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Die guten alten Zeiten sind jetzt

Die guten alten Zeiten sind jetzt - eBook-Ausgabe

Isabel Varell
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Wie ich das Leben jeden Tag neu erfinde

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Die guten alten Zeiten sind jetzt — Inhalt

Älter werden geht auch anders! TV-Star Isabel Varell blickt in ihrer Autobiografie zurück, nach vorn und mittenrein ins Leben als Best Ager. 

Pünktlich zu ihrem 60. Geburtstag im Juli 2021 hat Isabel Varell eine Biografie veröffentlicht, die weniger Furcht vorm Altern, dafür umso mehr Lebenslust und Selbstbewusstsein vermittelt. 

In der glitzernden Welt von Musical und Fernsehen haben Frauen eine schrecklich kurze Halbwertszeit. Niemand weiß das besser als Isabel Varell. Das Multitalent der deutschen Medien musste erleben, wie sie mit jedem weiteren Geburtstag immer härter um neue Engagements zu kämpfen hatte. 

Doch aufgeben, alt werden, in der Versenkung verschwinden? Das kam für die Powerfrau noch nie infrage. Es war ein langer Weg zur seelischen Balance in der Lebensmitte. Doch sie hat gelernt, was alle Frauen ab 50 wissen sollten: Alter ist eine Zahl – und das Leben findet heute statt! 

Mit ihrer ungeschönten und selbstironischen Autobiografie „Die guten alten Zeiten sind jetzt“ spricht Isabel Varell unzähligen Frauen aus der Seele. Ihre Lebenserinnerungen sind ein humorvoller Mutmach-Ratgeber für Best Ager, die in ihrer neuen Dekade nur eines wollen: Alles erleben – in vollen Zügen! 

Der SPIEGEL-Bestseller als perfektes Geschenk für Frauen ab 50

Wer über sich selbst lachen und gleichzeitig mit Lebenserfahrung glänzen kann, hat die wichtigsten Werkzeuge für das Leben 50+ bereits in der Hand. SPIEGEL-Bestsellerautorin Isabel Varell nimmt Sie mit auf eine persönliche Zeitreise, in der genauso oft alles schiefgeht wie funktioniert. Und auch, wenn es manchmal wehtut: Es gibt immer einen Weg nach vorn.  

Charmanter als jedes Musical: Diese Biografie verleiht neuen Schwung! 

Mit „Die guten alten Zeiten sind jetzt“ schnappen Sie sich eine neue Hauptrolle in Ihrem Leben und finden in den offenen Worten von Isabel Varell Inspiration für alles, was Ihnen wichtig ist. Vom Leben gelernt? Aber sicher! Vom Altern überrollt? Ganz sicher nicht!

€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 01.07.2021
256 Seiten
EAN 978-3-492-60030-9
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Leseprobe zu „Die guten alten Zeiten sind jetzt“

Vorwort von Birgit Schrowange

Seit fast 40 Jahren heißt meine beste Freundin Isabel Varell.

Ich kann mich noch genau an unser Kennenlernen erinnern – es war Liebe auf den ersten Blick – sie als blutjunge Sängerin, damals von Frank Elstner entdeckt und ich in meinem ersten Jahr als Fernsehansagerin beim ZDF.

Wir trafen uns auf einer Veranstaltung in Wiesbaden. Ich moderierte ihren Auftritt an und war sofort fasziniert von ihrer unglaublich präsenten Art, ihrer tollen Stimme und vor allem von ihrem Humor und ihrer unverwechselbaren Lache. Von da an waren wir [...]

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Vorwort von Birgit Schrowange

Seit fast 40 Jahren heißt meine beste Freundin Isabel Varell.

Ich kann mich noch genau an unser Kennenlernen erinnern – es war Liebe auf den ersten Blick – sie als blutjunge Sängerin, damals von Frank Elstner entdeckt und ich in meinem ersten Jahr als Fernsehansagerin beim ZDF.

Wir trafen uns auf einer Veranstaltung in Wiesbaden. Ich moderierte ihren Auftritt an und war sofort fasziniert von ihrer unglaublich präsenten Art, ihrer tollen Stimme und vor allem von ihrem Humor und ihrer unverwechselbaren Lache. Von da an waren wir quasi unzertrennlich, haben Urlaube zusammen verbracht, in Düsseldorfer Diskotheken die Nacht zum Tage gemacht und das Leben, unsere Jugend in vollen Zügen genossen. Besonders gern erinnere ich mich an gemeinsame Auftritte bei Galas und Messen, bei denen wir die Veranstalter oftmals an den Rand eines Nervenzusammenbruchs brachten, z. B. als wir einmal die Rollen vertauschten und sie blitzschnell meine Rolle als Moderatorin übernahm und mich als „Sängerin“ ankündigte. Für Lacher im Saal war gesorgt. Wir hatten Flausen im Kopf, waren jung, ausgelassen und ein Zweiergespann, das bei vielen sicherlich auch ein Kopfschütteln hervorrief.

Sie wurde eine Freundin fürs Leben. Freundschaft bedeutet ihr alles. Auch wenn wir uns heute nicht mehr so oft sehen wie in unserer Jugend, ist es bei einem Treffen so, als hätten wir uns erst gestern gesehen. Sie ist da, wenn ich sie brauche, und auch umgekehrt, und wir haben schon so manches „Seelenleid“ miteinander durchgemacht. Ich kann mit ihr lachen, mich mit ihr streiten, aber auch weinen und tiefgründige Gespräche führen. Ihr Leben war kein Zuckerschlecken. Davon erzählt sie im Buch. Ungewöhnlich offen „lässt sie die Hosen herunter“, berichtet von der traumatischen Scheidung ihrer Eltern, vom Verlust ihres Stiefvaters, der übergriffigen narzisstischen Mutter, ihren tief sitzenden Ängs-
ten, dem immer wiederkehrenden Gefühl, nicht zu genügen, der Unruhe und Rastlosigkeit, die sie manchmal befallen.

Sie gehört wie ich der Generation der „Kriegsenkel“ an, die oftmals die Ängste, das Sicherheitsdenken und die emotionale Unerreichbarkeit der Eltern, die im zweiten Weltkrieg noch Kinder oder Jugendliche waren, übernommen haben.

In den 60er-Jahren galten Gehorsam, Disziplin und Pflichterfüllung als oberste Tugenden. Körperliche Züchtigung war gesellschaftlicher Konsens und bis in die 70er-Jahre die wohl häufigste Erziehungsmethode.

Sie berichtet von ihrer Einsamkeit als junges Mädchen, dem „Nichtgesehenwerden“, und setzt sich damit auseinander, warum sie ist, wie sie ist.

Sie nimmt uns mit auf eine wunderbare Reise durch ihr bewegtes Leben, lässt uns tief in ihre Seele blicken.

Obwohl ihr Lebensweg nicht immer einfach war, hat sie sich
ihren Optimismus bewahrt, ihre Begeisterungsfähigkeit und ihre Toleranz. Sie ist eine Frauenfrau, nicht stutenbissig und neidisch, sondern zugewandt, hilfsbereit, ehrlich und authentisch.

Bei der Lektüre habe ich gelacht und geweint. Sie schreibt schonungslos, offen und immer auch humorvoll, so wie sie eben ist.

Ich habe das Buch in einem Rutsch gelesen und mich oft „wiedergefunden“. Es ist ein wunderbar ehrliches, tiefgründiges und authentisches Buch, mit vielen noch nicht bekannten Episoden und Einblicken aus ihrem Leben, das Sie, liebe Leser*innen, sicherlich genauso in seinen Bann ziehen wird wie mich.

Viel Vergnügen beim Lesen,

Ihre Birgit Schrowange


1 Im früheren Leben war ich Ameise – Über den Mut, Angst zu haben

Ich könnte im Boden versinken. Wie bin ich in diese Horrorsituation nur reingeraten? Ich möchte auf der Stelle sterben. Nein, doch lieber nicht sterben. Wer stirbt schon gerne splitterfasernackt und dann noch vor Leuten?

Ja, ich bin nackt – ganz ohne ein einziges Kleidungsstück. Nicht mal ein Höschen habe ich an. Keinen BH, keine Schuhe – nichts! Ich befinde mich in einem nüchternen Konferenzraum. Einer dieser typischen Räume, die in Hotels für Firmen bereitstehen. Am ovalen Tisch, der Platz für 20 Leute gehabt hätte, sitzen acht bis neun Menschen. Eine Frau und der Rest Männer. Ich traue mich nicht, die Männer durchzuzählen. Mein Blick ist starr auf die Tischkante gerichtet. Als wenn einen niemand sehen könnte, wenn man selbst nicht guckt.

Ich kenne keinen dieser Anzugtypen hier an diesem Tisch – außer meinen langjährigsten besten Freund Hape. Er thront mittendrin. Er scheint hier der Grund zu sein, warum diese Leute zusammensitzen und sich besprechen. Aber was hat das alles mit mir zu tun?

Hape ist wie immer schlunzig gekleidet. Ein Karohemd in der Modefarbe Schlamm, dazu ein beiger Schal, Sportkäppi, obwohl er keinen Sport macht, unterm Tisch wahrscheinlich wieder die Levis 501 in Lkw-Fahrer-Schlabbergröße. Und ich bin nackt.

Alle scheinen mich zu ignorieren. Sogar Hape. Er tut fast so, als würde er mich gar nicht kennen. Das tut weh. Ich fühle mich fürchterlich. Was tue ich hier? Wer sind diese Leute? Ich zittere. Nicht, weil mir kalt ist, sondern weil ich mich so schäme. Ich möchte fliehen. Aber wie komme ich hier weg, ohne die Aufmerksamkeit des kompletten Tisches auf mich zu ziehen?

Ich suche Hapes Augen. Für eine Sekunde treffen sich unsere Blicke. Ich merke: Er schämt sich, mich zu kennen. Was denkt er denn jetzt über mich? Wahrscheinlich, dass ich hier an diesem Tisch im Mittelpunkt stehen will. Aber das Gegenteil ist der Fall. Ich will Luft sein. Nebel. Ich will gar nichts sein. Noch nicht mal mehr Isabel will ich sein.

Hape wendet sich begeistert und lachend dieser einen Frau am Tisch zu. Sie sitzt direkt neben ihm und trägt ein feuerrotes Latex-Outfit. Sie strahlt Selbstbewusstsein aus und Erfolg. Wahrscheinlich plant Hape einen Film mit ihr in der Hauptrolle. Vielleicht wird sie die neue Frau an der Seite von Horst Schlämmer. Sein neues „Schätzelein“.

Ich schäme mich so sehr. Als eine Frau von 60 Jahren habe ich dementsprechend schon ein paar Schwachstellen an meinem Körper. Mein Busen ist für mein Alter noch ganz okay, aber wenn ich den Bauch einziehe, wird’s schon schrumpelig. Also so eher etwas faltig.

Ich bete zum Himmel, dass ein Wunder passiert. Lieber Gott, mach, dass ich hier wegkomme.


Ich habe vor nichts Angst?

Zwei Wecker klingeln in diesem Moment. Ich schrecke hoch und setze mich auf die Bettkante. Ich atme schwer und schaue an mir herunter. Ich bin immer noch nackt. Aber ich bin in meinem Schlafzimmer. Kein Konferenzraum. Alle sind weg. Hape, die Dame in Latex und die ganzen Männer in Anzügen. Alles nur ein Traum. Ich könnte in die Luft springen vor Erleichterung. Ich muss später Hape anrufen und es ihm erzählen. Er wird sich kaputtlachen.

Ich stehe auf und schalte die beiden Wecker aus. Ich brauche immer zwei Wecker. Dann kann ich besser schlafen. Seit ich für die Sendung „Live nach neun“ im Ersten morgens um 4:48 Uhr aufstehe, muss ich sicher sein, dass ich wenigstens einen Wecker höre.

Aber trotz meiner Erleichterung, dass ich nur nackt bei mir zu Hause bin und nicht mehr in diesem Konferenzraum, begleitet mich dieser Traum durch den ganzen Tag. Was ist da bloß los in meinem Unterbewusstsein?, frage ich mich. Man müsste einen Traumdeuter fragen.

Stattdessen frage ich Dr. Google nach „Nacktheit im Traum“:

Das Nacktsein kann in Träumen eine wichtige Rolle spielen. Viele Menschen träumen davon, nackt zu sein …

 

Aber ich doch nicht! Ich scrolle weiter. Ah:

Häufig sind Träume von Nacktheit, in denen sich der Träumende sehr unwohl fühlt und sich verstecken oder bedecken möchte. Hierdurch kommt die Angst zum Ausdruck, im realen Leben bloßgestellt zu werden. Der Betroffene schämt sich, beispielsweise für ein bestimmtes sexuelles Bedürfnis.

 

Nein! Das trifft auch nicht auf mich zu. Ich war mit meiner Sexualität eigentlich immer ziemlich im Reinen. Ich lese weiter. Wir kommen der Sache langsam näher:

Der Träumende ist meist nicht selbstbewusst genug, offen zu allen Bereichen seines Lebens oder seines Charakters zu stehen, und fürchtet sich vor einer abschätzigen Meinung seiner Mitmenschen.

 

Dem Psychoanalytiker Sigmund Freud zufolge sind Träume vom Nacktsein ein Ausdruck einer unbewussten Sehnsucht: Der Träumende wünscht sich die Unbeschwertheit seiner Kindheit zurück.

 

Oooh nein! Das kann es bei mir nicht sein. Ich fühle mich wohl im Hier und Jetzt. Was aber sicherlich stimmt, ist, dass ich Ängste in mir habe. Angst, nicht anerkannt zu werden. Angst, zu versagen. Angst, nicht geliebt zu werden. Angst, zu verlieren.

Für diese Selbstdiagnose brauche ich keine Psychoanalyse – im Älterwerden wird mir immer mehr klar über mich selbst. Vor allem gestehe ich mir inzwischen ein: Ich HABE Ängste. Ich hatte schon immer Ängste. Dabei habe ausgerechnet ich diesen Satz quasi erfunden: „Ich habe vor nichts Angst!“

Tja, das stimmt natürlich überhaupt nicht. Es tut aber gut, ihn zu sagen. Egal wo. Im privaten Leben genauso wie auf dem beruflichen Feld. Dieser Satz beeindruckt das Gegenüber. Es lässt dich erfolgreich wirken. Alle sollen bitte schön denken: Die ist selbstbewusst. Die kippt nicht um. Die können wir nehmen, die kann das. Sieger erkennt man am Start. Verlierer auch.

Mir sagen so viele Menschen: „Isabel, du bist immer so mutig. Du traust dich was.“ Ja, ich finde mich auch manchmal ganz schön mutig – und zwar deshalb „mutig“, weil ich mich überwinden muss, weil ich Ängste habe. Denn Mut gibt es nicht ohne Angst. Wenn man keine Angst hat, muss man ja nicht mutig sein. Dann macht man einfach alles – ohne nachzudenken.

Ich empfinde es heute als etwas Befreiendes, meine Ängste anzuerkennen. Sie auszusprechen und zu ihnen zu stehen macht mich in diesem Moment angstfrei. Das wäre mir früher nicht in den Sinn gekommen.

Ich habe so viel Schönes und Berührendes erfahren während meiner musikalischen Lesungen mit meinem ersten Buch – vor allem durch die Begegnungen mit Menschen, die zu mir gekommen sind. Im Gespräch mit ihnen habe ich gemerkt, wie wichtig es ist, sich zu öffnen und zu seinen Gefühlen zu stehen und sie mit anderen zu teilen. Nur wenn man die Hosen runterlässt, wird man beschenkt mit weiteren neuen Geschichten des Lebens. Und deshalb beschäftige ich mich in diesem Buch mit meinem persönlichen Thema: Ängste. Oder Ängstlichkeit. Was hatte ich in meinem Leben schon die Hosen voll. Du meine Güte!

Ein Grund dafür: Mein Leben ist geprägt von Neuanfängen. Während die meisten Menschen über Jahre einer geregelten Arbeit nachgehen – mit vertrauten Wegen und Kollegen, fange ich immer wieder von vorne an. Die meisten Menschen sind den Großteil ihrer beruflichen Jahrzehnte fest verankert in Zusammenarbeiten und erleben eher selten einen Wechsel. Und ich kann gut nachvollziehen, dass es etwas Wundervolles ist, tiefe Bindungen zu Kollegen aufbauen und pflegen zu können. Dann ist der Beruf das zweite Zuhause und sind die Kollegen die zweite Familie. In meinem Beruf ist es eher so: „Gehen Sie zurück auf Los. Ziehen Sie keine 4000 Mark ein und geben Sie die Ereigniskarte zurück.“

Wenn eine Tournee oder ein Engagement vorbei ist, heißt es jedes Mal Abschied nehmen, die Komfortzone verlassen und schnell die Würfel in die Hand nehmen und hoffen auf einen Pasch. Aber der Pasch lässt manchmal ganz schön auf sich warten. Diese Wartezeiten waren hart und manchmal endlos. Nach einer gewissen Zeit neigt die sensible Künstlerseele dazu, sich wertlos zu fühlen. Die Erinnerung an die eigenen Fähigkeiten und Talente verblassen. Sie faden aus wie das Ende eines Liedes. Bis man von sich selbst und seiner inneren Stimme nichts mehr hört. Stille.

Kaum auszuhalten!

Ich war schon immer völlig ungeeignet, mich in diese Zwangspausen fallen zu lassen. Mir mangelte es an Vertrauen, dass schon alles wieder gut wird. Dass ich es schaffe. Dass bald was Neues kommt. Der Grund dafür liegt in meiner Kindheit. Das habe ich herausgefunden durch Gespräche mit Freunden, aber auch mithilfe einer Therapeutin, die mich auf meinem Weg in die Vergangenheit begleitet hat. Die Kindheit soll und darf natürlich keine Entschuldigung für das gesamte Handeln im Erwachsenenleben sein, aber man findet im „Früher“ Erklärungen für sich. Und diese Erklärungen brauchen wir dringend, um uns selbst verzeihen zu können und Verständnis aufzubringen für unser Fühlen, Handeln und Sein.

Der Boden, auf dem ich aufwuchs, war keine gute Erde. Sie gab mir in meine kleinen Wurzeln keine Nährstoffe ab, keinen Dünger für das Selbstbewusstsein, keinen Glauben an mich selbst, weder Zuversicht noch Vertrauen. Ich hatte eine narzisstische Mutter. Sie schaute herab auf andere. Auf Menschen, die sie als nicht würdig und ebenbürtig empfand. Zu dieser Kategorie gehörte auch ich. Nicht immer – aber oft. Dieser Wechsel zwischen überschwänglichen Umarmungen und unkontrollierten Gewaltausbrüchen machte mein Kindsein immer wieder zu einer Tortur. Immer noch frage ich mich, wie ein so junger Mensch so etwas wegsteckt, wenn dir als Kind und Teenager ständig prophezeit wird, dass du es nie zu etwas bringen wirst, weil du nichts kannst. Es ist dann eine Lebensaufgabe, irgendwie die eigene Sicherheit zu finden. Und deine Liebe zu dir selbst.

Ich wusste viel zu lange nicht, dass es nicht schlimm ist, zu scheitern. Ich wusste nicht, dass ich immer wieder auf die Füße fallen kann und werde. Die Muttererde, auf der ich erwuchs, hat mich gehalten und verstoßen – gehalten und verstoßen – gehalten und verstoßen. Ich konnte nicht weg. Ich wäre so gerne weg. Doch die kleinen Wurzelbeinchen blieben stecken in dieser Erde, bis ich mich mit achtzehn selbst entwurzelte, um auf wackeligen Beinen und mit einem ziemlich großen Maul in die Welt zu ziehen. Mein großes Maul brauchte ich, um Ängste zu vertuschen. Nicht bewusst, es war nur ein Instinkt. Mein Instinkt trieb mich nach vorne. Laut und plump. Ganz nach vorne. Nur da wird man gesehen. Vorne in der ersten Reihe – da ist das Feuer am wärmsten. Da müssen die Liebe und der Applaus sein.


Man stirbt nicht so schnell

Heute halte ich erfreulicherweise das Selbstvertrauen und das Vertrauen in meinen weiteren Weg fest in meinen Händen. Ich pflege es fast liebevoll. Ich gieße es wie eine Blume, damit es nicht verwelkt. Ich suche und finde den Sinn in allem, denn alles macht irgendwie Sinn, auch wenn das Schicksal einen mal kurz parkt. In die Warteschleife schiebt. Geduld haben. Das gehört immer wieder zu meinen Entwicklungsfeldern: Geduld üben. Nichts tun – das fällt mir weiterhin schwer. Warten, bis die Würfel wieder fallen mit einem Pasch und man wieder losgehen darf auf das Spielfeld.

Mein Naturell möchte – nein WILL – etwas zu tun haben. Es will ein Blatt durch die Gegend tragen wie eine Ameise.

Vielleicht war ich ja in einem früheren Leben mal eine Ameise. Die müssen auch immer beschäftigt sein. Als Team tragen sie riesig große Blätter von A nach B und haben wahrscheinlich auch danach dieses wunderbare Gefühl, etwas geschafft zu haben. Wertvoll zu sein. Ein großes Blatt irgendwohin zu tragen hat ja auch was Erfüllendes. Jetzt denkt ihr sicher: Eine Ameise fühlt sich doch nicht wertlos oder erfüllt. Oder: Sie fühlt sich gar nicht. Sie ist nur Ameise.

Oh doch! Da habe ich was ganz anderes gehört! Ameisen haben sehr wohl Gefühle.

Wir hatten in unserer Morgensendung Live nach neun mal eine Frau zu Gast, die sich wissenschaftlich mit Ameisen beschäftigt. Sie erzählte uns Verblüffendes über dieses nicht besonders hübsche Tierchen. Ameisen sind sehr soziale Insekten. Sie handeln und leben nicht als Einzelgänger, sondern als Gemeinschaft. Während unsere Ameisenexpertin mit glänzenden Augen leidenschaftlich von ihnen erzählte, merkten wir, wie sehr sie sie liebt. Sie berichtete von einer Ameise, die für eine Kollegin umgedreht und einen 600 Meter langen Weg zurückgegangen ist, weil die Kollegin zu schwach war. Sie hat sie geholt und wieder zu den anderen gebracht. 600 Meter! Bei den kleinen Beinchen ist das umgerechnet in Menschenbeine ein ganzer Marathon. Da müssen doch Gefühle mit im Spiel gewesen sein! Seitdem sind mir Ameisen unglaublich sympathisch.

Bei einer wissenschaftlichen Studie hat man übrigens eine Ameise unter guten, artgerechten Lebensbedingungen, aber alleine beobachtet. Sie ist nach kurzer Zeit gestorben, während Ameisen in der Gesellschaft ein langes Leben bis zu einem Jahr haben können.

Ich habe so viel gemeinsam mit Ameisen. Ich würde auch ein verkürztes Leben haben in der Isolation, selbst wenn es in der luxuriösesten Villa in der Karibik wäre. Ich brauche Artgenossen um mich rum. Und ich bin – wie die Ameise – gerne im Team! In meinem Beruf habe ich sehr häufig völlig neue Leute um mich rum. Und da sind wir wieder bei den Ängsten. Ich spüre gleichermaßen Vorfreude auf neue Kollegen wie auch tief im Bauch brodelnde Ängste. Angst, ich könnte nicht akzeptiert werden. Angst, nicht zu genügen. Angst, ich kann denen womöglich nicht das Wasser reichen.

Ganz besonders geht es mir so vor den Proben für ein neues Theaterstück. Wenn dann der erste Probentag kommt, stehe ich plötzlich vor einem Haufen fremder Menschen, mit denen ich die nächsten zwei Monate täglich zusammen sein werde. Da ist es dringend notwendig, dass man sich gut versteht im Ensemble und einen Sympathie-Draht zueinander hat. Denn wenn’s losgeht, heißt es: Hose runterlassen. Auch wenn ich die Kollegen gerade erst kennengelernt habe. Und irgendwie ist man an jedem Anfang wieder ein bisschen nackt …

Wenn man ein neues Theaterstück einstudiert, braucht man Mut. Mut, dem wildfremden Regisseur etwas anzubieten, aber auch Mut, den noch nicht vertrauten Mitspielern Ideen „vorzutanzen“. Es fühlt sich an wie auf ganz dünnem Eis. Denn wenn man etwas anbietet, indem man es vorspielt, kann es auch peinlich werden. Wie viel Kritik vertrage ich? Wie ehrlich dürfen wir alle dann sein?

Hält man sich besser zurück und lässt die anderen erst mal machen? Nein, das ist nicht meine Art. Ich überwinde in solchen Momenten meine Ängste, „baden zu gehen“, mich nackt zu machen, doof und unfähig gefunden zu werden. Denn ich gehe hundertprozentig davon aus, dass die meisten Kollegen konstruktive Mitarbeit und Vorschläge erst mal mit Respekt honorieren. Abzuwarten ist feige. Es ist okay – aber feige. Ich brüste mich jetzt mal ganz unbescheiden mit meinen Heldentaten in Sachen „Überwinden meiner Ängste“. Dieses Überwinden geht mir heute natürlich leichter von der Hand. Denn heute weiß ich: Man stirbt nicht so schnell. Egal ob und wie sehr ich mich zum Affen mache, ich gehe daran nicht kaputt.

Ich überlebe es.

Und zwar gut!

Isabel Varell

Über Isabel Varell

Biografie

Isabel Varell, Jahrgang 1961, ist bekannt als Sängerin, Musicaldarstellerin, Liedermacherin und Schauspielerin. In ihren Liedern erzählt sie sehr persönlich und authentisch aus ihrem Leben. Seit 2018 moderiert sie meist zusammen mit Tim Schreder das ARD-Morgenmagazin "Live nach neun".

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