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Die Kunst des guten LebensDie Kunst des guten Lebens

Die Kunst des guten Lebens Die Kunst des guten Lebens - eBook-Ausgabe

Rolf Dobelli
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52 überraschende Wege zum Glück

— Der SPIEGEL-Bestseller #1 – erstmals im Taschenbuch

„In diesem Buch steckt eine Menge Weisheit. Und sie ist obendrein ansprechend verpackt, sowohl sprachlich, was die espritreichen Kolumnen Rolf Dobellis angeht, als auch mit Blick auf die comicartigen Illustrationen des Grafikers El Bocho.“ - Spektrum Psychologie

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Die Kunst des guten Lebens — Inhalt

Suchen Sie einen Weg zum Glück? Finden Sie 52! Bestsellerautor Rolf Dobelli bietet völlig neue Denkansätze fürs Leben 
Was macht ein gutes Leben aus? Anstatt eine Pauschalantwort zu geben, stellt „Die Kunst des guten Lebens“ einen unverzichtbaren Werkzeugkasten für den Alltag zusammen. 

Die Welt ist kompliziert – und wird immer komplizierter. Warum sollte es also nur einen Weg zum Glück geben? Der Schweizer Philosoph Rolf Dobelli hat mit seinem Millionen-Bestseller „Die Kunst des guten Lebens“ einen ultimativen und kurzweiligen Denkanstoß für mehr Selbstvertrauen ins eigene Handeln geschrieben. 

Seine Werkzeuge und Gedankenmodelle sind vollkommen ergebnisoffen, führen jedoch seine Leserinnen und Leser mit klarem Fokus zu ihrem eigenen Ziel – wie auch immer dies am Ende aussieht. 

Zwischen Philosophie, mentalem Training und praxiserprobten Tipps aus seiner Zeit als CEO entwirft Rolf Dobelli eine Landkarte des modernen Lebens, die viele Optionen zulässt, ohne dass sich der Mensch darin verlieren muss. 

„Dobellis Ratschläge und Erkenntnisse sind bestens für das tägliche Leben geeignet, anregend und ausgesprochen gut lesbar.“ – Thüringer Allgemeine 

„Die Kunst des guten Lebens“ räumt dem Wie genauso viel Platz ein wie dem Warum und feiert die Möglichkeit, zu scheitern. Denn Glück kann als Ziel genauso falsch definiert sein wie der Weg dahin. Am Ende der Lektüre sind Sie also nicht zwangsläufig glücklicher,. doch auf jeden Fall auf der richtigen Spur.  

„Die Bücher des Schweizers Rolf Dobelli machen nicht nur klüger, sondern tatsächlich glücklicher. Das liegt an seinen angenehm unaufgeregten, profunden Ratschlägen.“ – Der Tagesspiegel 

Rolf Dobellis Sachbücher sind allesamt Bestseller und werden millionenfach im deutschsprachigen Raum verkauft. Neben „Die Kunst des digitalen Lebens“ sind bei Piper auch „Die Kunst des klaren Denkens“, „Die Kunst des klugen Handelns“ und die „Not-to-do-Liste“ erschienen. 

€ 14,00 [D], € 14,40 [A]
Erschienen am 02.09.2019
384 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-31445-9
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€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 13.10.2017
384 Seiten
EAN 978-3-492-97807-1
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Leseprobe zu „Die Kunst des guten Lebens“

Seit der Antike, also seit mindestens 2500 Jahren – aber vermutlich noch viel länger –, haben sich Menschen immer wieder die Frage nach dem guten Leben gestellt: Wie soll ich leben? Was macht ein gutes Leben aus? Welche Rolle spielt das Schicksal? Welche Rolle spielt das Geld? Ist das gute Leben eine Sache der Einstellung, der persönlichen Haltung, oder geht es vielmehr um das handfeste Erreichen von Lebenszielen? Ist es besser, nach Glück zu streben oder Unglück zu umschiffen?

Jede Generation stellt sich diese Fragen neu. Die Antworten sind im Grunde [...]

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Seit der Antike, also seit mindestens 2500 Jahren – aber vermutlich noch viel länger –, haben sich Menschen immer wieder die Frage nach dem guten Leben gestellt: Wie soll ich leben? Was macht ein gutes Leben aus? Welche Rolle spielt das Schicksal? Welche Rolle spielt das Geld? Ist das gute Leben eine Sache der Einstellung, der persönlichen Haltung, oder geht es vielmehr um das handfeste Erreichen von Lebenszielen? Ist es besser, nach Glück zu streben oder Unglück zu umschiffen?

Jede Generation stellt sich diese Fragen neu. Die Antworten sind im Grunde stets enttäuschend. Warum? Weil man immer auf der Suche nach dem einen Prinzip ist, dem einen Grundsatz, der einen Regel. Doch diesen Heiligen Gral des guten Lebens gibt es nicht.

Auf verschiedenen Gebieten fand in den letzten Jahrzehnten eine stille Revolution des Denkens statt. In den Wissenschaften, in der Politik, in der Wirtschaft, in der Medizin und in vielen anderen Bereichen hat man erkannt: Die Welt ist viel zu kompliziert, als dass wir sie mit einer großen Idee oder einer Handvoll Prinzipien erfassen könnten. Wir brauchen einen Werkzeugkasten von unterschiedlichen Denkmethoden, um die Welt zu verstehen. Und genau so einen Werkzeugkasten benötigen wir auch für das praktische Leben.

In den letzten 200 Jahren haben wir eine Welt geschaffen, die wir intuitiv nicht mehr verstehen. Und so stolpern Unternehmer, Investoren, Manager, Ärzte, Journalisten, Künstler, Wissenschaftler, Politiker und Menschen wie Sie und ich unvermeidlich durchs Leben, wenn wir nicht auf einen Vorrat solider gedanklicher Werkzeuge und Modelle zurückgreifen können.

Sie können diese Sammlung an Denkmethoden und Haltungen auch als „Betriebssystem für das Leben“ bezeichnen. Mir jedoch gefällt der altertümliche Vergleich mit einem Werkzeugkasten besser. Der Punkt ist: Mentale Werkzeuge sind wichtiger als Faktenwissen. Sie sind wichtiger als Geld, wichtiger als Beziehungen und wichtiger als Intelligenz.

Vor einigen Jahren begann ich, meine eigene Sammlung mentaler Werkzeuge für ein gutes Leben zusammenzustellen. Dabei konnte ich auf einen Fundus von teilweise vergessenen Denkmodellen aus der klassischen Antike zugreifen – und auf die neuesten Erkenntnisse aus der psychologischen Forschung. Wenn Sie so wollen, handelt es sich bei diesem Buch um „klassische Lebensphilosophie für das 21. Jahrhundert“.

Viele Jahre lang habe ich diese Werkzeuge tagtäglich benutzt, um die kleinen und großen Herausforderungen, die das Leben mir stellte, zu bewältigen. Nachdem sich mein Leben in dieser Zeit in fast jeder Hinsicht verbessert hat (dass ich heute weniger dichtes Haar habe und mehr Lachfalten, hat mein Glück nicht beeinträchtigt), kann ich sie Ihnen mit gutem Gewissen ans Herz legen: 52 Denkwerkzeuge, die Ihnen ein gutes Leben zwar nicht garantieren, es aber doch deutlich wahrscheinlicher machen.

 

 

Wie Sie einen Verlust zu einem Gewinn machen

 

Ich hätte es wissen müssen. Kurz vor der Autobahnausfahrt in Bern lauert ein grauer Radarkasten. Er steht dort schon seit Jahren. Keine Ahnung, was in meinem Kopf vorging. Der Blitz riss mich aus meinen Gedanken, und ein flüchtiger Blick auf den Tacho bestätigte: mindestens 20 km/h zu schnell und kein anderes Auto weit und breit, das als Sündenbock infrage kam.

Am nächsten Tag in Zürich beobachtete ich aus der Distanz, wie ein Polizist einen Strafzettel unter den Scheibenwischer meines Wagens klemmte. Jawohl, ich hatte gesetzwidrig geparkt. Weil das Parkhaus voll und ich in Eile war, weil in der Zürcher Innenstadt legale Parkplätze etwa so zahlreich sind wie Liegestühle in der Antarktis. Einen Augenblick lang überlegte ich, hinzurennen. Ich malte mir aus, wie ich vor dem Polizisten stehen würde, hechelnd und mit zerzaustem Haar, ihm mein Dilemma erläuternd. Ich ließ es bleiben, denn über die Jahre habe ich gelernt, dass man sich damit nur lächerlich macht. Man fühlt sich klein und schläft danach schlecht.

Früher haben mich Strafzettel aufgebracht, heute quittiere ich sie mit einem Lächeln. Ich ziehe den Betrag einfach von meinem Spendenkonto ab. Dort habe ich ein Jahresbudget von 10 000 Franken für gute Zwecke reserviert – inklusive Strafzetteln. Diesen einfachen Trick nennt man in der Psychologie Mental Accounting („mentale Buchhaltung“). Eigentlich handelt es sich um einen klassischen Denkfehler: Menschen behandeln Geld anders, je nachdem, aus welcher Quelle es stammt. Wenn Sie zum Beispiel einen Hunderter auf der Straße finden, gehen Sie lockerer damit um, geben ihn schneller und frivoler aus als erarbeitetes Geld. Das Strafzettel-Beispiel zeigt, wie man sich einen solchen Denkfehler zunutze machen kann. Man trickst sich selbst willentlich aus – der eigenen Seelenruhe zuliebe.

Stellen Sie sich vor, Sie sind in einem armen Land unterwegs, und Ihre Brieftasche verschwindet. Kurz darauf finden Sie sie wieder mit allem drin, außer dem Bargeld. Interpretieren Sie diesen Vorfall als Raub – oder als Spende an Menschen, denen es vermutlich schlechter geht als Ihnen? Die Tatsache, dass Ihnen Geld geklaut wurde, können Sie durch Gedanken nicht verändern. Aber die Bedeutung des Geschehens, die Interpretation des Vorfalls, darüber haben Sie Macht.

Das gute Leben hat viel mit der konstruktiven Interpretation von Tatsachen zu tun. Auf die Preise in Läden oder Restaurants schlage ich mental immer 50 Prozent drauf. Das ist der Betrag, den mich ein Paar Schuhe oder eine Seezunge à la meunière effektiv kostet – vor Abzug meiner Einkommenssteuer. Angenommen, ein Glas Wein kostet 10 Euro, dann muss ich 15 Euro verdienen, um mir den Wein leisten zu können. Das ist für mich gute mentale Buchhaltung, um meine Ausgaben im Griff zu behalten.

Hotels bezahle ich mit Vorliebe im Voraus. So muss ich mir ein romantisches Wochenende in Paris nicht zum Schluss durch die Rechnung verderben lassen. Wie die Peak-End-Regel des Nobelpreisträgers Daniel Kahneman besagt, erinnert man sich bei Urlauben an den Höhepunkt, und das Ende, der Rest wird vergessen. Wir werden diesen Effekt in Kapitel 20 näher betrachten. Wenn also das Ende einer Reise aus einer horrenden Rechnung besteht, die einem von einem hochnäsigen französischen Rezeptionisten wie ein Marschbefehl präsentiert wird, samt kryptischen Zuschlägen, die er vermutlich absichtlich hinzugebucht hat, weil man nicht völlig akzentfrei Französisch spricht, nimmt die Erinnerung Schaden. Psychologen kennen deshalb die Taktik des Precommitment: Bezahle zuerst, konsumiere danach – eine Spielform der mentalen Buchhaltung, die einen Geldausgaben besser verschmerzen lässt.

Steuern bezahle ich mit der gleichen Nonchalance. Ich kann das Steuersystem ja nicht eigenhändig umkrempeln. Also vergleiche ich die Leistungen meiner schönen Heimatstadt Bern mit jenen von Kuwait, Riad, der gedrängten Betonwüste von Monaco oder der Mondoberfläche – lauter Orte ohne Einkommenssteuer. Resultat: Ich bleibe lieber in Bern. Kommt hinzu, dass Menschen, die aus Steuergründen an hässliche Orte ziehen, einen engherzigen und verbissenen Eindruck machen – eine schlechte Basis für ein gutes Leben. Interessanterweise habe ich mit solchen Menschen bislang immer nur schlechte Geschäfte getätigt.

Dass Geld nicht glücklich macht, ist ein Allgemeinplatz, aber ich rate Ihnen tatsächlich, wegen ein paar Euro mehr oder weniger keine schweren Gedanken zu wälzen. Ob ein Bier zwei Euro teurer ist als üblich oder zwei Euro billiger, lässt mich mittlerweile angenehm kalt. Statt des Geldes spare ich mir die Aufregung, denn: In jeder einzelnen Minute schwankt der Wert meines Aktienportfolios weit mehr als um zwei Euro. Wenn der DAX um ein Tausendstelprozent sinkt, dann rege ich mich ja auch nicht auf. Tun Sie dasselbe: Legen Sie eine solche Zahl fest, einen bescheidenen Betrag, der Ihnen vollkommen gleichgültig ist – Geld, das Sie nicht als Geld betrachten, sondern als weißes Rauschen. Sie verlieren nichts mit einer solchen Haltung und schon gar nicht Ihr inneres Gleichgewicht.

Es gab eine Zeit – ich war damals um die 40 Jahre alt –, als ich nach einer langen Phase des Atheismus noch ein letztes Mal mit aller Verbissenheit nach Gott suchte. Mehrere Wochen lang nahmen mich die lieben Benediktinermönche des Klosters Einsiedeln als Gast auf. Ich erinnere mich gern an diese Zeit abseits der weltlichen Geschäftigkeit – kein Fernsehen, kein Internet und kaum Handy-Signale, die es durch die dicken Klostermauern schafften. Am meisten genoss ich das Silentium während der Mahlzeiten – es gilt vollkommenes Redeverbot. Nun, Gott habe ich damit zwar nicht gefunden, dafür einen mentalen Buchhaltungstrick – diesmal nicht in Bezug auf Geld, sondern auf Zeit. Im Refektorium (so nennt man den Speisesaal eines Klosters) liegt das Besteck in einem kleinen schwarzen Sarg von circa 20 Zentimetern Länge. Zu Beginn des Essens klappt man seinen Sargdeckel auf und entnimmt die säuberlich drapierte Gabel, den Löffel und das Messer. Die Message: Du bist im Grunde schon tot; alles, was nun folgt, ist dir geschenkt. Mental Accounting at its best. So lernte ich, meine Zeit zu schätzen – und sie nicht durch Aufregung zu vergeuden.

Sie hassen das Anstehen an der Kasse, die Wartezeit beim Zahnarzt, den Stau auf der Autobahn? Im Nu ist Ihr Blutdruck auf 150, und Sie schütten Stresshormone aus. Statt sich aufzuregen, sollten Sie Folgendes überlegen: Ohne diese unnötige Aufregung, die Ihnen mit der Zeit Leib und Seele zerfrisst, werden Sie ein ganzes Jahr länger leben. In diesem geschenkten Jahr hat die ganze Wartezeit Ihres Lebens Platz – und noch viel mehr. Fazit: Sie können den Verlust von Zeit und Geld nicht rückgängig machen, aber neu interpretieren. Legen Sie sich eine Kiste mit mentalen Buchführungstricks für alle Lebenslagen zu, und Sie werden sehen: Je geübter Sie darin sind, Denkfehler zu vermeiden, desto mehr Spaß macht es, hin und wieder bewusst einen zu begehen – zu Ihrem Wohl.

 

 

Warum es kein perfektes Setup gibt

 

Sie sitzen im Flieger von Frankfurt nach New York. Wie oft, glauben Sie, ist die Maschine auf Kurs? 90 Prozent der Zeit? 80 Prozent der Zeit? 70 Prozent der Zeit? Korrekte Antwort: nie. Wenn Sie am Fenster sitzen und Ihren Blick über die Flügelkante schweifen lassen, können Sie die Unruhe der Querruder beobachten – sie sind dazu da, den Kurs unaufhörlich zu korrigieren. Tausendmal pro Sekunde errechnet der Autopilot die Abweichung vom Ist- zum Soll-Zustand und schickt seine Korrekturbefehle an die Leitwerke.

Ich habe oft das Vergnügen, kleine Flugzeuge ohne Autopilot zu fliegen, und so fällt es meinen Händen zu, diese winzigen Berichtigungen auszuführen. Lasse ich den Steuerknüppel auch nur eine Sekunde ruhen, drifte ich ab. Das kennen Sie vom Autofahren: Selbst auf einer schnurgeraden Autobahn können Sie Ihre Hände nicht vom Lenkrad nehmen, ohne von der Spur abzukommen und einen Unfall zu riskieren.

Wie ein Flugzeug oder ein Auto funktioniert auch unser Leben. Zwar hätten wir es lieber, es verliefe anders – planbar, vorhersehbar, ungestört. Dann müssten wir uns nur auf das Setup konzentrieren, auf den optimalen Anfangszustand. Zu Beginn alles schön perfekt aufstellen – unsere Ausbildung, die Karriere, unser Liebes- und Familienleben –, und wir kämen wie geplant am Ziel an. Doch Sie wissen es: So läuft es leider nicht. Unser Leben ist ständigen Turbulenzen unterworfen, wir kämpfen mit allen möglichen Seitenwinden und unvorhergesehenen Wetterkapriolen. Trotzdem agieren wir wie naive Schönwetterpiloten: Wir überschätzen die Rolle des Setups und unterschätzen systematisch die Rolle des Korrigierens.

Als Hobbypilot habe ich gelernt: Es ist nicht so sehr der Start, auf den es ankommt, sondern die Kunst des Korrigierens bereits nach dem Abheben. Die Natur weiß das seit Milliarden von Jahren. Bei der Zellteilung kommt es immer wieder zu Kopierfehlern des Genmaterials. In allen Zellen finden sich Moleküle, die diese Kopierfehler nachträglich korrigieren. Ohne diese sogenannte DNA-Reparatur würden wir bereits Stunden nach der Zeugung an Krebs sterben. Demselben Prinzip folgt unser Immunsystem. Es kennt keinen Masterplan, weil die Bedrohungen unprognostizierbar sind. Die bösen Viren und Bakterien mutieren unaufhörlich, also kann die Abwehr nur über ständiges Korrigieren funktionieren.

Wenn Sie also das nächste Mal hören, dass eine offenbar perfekte Ehe zweier perfekt zueinander passender Partner in die Brüche gegangen ist, dann sollten Sie nicht allzu überrascht sein. Ein klarer Fall von Setup-Überschätzung. Eigentlich sollten wir es alle wissen, die schon mehr als fünf Minuten in einer Partnerschaft gelebt haben: Ohne ständiges Feinjustieren und Reparieren geht es nicht. Jede Partnerschaft will unaufhörlich gepflegt werden. Das häufigste Missverständnis, das mir begegnet: Das gute Leben sei ein Zustand. Falsch. Das gute Leben gelingt nur durch ständiges Nachjustieren.

Warum korrigieren und revidieren wir so ungern? Weil wir jede kleine Reparatur als Planungsfehler interpretieren. Offenbar, so sagen wir uns, ging unser Plan nicht auf. Wir sind peinlich betroffen und fühlen uns als Versager. Die Wahrheit ist: Ein Plan geht so gut wie nie ganz auf, und wenn er sich ausnahmsweise mal ohne Korrekturen verwirklicht, handelt es sich um reinen Zufall. Der amerikanische General und spätere Präsident Dwight Eisenhower sagte: „Pläne sind nichts. Planen ist alles.“ Es kommt nicht auf einen fixen Plan an, sondern auf das wiederholte Weiterplanen – und das kann nie zu Ende sein. Spätestens in jenem Augenblick, in dem die eigenen Truppen auf die gegnerischen stoßen, wusste Eisenhower, ist jeder Plan obsolet.

Staatsverfassungen sind die Grundgesetze, auf denen alle anderen Gesetze eines Staates aufbauen. Entsprechend zeitlos sollten sie sein. Doch nicht einmal Verfassungen kommen ohne Korrekturen aus. Die Verfassung der Vereinigten Staaten von 1787 wurde bisher 27-mal revidiert. Die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft musste sich seit dem ersten Entwurf von 1848 zwei Totalrevisionen und Dutzenden von Teilrevisionen unterziehen. Das Deutsche Grundgesetz von 1949 wurde bis heute 60-mal angepasst. Das ist keine Schmach, sondern höchst vernünftig. Überhaupt ist die Fähigkeit zur Korrektur das Fundament jeder funktionierenden Demokratie. Es geht nicht darum, den richtigen Mann oder die richtige Frau zu wählen (also um das „richtige Setup“), sondern darum, den falschen Mann oder die falsche Frau ohne Blutvergießen wieder abzusetzen. Die Demokratie hat den Korrekturmechanismus eingebaut – als einzige aller Staatsformen.

In anderen Bereichen sind wir leider weniger korrekturbereit. Ein Großteil des Schulsystems etwa ist auf Setup ausgerichtet: Faktenwissen und Diplome suggerieren, dass es im Leben hauptsächlich um den bestmöglichen Schulabschluss geht und um die bestmöglichen Startbedingungen ins Berufsleben. Doch der Zusammenhang zwischen Diplomen und beruflichem Erfolg wird immer schwächer. Gleichzeitig wird die Fähigkeit der Kurskorrektur wichtiger – die in der Schule aber kaum gelehrt wird.

In der Persönlichkeitsentwicklung ist dasselbe zu beobachten. Sie kennen bestimmt mindestens einen Menschen, den Sie als reife, weise Persönlichkeit bezeichnen würden. Was glauben Sie: War es das Setup – die perfekte Herkunft, das vorbildliche Elternhaus, die erstklassige Erziehung –, das diese Person so weise hat werden lassen? Oder war es vielmehr der Akt des Korrigierens – die ständige Arbeit an den eigenen Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten, die sie im Lauf ihres Lebens ausgemerzt hat?

Fazit: Wir müssen das Stigma ablegen, das mit dem Korrigieren verbunden ist. Wer frühzeitig korrigiert, hat einen Vorteil vor jenen, die lange am perfekten Setup basteln und vergebens darauf hoffen, dass ihr Plan aufgeht. Es gibt nicht die ideale Ausbildung. Es gibt nicht das einzig mögliche Lebensziel. Es gibt nicht die perfekte Unternehmensstrategie, nicht das optimale Aktien-Portfolio und nicht den einzig richtigen Job. Das sind alles Mythen. Richtig ist: Man beginnt mit einem Setup und justiert es dann fortwährend. Je komplizierter die Welt ist, desto unwichtiger wird Ihr Ausgangspunkt. Stecken Sie Ihre Ressourcen deshalb nicht in das perfekte Setup – weder im Beruf noch im Privaten. Üben Sie stattdessen die Kunst des Korrigierens, indem Sie laufend revidieren, was sich nicht bewährt – zügig und ohne schlechtes Gewissen. Es ist kein Zufall, dass ich diese Zeilen in der Word-Version 14.7.1 schreibe. Die Version 1.0 gibt es längst nicht mehr zu kaufen.

Rolf Dobelli

Über Rolf Dobelli

Biografie

Rolf Dobelli, Jahrgang 1966, studierte Betriebswirtschaft und promovierte in Philosophie an der Universität St. Gallen. Er war CEO verschiedener Tochtergesellschaften der Swissair-Gruppe und gründete zusammen mit Freunden den weltgrößten Verlag von komprimierter Wirtschaftsliteratur. Er lebte in...

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natürlich

„Dieses Buch ist zurecht dauerhaft auf der Bestsellerliste.“

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