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Der Regenwurm ist immer der Gärtner

Der Regenwurm ist immer der Gärtner

Amy Stewart
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Der Regenwurm ist immer der Gärtner — Inhalt

Das geheime Leben des Regenwurms

Der Regenwurm bohrt, gräbt und mischt – und hält damit im buchstäblichen Sinne die Welt zusammen. Kaum einem anderen Tier verdanken wir so viel, denn erst reiche, lockere Erde ermöglicht das wuchernde Grün unserer Gärten, Felder und Fluren. Die amerikanische Bestsellerautorin und leidenschaftliche Gärtnerin Amy Stewart buddelt und experimentiert, sucht Experten auf und reist zum weltweit einzigen Wurmmuseum. Ihr Buch ist eine Liebeserklärung an das Leben unter unseren Füßen und eine Verneigung vor Charles Darwin, der dem Gemeinen Regenwurm einen Großteil seines Forscherlebens widmete.

€ 12,00 [D], € 12,40 [A]
Erschienen am 03.02.2020
256 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-22869-5
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Leseprobe zu „Der Regenwurm ist immer der Gärtner“

Vorbemerkung
Die Leserinnen und Leser dieses Buches werden sehr schnell entdecken,
dass ich keine Wissenschaftlerin bin, sondern nur eine
ganz normale Gärtnerin, die sich für Regenwürmer interessiert.
Meine Nachforschungen zu den Gewohnheiten und Lebensweisen
von Würmern brachten mich mit Dutzenden von Biologinnen,
Botanikern und Systematikern in Kontakt, die sich allesamt große
Mühe gaben, ihre komplizierte Forschungsarbeit so zu erklären,
dass selbst ich sie begreifen konnte. Mit ihrer Hilfe kämpfte ich
mich durch Fachaufsätze und Biologiebücher, die sich mir [...]

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Vorbemerkung
Die Leserinnen und Leser dieses Buches werden sehr schnell entdecken,
dass ich keine Wissenschaftlerin bin, sondern nur eine
ganz normale Gärtnerin, die sich für Regenwürmer interessiert.
Meine Nachforschungen zu den Gewohnheiten und Lebensweisen
von Würmern brachten mich mit Dutzenden von Biologinnen,
Botanikern und Systematikern in Kontakt, die sich allesamt große
Mühe gaben, ihre komplizierte Forschungsarbeit so zu erklären,
dass selbst ich sie begreifen konnte. Mit ihrer Hilfe kämpfte ich
mich durch Fachaufsätze und Biologiebücher, die sich mir sonst
niemals erschlossen hätten. Irrtümer, Auslassungen oder sonstige
Versäumnisse sind allein meine Schuld; wenn ich etwas richtig
gemacht habe, dann ist das ausschließlich das Verdienst der
„Wurmforscher“ oder Oligochaetologen.
Sofern nicht ausdrücklich anders vermerkt, verwende ich die
Begriffe „Wurm“ und „Regenwurm“ im ganzen Buch als Synonym;
in jedem Fall beziehe ich mich auf terrestrische Würmer, jene Lebewesen,
die zur Klasse der Oligochaeta zählen. Kohlweißlinge,
Erdraupen, Raupen des Schwarzen Schwalbenschwanzes und
Tomatenschwärmer sind keine Würmer, sondern Motten oder
Schmetterlingsraupen. Spulwürmer, Bandwürmer, Plattwürmer
und Schnurwürmer sind jeder für sich genommen interessante
Geschöpfe, aber nicht Gegenstand dieses Buches.

Er dachte
an all die unendlich kleinen Bewegungen der Welt,
an das hartnäckige, herzzerreißende Vorankriechen
eines Regenwurms,
der sich durch Fressen seinen Weg bahnt.
Carrie Brown, Rose’s Garden


Prolog

An der Wand über meinem Schreibtisch hängt das Bild eines
Apfelbaums – eines ganzen Apfelbaumes; das heißt, auf der Zeichnung
sind die Wurzeln ebenso wie Stamm und Zweige zu sehen.
Der Baum selbst ist nur 1,50 bis 1,80 Meter hoch, die Wurzeln
dagegen reichen erstaunliche vier Meter tief in die Erde und verzweigen
sich deutlich über die äußere Baumkronengrenze hinaus.
Das Faszinierende an der Zeichnung ist dies: Der Teil des Baumes,
den wir im Allgemeinen für den Apfelbaum halten, ist in Wirklichkeit
ein ziemlich unbedeutender Teil der gesamten Pflanze. Er
ist nichts weiter als eine gedrungene, knorrige Aufwölbung über
einem eleganten ausgedehnten Wurzelsystem.
Ist der Baum in der Zeichnung überhaupt oben? Man könnte
auch meinen, der Baum befinde sich in Wirklichkeit unterhalb seines
imposanten Wurzelsystems. Wenn ich das Bild herumdrehe,
sodass die Wurzeln oben sind und der Baum darunter, ergibt sich
ein viel anmutigeres Bild. Die Äste fließen wie Flüsse in alle Richtungen.
Das Wurzelsystem hat eine perfekte Form, so luftig und
symmetrisch, wie es sich ein Baumpfleger überhaupt nur wünschen
kann nach Jahren sorgfältigen Zurückschneidens.
Wenn die Zeichnung so auf dem Kopf steht, denke ich zwangsläufig
ganz anders als bisher über die Funktion des Baumes nach.
Natürlich sind Zweige, Blätter und Früchte nach wie vor von Bedeutung;
sie liefern Pollen für die Bienen, Zweige für die nistenden
Vögel, Obst für den Gärtner und auch Blätter, die die immerwährende Produktion von Sauerstoff sicherstellen. Aber jetzt, da
ich genauer hingeschaut habe, erkenne ich, dass die Wurzeln der
eigentliche Körper des Baumes sind, und mache mir zum ersten
Mal wirklich Gedanken darüber, was für ein Leben diese Wurzeln
wohl dort unter der Erde führen. Wie tief dringt das Regenwasser
ein? Wie sieht die Erde unter der Oberfläche aus? Auf die
Frage, wie das Meer unter der Wasseroberfläche aussieht, würde
man von den meisten Leuten eine einigermaßen präzise Beschreibung
bekommen. Wie wenig wissen wir dagegen vom Leben unter
der Erde, selbst wenn es sich im Garten hinter dem eigenen Haus
abspielt?
Mir wurde bewusst, dass ich von dem Stück Land unter meinem
Haus so gut wie keine Ahnung hatte. Habe ich überhaupt
einen Rechtsanspruch auf diesen Boden in vier Meter Tiefe? Und
wie verhält es sich nach fünf, zehn oder auch fünfzig Metern? Hier
an der Küste, wo ich lebe, reicht die Erdkruste rund zwanzig Kilometer
tief. Darunter kommt dann der Erdmantel, der Tausende
von Kilometern mächtig ist. Gehört dieses kleine Stück Erde wirklich
mir, bis hinunter zur rot glühenden Mitte? An irgendeinem
Punkt da unten ist mein Anspruch mit Sicherheit verwirkt, und
mein Stück verliert sich in einem riesigen unerforschten Territorium,
das keines Menschen Eigentum ist.
Und wer lebt da unten, unter meinem Haus? Wenn ich mir
mein Grundstück nicht einfach nur bis drüben zum Nachbarzaun
und bis hinten zu dem schmalen Weg ausgedehnt vorstelle, sondern
auch dreißig Meter oder mehr nach unten, dann dämmert
mir allmählich, dass ich eine lächerliche Summe bezahlt habe für
ein Königreich, auf dem zufällig oben ein Haus steht. Millionen,
nein Milliarden Organismen bewohnen mein kleines Stück Land,
und ich erschrecke richtig bei dem Gedanken, wie wenig ich über
sie weiß.
Der erste Bodenbewohner, der mir auffiel, war ein Regenwurm.
Schließlich bin ich Gärtnerin; ich kann die Tatsache nicht übersehen,
dass Gärtner und Regenwürmer beim Bestellen des Landes
und der Versorgung der Pflanzen Hand in Hand arbeiten. Trotzdem
hatte ich schon immer den Verdacht, an der Geschichte mit
den Regenwürmern könnte noch mehr dran sein als das. Vielleicht
halten sie doch noch die eine oder andere Überraschung für
mich bereit, dachte ich und begann, mich mit ihren Gewohnheiten
zu beschäftigen. Es dauerte nicht lange, bis ich merkte, dass
sie für fast alles, was sich unter der Erde abspielt, den Schlüssel
besitzen.
Ich bewahre das Bild vom Apfelbaum auf, weil es mich noch
an etwas anderes erinnert: Die eigentliche Schönheit einer Pflanze,
ihre wahre Bestimmung, liegt vielleicht gar nicht über der Erde in
meinem winzigen Gartenreich. In einem Apfelbaum steckt mehr,
als wir mit unseren Augen sehen, viel mehr. Um den Boden in seinem
Wesen zu erkennen, um seinen Puls zu fühlen, seine Seele
bloßzulegen, muss man sich unter die Erde begeben, dorthin, wo
er lebt und atmet.


Darwins Würmer

Es darf bezweifelt werden,
dass sich noch viel mehr solcher Tiere finden lassen,
die in der Weltgeschichte eine derart wichtige Rolle gespielt
haben wie diese einfach organisierten Lebewesen.
Charles Darwin,
The Formation of Vegetable Mould, Through the Action
of Worms, With Observations on Their Habits, 1881
Als ich das erste Mal einen Wurm in der Hand hielt, war ich
überrascht, wie leicht er war, wie harmlos. Er schlängelte sich
nicht herum und versuchte auch nicht, mir zu entkommen. Nein,
er lag still zusammengerollt in einem fast perfekten Kreis, als ob er
sich bereits in sein Schicksal ergeben hätte.
Der Wurm in meiner Hand war ein Kompostwurm mit dem
lateinischen Namen Eisenia fetida. In vielerlei Hinsicht ist er die
Quintessenz eines Wurmes, klein und zartrosa, mit zarten Streifen
zwischen jedem Segment. Er ist ein Meister im Kompostieren
und mag einen Haufen verrottenden Abfalls lieber als alles
andere. Wenn man irgendwo in Schweinefutter herumwühlt, in
Stalldung oder auch in einem Haufen feuchter Blätter, dann hat
man gute Chancen, solche Kompostwürmer zu finden, beim Fressen
oder wie sie im „Schmutz“ gerade ihre Kokons ablegen. Die
Würmer selbst aber sind überhaupt nicht schmutzig; dieser hier
war vollkommen sauber, als er aus seinem Abfallhaufen herausgeglitten
kam.
Er kam aus meinem Wurmkomposter – einer kleinen Kompostieranlage
auf meiner rückwärtigen Veranda, in dem ich meine
Küchenabfälle entsorge. Ich weiß nicht, wie viele dieser Würmer
es darin gibt – vielleicht zehntausend. Wenn ich darin herumstochere,
liegen die Würmer manchmal so dicht aufeinander, dass sie
aussehen wie Rinderhack, das sich bewegt, eine Masse sich heftig
windender Leiber. Man kann sie sich kaum als Einzelwesen vorstellen;
als ich dann aber einen herausholen und auf meine Handfläche
legen wollte, schaute ich sie mir da unten doch noch etwas
genauer an; ich wollte ja den richtigen auswählen. Ein gutes kräftiges
Exemplar arbeitete sich gerade an der Seitenwand der Kiste
hoch, als sei er auf Abenteuer aus.
Warum ich mir einen Wurm aussuchte und in die Hand nahm?
Weil mir aufgefallen war, dass ich in all den Jahren, die ich Würmer
in meinem Kompost hielt, eigentlich kein einziges Mal einen
angefasst hatte. Irgendwie seltsam, dass ich eine solche Abneigung
dagegen hatte, einen Wurm direkt an meine Haut zu lassen. Wie
sollte ich etwas über den dunklen feuchten Ort da unten erfahren,
in den meine Pflanzen im Garten ihre Wurzeln trieben, wenn
ich nicht bereit war, engeren Kontakt mit einem Regenwurm aufzunehmen?
Ich stupste den Wurm in meiner Hand mit dem Finger an. Er
war völlig schlaff. Ich konnte eine violette Ader sehen, die über
seine ganze Länge lief, direkt unter der Haut. Dann wölbte ich
meine Hand um den Wurm und faltete ihn mehrmals zusammen.
Er zeigte keinerlei Reaktion. Langsam fragte ich mich, wie
eine derart schwache Kreatur überhaupt irgendetwas fertigbringen
konnte, und sei es auch nur, sich durch Erde zu wühlen. Wenige
Sekunden später schien er dann von dieser Unternehmung genug zu haben. Er hob das eine Ende hoch – den Kopf vermutlich
– und streckte sich in die Luft, ein Segment nach dem anderen.
Und jetzt bewegte er sich endlich und hinterließ etwas Schleim auf
meiner Hand. Ich schüttelte mich, ließ ihn aber nicht fallen. Dieser
Schleim, dieser Wurmauswurf, war seine Art, auf Stress zu reagieren
– auf den Stress, den ich ausgelöst hatte, indem ich ihn aus
seinem Kompostbett holte und dem Licht aussetzte. Der Wurm
bewegte sich zum Rand meiner Hand hin und wendete den Kopf
diesmal nach unten Richtung Wurmkomposter, Richtung Heimat.
Er wollte jetzt unbedingt nach Hause. In diesem Augenblick
machte er den Eindruck, als sei er doch zu eigener Aktivität in der
Lage. Er bewegte sich zielgerichtet, im Bestreben, zu entkommen
und in seine vertraute Umgebung zurückzukehren. Ich entließ ihn
wieder in den Behälter, wo er unter einer Schicht von feuchtem
Zeitungspapier abtauchte und verschwand.
Danach nahm ich noch oft Würmer in die Hand – nicht nur
aus dem Wurmkomposter. Regelmäßig holte ich vier oder fünf
gleichzeitig heraus und erlaubte ihnen, sich zwischen meinen Fingern
zu kringeln. Nach und nach hob ich auch Würmer auf, die
ich im Garten fand, insbesondere die riesigen Gemeinen Regenwürmer,
Lumbricus terrestris, die sich über die ganze Länge meiner
Hand ausstreckten. Der Regenwurm drückte sein Schwanzende
gern gegen mein Handgelenk, so meine Erfahrung, als suche er
dort Bodenhaftung, und streckte dann den Kopf bis über das Ende
meines Mittelfingers hoch. An regnerischen Tagen konnte es vorkommen,
dass ich so ein halbes Dutzend Regenwürmer zwischen
den Fingern hatte. Es ist ein faszinierendes, aber auch irgendwie
verstörendes Gefühl, etwas einfach so aus dem Boden zu ziehen
und anzustarren, etwas, das hier oben bei uns gar nichts zu suchen
hat.

Wenn ich so auf einem Fleckchen Erde stehe und darüber nachdenke,
was sich unter meinen Füßen alles abspielt, dann bin ich
damit nicht allein. Gärtnerinnen und Gärtner sind von Natur aus
neugierig; wir sind Entdecker; wir drehen gerne ein Stück Holz
um oder ziehen Pflanzen an den Wurzeln heraus, um zu sehen, was
da alles los ist. Die meisten Gärtner, die ich kenne, interessieren
sich durchaus für Regenwürmer, so wie ich, für die Arbeit, die sie
leisten, wie sie den Boden durchwühlen und neue Erde herstellen.
Wir nehmen die Erde in die Hand, drücken sie zusammen,
riechen daran wie beim Prüfen einer reifen Melone und lassen sie
prüfend durch die Hände rieseln, um zu sehen, was sich darin verbirgt.
Fragen Sie nur einmal eine Gärtnerin nach den Regenwürmern
in ihrem Garten – ich garantiere Ihnen, dass sie dazu einiges
zu sagen weiß.
So ist es eigentlich merkwürdig, dass die meisten Wissenschaftler
vor Charles Darwin es nicht für lohnend hielten, sich mit
Würmern zu beschäftigen. Im neunzehnten Jahrhundert wusste
man ganz wenig über sie. Dann tauchte Darwin auf als eine Art
Vorkämpfer in Sachen Würmer und widmete sein letztes Buch
einer bis in die letzten Einzelheiten gehenden Untersuchung zu
Physiologie
und Verhalten der Würmer. The Formation of Vegetable
Mould, Through the Action of Worms, With Observations on Their
Habits (dt. Die Bildung der Ackererde durch die Tätigkeit der Würmer,
mit Beobachtungen zu ihren Gewohnheiten) wurde im Jahr 1881
veröffentlicht. Zu dem Zeitpunkt, als er das Buch schrieb, war er
ein alter Mann; das Thema aber hatte ihn schon jahrzehntelang
fasziniert.
Wie konnte ein so unbedeutendes Lebewesen die Aufmerksamkeit
eines so herausragenden Forschers wie Darwin erregen? Seit
seiner Jugendzeit war ihm klar, dass Regenwürmer viel mehr leisten
konnten, als die Wissenschaftler ihnen zutrauten. Wie kein anderer Forscher vor ihm hatte er erkannt, dass sie die Fähigkeit
besaßen, über Jahrzehnte, sogar Jahrhunderte hin schrittweise
geologische Veränderungen zu bewerkstelligen. Dieser Gedanke –
dass nämlich die kleinsten Veränderungen enorme Auswirkungen
haben konnten – fügte sich hervorragend in seine Arbeit über
Evolution und den Ursprung der Arten ein.
Die Geschichte von Darwin und seinen Würmern beginnt im
Jahr 1837, als Darwin noch nicht einmal 30 Jahre alt war. Er war
gerade von einer Weltreise auf der Beagle, einem britischen Segelschiff,
zurückgekehrt. Man hatte ihn auf die Fahrt eingeladen,
weil der Kapitän, Robert FitzRoy, einen Gentleman an Bord zu
haben wünschte, der ihm am Kapitänstisch Gesellschaft leistete.
Ziel der Schiffsreise war die Küste Südamerikas, wo Darwin reichlich
Gelegenheit haben würde, naturwissenschaftlich zu arbeiten,
Musterexemplare zu sammeln und seine Beobachtungen aufzuschreiben.
Dieser Gelegenheit konnte Darwin nicht widerstehen –
er war zu der Zeit gerade dabei, einen Ausweg aus der Karriere zu
suchen, die sein Vater für ihn vorgezeichnet hatte, nämlich der
eines Pastors in einer Landpfarrei, wo der junge Darwin zwischen
seinen Pflichten gegenüber der Gemeinde viel Zeit haben würde,
Schmetterlinge und Käfer zu jagen. Für den Mann, der einmal als
der Vater der Evolution berühmt werden sollte, war dies nicht gerade
der optimale Berufsweg. Um es mit den Worten eines seiner
Biografen zu sagen: „Es gab da, unnötig zu erwähnen, ein kleines
Problem: seinen Glauben.“ Eine Weltreise würde diese lästigen
Fragen eine Zeit lang aufschieben, und so willigte sein Vater in die
Expedition ein. Als er dann aber an Bord war, wurde Darwin klar,
dass dies nicht das idyllische Abenteuer werden würde, das er sich
erträumt hatte: Die Mannschaft musste sich ungewöhnlich oft
mit gefährlichen Stürmen herumschlagen, auf halbem Weg erlitt
der Kapitän eine Art Zusammenbruch, und auch Darwin selbst war oft krank und mutlos. Dennoch war er ununterbrochen am
Arbeiten, sammelte Artefakte und machte sich Notizen.
Fünf Jahre war er unterwegs, länger als erwartet, und er kam mit
weit mehr neuen Entdeckungen nach Hause, als er sich je hätte
träumen lassen. Als er an Land ging, hatte er mehr als zweitausend
Seiten Notizbücher bei sich, dazu fünfzehnhundert konservierte
Tier- und Pflanzenarten und fast viertausend Häute, Knochen und
getrocknete Anschauungsexemplare. Er würde Jahre brauchen,
um das alles zu sichten und zu ordnen, und noch länger, um die
ganze Bedeutung dessen zu erkennen, was er hier gesammelt hatte;
denn genau hier, in dieser Sammlung von Fossilien, Insekten und
Vogelskeletten, würde er Schritt für Schritt jene Muster erkennen,
die ihn dann auf die Spur einer Theorie der Evolution bringen sollten.
Die idyllische Vorstellung eines ländlichen Pfarrhauses war
längst vergessen. Darwin hatte sich nun für ein Leben als Wissenschaftler
entschieden.
Das war allerdings kein leichter Weg; für einen Mann mit seiner
Begabung gab es keine Position in fester Anstellung. Als er
von der Reise mit der Beagle zurückkehrte, war er erschöpft, überfordert
von der Arbeit, die vor ihm lag, und im Ungewissen, was
seine weitere Zukunft betraf. Zunächst arbeitete er wie besessen
an seiner Sammlung von Notizen und Forschungstagebüchern; es
dauerte jedoch nicht lange, bis seine Gesundheit derart angegriffen
war, dass Freunde ihn dazu überredeten, ein paar Wochen auf
dem Land zu verbringen. Er reiste nach Shrewsbury, um sich im
Hause seines Onkels Josiah Wedgwood zu erholen. Bei der Ankunft
in Wedgwoods Haus hatte er noch kaum Zeit gehabt, seinen
Hut abzulegen, als der Onkel ihn schon hinaus auf die Weiden
führte; dort zeigte er ihm Schlacke und zerbrochene Ziegel, die vor
Jahren hier überall auf dem Boden verstreut wurden und inzwischen
einige Zentimeter tief unter der Erde lagen. Wedgwood war überzeugt, dass die Objekte infolge der Aktivitäten von Regenwürmern
mit Erde bedeckt waren, eine Leistung, die weitaus mehr
Kraft, Vorsatz und Zielstrebigkeit voraussetzte, als man sie dem
niedrigen Wurm bislang zugetraut hatte.
Obwohl er auf seiner Reise um die Welt ja nun wirklich viel
gesehen hatte, war Darwin doch stark beeindruckt von der Entdeckung,
die sein Onkel im eigenen Garten gemacht hatte. Im
gleichen Jahr noch hielt Darwin zu dem Thema einen Vortrag vor
der Londoner Geological Society. Damals stellten Wissenschaftler
noch so scheinbar simple Fragen wie: Wo kommt Erde her? Warum
fällt auf hoher See auf Schiffe Staub? (Die letztere Frage behandelte
Darwin in einem Aufsatz, dem er in seiner typischen direkten
Art folgenden Titel gab: An Account of the Fine Dust Which Often
Falls on Vessels in the Atlantic Ocean (dt. „Eine Beschreibung des
feinen Staubs, der oft auf Schiffe im Atlantischen Ozean fällt“).
Nach seinem Besuch im Haus des Onkels kam er immer mehr
zu der Überzeugung, dass Regenwürmer, und zwar ausschließlich
Regenwürmer, für die fruchtbare oberste Erdschicht verantwortlich
waren, die man zu seiner Zeit „Ackererde“ nannte.
Auch wenn er seinen ersten Aufsatz über die Regenwürmer in
Teilen überarbeitete und ein paar Jahre später erneut in der Zeitschrift
der Geological Society veröffentlichen ließ, hatte er sich doch
inzwischen auf die Veröffentlichung seines Reiseberichts mit der
Beagle konzentriert und auch bereits mit einer Reihe anderer Projekte
begonnen, unter anderem mit dem Manuskript, aus dem
später On the Origin of Species (dt. Über die Entstehung der Arten)
werden sollte.
Im Lauf der nächsten Jahrzehnte veröffentlichte er dann Bücher
über die Bewegungen der Schlingpflanzen, den Ausdruck der
Gemütsbewegungen beim Menschen, die Befruchtung von Orchideen
durch Insekten und die Variationen bei domestizierten Tieren. In der gleichen Zeit fuhr er auch mit der Überarbeitung seiner
bekanntesten Werke fort, The Descent of Man (dt. „Abstammung
des Menschen“) und der „Entstehung der Arten“. Falls er sich in
jenen Jahren überhaupt gedanklich mit den Regenwürmern beschäftigte,
so traten sie in seinen Veröffentlichungen jedenfalls
kaum in Erscheinung.
Als er dann aber als alter Mann zu den Regenwürmern zurückkehrte,
erwies sich das Buch, das er zum Thema schrieb, als überraschend
populär. „Soweit ich es beurteilen kann, wird es ein kurioses
kleines Buch“, schrieb er kurz vor dem Erscheinen der „Bildung
der Ackererde“. „Das Thema war immer mein Steckenpferd, und
ich bin vielleicht auf eine etwas alberne Weise ins Detail gegangen.
“ Und doch sprach das Buch Leser aus dem nichtwissenschaftlichen
Bereich an, die sich an der klaren, kraftvollen Sprache und
den überraschenden Schlussfolgerungen erfreuten.
Er beschrieb, wie viel Erde die Regenwürmer verschlingen und
als Exkremente oder Wurmhumus wieder auswerfen, und berichtete,
dass ein halber Hektar Gartenboden mehr als 50 000 Regenwürmer
enthalten und achtzehn Tonnen Wurmhumus pro Jahr liefern
kann. Des Weiteren beschäftigte er sich mit der Fähigkeit der
Regenwürmer, Gegenstände im Boden zu vergraben, von einer
am Boden verstreuten Handvoll Kalk bis zu römischen Ruinen,
die, wie er meinte, von einer fleißigen Regenwurmpopulation versenkt
und zum Wohle der Archäologen erhalten worden waren.
Die größte Anerkennung zollte er ihnen allerdings für die Umwandlung
des Bodens selbst. „Ihre Hauptarbeit besteht darin, wie
ein Sieb die feineren von den gröberen Partikeln zu trennen, das
Ganze mit pflanzlichem Abfall zu vermischen und mit ihren Darmsekreten
anzureichern. … keiner, der die Tatsachen im Auge hat …
wird, da bin ich sicher, hinfort noch bezweifeln, dass Würmer in
der Natur eine wichtige Rolle spielen.“
Zur damaligen Zeit hielt man seine Einschätzungen für grob
überzeichnet und seine Behauptungen für übertrieben. Vor Darwin
hatte sich noch kein Wissenschaftler auf eine solche Weise
für unterirdische Lebewesen interessiert. Regenwürmer wurden
im Allgemeinen immer noch für Gartenschädlinge gehalten, die
den Wurzeln der Pflanzen nicht guttaten und den sauberen grünen
Rasen mit ihren Ausscheidungen ruinierten. Man hielt ihnen bestenfalls
zugute, dass sie den Menschen einen kleinen Dienst erwiesen,
indem sie Löcher durch die Erde bohrten und so dem Wasser
den Weg bahnten. Unter den Kritikern von Darwins frühen Abhandlungen
gab es auf jeden Fall einen, der auf dem Standpunkt
beharrte, sie seien zu klein und zu schwach, um die enormen Erdbewegungen,
die Darwin ihnen zuschrieb, überhaupt auszuführen.
Ein anderer Kritiker bemerkte trocken: „In den Augen der meisten
Menschen … ist der Regenwurm nichts anderes als ein blindes,
stummes, empfindungsloses und unangenehm schleimiges Exemplar
aus dem Stamm der Anneliden. Nun hat sich Mr Darwin vorgenommen,
seinen Charakter zu rehabilitieren, und augenblicklich
tritt der Regenwurm als eine intelligente und wohltätige
Persönlichkeit hervor, welche riesige geologische Veränderungen
bewirkt, ganze Berghänge einebnet … kurzum: als ein Freund des
Menschen.“
Die Kritik der Kollegen konnte Darwin nichts anhaben. „Das
Thema mag ja unbedeutend scheinen“, räumte er ein, „wir werden
aber sehen, dass es durchaus interessante Aspekte besitzt.“ Nur mit
Mühe konnte er sich zurückhalten, bevor er dann seine zentrale
These entwarf: seine erstaunliche Überzeugung, dass „die gesamte
Ackererde überall im Land viele Male durch die Darmkanäle der
Würmer gegangen ist und dies auch noch viele Male tun wird“.
Das ist eine bemerkenswerte Leistung für ein Lebewesen, das blind
und taub ist, weder Rückgrat noch Zähne hat und eine Länge von nicht mehr als fünf bis sieben Zentimetern aufweist. Die damaligen
Wissenschaftler konnten das kaum glauben und gaben umgehend
ihrer Skepsis Ausdruck.
Darwin kannte diese Kritik schon von den Reaktionen auf die
erste Abhandlung her, die er der Geographical Society vorgestellt
hatte, und nutzte die günstige Gelegenheit, um seine Kritiker zu
widerlegen und ihnen gleichzeitig in Erinnerung zu rufen, mit
wem sie es zu tun hatten. Schließlich hatte er fast sein ganzes Leben
lang um Akzeptanz für seine Evolutionstheorie gekämpft, und für
ihn lagen die Parallelen zwischen seiner Arbeit zum Thema Evolution
und zu den Würmern auf der Hand.
Ein Wissenschaftler schrieb beim Rückblick auf Darwins Werk:
„Der Schlüssel zu seinem Genie war die Fähigkeit, seine Vorstellungskraft
so auszudehnen, dass sie geologische Zeiträume erfassen
konnte – Tausende von Jahren, Hunderttausende von Jahren.“ Er
war in der Lage zu begreifen, dass winzige, schrittweise Umweltveränderungen
die Evolution einer Art herbeiführen konnten. Es
war genau dieser Ansatz, der ihm erlaubte zu verstehen, dass der
Boden im Lauf der Zeit durch die Anstrengungen von Regenwürmern
umgewandelt werden konnte.
„Hier haben wir“, schrieb er im Blick auf seine Gegner, „ein
Beispiel jener Unfähigkeit, die Wirkungen einer ständig wiederkehrenden
Ursache aufzusummieren, einer Unfähigkeit, die den
Fortschritt der Wissenschaft schon oft aufgehalten hat, wie in früheren
Jahren im Fall der Geologie und in jüngerer Zeit im Fall des
Evolutionsprinzips.“ Er machte kurzen Prozess mit einem französischen
Wissenschaftler, der seinen Schlussfolgerungen, was die
Fähigkeiten der Regenwürmer betraf, nicht zustimmte, mit der gelassenen
Bemerkung, der Franzose „muss wohl aus seiner Bewusstseinslage
heraus und nicht aufgrund von Beobachtung so argumentiert
haben“, denn Darwins eigene Beobachtungen stimmten mit der Wahrheit überein. Die Kraft der Regenwürmer kam also
nicht aus ihrer individuellen, sondern aus ihrer kollektiven Stärke.
Dass man bei Regenwürmern zu einem solchen Fazit kommen
kann, wirkt überraschend egalitär und ist nur bei einem Mann
vorstellbar, der eine große Vision, aber auch eine große Zuneigung
zu den Lebewesen selbst besaß.
Unter den heutigen Regenwurmforschern ist Darwin so etwas
wie ein Prüfstein, eine Muse. Er schaute mit echtem Interesse in
den Boden hinein und behandelte die dunkle Erde wie das geheimnisvolle
unerforschte Reich, das sie ja wirklich ist. Er lebte in einer
für Forscher aufregenden Zeit: An allen Ecken und Enden der
Welt warteten exotische Pflanzen, Vögel und Fossilien auf ihre Entdeckung.
Er aber entschied sich dazu, unter die Erde zu schauen,
dem Regenwurm nachzuspüren. Heute wissen wir, dass Darwin nur
einen kleinen Blick auf die potenzielle Macht der Würmer erhascht
hat: Seine Schlussfolgerung, dass auf einem halben Hektar Land
mehr als 50 000 Würmer leben könnten, lag in Wirklichkeit viel
zu niedrig.
Wissenschaftler haben inzwischen nachgewiesen, dass diese
Zahl bei einer Million liegt. Die Regenwürmer im Niltal können
bis zu tausend Tonnen Wurmhumus pro halben Hektar ablegen,
was die erstaunliche Fruchtbarkeit der landwirtschaftlichen
Flächen in Ägypten erklären hilft. Wie Darwin gerade erst ansatzweise
vermutete, befördern Regenwürmer tatsächlich jedes Jahr
die oberen Zentimeter Erde durch ihr Gedärm. Das macht sie zu
Lebewesen, mit denen man rechnen muss, eine Kraft des Wandels
unter mehr Aspekten, als selbst er sich träumen ließ.
Im Lauf der letzten hundert Jahre haben Regenwurmforscher
(sogenannte Oligochaetologen nach der taxonomischen Klasse,
zu der die Regenwürmer gehören, den Oligochaeta) quantifiziert,
was die Bauern schon immer gewusst haben: dass Würmer nämlich die Erde durch ihre Aktivitäten substanziell verändern. Sie modifizieren
die Zusammensetzung der Erde, sie erhöhen ihre Fähigkeit,
Wasser zu absorbieren und zu halten, und sie bewirken einen
Zuwachs an Nährstoffen und Mikroorganismen. Kurzum, sie bereiten
den Boden für die Landwirtschaft vor. Sie arbeiten Seite an
Seite mit den Menschen; beide gewinnen ihren Lebensunterhalt
aus dem Land. Sie bewegen die Erde, eine bemerkenswerte Leistung
für ein Lebewesen, das nur ein paar Gramm wiegt.
Ein Regenwurm ist im Boden unterwegs; dabei schiebt er die
einen Partikel zur Seite, die anderen nimmt er auf. Wenn auch die
Teilchen, die er sich als Nahrung auswählt, bei flüchtiger Beobachtung
vielleicht alle gleich aussehen, geht der Wurm in Wirklichkeit
prüfend den Boden durch und wählt aus, immer auf der
Suche nach winzigen Stückchen vermodernder organischer Substanzen,
die er dann mit etwas Ton- oder Sandpartikeln verschluckt.
Während er sich fortbewegt, baut er eine dauerhafte Wohnröhre.
Nachts kommt er in der Röhre zur Oberfläche hoch und wirft um
den Eingang herum einen kleinen Hügel aus Exkrementen auf.
Er sucht nach Nahrung und holt sich Blätter, Kiefernnadeln und
anderen Gartenabfall in seine Röhre. Dieses simple Programm
reicht aus, um ihn beim Bauern oder Gärtner sehr beliebt zu machen.
Auf seiner nächtlichen Futtersuche agiert er wie ein kleiner,
äußerst wirkungsvoller Pflug.
Der Körper eines Regenwurms ist für sein Leben unter Tage
perfekt geformt. In der unterirdischen Welt muss man nicht sehen
können; Lichtempfindlichkeit ist alles, was ein Wurm braucht, um
sich nicht versehentlich aus seinem Lebensraum heraus zu verirren.
In den beengten Verhältnissen einer Röhre sind Lungen wenig
sinnvoll; stattdessen atmet der Regenwurm durch seine Haut; er
tauscht Sauerstoff gegen Kohlendioxid und verlässt sich darauf, dass die feuchten Bedingungen ihm bei der Absorption des Sauerstoffs
in ähnlicher Weise behilflich sind, wie das feuchte Innere
einer Säugetierlunge den Übergang von Luft in den Körper erleichtert.
Seine Form macht den Regenwurm zu einem ungewöhnlich
guten Behälter für Erde. Er ist bestens geeignet, Erde aufzunehmen,
zu transportieren und umzuwandeln.
„Der Pflug ist eine der ältesten und wertvollsten Erfindungen
des Menschen; aber eigentlich wurde das Land schon lange vor
dessen Erscheinen regelmäßig gepflügt; das geschieht auch weiterhin,
und zwar durch den Regenwurm“, schrieb Darwin. Obwohl
er sich mit vielen Aspekten zu Biologie und Verhalten des Regenwurms
beschäftigte, war der illustre Forscher doch ganz besonders
fasziniert von dessen Fähigkeit, die Erde zu durchzusieben und
zu sortieren. Er beobachtete die Regenwürmer, wie sie nachts aus
ihren Röhren auftauchten und Zweige und Blätter hineinzogen
oder sogar kleine Steine über einen Kiesweg zerrten, bis diese an
der Öffnung der Röhre einen Haufen bildeten. Er schlich sich
hinaus
und zog aus den Röhren den Stöpsel heraus, und zwar aus
so vielen, dass er nun sicher wusste, dass die Würmer gleich dahinter
lagen. Ihre Köpfe waren leicht erkennbar, direkt unter der
Oberfläche. Versteckten sie sich vor Fressfeinden? Ging es darum,
das Regenwasser draußen zu halten? Vielleicht schützten sie sich
auch einfach nur vor der kalten Nachtluft. Was auch immer der
Grund für dieses Verhalten war, dieses nächtliche Sammeln von
Material und das systematische Hereinholen von Blättern und
Verstopfen der Röhren waren ein klarer Beweis für ihre unerwartete
physische Kraft und technische Geschicklichkeit.
Angenommen, jemand hätte vor, Blätter oder Zweige in ein
Loch hineinzuziehen, so Darwins Überlegung, dann würde er das
Objekt an seinem schmalsten Ende packen und hereinholen. Wäre
das Objekt lang und dünn wie das Loch selbst – also zum Beispiel ein Zweig oder Stiel –, würde er wahrscheinlich das dickste,
schwerste Ende zuerst hineinziehen. Mit Instinkt allein konnte
man die Art und Weise, wie ein Wurm Material für seine Röhre
auswählte, ganz sicher nicht erklären. Es musste Intelligenz sein,
was ihn leitete, stellte Darwin fest. Wenn die Würmer im Umkreis
ihrer Röhren nach heruntergefallenen Blättern und Zweigen griffen,
wählten sie das beste verfügbare Material aus. Sie bewerteten,
sie experimentierten, sie trafen Entscheidungen.
Ich sage das bewusst noch einmal: Sie trafen Entscheidungen –
wirkliche Entscheidungen; und die trafen sie, nachdem sie mehrere
Möglichkeiten ausprobiert hatten und dann diejenige auswählten,
die für die jeweilige Situation die beste zu sein schien. Dies ist
vielleicht die verblüffendste Entdeckung in Darwins Buch. Zweifellos
hatten die Regenwürmer dies alles schon seit Ewigkeiten so
gemacht; nun aber bekamen sie einen neuen und unerwarteten
Fürsprecher in Charles Darwin. Er verfügte über Zeit, Ressourcen
und die wissenschaftliche Methode, um zu beweisen, dass die Aktivitäten
der Regenwürmer nicht allein auf den Zufall zurückzuführen
waren.

Über Amy Stewart

Biografie

Amy Stewart, 1969 in Arlington (Texas) geboren, ist die Autorin mehrerer preisgekrönter Bücher über die Freuden und Tücken der Natur, darunter vier New-York-Times-Bestseller. Sie schreibt für die New York Times und ist Redakteurin des Fine Gardening Magazine. Zu den Auszeichnungen, die sie für ihr...

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