. Das arabische Berlin und die Juden – da gibt es ohnehin schon lange eine freundschaftliche Nähe. Man ist sich erstaunlich ähnlich, gebildet, humanistisch, benachteiligt; man hält zusammen. Viele Juden, die eine Emigration nach Palästina erwägen, nehmen Arabisch-Unterricht bei den Muslimen der Stadt; gemeinsam teilt man die Sehnsucht nach dem alten Orient und dem vergleichsweise guten Miteinander der Religionen dort. Während der junge ägyptische Arzt nun vorderhand gemeinsam mit seinen arabischen Freunden weiter NS-Treue vorgaukelt, knüpft er insgeheim ein Netzwerk zur Rettung von Juden. Es ist die Zeit, als Hitler sich um gute Beziehungen mit der arabischen Welt bemüht – 1941 kommt der Großmufti von Jerusalem als persönlicher Gast Hitlers nach Berlin, bekommt eine „arisierte“ Villa, soll die muslimische Gemeinde Berlins leiten. Einige Berliner Araber dienen sich dem radikal antisemitischen Großmufti als Assistenten an, um politische Vergünstigungen und Absicherungen zu bekommen. Aber selbst unter ihnen sind einige, die nachts noch ein zweites Leben führen: als Teil des vom ägyptischen Arzt Helmy geknüpften Netzwerks. Helmy hat das jüdische Mädchen Anna in seiner Praxis als Patientin kennengelernt, sie ist aufgeweckt, lächelt gern. Vom Alter her könnte sie seine Tochter sein. Er hilft ihr unterzutauchen, organisiert Verstecke für sie. Mit einer List bemüht sich Helmy, dem jüdischen Mädchen auch langfristig eine Überlebenschance zu schaffen: indem er mithilfe von entwendeten Blanko-Dokumenten aus dem Fundus des Großmuftis eine Konversion zum Islam inszeniert. Und indem er eines Nachts eine muslimische Scheinehe für das Mädchen Anna fingiert, um auf diese Weise einen neuen Namen und neue Papiere für sie zu erlangen. Aus dem jüdischen Mädchen soll ein muslimisches werden.  

Kapitel 6: Berlin 1943

Helmy versteckt Anna, aber weil er in seiner Wohnung nicht viel Platz hat und die Nachbarn etwas merken, muss er das Mädchen vor allem hinter Lügengebäuden verstecken. Wenn das Mädchen nicht arbeiten würde, würde das bereits Argwohn wecken. Deshalb gibt er sie als seine muslimische Nichte aus, zu Besuch aus Dresden, und er beschäftigt sie als Arzthelferin. Das Mädchen Anna arbeitet, bedient Patienten. Die Nazis sind Helmy auf den Fersen, sie wittern etwas, aber der junge Ägypter hat sogar die Stirn, zu ihnen hinzugehen, sogar die Gestapo in ihrem Hauptquartier aufzusuchen, gefälschte Dokumente auf den Tisch zu knallen – und dann die Luft anzuhalten. Die Gestapo guckt verwirrt. Es funktioniert. Warum macht er das alles? Warum riskiert er auf diese Weise sein Leben? Sicher, die Empathie mit dem Mädchen, auch die verbindende Erfahrung der Ausgrenzung und rassistischen Diskriminierung: Juden und Muslime. Aber selbst die eigene Mutter des jüdischen Mädchens Anna knickt irgendwann vor der Übermacht der Bedrohung ein. Als sie von den Nazis in ihrem Versteck gefasst wird, verrät sie den Aufenthaltsort ihrer Tochter Anna; ein Moment der Schwäche, den sie sich nie verzeihen wird. Wer stets die Nerven behält, das ist hingegen der Ägypter Helmy: Er geht zur Gestapo, tischt eine weitere sorgsam vorbereitete Geschichte auf – just in der Nacht zuvor sei Anna nach Dessau geflohen, behauptet er – und kommt damit durch, weil im Chaos der letzten Kriegswochen niemand das mehr nachprüft. Er rettet die Situation und so das Leben von Anna.  

Kapitel 7: Kairo heute

Ein Spaziergang durch das Viertel, das früher jüdisch war – in Dr. Helmys Jugend lebten hier viele Juden, erst nach 1948 wurden sie zu feindlichen Fremden erklärt, diskriminiert, hinausgedrängt. Ich erzähle den heute lebenden Verwandten von Helmy, den Ex-Offizieren, dass Yad Vashem ihnen eine Medaille überreichen möchte, für Helmy, den sie zum „Gerechten unter den Völkern“ erklärt haben. Die Verwandte winken nur ab: Eine Preisverleihung in Jerusalem, nein danke, von Juden nehmen wir nichts. „Helmy hat allen Menschen geholfen, egal welche Religion sie hatten. Nun will Israel ihn speziell dafür auszeichnen, dass er Juden geholfen hat. Das wird seiner Haltung und seinem Lebenswerk überhaupt nicht gerecht.“ New York. Die Nachfahren des Mädchens Anna sind traurig darüber, wie sie sagen. Sie hoffen, die Familie ihres Retters doch noch irgendwann kennenzulernen.

Ronen Steinke

Über Ronen Steinke

Biografie

Ronen Steinke, Dr. jur., geboren 1983 in Erlangen, ist Leitender Redakteur und Kolumnist bei der Süddeutschen Zeitung. Er studierte Jura und Kriminologie, arbeitete in Anwaltskanzleien, einem Jugendgefängnis und beim UN-Jugoslawientribunal in Den Haag. Seine Promotion über die Entwicklung der...

Veranstaltung
Vortrag
Dienstag, 12. November 2024 in Singen (Hohentwiel)
Zeit:
19:00 Uhr
Ort:
Rathaus Singen ,
Hohgarten 2
78224 Singen (Hohentwiel)
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Lesung und Gespräch
Mittwoch, 11. Dezember 2024 in Dortmund
Zeit:
18:30 Uhr
Ort:
Reinoldinum,
Schwanenwall 34
44135 Dortmund
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Pressestimmen
Nordwest Zeitung

„Der Journalist Ronen Steinke hat diese Geschichte nun aus der Perspektive eines wahrhaft spektakulären Falles ebenso anrührend wie differenziert nacherzählt.“

qantara.de

„Fesselnde Erzählung mit Gespür für das historische Detail.“

haolam.info

„Spannend, anschaulich, glaubwürdig.“

Allgemeine Zeitung

„Die berührende, authentische Geschichte einer unvermuteten Rettung.“

Deutschlandfunk

„Die eindrucksvoll erzählte Geschichte von der wundervollen Rettung über Religionsgrenzen hinweg.“

buerstaedter-zeitung.de

„Über die vergangene Zeit erzählt Steinke schlackenlos lebendig, so realistisch wie spannend.“

aviva-berlin.de

„(...) Eine spannend erzählte und gut recherchierte Dokumentation der Rettungsgeschichte von Anna Boros (...).“

Goethe Institut „Bücher, über die man spricht“

„Jetzt hat Ronen Steinke, Autor der SZ und einer exzellenten Biografie Fritz Bauers, die ferne Geschichte dem Leser mitreißend nahegebracht.“

buchtips.net

„Eine der Geschichten, die am Ende den Leser zufrieden das Buch sinken lassen wird mit der klaren Erkenntnis, das echte Mitmenschlichkeit möglich ist (…).“

Münchner Merkur

„Helmys sagenhafte Geschichte blieb lange unbekannt.“

Nürnberger Nachrichten

„Mit kriminalistischem Eifer hat Ronen Steinke Archiv um Archiv durchpflügt, Interview um Interview geführt.“

echo-online.de/ Darmstädter Echo

„Diese wahre Geschichte ist ein Sinnbild für die einstige Freundschaft zwischen Juden und Muslimen.“

Der Tagesspiegel

„Einfühlsam und bewegend.“

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