Dicke Eier - eBook-Ausgabe
Roman
„Jung, zwanglos, fröhlich.“ - Börsenblatt
Dicke Eier — Inhalt
Ein Buch voller Eilights! Den Sommer genießen, Eier schaukeln, eine ganz ruhige Kugel schieben - so hatte sich Timo seinen Zivildienst im kirchlichen Freizeitheim St. Stephanus vorgestellt. Doch statt gepflegter Langeweile erwarten ihn unmenschlich viel Arbeit, eine ziemlich offensive Kollegin namens Charlotte - und Lena. Ist sie seine Traumfrau – oder doch eher seine Albtraumfrau? Es ist jedenfalls nur eine Frage der Zeit, bis sich Timo das erste dicke Ei legt … Nach dem Bestseller „Arschkarte“ schickt Heiko Thieß seinen Helden Timo Feuer ein zweites Mal ins Abenteuer Leben. Wortwitziger, sarkastischer und Hormon umnebelter denn je.
Leseprobe zu „Dicke Eier“
Pazifisten-Pamphlet
Ich gebe dem Frieden eine Chance.
Stellen Sie sich vor, es ist Krieg, und jeder geht hin. Das Ergebnis: Dritter Weltkrieg, Apokalypse und radioaktiver Niederschlag, der auf Ihre Asche fällt. Und auf meine. Um dies zu verhindern, verweigere ich den Dienst an der Waffe. Ich denke, eine Milliarde Tote im Namen diverser Gottheiten, des Volkes, des Kampfs gegen den Kommunismus, Zionismus, Imperialismus und der demokratischen Zwangsbeglückung ferner Länder reichen fürs Erste.
Ich selbst würde mich als passiven Pazifisten bezeichnen. Das [...]
Pazifisten-Pamphlet
Ich gebe dem Frieden eine Chance.
Stellen Sie sich vor, es ist Krieg, und jeder geht hin. Das Ergebnis: Dritter Weltkrieg, Apokalypse und radioaktiver Niederschlag, der auf Ihre Asche fällt. Und auf meine. Um dies zu verhindern, verweigere ich den Dienst an der Waffe. Ich denke, eine Milliarde Tote im Namen diverser Gottheiten, des Volkes, des Kampfs gegen den Kommunismus, Zionismus, Imperialismus und der demokratischen Zwangsbeglückung ferner Länder reichen fürs Erste.
Ich selbst würde mich als passiven Pazifisten bezeichnen. Das heißt, ich verabscheue Gewalt so sehr, dass ich selbst Antikriegsdemonstrationen meide – nur um tätliche Auseinandersetzungen mit Polizeibeamten zu umgehen, die bloß ihren Job machen.
Bereits im Kindergarten habe ich Sandburgen-Zertretern vergeben, ohne den Abdruck meiner Schaufel in ihren Gesichtern zu hinterlassen. Als Kind wollte ich jahrelang keine Schlagsahne essen, weil mir die geschlagene Milch so leidtat. Auch beim Cowboy- und Indianerspiel war ich stets der unbewaffnete Fährtenleser mit dem Biberschwanz am Hut. Mein Vorbild war nie John Wayne – sondern John Lennon.
Es wird Sie sicher nicht überraschen, dass ich den Jahreswechsel nach dem Motto „Brot statt Böller“ begehe – und lieber Schwarzbrot statt Schwarzpulver kaufe. Ich schäme mich nicht zu sagen, dass ich um Punkt Mitternacht in all dem Geböller alljährlich „Ein bisschen Frieden“ anstimme.
Selbst Mücken spende ich bereitwillig Blut, anstatt sie zu töten.
Aber würden Sie nicht, trotz allem, auf jemanden schießen, der versucht, Sie umzubringen, mögen Sie jetzt „fangfragen“? Ja, würde ich. Aber das nennt man Notwehr und nicht Krieg.
Nach diesen Ausführungen sollte deutlich geworden sein, dass ich für den Dienst an der Waffe untauglich bin. Wenn Sie mir unter Zwang eine in die Hand drücken, werde ich einfach nicht schießen. Das spart zwar ungemein Munition, hilft aber nur dem Gegner, den sich Ihre vorgesetzten Politiker gerade als besonders bösen Bösewicht aus dem reichhaltigen globalen Despoten-Angebot herausgepickt haben.
Peace
Timo Feuer
Für einen ersten Entwurf nicht schlecht. Könnte einen Schuss mehr Glaubwürdigkeit vertragen, um dem erweiterten Suizid auf dem Schlachtfeld zu entgehen. An der einen oder anderen Stelle werde ich noch ein bisschen feilen, aber im Großen und Ganzen trifft das den Nagel auf den Kopf. Ich denke gar nicht daran, mir mit sieben Kameraden eine Stube zu teilen. Eine derartige menschliche Enge war mir bereits beim Sportunterricht in der Umkleidekabine ziemlich unangenehm. Auf keinen Fall möchte ich jeden Morgen nach dem Aufwachen als Erstes sieben Typen in Unterhosen sehen. Ich lasse mich von Vater Staat in keine Kaserne einweisen. Ab heute befinde ich mich offiziell im Widerstand.
Ein Dreivierteljahr Wehrdienst, um das gute alte Handwerk des Tötens zu erlernen? Ohne mich. In Wirklichkeit schlägt man da bekanntlich sowieso nur die Zeit tot. Drei Monate durch den Schlamm robben, und der Rest ist tödliche Langeweile. Insofern würde mich eher das Nichtstun umbringen als ein von der deutschen Rüstungsindustrie mit allem Terroristenzubehör bestens ausgestatteter Taliban.
Dabei hatte ich gehofft, auch über das Jahr 2004 hinaus die Karteileiche zu bleiben, die ich beim Kreiswehrersatzamt jahrelang war. Außer einem belanglosen Schreiben zu meinem achtzehnten Geburtstag hatte ich nie wieder von denen gehört. Und dann schicken die mir mit Anfang zwanzig den Musterungsbescheid. Haben die aufgeräumt, oder was? Zu wenig nachwachsender humaner Rohstoff aufgrund des demografischen Wandels?
Während der würdelosen Musterung habe ich alle Trümpfe ausgespielt, die sich angeblich seit Jahrzehnten bewährt haben. Kniebeugen? Ein Wunder, dass ich überhaupt noch laufen kann! Beweismaterial in Form von Röntgenbildern hatte ich selbstverständlich dabei. Mein Rücken? Längst kaputt. Die Mühe, mir das Rückgrat brechen zu wollen, können sich die Feldwebel sparen. Meine Augen? Mit minus fünf Dioptrien nur noch reine Attrappen.
Natürlich wurden mir vom Arzt auch die Eier gekrault. Im Beisein seiner blutjungen, bildhübschen, blonden Assistentin. Wegen solcher Frauen wurden schon Kriege angezettelt. Bei ihr will halt jeder den ersten Schuss abgeben.
Also T1. Ich freu mich. Nicht!
Angetreten!
„Hast du deine Verweigerung schon abgeschickt?“, will Markus, einer meiner besten Freunde, drei Tage später wissen. Wie so oft haben wir uns an der Tanke ein Sixpack und dieses geile englische Weingummi geholt, das auch Stunden später noch die Zahnzwischenräume abdichtet. Unwahrscheinlich, dass es was Besseres gibt, als damit auf einer Parkbank mit Seeblick den lauen Sommerabend zu verbringen.
„Jep, Verweigerung ist unterwegs. Hab ich bestimmt zehnmal überarbeitet, bevor die zur Post ging. Hoffe, es ist deutlich genug rübergekommen, dass ich dem Schützenverein nicht beitreten will.“
„Dann kümmer dich bloß rechtzeitig um ’ne gute Zivi-Stelle. Sonst landest du am Ende noch im Altersheim. Dann biste trotzdem am Arsch.“
„Im wahrsten Sinne des Wortes, ich weiß. Nee, Hintern abwischen mach ich nicht. Hab vom Bundesamt für Zivildienst eine Liste mit offenen Zivi-Stellen bekommen.“
„Und?“
„Fünfundneunzig Prozent Jobs in Altersheimen. Zwei bei Essen auf Rädern, aber das ist mir auf Dauer zu öde. Und eine Hausmeisterstelle in einem christlichen Freizeitheim.“
„Hausmeister? Na, Mensch, davon hast du ja schon immer geträumt.“
„Richtig, und morgen kann der Traum wahr werden. Hab um zehn ein Vorstellungsgespräch.“
„Morgen schon?“
„Pure Pflegeheim-Panik. Der frühe Wurm hat Gold im Mund und so.“
Vier Bänke weiter lärmt ein Haufen minderjähriger und offensichtlich geistig minderbemittelter Halbstarker mit ihren körperlich erstaunlich weit entwickelten Verehrerinnen herum.
„Kaum Haare am Sack, aber saufen und bumsen, das können sie“, bemerke ich gesellschaftskritisch vorm nächsten Schluck Bier, während ich einer vermutlich Siebzehnjährigen in ihr tief dekolletiertes Tanktop linse.
„Aber echt! Kein Benehmen mehr. So was hätte es zu unserer Zeit nicht gegeben“, pflichtet mir Markus bei und rülpst betont vornehm nur in Zimmerlautstärke.
„Kannste halt nicht vergleichen. Ist bei uns ja schon über fünf Jahre her. Das ist einfach ’ne andere Generation.“
„Hoffentlich kommt gleich die Polizei und bringt die Bengel zu Mama und Papa.“
„Richtig. Die mit dem Tanktop können sie aber gern unter unserer Aufsicht lassen. Die bring ich nach Hause. Also zu mir.“
„Auf die guten Tugenden!“, sagt Markus.
Zufrieden stoßen wir an. Es geht doch nichts über ein klares Weltbild.
Genauso klar ist leider, dass ich allein nach Hause gehe. Nüchtern bin ich schüchtern, angetrunken wird’s nicht viel besser. In der Brunftzeit bin ich eher Bambi als der Platzhirsch. Wie immer tröste ich mich mit dem Gedanken, dass die Mädels sicher bald erkennen werden, dass derartige Arschlochtypen wie die Jungs von der Nebenbank nichts fürs Leben sind. Höchstens was für eine Nacht. Irgendwann werden sie meinen Humor, meine Zuverlässigkeit und meinen respektvollen Umgang mit ihnen zu schätzen wissen. Das Blöde ist nur, dass ich bis dahin weiter ein Leben als konfessionsloser Mönch fristen muss. Mein Liebesleben ist so tot und vertrocknet wie der Ötzi. Eiszeit statt glühender Leidenschaft. Im Grunde könnte man mein Herz direkt für eine Organspende vorbereiten. Brauch ich eh nicht mehr.
So richtig verliebt war ich nur zwei Mal. Einmal in der Grundschule und einmal in der Abschlussklasse. Unnötig zu erwähnen, dass ich in beiden Fällen weiter allein den Schulweg antreten musste. Dazwischen gab es noch einige andere, in die ich zwar nicht verliebt war, die ich aber ziemlich toll fand. Mit einer dieser Angehimmelten kam es sogar zum Austausch von Zärtlichkeiten. Später konnte ich noch eine mehrwöchige Affäre vorweisen. Aber das war’s dann im Grunde.
Am nächsten Vormittag muss ich zum Vorstellungsgespräch antreten. Nervös fahre ich in den westlichen Stadtteil meiner Heimatstadt Eutin, nach Neudorf. Selbstverständlich mit dem Fahrrad, schließlich will ich in einem christlichen Haus einen guten Eindruck erwecken. Gottes schöne Erde sollte man ja nicht unnötig mit Abgasen verpesten. Wir müssen die Schöpfung bewahren. Für die nachfolgenden Generationen, von denen wir die Erde nur geliehen haben. Wie man etwas von jemandem ausleihen kann, der noch nicht geboren ist, habe ich zwar nie ganz verstanden, aber was tut man nicht alles für einen Job.
Punkt zehn stelle ich mein Fahrrad auf dem Parkplatz des St.-Stephanus-Hauses ab und betrete die kleine Eingangshalle. Die Stille verheißt paradiesische Arbeitsbedingungen. Wenn der Job ähnlich ruhig ist, zieh ich das durch bis zur Rente.
Das Büro des Heimleiters liegt direkt neben der Eingangshalle. Zaghaft klopfe ich an den Holzrahmen der offen stehenden Tür.
„Hallo, ich bin hier wegen der Zivi-Stelle. Timo Feuer, wir hatten telefoniert.“
Der Heimleiter schaut von seiner Akte hoch. Müsste so um die sechzig sein, der gute Mann. Seine Fettreserven dürften für eine ähnliche Zeitspanne ausreichen.
„Ah, richtig, Herr Feuer. Kommen Sie rein.“ Freudestrahlend reicht er mir die Hand. „Schmittke. Bitte, setzen Sie sich.“
Genauso habe ich mir den Leiter einer Herberge für christliche Gruppen vorgestellt. Optisch irgendwo zwischen 1975 und 1982 hängen geblieben. Wer trägt im Jahr 2004 bitte schön noch Koteletten und Rollkragenpullover mit kariertem Sakko? Aber insgesamt sehr stimmig.
„Sie wollen also gerne bei uns anfangen“, eröffnet er unser Gespräch.
„Ja. Nachdem ich mit T1 gemustert worden bin, hab ich meine Verweigerung rausgeschickt.“
„Oh, T1. Dann sind Sie schön fit für die Gartenarbeit auf unserem Zehntausend-Quadratmeter-Grundstück“, lacht er.
„Sie haben einen zehntausend Quadratmeter großen Garten?“, frage ich entsetzt.
„Nee, war ’n Scherz. Sind fast fünfzigtausend. Aber viel davon ist bewaldet“, grinst er.
„Toll.“
„Ist Ihre Verweigerung denn schon bewilligt?“
„Nee, noch nicht. Überlege auch gerade, die zu widerrufen. Wobei die Bewilligung eigentlich reine Formsache sein sollte.“
„Na, das hängt von der Tagesform ihres Sachbearbeiters ab. Und davon, wie gut sie geschrieben ist.“
„Brillant, natürlich. Bringt selbst Generäle zum Weinen – und lässt mich als lupenreinen Pazifisten dastehen.“
Vergnügt lehnt er sich zurück. Die Chemie zwischen uns scheint zu stimmen. Damit habe ich die Formel für entspannte neun Monate bereits gefunden: den Chef bei Laune halten, ohne mit meinem Kopf in seinem Verdauungstrakt zu verschwinden.
„Wann würden Sie denn gerne bei uns anfangen?“, fragt er.
„Nächstes Jahr im Juli.“
„Nächstes Jahr? Sie kommen aber früh.“
„Das höre ich öfter. Der frühe Vogel kann sich halt den besten Nistplatz aussuchen.“
„Richtig“, lacht er. „Moment, ich muss eben in mein schlaues Zivi-Büchlein schauen. Darin hab ich eingetragen, wer von wann bis wann bei uns ist.“
Er holt ein kleines Notizbuch aus einer der zahlreichen Schubladen und blättert derart viele Seiten um, dass auf einigen die Namen von Zivis aus der Zeit des Warschauer Pakts stehen dürften.
„Hier haben wir’s“, ruft er nach einer gefühlten Ewigkeit. „Johannes ist bis April nächsten Jahres hier, und Malte verlässt uns einen Monat früher. Heißt, im Juli könnten wir Sie sehr gut gebrauchen.“
„Wunderbar.“
„Schön, dann sind wir uns einig.“
„Okay“, stimme ich zögernd bis erstaunt zu. „Wollen Sie gar nicht wissen, welche Qualifikationen ich mitbringe?“
„Weiß ich doch. Sie haben verweigert, oder so gut wie, verfügen über zwei gesunde Arme und Beine auf T1-Niveau und wollen hier anfangen. Das reicht. Wir brauchen einen Hilfshausmeister. Das kann jeder.“
„Auch wieder wahr.“
„Bis übernächstes Jahr ist unsere Finanzierung zudem gesichert, das heißt, Sie werden Ihren Dienst auf jeden Fall antreten können.“
„Wieso, gibt’s Probleme? Dachte, das Haus wird von der Kirche finanziert.“
„Wird es auch. Aber die Kirchensteuereinnahmen sind im Sinkflug, wie Sie wahrscheinlich wissen. Von ehemals zehn Heimen im Norden sind heute nur noch sechs übrig. Mindestens eins soll noch geschlossen werden. Überkapazitäten abbauen, wie es im schönsten BWLer-Deutsch heißt. Wir haben Platz für hundert Übernachtungsgäste plus fünfzig Tagesgäste. In der heutigen Zeit ist es schwer, die Auslastung über fünfzig Prozent zu halten. Zumal von Jahr zu Jahr mehr Vorstadtkirchen geschlossen werden und in den übrig gebliebenen die Gemeindearbeit immer weiter runtergedampft wird. Viele Chöre und Gruppen, die uns früher besucht haben, gibt es heute einfach nicht mehr. Wenn es nach dem Vorsitzenden der Synode geht, stehen wir ganz oben auf der Streichliste.“
„Der was? Der Synagoge?“ Der Schluss ging im Rasenmähergetöse von draußen irgendwie unter. Schmittke lacht laut auf.
„Der Synode! Das ist ein Verwaltungsgremium der evangelischen Kirche. Das andere ist ein jüdisches Gotteshaus. Jesus war zwar Jude, aber spätestens nach der Kreuzigung trennten sich bekanntlich die konfessionellen Wege.“
„Klar, hatte ich akustisch nicht verstanden.“
„Aber getauft und konfirmiert sind Sie, oder?“, fragt er nun doch eine weitere, aber wohl entscheidende Qualifikation ab.
„Selbstverständlich. Wer verzichtet als Vierzehnjähriger freiwillig auf über tausend Mark?“
„Sie meinen, auf Gottes Segen sowie die Einführung in die Gemeinschaft der Erwachsenen.“
„Sie sagen es. Und das Erste, was man unter Erwachsenen lernt, ist: Geld regiert die Welt.“
„Punkt für Sie“, seufzt er. „Wenn wir die Auslastung unseres Hauses in den nächsten zwei Jahren nicht dramatisch steigern, macht die Kirche den Laden dicht.“
„Mit Gottes Hilfe – und meiner – wird das hoffentlich nicht passieren“, versuche ich ihn aufzumuntern.
„Wieso, bringen Sie neben Ihren gesunden Gliedmaßen und der Konfirmation weitere Qualifikationen mit?“
„Jein. Das wird Sie wahrscheinlich erschrecken, aber ich will nach dem Zivildienst BWL mit dem Schwerpunkt Marketing studieren. Ihr Haus aus den roten Zahlen zu holen wäre eine gute Übung.“
„Wunderbar! Solange Sie nach dem Studium kein Unternehmensberater werden, kann ich mit Ihrer Studienwahl leben. Dann machen Sie sich bis zu Ihrem Arbeitsbeginn doch mal Gedanken, wie wir unser schönes Haus retten können.“
„Läuft.“
„Sehr gut. Wir sehen uns nächstes Jahr. Frohes Fest und guten Rutsch!“, lächelt er.
„Kann man nicht früh genug wünschen. Gleichfalls.“
Das ging leicht. Gut, ein Assessment-Center wäre übertrieben gewesen, aber ein paar Fragen mehr hatte ich schon erwartet. Ich hatte mir vorab sogar passende Antworten auf die Fragen nach meiner christlichen Gesinnung überlegt. Beten? Täglich, nicht nur nach Abgabe der Lottozahlen. Kirchgänge? Wöchentlich, sonntags Ausschlafen bringt nur den Biorhythmus durcheinander. Kirchensteuer? Ich wünschte, es wäre mehr. Kollekte? Immer, und ich rede nicht von Hartgeld. Zehn Gebote? Für mich wichtiger als das BGB. Abendmahl? Diese leckeren Oblaten nasche ich jeden Abend zu Hause auf der Couch – während ich Bibel TV gucke!
Nach einigen Wochen quälenden Wartens kommt endlich der Brief vom Kreiswehrersatzamt. Ich war schon mal weniger nervös, muss ich zugeben, zum Beispiel vor meinem ersten Mal. Genau wie damals habe ich jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder ich versuche es hinauszuzögern, was am Ende eh nix bringt. Oder ich bringe die Sache innerhalb weniger Sekunden hinter mich.
Mit zittrigen Fingern stelle ich mich beim Öffnen des Umschlags ähnlich dumm an wie anno dazumal bei meinem ersten Aufeinandertreffen mit einem BH-Verschluss. Schließlich entscheide ich mich für Möglichkeit zwei, reiße den Brief auf und fange sofort an zu lesen. Kann ein Mann einen Orgasmus kriegen ohne Erektion und Ejakulation? Er kann! Meine Verweigerung wurde nicht verweigert. Entspanntes Zivileben – ich komme!
Fashion Victims
Die Monate bis zu meinem Dienstantritt vergehen wie im Concordeflug. So wie überhaupt die gesamten drei letzten Jahre. Nach meinem vierjährigen KFZ-Mechaniker-Irrtum kommt mir die Zeit am Gymnasium, wo ich mein Abi nachgeholt habe, vor wie ein Kuraufenthalt mit Weiterbildungsmöglichkeit. Mit ein wenig Abstand vom deutschen Bildungssystem merkt man erst, wie schön das Schülerleben ist. Ein Halbtagsjob mit sozialem Anschluss – Schulschwarm, Lieblingslehrer und Klassenfahrten inklusive.
Nach einem kurzen Ausnüchterungsurlaub (Abi mit einem Notendurchschnitt von 2,2 – Abiball mit einem Promillepegel von 2,5) ist es so weit. Um neun Uhr stehe ich etwas verspannt mit meinem neuen Zivikollegen Andi im Büro unseres neuen Chefs. Typisches Erster-Tag-Feeling. Wenn man die obligatorische Vorstellungsrunde und die ersten acht Stunden überstanden hat, fängt es an, Spaß zu machen.
„Tja, meine Herren, dann wollen wir mal. Fangen wir an mit dreihundert Euro in bar.“ Herr Schmittke holt eine Geldkassette aus einem verschlossenen Büroschrank und legt drei Hunderter auf den Tisch.
„Oh, Begrüßungsgeld? Nette Geste“, versuche ich es mit einem verkrampften Anfängergag.
„Ha, von wegen! Damit fahren Sie beide jetzt los und besorgen sich Arbeitsoveralls und Sicherheitsschuhe für die Gartenarbeit.“
So viel zu den paradiesischen Arbeitsbedingungen.
„Adam und Eva mussten im Garten Eden aber kein Unkraut jäten“, gebe ich zu bedenken. Institutionen kann man nur mit ihren eigenen Waffen schlagen.
„Die hatten auch keine Arbeitsoveralls“, kontert Schmittke. „Sie können gerne im Adamskostüm über den Rasen laufen, falls Ihnen danach ist. In jedem Fall wartet draußen jede Menge Arbeit. Sie brauchen also nicht zu drängeln. Es ist genug für alle da“, lacht er.
„Wo kriegt man denn dieses Arbeitssklaven-Outfit?“, stöhnt Andi.
„Vermutlich in den Südstaaten der USA. Und bei Berufskleidung Möller. Rathausstraße, mitten in der Innenstadt. Können Sie gar nicht verfehlen.“
Schmittke reicht mir die Schlüssel für den Firmenwagen. Der Schlüsseloptik nach zu urteilen handelt es sich dabei nicht gerade um das neueste Werk deutscher Ingenieurskunst. Es ist eher was fürs Museum. Hinterste Ecke. Direkt vor den Toiletten.
„Oh Gott, echt jetzt?“, stöhne ich gen Himmel, als wir auf dem Parkplatz stehen.
Andi ringt um Fassung und Worte: „Ein alter Opel Kombi. In fahrtwindgebleichtem Weinrot. Da werden die jungen Dinger in der Stadt aber Augen machen.“
„Spitze. Wollte schon immer wissen, wie es sich anfühlt, siebzig und sozial ausgegrenzt zu sein. Blöd, dass ich meinen Hut vergessen habe.“
„Macht nix, immerhin liegen die Liebeskugelmatten auf den Vordersitzen“, beruhigt mich Andi.
„Hervorragend! Dann will ich diesen Zahnstocher, der angeblich ein Zündschlüssel sein soll, mal einführen. Auf zur wilden Fahrt.“
„Und alle so: yeah!“, leiert Andi.
Der nagelnde Vierzylinder-Diesel-Sound hämmert unerbittlich auf unsere Trommelfelle ein. Nach dem Vorglühen, versteht sich. So viel Zeit muss sein. Ich wünschte, ich hätte auch vorgeglüht. Was, wenn mich Frauen in dieser Schüssel sehen? Das spricht sich in unserer Kleinstadt doch sofort rum. Frauen quatschen bekanntlich über alles. Spätestens beim nächsten Discobesuch auf der Toilette bin ich Gesprächsthema Nummer eins. Meinen Schwanz brauche ich dann nur noch zum Pinkeln. Da kann ich den auch gleich abhacken. Ohne Betäubung. Womit wir wieder beim verpassten Vorglühen wären.
Zum Glück sind in der Stadt vormittags nur Alte unterwegs. Jede heiße Alte ist vermutlich bei der Arbeit oder liegt noch im Bett ihres aktuellen One-Night-Stands. Was abermals die Frage aufwirft, warum ich nie der stolze Träger des One-Night-Ständers bin, der seelenruhig weiterpennt, während die ungeschminkte Wahrheit aus der Tür schleicht. Ich wünschte, ich würde nicht länger den Kürzeren ziehen, wenn es darum geht, den Abschlepphaken auszufahren. Womit wir wieder beim Opel wären.
„Wieso stehen alte Männer eigentlich immer an Bauzäunen?“, frage ich Andi mit Blick aus dem Autofenster, als wir an der „Zuschauertribüne“ einer Eutiner Großbaustelle vorbeifahren.
„Prostata. Dann hat man ’ne schwache Blase“, meint Andi knochentrocken.
„Nee, die pinkeln ja nicht an den Zaun. Die gucken bloß.“
„Vielleicht stehen die auf Bauarbeiter-Dekolletés – oder auf Bagger. Könnte man glatt Geld mit machen: eine Baustellen-Peepshow. Loch in den Bauzaun schneiden, und für einen Euro geht ’ne Minute lang eine Klappe hoch.“
„Gute Idee. Hauptsache, wir werden in fünfzig Jahren nicht zu Bauarbeiter-Groupies“, bemerke ich besorgt.
„Gott, sieht der Laden öde aus“, stöhnt Andi, als wir Berufskleidung Möller endlich erreichen. Von wegen: Kann man gar nicht verfehlen. So was will man gar nicht finden. Langweiligere Schaufenster haben nur Sanitätshäuser.
„Mir schlafen gleich die Pupillen ein“, meckere ich.
Andi nickt.
„Die dreihundert Euro könnten wir wirklich sinnvoller investieren.“
„Exakt! Zum Beispiel in geile Klamotten und nicht in so ’n Heimwerker-Outfit.“
Von innen sieht der Laden keinen Millimeter besser aus. Der Geist der Haute Couture ist hier nie durchgeweht. Die einzige Gemeinsamkeit mit echter Mode ist die Baumwolle. Hauptsache praktisch. Wie ’n Opel Kombi. Nur noch langweiliger.
„Guten Morgen, kann ich den jungen Herren behilflich sein?“, begrüßt uns ein Verkäufer um die fünfzig, der sich sein Arbeitsleben sicher auch anders vorgestellt hat.
„Sie können. Wir haben drei Hunderter, die wir bei Ihnen auf den Kopf hauen sollen“, erwidert Andi.
„Ah, verstehe, Sie kommen vom St.-Stephanus-Haus.“
Irritiert schaue ich ihn an.
„Richtig. Woher wissen Sie das?“
„Weil das Jahr wieder rum ist. Zu uns kommen jeden Sommer zwei junge Herren, die mit diesem roten Wagen vorfahren und drei Hunderter im Gepäck haben. Aus Erfahrung nehme ich an, Sie benötigen jeweils einen Overall und ein Paar Sicherheitsschuhe mit Stahlkappen, korrekt?“
„Korrekt!“, bestätige ich.
„Konkret!“, stimmt Andi im besten Mundstuhl-Sound mit ein.
„Folgen Sie mir bitte unauffällig“, lächelt der Verkäufer.
Als ob in diesem Laden irgendjemand auffallen und gesehen werden will. Wir reizen das Budget komplett aus, was die Sache allerdings auch nicht besser macht. Die Frage, ob wir die Sachen gleich anbehalten möchten, erübrigt sich. Schließlich könnte das ein oder andere paarungswillige Weibchen mittlerweile auf Nahrungssuche sein, also Mittagspause haben. Um halb elf wäre das zwar eine recht frühe Mittagspause, aber man weiß ja nie.
Auf der Rückfahrt bleiben wir jedoch genauso unentdeckt wie auf der Hinfahrt. Wahrscheinlich ist man in diesem Auto nahezu unsichtbar. Der perfekte Fluchtwagen. Zeugen, die diese Karre bemerken? Fehlanzeige. Fahren unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. Eigentlich unbegreiflich, dass Opel das nicht werbetechnisch nutzt. Camouflage-Optik serienmäßig. Ob das die Bundeswehr weiß?
Granatenscharf
„Ah, die Herren sind zurück“, empfängt uns Herr Schmittke freudestrahlend in seinem Büro. „Wie ich sehe, sind Sie fündig geworden.“
„Jup. Das Zeug kommt zwar eher aus Polen als aus Paris, aber es erfüllt wohl seinen Zweck“, antworte ich.
„Sie sollen damit auch nicht über den Laufsteg stolzieren, sondern höchstens über unseren Steg am Wasser, um die Möwenscheiße runterzuschrubben. Aber dazu kommen wir später.“
Möwenscheiße? Aus Andis aufgerissenen Augen blitzt das gleiche Entsetzen wie aus meinen.
„Vorher zeige ich Ihnen Ihre Zimmer. Sie haben nämlich im Wechsel jedes zweite Wochenende Bereitschaftsdienst“, verkündet Herr Schmittke gleich die nächste Hiobsbotschaft.
„Bereitschaftsdienst?“, fragt Andi überrascht.
„Ja. In der Regel werden Sie nicht viel zu tun haben, es muss halt nur einer vor Ort sein, als Ansprechpartner für unsere Gäste. Dafür haben Sie traumhafte Arbeitszeiten“, doziert er weiter, während wir vom Büro zum Nachbarhaus gehen, in dem sich offensichtlich unsere Zimmer befinden.
„Aha, und wie genau sehen die aus?“, will ich wissen.
„Eine Woche Frühdienst von sieben bis vierzehn Uhr und die andere Woche Spätschicht von zwölf Uhr mittags bis zwanzig Uhr abends mit anschließendem Bereitschaftsdienst am Wochenende. Das heißt, Sie können alle zwei Wochen ausschlafen und haben nach der Frühschichtwoche ein extralanges Wochenende.“
So viel zu meiner geplanten Antwort auf die Inquisitionsfrage beim Vorstellungsgespräch nach dem wöchentlichen Kirchenbesuch. Angesichts dieser Arbeitszeiten könnte ich sowieso nur alle zwei Wochen das Jesus-Double am Kreuz besuchen. Hoffe nur, dass die hier nicht selbst jeden Sonntag im Morgengrauen Gottesdienst feiern. Auf dem Weg zum Nachbarhaus meine ich eine kleine Kapelle gesehen zu haben.
Herr Schmittke holt einen dicken Schlüsselbund aus der Hosentasche, der beim Schrotthändler nach dem Kilopreis richtig Geld bringen würde, und wuchtet die schwere Holztür auf.
„Immer hereinspaziert in die gute alte Stube.“ Vor allem alt, denke ich, als mir der Muff mehrerer Zivigenerationen um die Rezeptoren weht.
„Wer von Ihnen möchte das erste und wer das zweite Zimmer?“, gluckst er vorfreudig.
Andi und ich schauen uns etwas ratlos an.
„Mir egal. Meinetwegen nehme ich das zweite Türchen und du Tor eins“, schlägt Andi vor.
„Können wir machen“, schlage ich ein.
„Okay, dann öffne ich Tür Nummer eins.“
Hinter der verschrammten Holztür kommt ein Zimmer zum Vorschein, das nicht unbedingt die Note Eins verdient hat, aber durchaus mehr als einen Stern. Kann man mit leben. Oder darin. Bett, Tisch, Stuhl, Regal, Schrank, Wandtelefon. Gefängniszelle de luxe. Der Teppich zeichnet sich mehr durch seine Langlebigkeit und Robustheit als durch flauschigen Komfort aus. Das Highlight liegt versteckt in der Ecke hinter dem Schrank: ein eigenes Waschbecken. Plus Spiegel. Darf man als Zivi mehr erwarten? Kasernierte Wehrdienstleistende wären vor Neid so grün wie ihre Uniform.
„Und?“, will unser neuer Chef wissen.
„Jau, sieht ganz gut aus. Is’ gekauft.“
„Gut, dann kommen wir zu Ihrem Zimmer“, strahlt er Andi an.
Andis Zimmer unterscheidet sich in genau einem Punkt von meinem: Es ist alles spiegelverkehrt angeordnet. Ansonsten: einhundertprozentig identisch.
„Legen Sie Ihre neuen Sachen in Ruhe ab und kommen Sie dann wieder in mein Büro“, sagt Herr Schmittke gönnerhaft und verschwindet.
Ein Befehl, den wir gern ernst nehmen. Als Zivi haben wir zwar kein Vaterland, aber einen Ruf zu verteidigen. Faulheit und ein Arbeitstempo nahe null gehören zur Imagepflege. Die Erkundung unseres Teilzeitzuhauses fällt entsprechend gründlich aus. Neben den beiden Einzelzimmern verfügt die kleine Wohnung über ein halbwegs geräumiges Bad mit versiffter Wanne, in die sich nicht mal Uwe Barschel zum Sterben gelegt hätte, und ein plüschiges Wohnzimmer. Immerhin mit Fernseher. Für ein Wochenende am Ende jeder zweiten Woche wird’s reichen.
„Was sollte das eigentlich mit dem Fragespielchen wegen der Zimmer? Meins sieht doch genauso scheiße aus wie deins“, fragt Andi, während wir den Sitzkomfort der Couch testen.
„Tja, wenn alte Männer witzig sein wollen … Lass uns mal lieber zurück zu unserem Führer gehen. Müssen nicht gleich am ersten Tag negativ auffallen. Dafür haben wir noch neun Monate Zeit.“
„Das hab ich schon in den ersten neun Minuten geschafft“, kommentiert Andi trocken.
„Wie das? Bevor wir die hässlichen Klamotten kaufen mussten?“
„Genau. Als du zum Auto vorgegangen bist, hab ich in die gut gefüllte Süßigkeitenschüssel im Büro gegriffen – ohne zu fragen.“
„Oha – Schmittkes Nervennahrung. Bist du lebensmüde?“
„Ich hab heute Morgen nicht gefrühstückt und dachte, die Schüssel ist für Besucher! Woher soll ich wissen, dass das Schmittkes Heiligtum ist?“
„Hast du ihn dir mal angeschaut? Der Mann ist der feuchte Traum eines jeden Insulinherstellers.“
„Ja, gut, man hätte es ahnen können.“
Schmittke hat in seinem Büro bereits auf uns gewartet.
„Wie schön, die Herren sind von ihrem Mittagsschläfchen zurückgekehrt.“
„Was soll das denn heißen? Wir sind voller Tatendrang!“, gibt sich Andi empört.
„Natürlich. Mitkommen!“
Von der Eingangshalle aus geht es in einen mittelgemütlichen Aufenthaltsraum mit Kamin. Auf der rechten Seite führt ein lang gezogener Flur zu achtundvierzig Zweibettzimmern und zwei Einzelzimmern für die Gruppenleiter, wie Schmittke uns erklärt. Geradeaus befindet sich ein Windfang mit einer dieser tollen Schuhputzmaschinen. Ich liebe das flauschige Gefühl der weichen Rollen. Mit dreckigen Schuhen wird man mich hier nie antreffen, so viel steht fest. Dahinter geht es hinaus auf eine Sonnenterasse mit beeindruckendem Blick über den See.
Leider gehen wir nach links und kommen in den nächsten Aufenthaltsraum, der immerhin deutlich gemütlicher ist als der erste. In den tiefen Sesseln, die man in den Siebzigern vermutlich Clubsessel genannt hat, könnte ich aus dem Stand einschlafen. Schmittke führt uns weiter in den dritten Aufenthaltsraum – anscheinend halten sich in diesem Haus eine Menge Leute oft und gern auf. Als Nächstes kommt der große Speisesaal. Streng genommen ein Aufenthaltsraum zur Essensaufnahme, ergo: Aufenthaltsraum Nummer vier. Der Einzige, der sich nicht aufhalten lässt, ist Schmittke. Er hält uns die Tür zur Küche auf und zeigt nach rechts.
„Hinter dieser geschlossenen Luke verbirgt sich der Kiosk. Weiter geradeaus geht es zu den Gruppensälen und dem Tischtenniskeller. Wir gehen aber erst mal in die Küche und sagen den anderen hallo.“
Also tun wir genau das. Zuerst dem Koch, Michael, Mitte vierzig und offensichtlich der Spaßvogel in diesem Nest. Neben ihm steht Charlotte, die sogenannte Hausdame, so etwas wie eine Vorarbeiterin für die Hausmädchen. Sie fällt eindeutig in die Kategorie MILF. Anfang vierzig und von einem Chirurgen mit einer Oberweite ausgestattet, die über die neunzig Zentimeter hinausragen dürfte. Hallelujah! Bei der wird im Bett jeder religiös und ruft „Oh Gott!“. Nachdem Charlottes Blickfang meinen Blick wieder loslässt, schüttele ich noch Birgit, Brigitte und Beate die Hände. Zimmermädchen und Mädchen für alles. Wobei, angesichts des fortgeschrittenen Alters vielleicht eher Zimmerfrauen und Frauen für alles. Wobei ich mit keiner von ihnen alles machen würde. In dieser Hinsicht halte ich mich lieber an die brandneue Hausdame meines Herzens: die hotte Charlotte.
„Dann lasse ich Sie am besten hier“, beendet mein Chef seinen Redeschwall, den ich zwischenzeitlich gekonnt überhört habe, „die Gruppensäle zeige ich Ihnen später. Gleich gibt’s für Sie Mittag. Frisch gekocht von Herrn Koch.“ Kumpelhaft klopft er Michael auf die Schulter.
„Du heißt mit Nachnamen Koch?“, frage ich, weil ich mich frage, ob das wieder ein Scherz von Herrn Schmittke gewesen sein soll. Mit Sicherheit gibt es auch Bäcker, die Becker heißen. Oder Lehrer, die auf den Nachnamen Schüler hören. Oder Sexualtherapeuten, auf deren Klingelschild Fick steht. Wie komme ich jetzt darauf? Wahrscheinlich assoziatives Denken aufgrund des ansehnlich verpackten Silikons keine hundert Zentimeter vor meinen stark geweiteten Pupillen.
„Das ist der Lieblingswitz von Herrn Schmittke. Macht er bei allen neuen Zivis. Ich heiße wirklich Koch. Ein Koch, der Koch heißt, ha ha“, antwortet Micheal gut gelaunt. Mit dem könnte es tatsächlich witzig werden.
Das Essen verdient das Rating „Triple A“. Gebratenes Putenbrustfilet mit Currysauce und Reis. Doppelt gut: Zum Nachtisch gibt es Schokoladenpudding mit Vanillesauce und Erdbeeren. Einfach lecker. Ich sag ja: Zivi bis zur Rente. Hier bleibe ich.
Herzattacke
„Und, wo kommt ihr her? Was habt ihr vorher so gemacht?“, versucht Michael die Situation am Esstisch aufzulockern.
„Ich komme aus Plön und bin Zimmermann“, macht Andi den Anfang.
„Ich hab in Lübeck KFZ-Mechaniker gelernt und dann mein Abi nachgeholt“, mache ich weiter.
„Oh, ein ehrlicher und ein intellektueller Handwerker. Herr Rogowski wird sich freuen.“
„Wer ist Herr Rogowski?“, frage ich.
„Unser Hausmeister“, schaltet sich Charlotte in das Gespräch ein. „Sehr engagiert“, bemerkt sie sarkastisch. Bei ihren Maßen ginge mein Engagement auch weit über das normale Maß hinaus. Reife Frauen haben irgendetwas an sich, das bei uns jüngeren Männern im Hirn sämtliche Lichter ausknipst. Keine Ahnung, wieso mein Sprachzentrum noch ausreichend durchblutet wird, aber ich höre mich sagen:
„Aha, mit anderen Worten: Er nervt und endoskopiert Herrn Schmittke mit dem Kopf das Rektum.“
„Wie bitte?“, prustet Michael.
„Wollte das Wort Arschkriecher vermeiden. Als Intellektueller hab ich es lieber medizinisch korrekt umschrieben.“
„Ach so, Klugscheißeralarm. Sieh einer an: Kaum einen Tag hier und schon den vollen Durchblick.“
„Herr Rogowski nimmt halt alles sehr genau“, versucht Charlotte die Schärfe aus dem Gespräch zu nehmen. Das Blöde ist, dass ich deswegen wieder zu ihr hinschaue und umso schärfer werde. Ich sollte die ständigen Versuche, einen Blick durch die Knopf-Zwischenräume ihrer Bluse zu erhaschen, unbedingt reduzieren.
„Der Hausmeister hält sich also für den Meister, wenn ich das aus meiner ehrlichen Handwerkersicht mal so formulieren darf“, meint Andi.
„Großmeister wäre ihm wohl lieber“, mümmelt Michael mit vollem Mund. „Stolzer Träger des schwarzen Heimwerkergürtels.“
Birgit, Brigitte und Beate grinsen vielsagend. Ansonsten sagen sie recht wenig.
Nach der Mittagspause ist vor der Mittagspause. Jetzt dürfen die Gäste an die Futtertröge. Für uns heißt das: Küchendienst. Andi wird zum Befüllen der Serviertöpfe eingeteilt, mein Platz ist an der Spülmaschine. Wenigstens ist es eines von diesen Profigeräten, die nur ein paar Minuten pro Ladung brauchen. Das Geschirr wird mit der Hochdruckbrause vorgespült, der Geschirrkorb in die Maschine geschoben und hinterher wieder rausgezogen. Brigitte übernimmt das Verstauen des sauberen Geschirrs in den Schränken.
„Herr Feuer?“ Schmittke kommt in die Küche geschnaubt. „Ich muss Sie kurz ausleihen. Den Küchendienst übernimmt Ihr Zivikollege. Folgen Sie mir bitte.“
„Wie jetzt?“, fragt Andi empört. Er ist offensichtlich noch nicht bereit für den ersten Schritt vom Tellerwäscher zum Millionär.
Schmittke nimmt den Einwand gar nicht wahr und walzt zurück Richtung Büro. Ich verabschiede mich angesichts der kommenden Geschirrberge vom bald schwerreichen Andi mit einem hämischen Grinsen und verschwinde.
„Fahren Sie bitte umgehend zur Sparkasse“, keucht Schmittke. „Das Geld muss dringend eingezahlt werden, bevor die um 13 Uhr schließen. Die haben heute Nachmittag Betriebsversammlung. Diese Überweisung reichen Sie bitte auch ein, ganz wichtig. Sonst haben wir gleich wieder den Fischer am Hals.“
„Welchen Fischer? Haben Sie die letzte Lieferung Forellen nicht bezahlt?“
„Was? Ach, Quatschkopf! Herr Fischer ist der Vorsitzende der Synode, Sie erinnern sich?“
„Ah, es geht um den Finanzhai!“
„Sozusagen. Der wartet bloß auf einen Fehler von uns. Ein kleiner Hinweis darauf, dass wir in Zahlungsschwierigkeiten sind, genügt ihm. Der ist immer auf der Suche nach neuem Futter, um uns das Leben schwer zu machen. Irgendwann hat er genug Gründe, um den Laden dichtzumachen. Aber noch ist es nicht so weit. Zumindest nicht, wenn Sie sich endlich in Bewegung setzen. Hurtig, hurtig!“
„Jawohl, Chef! Ich werde mal testen, was der Asphaltpickel hergibt.“
„Haben Sie unseren schönen Firmenwagen gerade Asphaltpickel genannt?“
„Jup. Sagt man zu Autos, bei denen auch kein Vollwaschgang mit Clearasil gegen die Hässlichkeit hilft. Nur Einstampfen.“
„Ich glaub, mein Schwein pfeift! Darüber reden wir, wenn Sie zurück sind“, droht er mit spielerisch erhobenem Zeigefinger. „Ach, und, Timo? Sie erwähnten, dass Sie im Anschluss BWL studieren wollen, Marketing, richtig?“
„Äh, ja.“
„Sehr gut. In dieser Hinsicht brauche ich Ihre volle Unterstützung. Sie wollten sich ja Gedanken machen, wie wir das Haus wieder nach vorne bringen können. Aber auch darüber reden wir später. Jetzt ab zur Bank.“
„Alles klar.“
Verdammt! Daran kann der sich noch erinnern? Natürlich habe ich mir null Gedanken über Marketing-Offensiven für das St.-Stephanus-Haus gemacht. Falls ich es nicht rechtzeitig zur Bank schaffe, ist die Hütte bald sowieso Geschichte.
Der Asphaltpickel gibt, wie erwartet, nicht viel her. Entweder er behält das meiste für sich oder er hat einfach nicht mehr zu bieten. Ich tippe auf Letzteres. Die Kurvenlage bei 80 km/h innerorts lässt ebenfalls zu wünschen übrig.
Auf dem Sparkassenparkplatz kommt mir schon die erste Angestellte in Feierabendstimmung entgegen. Wieso müssen die ihre Berufskleidung eigentlich auch alle in demselben Laden kaufen? Und wieso verwechselt der Sparkassenvorstand in seiner Kleiderordnung immer noch seriös mit provinziell? Dieses freche rote Halstuch reißt auch nix mehr raus. Sekretärinnen können ja eine gewisse Geilheit ausstrahlen. Dieses Bibliothekarinnen-Ding: Sie nehmen die Brille ab, öffnen ihre fest verknoteten langen Haare und machen dich am Bücherregal buchstäblich fertig. Aber eine Sparkassenangestellte? ’tschuldigung, aber da träume ich eher noch von Hartgeldstrichnutten.
In der Filiale herrscht ebenfalls Feierabendstimmung. Zumindest kümmert es niemanden, dass sich ein Kunde vor den Tresen verirrt hat. Oder doch? Hat sich hinter dem Bildschirm am anderen Ende des Raums etwas bewegt? Etwas mit brünetten Haaren, einem Wahnsinnslächeln und einer hautengen Leggings? Mit Wahnsinnsbeinen darin. Keins von beiden älter als fünfundzwanzig. Ich möchte nicht wissen, von was für einem Hintern die beiden zusammengehalten werden. Okay, Lüge – ich will es wissen! Die absolute Ausnahme meines über lange Jahre bewährten Vorurteils gegenüber Sparkassenangestellten kommt auf mich zu.
„Hallo, was kann ich für Sie tun?“
Mich heiraten, denke ich. Aber wer weiß, ob sie so spontan ist wie ich.
Also sage ich lieber: „Hier“, reiche ihr das Bargeld und den Überweisungsträger und sage dann gar nichts mehr.
Anscheinend bin ich nicht der Erste, der bei ihr die meisten Vokabeln seiner Muttersprache vergisst. Hormonell bedingte Amnesie. Sie schmunzelt und schwebt zu einem Tisch weiter hinten im Raum. Wissenschaftler, die sonst gerade nichts Besseres zu tun hatten, haben doch das perfekte Gesicht gesucht, oder? Dabei haben sie herausgefunden, dass absolute Symmetrie auf der ganzen Welt als schön empfunden wird. Ich würde diese Studie mit Gesäßen durchführen. Mit Hingabe sowieso. Obwohl das Ergebnis jetzt schon feststünde – und direkt vor mir zu begutachten ist.
Kurz bevor sie sich wieder umdreht, gelingt es mir, meinen Blick von Gottes Prototypen für den perfekten Hintern zu lösen. Manchmal komme ich mir vor wie ein Pädophiler in Disneyland, sobald ich das Haus verlasse. Lässt diese ständige Jagd nach dem Anblick schöner Frauen irgendwann mal nach? Ich versuche angestrengt, mich für die neuesten Bausparangebote zu interessieren, die auf einem Flyer ausgelobt werden. Vielleicht strahle ich ja etwas Solides aus, wenn ich mich mit dem Thema Bausparen befasse. Frauen, die in Sparkassen arbeiten, suchen bestimmt eher jemanden, der einen Bausparvertrag für ein Reihenhaus unterschreibt, als jemanden, dem ein Leasingvertrag für einen Reihensechszylinder lieber ist.
„Das sind dann 2320 Euro. Ihr Einzahlungsbeleg und Ihre Überweisungsquittung. Bitte sehr.“
Mit einem gezuckerten Lächeln überreicht sie mir die von ihrer Zauberstimme so wundervoll umschriebenen Zettel. Ist es Zufall, dass sich unsere Fingerspitzen leicht berühren? Keine Frage, das ist ein Zeichen. Ich brauche keine Millisekunde, um es zu verstehen. Die Botschaft ist eindeutig: Sie will ein Kind von mir! Was soll ich sagen? Ich bin ein Mann, der die geheimsten Wünsche der Frauen kennt. Die Entschlüsselung der Enigma war nichts dagegen. Das ist eine Gabe. Oder Einbildung dank einer Überdosis Testosteron. Zum Abschluss will ich was Witziges sagen, was irre Geistreiches, etwas, das dafür sorgt, dass sie sich schon auf meinen nächsten Besuch freut.
„Danke“, lautet das magere Ergebnis meiner prosaischen Bemühungen. Mehr kriege ich nicht heraus. Kastrat! Eierloser Gockel! Schande für mein Geschlecht! Ich habe keinen Penis verdient! Mein Lächeln geht allmählich in ein angestrengtes Dauergrinsen über. Zeit, den ungeordneten und völlig planlosen Rückzug anzutreten.
„Haben Sie es rechtzeitig geschafft?“ Schmittke passt mich an der Eingangstür ab. Ist da ein Anflug von Panik in seiner Stimme? Könnte ich ihn mit einem „Nee, sorry“ auf die Bretter schicken? Besser nicht. Wer weiß, ob er mich irgendwann mal rausboxen muss. Immer gut, wenn man einen guthat.
„Alles glatt gelaufen. Die waren zwar schon fast alle auf dem Weg zur Betriebsversammlung, aber eine war sehr zuvorkommend.“
„Eine junge?“
„Äh, ja. Wieso?“
„Das ist meine Nichte, Suse. Hübsches Mädchen, oder?“, grinst er stolz.
Seine Nichte? Verdammt, dann könnte es eine Fangfrage sein. Wie bei einem Paten, dem man nur falsch antworten kann. Entweder mit: „Ja, sehr hübsch.“ Worauf garantiert folgt: „Sie wollen also was von meiner Nichte? Nur über meine Leiche.“ Was übersetzt heißt: „Nur über deine.“
Möglichkeit zwei: „Hab ich gar nicht drauf geachtet.“ Führt zum selben Urteil: „Ach, sie ist also unter Ihrer Würde? Luigi, misch den Beton an!“ Klassische Lose-lose-Situation. Ich versuche es mit verzweifelter Diplomatie.
„Ja, sehr nett und attraktiv. Vor allem absolut professionell. Also fachlich: top!“ Schnauze, Timo!
„Reden Sie kein Blech. Als ob es Ihnen auf die inneren Werte ankäme. Schönheitsideale sind was für Anfänger, Timo – und Sie sind einer. Vor allem im Flunkern.“
Glücklicherweise kommt Michael um die Ecke, bevor mir Schmittke die Füße einbetonieren und mich zum See schleifen kann.
„Chef, ich glaub, die Küche brennt.“
„Was???“ Besser hätte die Ablenkung kaum sein können. „Sie glauben???“
„Na ja, der Ofen räuchert die ganze Bude voll. Gut möglich, dass sich darin Fett entzündet hat. Ich komm in dem Qualm nicht näher ran und kann den Feuerlöscher nicht finden.“
„Mann, Koch!“ Fluchend rennt Schmittke in die Küche, aus der bereits schwarze Rauchschwaden quellen. Anscheinend weiß er, wo der Feuerlöscher hängt. Keine Minute später lässt der Qualm nach. Hustend reißt er die Fenster auf. Ich behalte die Sache besser vom Parkplatz aus im Blick. Einer muss im Notfall schließlich in der Lage sein, die Jungs mit den roten Autos zu rufen.
„Na, alle gesund, oder brauchen wir jemanden, der sich mit Rauchvergiftungen auskennt?“, rufe ich Schmittke zu. Es ist nie zu spät, Engagement zu zeigen.
„Nee, aber wir brauchen jemanden, der sich mit Wischlappen und Feudel auskennt. Wen nehmen wir denn da?“ Kaum ist er von Rauch und Feuersbrunst umgeben, entdeckt selbst ein christlicher Mensch seine teuflische Seite. Pharisäer!
„Gute Frage, ich könnte die Mädels holen“, schlage ich vor.
„Die brauchen frische Luft. Wie gut, dass Sie sich für uns geschont und eine saubere Lunge behalten haben. Also hopp, schnappen Sie sich Lappen und Eimer, bevor sich der ganze Ruß und der Löschschaum festsetzen.“
Eben noch bei Suse im siebten Himmel geschwebt und jetzt den ersten Höllenjob an der Backe. Das kriegt der Koch zurück!
„Wie konnte denn das passieren?“, stelle ich ihn beim Wischen zur Rede.
„Keine Ahnung. Hab den Ofen wohl zu heiß gestellt. Wenn dann altes Fett drin ist, kommt’s dicke. Diese Dinger für Großküchen kann man richtig hochheizen.“
„Aha, und das wolltest du unbedingt ausreizen.“
„Ich musste! Unsere Gäste sind ziemlich anspruchsvoll und bevorzugen warmes Essen. Nur, dass es immer ewig dauert, bis endlich alle Platz genommen haben. Es ist jedes Mal dasselbe: Einer hält ’ne Rede, eine andere Gruppe singt was, alle sprechen ein Tischgebet, und am Ende hat noch einer Geburtstag.“
„Kannst du das Essen nicht à la minute brutzeln?“
„Nee, wenn man allein in der Küche steht, kriegt man das nicht hin. Ich kann nicht fünf Sachen gleichzeitig machen. Funktioniert nur eins nach dem anderen.“
„Verstehe. Hab’s nicht so mit dem Kochen. Im Moment weiß ich auch wieder, wieso. Wenigstens haste nicht versucht, das Fett mit Wasser zu löschen.“
„Ich bin zwar Koch, aber ich hab keine Grütze im Kopf! Dann hätten wir hier Silvester gehabt.“
„Und früher Feierabend.“
„Richtig. Aber du hättest dir ’ne neue Zivistelle suchen können.“
„Auch wieder wahr. Bevor ich anderen den Hintern abwische, wisch ich lieber deinen Küchenboden.“
Charlotte kommt uns zu Hilfe geeilt. Auf allen vieren kriecht sie über den Boden und reinigt die Unterschränke. Wer sich diese Frau nicht zwischen den Laken wünscht, hat eindeutig zu viel Östrogen in seinen Adern. In welche Blutgefäße bei mir momentan das meiste Testosteron fließt, dürfte klar sein. Kurz bevor ich sagen kann, „Bleib bitte genau so!“, blickt sie zu mir auf. Sinnlos, vorzutäuschen, ich hätte woanders hingeguckt.
„Reichst du mir bitte das Handtuch?“ Fragend schaut sie mich an.
Leider reagiere ich mit entlarvender Verzögerung. „Hm?“
„Das Handtuch! Liegt direkt hinter dir. Brauchst dich nur umzudrehen – wenigstens für eine Sekunde.“
Will ich aber nicht! Nachher verpasse ich noch was. Womöglich, wie sie aufsteht. Aber als Zivi und Gentleman überwinde ich meine Hormonstarre, drehe mich blitzschnell um und reiche ihr das Handtuch.
„Danke. Du hast dir ja einen schönen ersten Tag ausgesucht“, scherzt sie. Small Talk, sehr gut. Der erste Schritt in die richtige Richtung.
„Tja, was soll’s“, talke ich. „Als Chef würde ich den Koch nach der Nummer allerdings feuern.“
Lachend schaut sie zu Michael, der seinen Kopf aus dem Ofen zieht.
„Wie bitte? Dir ist schon klar, dass ich täglich dein Essen koche und jederzeit reinspucken könnte, oder?“
„Mit dem Koch sollte man es sich nie verscherzen“, rät Charlotte.
„Schon gut. Ich mach gern den Dreck anderer Leute weg“, beschwichtige ich beide.
„Vorsicht! Das Eis wird immer dünner, Zivi!“, droht Michael mit erhobenem Lappen.
„Ach komm, als ob das zwischen uns nach dieser Feuersbrunst nicht längst getaut wäre.“
Michaels Lappen verfehlt mich nur knapp. Dafür landet er direkt vor Schmittkes Füßen, der unbemerkt zum Kontrollbesuch erschienen ist.
„Ich sehe, Sie kommen gut voran“, bemerkt er ironisch.
„Wenn der Zivi so schnell putzen würde, wie er es schafft, sich unbeliebt zu machen, wären wir längst fertig“, pöbelt Michael.
„Und wenn der Koch so für Sauberkeit brennen würde wie der Zivi und das alte Fett vor dem Brand aus dem Ofen gewischt hätte, dann müssten wir überhaupt nicht wischen“, verteidige ich mich.
„Sehr schön. Eine gewisse Reibung in der Belegschaft ist immer gut“, lacht Schmittke.
„Damit hat er ausnahmsweise recht“, raunt mir Charlotte zu, während sie das Handtuch wieder hinter mir auf der Anrichte ablegt.
Wie jetzt, meint sie das doppeldeutig? Im Sinne von zwei Körpern, die sich kollegial aneinander reiben? Darüber habe ich mal während einer Physikklausur die vollen neunzig Minuten nachgedacht, als Tanga-Tina vor mir saß. Mein Physiklehrer hatte bei seiner Aufgabenstellung über den Reibungskoeffizienten „mü“ sicher was anderes im Sinn. Aber der hatte auch kein freies Sichtfeld auf Tinas schwarzen Tanga. Oder auf die prall gefüllte Bluse von Charlotte. Plötzlich bin ich derjenige, der in Flammen steht.
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