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Die Fährte des Wolfs (European Crime Unit 2) Die Fährte des Wolfs (European Crime Unit 2) - eBook-Ausgabe

Mark Fahnert
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Thriller

— Authentischer Thriller
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Die Fährte des Wolfs (European Crime Unit 2) — Inhalt

Dieser Polizist hat dunkle Geheimnisse ...

Lafdan Sadiku, Ermittler bei der European Crime Unit, und seine Führungsoffizierin Katrin Lesage werden nach Skopje in Nordmazedonien geschickt. Der dortige Polizeichef ist spurlos verschwunden, nachdem in seine private Wohnung eingebrochen worden war. Es fehlt zudem ein altes, grobkörniges Foto aus dem Safe. Lafdan wird bei der Beschreibung sofort hellhörig: Offenbar ist es das einzige Bild eines weltweit gesuchten Auftragskillers! Eines Mannes in einem Mantel, an dem ganz markant ein Knopf fehlt. Was Katrin bald vermutet, aber nicht glauben will und schon gar nicht beweisen kann: Lafdan hat dunkelste Geheimnisse. Was verheimlicht er über seine Vergangenheit? 

€ 13,00 [D], € 13,40 [A]
Erschienen am 30.01.2025
352 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-492-32108-2
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€ 10,99 [D], € 10,99 [A]
Erschienen am 30.01.2025
400 Seiten
EAN 978-3-492-60741-4
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Leseprobe zu „Die Fährte des Wolfs (European Crime Unit 2)“

VERGANGENHEIT

Rumänien, Karpaten, 1989

Es sind nicht immer die großen Schlachten, die das Gesicht der Welt verändern. Manchmal sind es die kleinen Geschehnisse. Sie bleiben zuerst unbemerkt, ziehen sich aber wie eine Fährte durch das Leben und enden dann erst wie ein Komet, der auf der Erde aufschlägt.

Der Junge atmete schwer. Der Schnee reichte ihm bis zu den Knien. Jeder Schritt schmerzte. Jeder Atemzug auch. Die klirrende Kälte brannte in seinen Lungen. Die beiden Männer mit den geschulterten Schnellfeuergewehren blieben stehen und unterhielten sich [...]

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VERGANGENHEIT

Rumänien, Karpaten, 1989

Es sind nicht immer die großen Schlachten, die das Gesicht der Welt verändern. Manchmal sind es die kleinen Geschehnisse. Sie bleiben zuerst unbemerkt, ziehen sich aber wie eine Fährte durch das Leben und enden dann erst wie ein Komet, der auf der Erde aufschlägt.

Der Junge atmete schwer. Der Schnee reichte ihm bis zu den Knien. Jeder Schritt schmerzte. Jeder Atemzug auch. Die klirrende Kälte brannte in seinen Lungen. Die beiden Männer mit den geschulterten Schnellfeuergewehren blieben stehen und unterhielten sich kurz. Ihre Worte wurden vom Wind weggetragen, verhallten zwischen den Felsen der Karpaten. Der Pfad, den sie beschritten, schlängelte sich am Felsmassiv entlang. Er war schmal, und auf der anderen Seite fiel er tödlich steil ab. Jeder Schritt Gefahr. Der kleinste Fehler konnte der letzte sein.

Der Junge schloss zu den beiden Männern auf. Hinter ihnen konnte er eine Betonbaracke erkennen, wahrscheinlich ein Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg. Strategisch günstig gelegen, um den Pfad verteidigen zu können.

Der Junge und die beiden Männer blickten sich an. In den Augen der Männer erkannte der Junge Erschöpfung und Todesangst. Jetzt trug der Wind gebellte Befehle zu ihnen herüber. Die Verfolger. Sie waren ihnen dicht auf den Fersen.

„Wir müssen etwas tun“, sagte der bärtige Mann. „Sie kommen näher.“

„Hier ist nichts. Wir können nur weiter fliehen“, sagte der junge Mann.

„Bis wir vor Erschöpfung umfallen? Du weißt, was die mit uns machen.“

Der junge Mann nickte, sagte aber nichts.

„Hey du.“ Der bärtige Mann sprach den Jungen an. „Wolltest du nicht ein Held sein?“

Jetzt war es der Junge, der nicht antwortete, denn er wusste nicht so recht, was der Mann damit meinte. Er wusste nur, dass er diesen Wunsch hatte – er wollte ein Held sein, ja. Aber was konnte er in diesem Moment dafür tun?

„Siehst du den Bunker?“

„Ja.“ Die Stimme des Jungen war nicht mehr als ein eisiges Krächzen. Wie der Ruf einer Krähe an einem nebeligen Wintermorgen.

„Kennst du die Legende des Himmelssoldaten?“

Der junge Mann packte den anderen am Ärmel, zog daran. „Lass das“, sagte er.

Der Bärtige riss sich los. „Wir wollen doch alle nur überleben.“ Er blickte den Jungen an. „Du willst doch überleben, oder? Ist es nicht so?“

Er sprach plötzlich so schnell. Die ganze Zeit war er der Stillere von beiden gewesen. Wenn er etwas gesagt hatte, dann mit Bedacht. Und jetzt das?

„Ich hab dich was gefragt.“

Der Junge wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Die rauen Lippen kratzten über die eiskalte Haut. Überleben. Natürlich wollte er überleben. Seit zwei Tagen floh er mit den beiden Männern durch die Eiswüste, verfolgt von den Soldaten der Revolution. Hunger und Kälte zerrten an seinem Überlebenswillen. Was auch immer diese beiden Männer getan hatten, es musste extrem grausam sein, denn den Verfolgern musste es genauso ergehen wie ihnen. Mit dem Unterschied, dass sie diese Menschenjagd jederzeit beenden konnten. Die zwei Männer vor ihm hingegen mussten fliehen, bis sie entweder entkamen – oder starben. Warum nur hatte er sie in der Scheune versteckt? Was hatte er sich dabei gedacht? Ein besseres Leben? Nur, weil er den Männern des Diktators geholfen hatte? Wahrscheinlich. Er war überzeugt davon, dass der Diktator diesen Sturm der Freiheit überstehen würde. Er war überzeugt, dass danach eine klare Trennung zwischen Gewinnern und Verlierern gezogen werden würde – eine blutige Linie. Er hatte zu den Gewinnern gehören wollen. Aber jetzt war er sich nicht mehr so sicher, ob er die richtige Seite gewählt hatte.

„Natürlich will ich überleben“, sagte er.

Die Männer starrten einander an. Niemand sprach.

„Wie geht die Legende vom Himmelssoldaten?“, fragte der Junge.

„Es geht um einen Soldaten, der ehrenhafter nicht sein konnte. Ein Russe. Manche sagen, er hieß Ivan, andere sind der Meinung, es war Boris.“ Der bärtige Mann nahm sein Schnellfeuergewehr von der Schulter und reichte es dem Jungen, der es zögernd annahm. „Wichtig ist, dass man ihm befohlen hatte, diesen Außenposten hier zu halten. Er sollte kämpfen, bis der Schnee rot war, bis man diese Berge nur noch ›die Blutberge‹ nennen würde. Boris oder Ivan hat versprochen, diesen Posten für immer zu halten und niemals nach Hause zurückzukehren. Niemals aufzugeben. Auch wenn es bedeute, die Leiter zum Himmel emporzusteigen. Und das hat er. Er hat Hunderten verfolgten Juden zur Flucht verholfen. Er hat hier gekämpft. Als man ihn Tage später fand, hockte er hinter der Deckung. Erfroren. Seine Haut soll ganz weiß gewesen sein. Die Augen hatte er zu den vorbeiziehenden Wolken gerichtet. Deshalb nannten ihn die Leute den Himmelssoldaten. Und man sagt, dass er auch heute noch diesen Posten hält, dass dieser Posten uneinnehmbar ist. Der Soldat ist bei dem, der hier das Unrecht aufhalten will.“

„Ich soll …?“ Der Junge blickte erst zwischen den Männern hin und her und dann zurück. Dorthin, wo ihre Verfolger jeden Moment auftauchen konnten.

Der Bärtige nickte. „Eine andere Möglichkeit haben wir nicht. Sie werden jeden Moment hier sein. Und sie werden nicht damit rechnen, dass du den Pfad verteidigst. Die werden leichte Ziele sein.“

„Und ihr? Was macht ihr?“

„Wir werden Hilfe holen. Und zurückkommen. Versprochen.“ Nachdem er das letzte Wort ausgesprochen hatte, beugte sich der bärtige Mann vor und drückte die beiden Schultern des Jungen. Beinahe wirkte es, als sei er stolz, den neuen Himmelssoldaten zu berühren.

„Aber …“, begann der Junge. „Wenn wir alle …“

„Sei nicht albern.“ Er schüttelte gönnerhaft den Kopf. Sein Bart wehte im Wind. „Es ist wichtig, dass einer von uns den Treffpunkt erreicht. Unsere Informationen sind wichtig für den Fortbestand unserer Nation.“

„Wirklich?“

„Ja, das hier ist ein historischer Moment.“ Er erhob sich, hielt aber inne, als er die strafenden Blicke des jungen Mannes spürte. Erst hielt er stand, aber zwei, drei Atemzüge später blickte er auf den schneebedeckten Boden.

„Es ist richtig, was wir tun“, beharrte er und stapfte davon.

Der junge Mann stellte sich neben den Jungen und gab ihm zwei Reservemagazine. „Das ist meine letzte Munition. Nimm sie und mach etwas Sinnvolles damit. Wenn du erfolgreich bist, brauche ich keine Munition mehr.“

Dann ging auch er davon.

Es dauerte nicht lange, und die Verfolger schälten sich aus der weißen Umgebung. Der Junge packte seine Waffe fester. Man konnte ihn verrückt nennen, aber in diesem Moment spürte er wirklich eine geisterhafte Präsenz. Es fühlte sich an, als wäre jemand bei ihm. Aber zwischen diesem Jemand und dem Jungen gab es einen Unterschied.

Der Junge würde nach Hause zurückkehren.


KAPITEL 1

Den Haag, Niederlande, Gegenwart

Emily Rushford verließ das Gebäude, in dem das Kriegsverbrechersondertribunal untergebracht war. Sie ging die breiten Stufen hinunter, musste sich dann aber am geschwungenen Geländer festhalten. Ihr war plötzlich schwindelig. Das Grinsen dieses Mannes … mit welcher selbstherrlichen Arroganz er dort auf der Anklagebank saß. Wie konnte sich dieser Mann überhaupt im Spiegel betrachten? Malus Xhafa war der letzte mutmaßliche Kriegsverbrecher des Balkans. Die rechte Hand von Slobodan Milošević. Nach jahrzehntelanger Fahndung war er vor circa einem halben Jahr in Nicaragua festgenommen und ausgeliefert worden. Nun war er wegen Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Grausame Details wurden vor den Richterinnen und Richtern ausgebreitet. Massenhinrichtungen und öffentliche Folter. Alles im Namen irgendeines Grundes, der zu Krieg geführt hatte. Krieg. Etwas zutiefst Menschliches. Keine andere Spezies auf dieser Welt würde etwas erfinden, das der eigenen Art schadete. Selbst Affen, die Werkzeuge nutzen, um Nüsse zu knacken oder in der Erde zu graben, richten diese im Kampf nie gegen Rivalen. Nur der Mensch hatte eine Bombe erfunden, die alles vernichten konnte. Bei dieser Waffe gab es niemals Gewinner, nur Verlierer. Der einzige Unterschied war, dass die einen Verlierer schuldig waren, die anderen waren es nicht.

Das Schlimmste daran war jedoch, dass so ein Krieg immer Monster hervorbrachte. Und Dämonen. Dämonen wie Malus Xhafa. Normalerweise nannte man solche Menschen den Schlächter von irgendeinem Ort, an dem dieser Mensch sein grausames Verbrechen begangen hatte. Diese Bezeichnung reichte für Xhafa nicht. Deshalb nannte man ihn: den Menschenschlächter.

Und er saß da und grinste, als würde es ihn befriedigen, seine Grausamkeiten noch einmal durchleben zu dürfen. Er lächelte die Zeuginnen und Zeugen an, die dem Gericht von seinen Gräueltaten berichteten. Emily hatte genau auf diese Menschen geachtet. Noch immer waren sie voller Angst, saßen zusammengesunken auf dem Stuhl in der Mitte des Raumes. Ihre Worte kamen zögerlich, stotternd, was sich noch verschlimmerte, wenn sie vom Anwalt des Mörders ins Kreuzverhör genommen wurden. Bisher war jede Aussage wie ein Kartenhaus in sich zusammengebrochen. Nur einmal versteinerten sich Xhafas Gesichtszüge. Eine Zeugin berichtete von einem Mord in Skopje im Jahre 1996. Aber alles, was sie wusste, war, dass das Opfer ein hohes Tier beim Militär gewesen war, Namen kannte sie nicht. Selbst die Vorsitzende Richterin hatte den Kopf geschüttelt. Es gab keine Beweise. Folgerichtig hatte Xhafas Anwalt darauf hingewiesen, dass diese Geschichte tatsächlich ein Beweis wäre – nämlich dafür, dass die Vorwürfe und Anschuldigungen gegen seinen Mandanten aus der Luft gegriffen seien.

Die Vorsitzende Richterin hatte genickt.

Er kam also davon. Das durfte nicht sein. Aber so war es. Er kam davon. Als Emily das Geländer losließ, fasste sie einen Entschluss. Es musste etwas geben. Dieser Mord in Skopje, so gering die Chance auch war, verdiente eine nähere Betrachtung. Es musste verdammt noch mal Beweise geben. Und Emily würde sie finden. Das Problem war nur, dass beim nächsten Verhandlungstag in drei Wochen die Beweisaufnahme abgeschlossen wurde. Danach kamen die Plädoyers und, nach derzeitigem Ermittlungsstand, der Freispruch. Emily hatte also drei Wochen, um etwas zu finden, das seit Jahrzehnten im Verborgenen lag.

Sie trat auf den Gehweg und sah auf. Ein ungepflegter, spindeldürrer Mann kam auf sie zu. Sie hatte ihn schon beim Verlassen des Gebäudes gesehen. Er hatte lässig an einer Hauswand gelehnt. Sein Schlendern wirkte wie zufällig. Zu spät erkannte Emily, dass sie ein Ziel war. Sein Ziel. Der Mann sprintete los, rempelte sie an und entriss ihr die Aktentasche. Sie packte fest zu, aber der Griff entglitt ihr schmerzhaft. Er stieß sie gegen das Geländer und flüchtete.

„Meine Tasche!“, schrie sie dem Mann hinterher. „Er hat meine Tasche!“

Die Passanten reagierten nicht. Sie starrten auf ihre Mobiltelefone oder blickten zu Boden. Manche machten sogar Platz, um nicht umgerannt zu werden. Was für eine Welt!

Emily rappelte sich hoch. Die Verfolgung war sinnlos. Der Mann hatte Vorsprung, und sie trug Absatzschuhe. Doch dann hörte sie einen Schrei. Sie sah, wie der Räuber gegen ein Auto geschleudert wurde. Ein Mann im blauen Anzug setzte nach, dann ein Tritt gegen die Hand. Emilys Tasche schlitterte über den Boden. Der Räuber zog ein Messer und fuchtelte damit vor dem Gesicht des Anzugträgers herum, während sich eine Traube Schaulustige bildete. Der Räuber rempelte sich durch die Menge und verschwand. Der Anzugträger hob Emilys Aktentasche auf und näherte sich ihr mit einem Lächeln.

So also sehen heute Engel aus, dachte sie. Eine fein geschnittene Nase, dünne Lippen und makellose Haut. Unter dem Anzug zeichnete sich ein Körper ab, der gut und gerne in einer dieser Softdrink-Werbungen die Hauptrolle spielen könnte.

Er sprach sie an. Emily tippte auf Niederländisch. Sie verstand die Worte nicht, sie hörten sich aber nett an. Er lächelte weiter und reichte ihr die Tasche.

„Geht es Ihnen gut?“, fragte er. Dieses Mal in einem Englisch, das man nur auf sündhaft teuren Universitäten lernte.

„Vielen Dank.“ Sie nahm ihre Tasche. „Ist bei Ihnen alles in Ordnung?“

Er zuckte mit den Schultern. „Nichts passiert.“

„Sie haben mir quasi das Leben gerettet.“

„Eine Aktentasche zu verlieren, bedeutet nicht, das Leben zu verlieren.“

„Kommt auf den Inhalt an.“

Er lächelte wieder. Auf der anderen Straßenseite befand sich ein kleines Café. Draußen standen ein paar Tische unter roten Sonnenschirmen. Er deutete dorthin.

„Möchten Sie mir davon erzählen? Bei einer Tasse Kaffee?“

Natürlich wollte Emily das. Nicht nur, um ihm für seine Hilfe zu danken.

„Aber ich zahle“, sagte sie.

„Sehr gerne. Ich habe nämlich keine Brieftasche dabei.“

Nur wenige Minuten später saßen sie vor zwei Tassen Kaffee. Emily nahm ihren Keks und tunkte ihn ein. Sie brauchte jetzt unbedingt etwas Süßes.

„Wie heißen Sie eigentlich?“, fragte sie.

„Nathan. Nathan Born.“

„Sehr erfreut. Ich bin Emily Rushford.“

So etwas wie Überraschung huschte über sein Gesicht. „Warten Sie. Ich glaube es nicht. Ich meine … die Emily Rushford?“ Die Betonung klang deutlich heraus.

Jetzt war es Emily, die lächelte, was aber eher ihre Verlegenheit ausdrückte. Sie nickte knapp. „Genau die.“

„Wahnsinn. Ich lese jeden Ihrer Artikel.“

Emily war es gewohnt, erkannt zu werden. Sie hatte vor drei Jahren den Pulitzerpreis erhalten. Für eine Reportage über den immer noch schwelenden Konflikt auf dem Balkan. Damit hatte sie polarisiert, denn sie hatte auch das politische Versagen der USA und weiterer Staaten argumentativ seziert und an die Öffentlichkeit gebracht. Sie hatte nur nicht gedacht, dass ihre Berühmtheit über den Großen Teich reichen würde. Zumindest hatte man ihr bisher nicht das Gefühl gegeben, dass dem so war.

„Sind Sie wegen des Kriegsverbrecherprozesses hier?“, fragte Nathan.

„Als Gerichtsreporterin.“

„Wie läuft es? Viele Informationen dringen bisher nicht nach außen.“

Die Anwälte Xhafas hatten eine Vereinbarung mit dem Gericht getroffen. Zum Schutz der Privatsphäre ihres Mandanten. Es durften keine Einzelheiten an die Öffentlichkeit dringen. Nur allgemeine Berichterstattung war erlaubt. Details durften erst im Falle einer Verurteilung bekannt werden. Ungewöhnlicher Deal, aber wenn es der schnellen Wahrheitsfindung diente, warum nicht. Ansonsten hätten die Anwälte den Prozess mit Befangenheitsanträgen und Beweiserhebungen lahmgelegt. Da war Emily sich ziemlich sicher.

„Wir müssen alle bis zum Urteil warten“, sagte sie.

„Ist das denn wahrscheinlich? Nach so langer Zeit? Viele potenzielle Zeugen müssten doch schon längst verstorben sein.“

Emily nickte. „Größenwahnsinnige Menschen hinterlassen aber immer Spuren.“

„Deswegen war es so wichtig, dass Sie die Tasche wiederhaben.“

„Was meinen Sie damit?“ Sie runzelte die Stirn.

„Sie sind Reporterin. Ich denke, Ihre Notizen befinden sich in der Tasche. Die ganze große Story sozusagen.“

Zum ersten Mal fühlte sie sich in seiner Gegenwart unwohl. In seinen Worten klang der Hauch einer Gefahr mit. Sie fragte sich, welchen Grund es dafür geben sollte. Ihr Zusammentreffen war dem Zufall geschuldet.

Er legte den Kopf schief.

„Ist irgendwas?“

„Nein, wie kommen Sie darauf?“

„Sie wirken nach meiner letzten Äußerung etwas reserviert.“ Jetzt schwang keine Drohung mehr zwischen den Wörtern mit.

Emily merkte selbst, wie blöd ihre Gedanken gewesen waren. Sie versuchte, die Situation mit Humor zu retten. „Ich war nur verwundert wegen Ihrer Äußerung.“

„Bezüglich der ganz großen Story?“

„Ja. Sind Sie Detektiv?“

„Investmentbanker.“

Emily lachte und schüttelte den Kopf.

„Was ist so lustig daran? Oder steht mir ein so langweiliger Job nicht?“

„Um ehrlich zu sein, habe ich mir einen Investmentbanker anders vorgestellt. Irgendwie kleiner und schwächer.“

Er zwinkerte ihr zu. „Und nicht so verdammt gut aussehend, richtig?“

Ja, auch das, dachte Emily, aber das brauchte er nicht zu wissen. Er platzte ja jetzt schon vor Selbstvertrauen. Emily entschied, Nathan noch ein wenig zappeln zu lassen und dann zu schauen, was der Tag noch so brachte. Davon hatte sie schon eine vage Vorstellung, und ja, es hatte mit weichen Matratzen und sehr viel Schweiß zu tun.

„Ich gehe mir mal die Nase pudern.“ Emily stand auf. „Sind Sie noch hier, wenn ich zurückkomme?“

„Möchten Sie, dass ich noch hier bin, wenn Sie zurückkommen?“

Emily biss sich keck auf die Unterlippe, nickte dann und betrat das Café. Auf dem Weg zu den Waschräumen beobachtete sie ihn, wie er am Tisch saß und die Speisekarte studierte. Eine gute Idee, vorher etwas zu essen, dachte Emily. Als sie aber von der Toilette zurückkam, saß Nathan nicht mehr am Tisch. Dafür lag ein Umschlag unter ihrer Kaffeetasse. Ihr Vorname war kunstvoll mit einem Füllfederhalter darauf geschrieben. Sie entnahm ihm einen ebenfalls handgeschriebenen Zettel und las.

„Miss Rushford, wir schätzen Ihre Berichterstattung ganz und gar nicht, ließen Sie in der Vergangenheit jedoch gewähren. Das gilt aber nicht für diesen Fall. Deswegen möchten wir Sie höflich darum ersuchen, keine weiteren Recherchen zum laufenden Prozess durchzuführen. Glauben Sie uns, es ist in Ihrem eigenen Interesse. Sie möchten doch auch weiterhin ungestört Ihre Artikel veröffentlichen, nicht wahr?“

Es fehlte nur „Mit freundlichen Grüßen“.

Der Schein trog. Egal, wie freundlich und höflich diese Worte waren, es war eine knallharte Drohung. Die Worte sollten Angst machen. Und das gelang ihnen auch. Für Emily kein Problem. Angst gehörte zum investigativen Journalismus dazu, zwang sie doch zu umsichtigem Vorgehen, mahnte zur Vorsicht. Sie war dieses Gefühl gewohnt, trotzdem war es dieses Mal anders. Sonst wusste sie immer, vor wem sie Angst haben musste. Dieses Mal nicht. Hinzu kam die Wahl der freundlichen Worte. Solche Menschen hatten die Gewalt kultiviert. Solche Menschen sahen brutale Handlungen als legitimes Vorgehen zum Erreichen ihrer Ziele an. Dadurch hatten sie kein Unrechtsbewusstsein, eher das komplette Gegenteil, was sie niemals zögern ließ. Das machte sie noch gefährlicher. Ihr zwischenzeitliches Gefühl hatte sie also nicht getäuscht. Nathan war ein Arschloch. Höflich zwar, aber ein Arschloch blieb, was es war, egal, wie sehr man es verkleidete. Sie steckte den Brief zurück in den Umschlag und verstaute diesen in ihrer Aktentasche. Was jetzt, dachte sie. Aufgeben oder die Jetzt-erst-recht-Mentalität? Emily überlegte.

Erst Angst ermöglicht Mutigsein. Sie nahm ihr Mobiltelefon und rief eine Freundin an, die sie schon viel früher hätte anrufen sollen.

Also die Jetzt-erst-recht-Mentalität.

Einen weiteren Pulitzerpreis bekam man schließlich nicht fürs Aufgeben.

Mark Fahnert

Über Mark Fahnert

Biografie

Mark Fahnert, Jahrgang 1973, ist seit 1990 bei der Polizei. Mehrere Jahre ermittelte er verdeckt als szenekundiger Beamter, bevor er bei der Autobahnpolizei im rasanten Einsatz seinen Dienst versah. Heute befasst er sich mit politisch und religiös motivierten Delikten. Durch seine lange und...

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