Die Legenden der Albae (Die Legenden der Albae 4) Die Legenden der Albae (Die Legenden der Albae 4) - eBook-Ausgabe
Tobender Sturm
„(…) es gelingt Markus Heitz mit diesem etwas anderen Abenteuer die Leser zum wiederholten Male in seinen Bann zu ziehen.“ - Ostsee-Zeitung
Die Legenden der Albae (Die Legenden der Albae 4) — Inhalt
Nach den Ereignissen aus Markus Heitz' Bestseller „Das Schicksal der Zwerge“ liegt das Geborgene Land gebrochen da. In der schrecklichen Schlacht wurden von den Helden viele Opfer gebracht, um die Heimat der Zwerge, Elben und Menschen vor dem Bösen zu bewahren: Lot-Ionan und die Albae sind besiegt. Aiphatòn, der Sohn der Unauslöschlichen und einstiger Kaiser der Albae, macht sich auf die Suche, die Letzten seines Volkes in ihren Verstecken im Geborgenen Land aufzuspüren und zu vernichten. Er schwor, dass von den Albae niemals mehr eine Gefahr ausgehen darf. Dabei gerät er plötzlich an eine rätselhafte Magierin, die sich mit ihrer Sippschaft auf ganz besondere Zauber versteht, gegen die es scheinbar kein Mittel gibt. Sollte es Aiphatòn nicht gelingen, die Botoiker aufzuhalten, droht dem geschwächten Geborgenen Land der Untergang. Aus einem Alb, dem Todfeind des Geborgenen Landes, wird die größte Hoffnung. Doch noch andere Dinge tun sich in Tungdils Heimat, die sich sein alter Freund Ingrimmsch nicht erklären kann ...
Leseprobe zu „Die Legenden der Albae (Die Legenden der Albae 4)“
Man sagt, sie seien grausamer als jedes andere bekannte Volk.
Man sagt, der Hass gegen die Elben, Menschen, Zwerge und alle anderen Geschöpfe rinne schwarz durch ihre Adern und zeige sich im entlarvenden Licht der Sonne in den Augen.
Man sagt, sie hätten ihr Dasein ganz dem Tod und der Kunst gewidmet.
Man sagt, sie würden schwarze Magie beherrschen.
Man sagt, sie seien unsterblich …
Vieles wurde über das Volk der Albae verkündet.
Nun lest die folgenden Geschichten und entscheidet danach selbst, was der Wahrheit entspricht und was nicht.
Es sind Geschichten von [...]
Man sagt, sie seien grausamer als jedes andere bekannte Volk.
Man sagt, der Hass gegen die Elben, Menschen, Zwerge und alle anderen Geschöpfe rinne schwarz durch ihre Adern und zeige sich im entlarvenden Licht der Sonne in den Augen.
Man sagt, sie hätten ihr Dasein ganz dem Tod und der Kunst gewidmet.
Man sagt, sie würden schwarze Magie beherrschen.
Man sagt, sie seien unsterblich …
Vieles wurde über das Volk der Albae verkündet.
Nun lest die folgenden Geschichten und entscheidet danach selbst, was der Wahrheit entspricht und was nicht.
Es sind Geschichten von unsäglichem Gräuel, von unvorstellbaren Schlachten, größter Niedertracht, grandiosen Triumphen und vernichtenden Niederlagen.
Aber auch von Mut, Aufrichtigkeit und Tapferkeit.
Von Freundschaft.
Und Liebe.
Dies sind die Legenden der Albae.
Unbekannter Verfasser
Vorwort aus den verbotenen, die Wahrheit verklärenden Büchern
Die Legenden der Albae, undatiert
PROLOG
Es ist nicht lange her, dass ich diese Zeilen niederschrieb.
Manche Geschehnisse klingen in den Vergessenen Schriften an, manche Hintergründe erscheinen nun in neuem Licht.
Wie sich doch alles miteinander verbindet, und selbst wenn viele Teile der Unendlichkeit dazwischenliegen.
Die Zeit der falschen Götter ist vorüber, wie es scheint. Sie erhoben sich selbst zu höheren Wesen und scheiterten. So endeten die Unauslöschlichen.
Doch das Wesen, das sie uns hinterließen, benahm sich gänzlich anders. Pflichtbewusstsein, Demut, Aufopferung – man erwartet es kaum von den Sterblichen und gar nicht von einem Göttersohn, für den er sich halten durfte.
Aiphatòn marschierte, um die Gefahr aufzuhalten, und geriet von einem Sturm in den nächsten, die an Kraft gewannen, bis er an den stärksten geriet.
Und ich?
Noch befinde ich mich im Auge des Orkans, genieße die Ruhe nach den vielen Momenten des Tosens und Lärmens, des Schreiens und des Todes.
Ich vermag nicht zu ermessen, wie lange diese Stille anhält und ob mich die Winde dann zerreißen.
Sollten meine Aufzeichnungen enden, hinterließ ich doch mit ihnen ein Vermächtnis, das mich übersteht.
Welch Ironie: Ein unsterblicher Alb benötigt dünnes Papier, um weiterzuleben!
Lest und versteht.
aus dem Epos „Aiphatòn“,
aufgezeichnet von Carmondai, dem Meister in Bildnis und Wort
Tark Draan, Dsôn Bhará (einstiges Elbenreich Lesinteïl), eine Meile vor Dsôn, 5452. Teil der Unendlichkeit (6491. Sonnenzyklus), Frühsommer
Wie ich es mir dachte: Sie warteten ab, weil sie es nicht wagen, uns nachts anzugreifen.
Mit den blasshellen Strahlen der aufgehenden Sonne rückte die Schar jämmerlicher Gegner heran, die Daitolór deutlich in der Ebene erkannte. Den Tod bringen wir ihnen so oder so.
Staub stieg unter ihren Stiefeln auf, die trockene Witterung hatte die Erde rings um den Krater sandig werden lassen. Da kein Wind wehte, schraubten sich die bräunlichen Schwaden verräterisch in die Höhe und waren auch aus der Ferne leicht auszumachen.
„Sie kommen einmal mehr von Nordwesten über die Ebene. Etwa eintausend, die Hälfte der Barbaren als Krieger verkleidet, die anderen sind Bauern“, rief Daitolór von seinem Aussichtsplatz nach unten, ohne dabei beunruhigt oder aufgeregt zu klingen. „Sie eint, dass alle keinen Funken Verstand besitzen.“
Leises Gelächter erklang nach den Worten des Benàmoi.
Der Alb, der seine dunklen Haare unter dem Helm verstaut hatte, sprang von einem abstrakten Kunstwerk aus klar lackiertem Gebein und rostigem Eisen herab. Er landete elegant vor den zwanzig Kriegerinnen und Kriegern in gehärteten, schwarzen Lederpanzerungen.
Daitolór zeigte auf die nahenden Feinde. „Steckt die glatten Spitzen auf und zieht die Sehne so weit zurück, wie es geht. Jeder Pfeil muss mindestens drei von ihnen durchschlagen und das Leben rauben. Das spart Geschosse.“
Seine Soldaten, die ihre langen Bögen bereits von der Schulter genommen hatten, nickten stumm.
„Sobald die Verstandslosen auf zweihundert Schritte herangekommen sind, geben wir zwei geschlossene Salven ab, danach sucht sich jeder seine Ziele unmittelbar vor sich. Und nun los.“
Die kleine Einheit huschte hinter die zahlreichen Kunstwerke, die einst dazu gedient hatten, Besucher zu beeindrucken: durch ihre Beschaffenheit, durch ihre Besonderheit, durch ihre Einmaligkeit.
Daitolórs drei Schritt hoher Aussichtspunkt ruhte auf einem ehernen Sockel und formte mit den geschnitzten, durch Silberdraht verbundenen Knochen das Sternbild Inàstes Pfeil mit all seinen kleinen und großen Gestirnen nach.
Alles in allem nahm das Kunstwerk einen Raum von vier mal vier mal vier Schritt ein; unterschiedlich große Kristalle symbolisierten dabei die Sterne und funkelten wunderschön sowohl im Licht der Sonne als auch des Mondes. Den Sockel konnte man über Stufen erklimmen und sich mitten in den Nachbau des Sternbildes begeben.
Daitolórs Lieblingsstück, das er zwischendurch immer wieder betrachten musste, befand sich etwa zehn Schritt zu seiner Linken, umgeben von einer ganzen Schar Standbilder aus Gold, Tionium und poliertem Stahl.
In seiner Schlichtheit unterschied es sich und zog gerade dadurch die Blicke auf sich. Aus Gebeinen war ein sieben Schritt großer Oberkörper geformt worden, der sich aus der Erde zu stemmen schien. Die Knochen waren kunstvoll bemalt und mit Edelsteinen besetzt, die flirrten und blinkten.
Mit der rechten Hand reckte die Figur eine Waffe in die Höhe, mit acht Klingen bestückt und windradgleich gelagert, sodass der leichteste Luftzug genügte, um sie anzutreiben. Wenn die runenversehenen Schneiden durch den Wind glitten, surrten und summten sie leise; und je schneller sie sich drehten, desto hypnotischer wurde das Gesamtmuster der blitzenden Steine, das dabei entstand. Daitolór hatte sich oft dabei ertappt, zu lange gestarrt und gelauscht zu haben …
Genau wie in diesem Moment. Er riss sich vom Anblick los. Ein Schande, dass die Werke als Schützung herhalten müssen.
Der Benàmoi sah den Kriegern seiner Einheit zu, wie sie ihre Positionen einnahmen, und lockerte die gefiederten Pfeilschäfte im Köcher, der um seine Hüfte hing. Zwar führte jede und jeder von ihnen fünfzig Geschosse mit, was ausreichte, um die Feinde auszulöschen, doch man wusste nicht, wie lange die nächste Angriffswelle von neuen Verrückten auf sich warten ließ. Für jeden Bolzen, der ein Kunstwerk trifft, werde ich Rache nehmen und den Schützen leiden lassen.
Daitolór hatte aufgehört zu zählen, wie viele Tode seinen Namen trugen.
Und doch stand es nicht gut um das Reich der Nord-Albae, so viel Abschaum sie auch beseitigten.
Die Gefüge der Macht gerieten ins Schwanken, aber er zweifelte nicht daran, dass sie triumphieren würden. Es war für den Benàmoi allenfalls eine Frage der Pfeilvorräte.
Zwanzig Teile der Unendlichkeit lang hatten die Albae über große Teile Tark Draans regiert. Zuerst gab es nur die Dsôn Aklán – die Drillinge Sisaroth, Tirîgon und Firûsha – sowie die Überlebenden aus den Höhlen Phondrasôns. Gemeinsam hatten sie Dsôn Bhará errichtet und ihre Herrschaft mit jedem Sonnenaufgang ausgedehnt.
Später war Aiphatòn erschienen, der Sohn der Unauslöschlichen, zusammen mit einer Schar wilder Albae ohne Anstand und Kunstverstand, und hatte die Gesamtherrschaft über das Volk der Albae aufgrund seiner Abstammung an sich gerissen. Die Magie, die er beherrschte, untermauerte seinen Anspruch und pulverisierte buchstäblich jeden Widerstand. Den Hass gegen ihn und seine zweitrangige Gefolgschaft verbarg man im Norden hinter der Maske der herablassenden Freundlichkeit.
Zu guter Letzt hatte man die Unterirdischen aus dem Stamm der Dritten als Verbündete gewinnen können, was einen großen Schritt bedeutete. Damit konnte die vollständige Eroberung von Tark Draan und vor allem die Sicherung der eingenommenen Gebiete angegangen werden.
Daitolór erinnerte sich an die guten Zeiten, die mit dem Auftauchen von Tungdil Goldhand endeten. Er, der Held aus vergangener Zeit, hatte die vom Mut befallenen Völker gegen die Albae und alle anderen Eroberer geführt, mit denen sich die Drillinge bereits herumschlugen: vom Magus Lot-Ionan über den Drachen Lohasbrand bis zum Scheusal Kordrion.
Und auch gegen die Albae.
Gleich sind sie nahe genug. Leider konnte Daitolór die Augen nicht davor verschließen, dass es kaum mehr Kriegerinnen und Krieger seines Volkes gab, um den Wellen des Abschaums standzuhalten, die gegen sie brandeten.
Die Barbaren rannten unentwegt gegen die Hauptstadt an, angestachelt von Erfolgen in Dsôn Bharás Umland sowie den aufpeitschenden Worten der Elben, Unterirdischen und selbst ernannten Helden, die lachhafte Namen wie Mallenia oder Rodario trugen.
Selbstverständlich verschwiegen die Anführer, wie viele Tote es unter den Angreifern gegeben hatte, um den Barbaren nicht den Mut zu rauben.
Es blieb zumeist nicht genug Zeit, die Leichen aufzubrechen und nach geeigneten Knochen für neue Kunstwerke zu durchsuchen. Die meisten Kadaver wurden des Nachts von Aasfressern davongeschleppt, sodass die Barbaren die wahren Ausmaße ihrer Verluste nicht wahrnahmen. Nur der süßlich-beißende Gestank des verrottenden Fleisches aus den umliegenden Erdlöchern hing gelegentlich in der Luft.
Der kleine Barbarenhaufen rückte im Laufschritt über die Ebene heran. Was immer sie dazu bewog, sich an diesen Ort zu begeben und den Kampf zu suchen, Daitolór bezweifelte, dass ihr Antrieb Mut hieß. Barbaren vollbrachten meistens aus Gier die höheren Taten. Sicherlich wusste man in Tark Draan vom Reichtum der Albae. Das Glitzern der Kunstwerke wird sie anlocken.
Angeblich waren die sogenannten Süd-Albae, die Aiphatòn befehligt hatte, alle mitsamt dem Kaiser gegen Lot-Ionan gefallen. Der einzige Sohn der Unauslöschlichen gehörte der Vergangenheit an, und Daitolór weinte ihm keine Träne nach. Dass Aiphatòn den übermächtigen Magus geschlagen hatte und mit in den Tod reißen konnte, bezweifelte der Benàmoi.
Auch die Dsôn Aklán, für ihn die wahren Herrscher der Albae, verzeichneten einen schmerzvollen Verlust: Firûsha starb bereits vor längerer Zeit im Kampf gegen eine Maga, wie man sich erzählte; von ihren geschwisterlichen Anführern Tirîgon und Sisaroth hatte man lange nichts vernommen. Sicherlich kämpften sie irgendwo in Tark Draan gegen den Abschaum. Solange die beiden Brüder ihnen beistanden, konnte nichts Schlimmes geschehen.
Sie führten uns aus Phondrasôn zu einem unserer größten Siege. Sie führen uns gewiss auch durch die schwere Zeit.
Die Schwäche der Nord-Albae und das Durcheinander nutzten die Feinde aus: Während sich die Truppen rasch sammeln wollten, um die Hauptstadt zu verteidigen, brachen plötzlich Aufstände überall in Dsôn Bhará los. Somit waren die Albae gezwungen, an vielen Orten gleichzeitig gegen die Funken des Widerstands anzutreten und sie mit Blut zu löschen.
Wie Daitolór inzwischen erfahren hatte, kündigten die Unterirdischen vom Stamm der Dritten den Verbündetenpakt auf und stürmten zusammen mit den Rebellen in die Schlacht. Wir werden auch sie niederwerfen. Und bestrafen, wie wir noch kein Volk in Tark Draan straften.
Das Trampeln der Stiefel und das Scheppern der schlecht gemachten Rüstungen erklang. In dem kleinen, schäbigen Heer führten sie sogar Reiter mit. Etwa einhundert ihrer Soldaten saßen im Sattel und hielten lange Lanzen aufrecht in den Himmel, an denen bunte Wimpel flatterten.
Keine Unterirdischen? Der Alb spähte die Linie entlang, in der sie sich näherten. Ich hoffe, Samusin, dass wir wieder einige der Verräter erlegen.
„Fertig machen!“, rief er und kehrte zurück auf seinen Hochstand. Es gab eine Lücke zwischen den sich kreuzenden und verbundenen Gebeinen des Kunstwerks, durch die er die Geschosse treffsicher gegen die Feinde senden würde.
Daitolór legte einen der überlangen, schwarzen Pfeile, die sich auch von dünnem Metall nicht aufhalten ließen, auf die Sehne.
Die Streitmacht ging ins Rennen über – doch zum Erstaunen des Benàmoi zog keiner der Angreifer die Waffe. Die Reiter trabten locker hinter den Fußtruppen, die Schützen hatten Armbrust und Bogen auf den Rücken gehängt.
Sie wissen nicht, dass wir hier lauern, durchzuckte es den Alb, und um seinen Mund bildete sich ein abfälliges Lächeln.
Die Barbaren sputeten sich vermutlich deswegen, da sie sich dem Krater bereits nahe sahen und schnell in das Schwarze Herz von Dsôn Bhará gelangen wollten, um es dem Reich aus der Brust zu reißen und zu zerstören.
Da sie keine Späher aussandten, laufen sie blind in unsere Pfeilschauer. Oh, sie sind wahrlich vom Verstand befreit. Und gleich dazu von ihrem Leben. „Bereit?“, rief er, zog die Sehne weit nach hinten und legte auf den Reiter mit der glänzendsten Rüstung an, auf der sich die aufgehende Sonne spiegelte. Es gab keinen besseren Weg, um nach der Aufmerksamkeit eines Geschosses zu verlangen. „Schießt!“
Seine Finger gaben die dünne Schnur frei, und sofort ließ er einen zweiten Pfeil auf den Berittenen daneben folgen.
Die einundzwanzig Geschosse sirrten noch durch die Luft, als sich die nächsten bereits auf den Weg machten.
In das erste Prasseln der Einschläge und Schreie folgte unmittelbar das zweite. Mehr als hundert Gegner fielen mitten in der Bewegung auf die staubige Erde und wurden teilweise von den Nachfolgenden überrannt. Es hatte den Anschein, als begreife der Haufen zunächst nicht, was sich ereignete.
Euer Tod heißt Daitolór. Er sah, dass der von ihm anvisierte Barbar in der schimmernden Rüstung abrupt im Sattel erschlaffte und vom Pferd sackte; der Reiter dahinter schrie auf und griff sich an die Brust, während ein Dritter die Lanze freigab und niederstürzte. Der Barbar zu dessen Linker taumelte indes rücklings aus dem Sattel, der Ritter dahinter hielt sich das Visier und krümmte sich.
Nur fünf? Daitolór war mit seiner Ausbeute nicht zufrieden. Es hätten sechs oder mehr sein müssen. Seit wann nutzen sie dickeres Eisen? Sie werden doch nicht gelernt haben?
Verärgert sandte er einen Pfeil nach dem anderen gegen das armselige Heer, das stehen geblieben war und sich somit für fünf, sechs Herzschläge zu einem noch einfacheren Ziel machte, bevor die ersten Schlauen unter den Einfältigen die Schilde hoben.
Aber die Kriegspfeile der Albae jagten spielend einfach hindurch und drangen noch in ein, zwei weitere Körper dahinter ein. Wer nicht sofort tot niederstürzte, erlitt schwerste Verletzungen.
Nachdem Daitolór die Hälfte seiner Geschosse verbraucht hatte und kaum mehr als vierzig Herzschläge vergangen waren, stand von dem Barbarentrupp nichts und niemand mehr; sogar die Reittiere lagen auf der Erde.
Die Albae stellten den Beschuss ein.
Verwundete Feinde krochen über die Leblosen hinweg und suchten Schutz vor den Pfeilen, hinter manchem Pferdeleichnam sah der Benàmoi eine huschende Bewegung.
Die Feiglinge glauben sich dort in Sicherheit.
„Wir rücken vor“, gab er Anweisung. „Haltet die Bögen zur Hand, bis wir nahe genug sind, danach nehmt ihre Lanzen und tötet jeden Barbaren, in dem noch so etwas wie Leben zu stecken scheint.“
Daitolór verließ seinen Hochstand und schritt zusammen mit seinen zwanzig Kriegerinnen und Kriegern auf das blutige Wirrwarr aus Barbaren- und Pferdeleichen zu.
Widerstand schlug den Albae nicht entgegen. Nicht ein Bolzen flog zu ihnen hinüber.
Unter Todesangst stehend und unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, suchten die Verletzten ihr Heil in der viel zu langsamen Flucht, anstatt sich zur Wehr zu setzen.
Erbärmliches Volk. Der Geruch des vergossenen Blutes drang in Daitolórs Nase, das Wimmern und qualvolle Schreien weckte seine Abscheu.
Er befahl drei seiner Krieger, die Einheit mit den Bogen zu sichern; den Rest ließ er das Morden fortsetzen, um sicherzustellen, dass keiner der Feinde überlebte und sich nachts aus dem Staub machte. Die langstieligen Lanzen der erschossenen Reiter eigneten sich ausgezeichnet, die Kehlen der Feinde zu öffnen und sich dabei nicht mit deren Blut zu besudeln.
Gleich zehnmal fanden sie Barbaren, die sich unter den Gefallenen verborgen und gehofft hatten, den wachsamen Augen der Albae zu entgehen. Rasche Klingenstöße bereiteten den Feiglingen ein Ende; ebenso erging es denjenigen, die sich hinter den toten Pferden kauerten und tatsächlich um Gnade flehten. Sie starben unter den verächtlichen Blicken der Krieger.
Die Sonne hatte ihren höchsten Stand noch nicht ganz erreicht, als Daitolór und seine Verteidiger von Dsôn das letzte Barbarenleben nahmen.
„Sammelt die ungebrochenen Pfeile ein, wo es möglich ist“, befahl er seiner Truppe und zog den Helm von den dunklen Haaren, um sich etwas Kühlung zu verschaffen. „Danach kehren wir zu unserem Lager zurück und warten auf die nächsten Ziele. Wir werden schwerlich aus der Übung kommen.“
Erneut erklang böses, leises Lachen.
„Was ist mit den Toten, Benàmoi?“, fragte einer der Krieger. „Mir fehlen noch ein paar hübsche Zähne, mit denen ich mir die Stiefel besohlen will.“
„Die ganze Sohle?“
„Ja. Es gibt einen herrlichen musikalischen Klang, wenn man über Stein läuft.“
Daitolór hob die Hand als Zeichen seiner Erlaubnis, die Körper auszuweiden. „Diese Stiefel mit Zahnsohle muss ich einfach sehen“, fügte er hinzu.
„Ich zeige sie dir, sobald ich fertig bin.“
„Benàmoi, ein Tross aus Dsôn“, erklang der Ruf einer der Bogenschützen, die unentwegt sicherten.
Verwundert wandte sich Daitolór um und erkannte eine Schar von zehn Albae, die auf Nachtmahren heranritten. Sein Erstaunen wuchs, als er die blutrote Rune auf dem Lanzenwimpel eines Kriegers im Wind flattern sah.
Das Zeichen der Dsôn Aklán! Das Herz des Benàmoi pochte schneller. Ist das … Firûsha?
Tatsächlich befand sich in der Mitte der Schar eine Albin in einer auffälligen, schwarzen Tioniumrüstung, die mit kostbaren Intarsien versehen war. Da sich die Gruppe in einem Bogen auf sie zubewegte, wurde der zusätzlich schützende Eisengrat entlang der Wirbelsäule sichtbar. Ein überlanges, schlankes Schwert hing schräg an der Seite ihres Nachtmahrs, die massiven Parierstangen ragten weit heraus und glänzten.
Das ist sie! Sie lebt! Oh, Inàste, das ist … Daitolórs Gedanken überschlugen sich, die Freude drohte ihn zu überwältigen. Er begab sich einige Schritte weg von dem Leichenfeld und warf einen Blick auf seine Stiefel, ob das Leder mit Barbarenblut verschmutzt war. Was kann sie von uns wollen? Zum Sieg gratulieren?
Die Berittenen hielten vor ihm an, die schnaubenden Nachtmahre wühlten mit den blitzumspielten Hufen den Boden auf.
Daitolór deutete eine Verbeugung an. Seine Blicke fielen sowohl auf die Dolche mit den Zweifachklingen, die an den Oberschenkelpanzerungen befestigt waren, als auch auf die handtellergroßen Wurfeisenscheiben an den Metallschienen ihrer Oberarme. „Dsôn Aklán“, grüßte er. „Wir hielten den Norden der Stadt einmal mehr.“ Er erhaschte durch das Visier einen Blick auf ihr Antlitz und fand sie unglaublich ansprechend.
Seine Truppe blickte zur Albin, als wäre sie ein Geist.
Firûshas durchdringende Augen, in denen er ein Hauch von Blau trotz der Schwärze zu sehen glaubte, richteten sich auf ihn. „Du hast uns gute Dienste erwiesen, Benàmoi. Solange meine Brüder sich in der Schlacht gegen Lot-Ionan und die aufständischen Barbaren befinden, werden sie sich nicht um Dsôns Sicherheit kümmern können.“ Sie nickte erst ihm, dann seiner kleinen Einheit zu, anschließend schob sie das Visier des Helms in die Höhe. „Ich danke euch. Haltet die Stellung.“
Sie ist wunderschön. Genau wie man es sich erzählt. „Wir brauchen mehr Pfeile, Aklán“, wagte Daitolór den Hinweis. „Die Barbaren sind in solcher Überzahl, dass wir …“
Firûsha lächelte und schob eine schwarze Haarsträhne zur Seite. „Schicke einen deiner Leute in die Stadt zu meinem Quartiermeister. Er soll dir die besten Geschosse aushändigen.“ Die Albin zeigte nach Südosten. „Wir reiten den Feinden derweil entgegen und schlachten ab, was sich uns in den Weg stellt, um euch eine Pause zu gewähren. Eure Arme müssen müde vom unentwegten Schießen sein.“
Daitolór konnte nicht aufhören, sie anzustarren. Sie …
Firûsha atmete ein. „Du dachtest wie viele andere, ich sei in die Endlichkeit gegangen, richtig?“
Er nickte kaum merklich, auch wenn sie seine Gedanken nicht ganz traf. „Vergib mir. Man erzählte sich, dass du an eine Maga geraten seist und auf dem Grund eines Sees in Weyurn liegst“, antwortete er ehrlich. „Dich nun vor mir zu sehen ist das schönste Geschenk, das mir die Schöpferin in den letzten Momenten der Unendlichkeit machte.“
Wind kam auf und drehte auf Süden. Er spielte mit den schwarzen Haaren der Albin, die unter dem Helm herausragten und bis auf die Schultern fielen. Der frische Geruch von neuer Zuversicht lag darin; weder Fäulnis noch Barbarenblut verunreinigten ihn.
Firûsha umfasste mit einer Hand den Griff ihres Zweihandschwertes. „Und ich werde erneut in die Schlacht reiten. Eine Barbarin raubt mir nicht die Unendlichkeit, und möge sie auch eine Maga sein“, sagte sie. „Ihr alle“, richtete sie das Wort an die Truppe, »vernehmt es und tragt es in euren Herzen: Ich, Firûsha, eine der Dsôn Aklán, wandle unter euch und rücke aus, um den Tod in die Reihen der Feinde zu tragen. Gemeinsam verändern wir den drohenden Untergang in einen Sieg!«
Daitolór hob den blutverschmierten Speer. „Wir lassen keinen Feind weiter vordringen als bis hierher“, schwor er feierlich. „Kein Barbar, kein Untergründiger und kein anderes Wesen als ein Alb wird seinen Fuß in unsere Stadt setzen.“
Die Luft frischte weiter auf und versetzte die Kunstwerke in Bewegung.
Die Kristallsterne von Inàstes Pfeil wippten und glitzerten auf, das Gebein rieb leise aneinander, und die dünnen Drähte erschufen ein helles Säuseln, das wie Wispern klang; auch die acht Klingen der aus dem Boden brechenden Figur erhöhten ihre Rotationsgeschwindigkeit, ein pfeifendes Summen erklang.
Ein kühler Schauder rann Daitolórs Rücken hinab, obwohl die Sonne auf ihn niederbrannte. Ohne es zu wollen, drehte sich der Benàmoi um und ließ die Blicke schweifen. Etwas erschien ihm merkwürdig, und ein ungutes Gefühl breitete sich in ihm aus.
Die Nachtmahre schienen ebenfalls zu spüren, dass eine Veränderung vor sich ging. Sie schnaubten, die roten Augen rollten, zuckten unruhig umher, und die Nüstern blähten sich auf.
Sollten sich Scheusale heimlich an Dsôn heranwagen wollen? Aber von woher sollten sie kommen? Sosehr sich Daitolór anstrengte, es fiel ihm keine Erklärung für sein Unbehagen ein.
Firûsha zügelte ihren unsteten Hengst. „Seht sie euch an! Sie wollen ihre Fangzähne in Barbaren schlagen“, rief sie lachend und erntete zustimmende Heiterkeit. „Wir reiten besser los, bevor sie vor Unbändigkeit noch …“
Eine kräftige Böe fuhr dunkel surrend zwischen den Albae hindurch und wirbelte Staub und Erde auf. Von einem Blinzeln aufs nächste verschwanden sowohl die Berittenen als auch die Einheit in den graubraunen Dreckschleiern.
Die sich rasch ändernden Töne der acht wirbelnden Klingen des Kunstwerks drangen bis zu dem Benàmoi, doch wirkten sie nun weder faszinierend noch beruhigend. Ganz im Gegenteil, sie schienen seine Anspannung zu erhöhen und anzufachen.
Der Gott des Windes scheint sich einen Spaß mit uns erlauben zu wollen. Daitolór packte den Speer fester, kleine Körnchen knirschten zwischen seinen Zähnen – und da fühlte er das Kribbeln überall auf seiner Haut.
Dieses Mal war es kein unbestimmbares Gefühl, sondern die Auswirkung heftiger Magie, die plötzlich um ihn herum entstand.
Was vermag … Ehe er einen Warnruf ausstoßen konnte, erklang ein kreischendes Knistern, welches durch das Surren drang. Inmitten des Staubs leuchteten fingergroße Runen in Dunkelgrün auf.
Dann gellten Todesschreie.
Die Nachtmahre wieherten brüllend. Daitolór vernahm das Klacken ihrer zuschnappenden Zähne, auf das ein lautes, trockenes Knacken folgte. Jemand oder etwas brach den kräftigen Tieren die Nackenwirbel.
Dann sprühte warme Flüssigkeit aus dem Dreckdunst gegen den Benàmoi. Der Geruch sagte ihm, dass es sich dabei um Blut handelte.
Albaeblut.
„Aklán!“, schrie er und reckte seinen Speer gegen den unsichtbaren Feind, der im Schutz des Staubes zuschlug. „Gib acht!“
„Weg von hier“, rief Firûsha außer sich irgendwo in den Sandschleiern und trug tiefsten Schrecken in ihrer Stimme. „Er ist hier!“
Er? Daitolór vernahm das Angaloppieren von Nachtmahrhufen, in das sich das erneute Zischen magischer Entladung mischte. Lot-Ionan!
Ein armdicker, smaragdfarbener Strahl schoss knisternd an ihm vorbei und traf den Alb neben ihm, der von der Kraft zerfetzt wurde. Abgesprengte Körperteile hagelten gegen den Benàmoi, erneut spritzte das Blut auf ihn.
Keuchend kniete er sich nieder und spähte um sich, mit rasendem Herz, die Finger um den schmierig gewordenen Waffenschaft gelegt.
Die schrägen, lauten Töne der acht Klingen wollten nicht enden. Zum ersten Mal wünschte sich Daitolór, sie mögen verstummen.
Der Wind spielte mit den Staubschleiern und löste sie allmählich auf, als wollte Samusin den Blick auf den Schrecken freigeben, der den Albae entgegentrat.
Weit entfernt ritten die Aklán und vier ihrer Begleiter, die sich nicht der übermächtigen Magie eines Lot-Ionan stellen konnten.
Neben und vor dem kauernden Benàmoi lagen die blutigen Fetzen, die nur anhand der Rüstungsstücke als Albgliedmaßen erkannt werden konnten. Zwei herrenlose Nachtmahre stampften schnaubend umher, orientierten sich im abschwächenden Wind.
Wo ist der Magus? Daitolór glaubte, seine Aufgabe zu kennen: Er musste der Aklán Zeit verschaffen, damit sie sich in Sicherheit bringen konnte, um die Verbliebenen ihres Volkes anzuführen. Ein Speer reichte nicht aus, um den Magus zu töten, das wusste der Alb, aber zum Ablenken reichte er gewiss. Mit Inàstes Beistand gelang vielleicht ein Wunder.
Aus dem Drecknebel schälte sich der Umriss eines weiteren Albkriegers, den Daitolór nicht kannte. Er muss zur Garde der Aklán gehört haben und vom Nachtmahr gestürzt sein.
Ohne sich weiter umzuschauen oder Vorsicht walten zu lassen, ging der unbekannte Soldat auf einen der Rappen zu und schwang sich in den Sattel, um der Herrscherin zu folgen.
„Wohin willst du?“, erklang eine sonore Stimme aus den letzten graubraunen Schleiern, dann erschien keine fünf Schritte neben Daitolór die Silhouette einer kahlen, dünnen Gestalt die einen langen Stab in der Linken hielt.
Der Benàmoi machte sich noch kleiner und hielt sich für einen Wurf bereit. Es könnte mir gelingen, wenn der Magus abgelenkt ist.
Der Alb auf dem Nachtmahr gab dem Hengst die Sporen, sodass das große Tier einen Satz auf den Magus zumachte und die Reißzähne bleckte; der Reiter riss sein Schwert aus der Scheide und führte einen Hieb gegen den Feind.
Smaragdfarbene Runen leuchteten am Stab des Magus auf.
Mitten im Sprung umhüllte Hengst und Krieger das grüne Licht. Wie von einer gigantischen Faust getroffen, wurden sie auf die Erde geschmettert. Knackend brachen die Beine des Nachtmahrs, der Alb wurde unter dem schweren Leib des Rappen eingeklemmt. Da das leidende und rasende Tier um sich schnappte, musste der Krieger es mit einem schnellen Schlag in den Nacken töten, bevor die tödlichen Zähne ihn packen konnten.
„So schnell kann aus einem Angriff eine Niederlage werden“, erklang die Stimme des Magus, der ausgezeichnetes, fast altertümliches Albisch sprach.
Daitolór harrte aus und ließ den Feind nicht aus den Augen, der sich dem eingeklemmten Reiter gemächlich näherte.
Die letzten Dunstwolken lösten sich auf – und er erkannte seinen Irrtum.
Aiphatòn! Obwohl ihn der Benàmoi nie zu Gesicht bekommen hatte, wusste er sofort, dass der Kaiser nach Dsôn gekommen war.
Kein anderer Alb glich ihm, dessen Brust, Bauch, Unterleib sowie Schultern und Oberarme überwiegend von ins Fleisch eingenähten Panzerplatten bedeckt waren. Das Metall, so sagte man, bestand aus einer besonderen Legierung, welche magische Energie aufnahm und speicherte. Das erklärte seine Kräfte, die an die eines Magus heranreichten. Er war kahlköpfig, trug schwere Panzerhandschuhe und von der Hüfte abwärts ein wickelrockähnliches Gewand in Schwarz.
Der eingeklemmte Krieger reckte die Klinge mit dem Nachtmahrblut gegen Aiphatòn. „Du bist ein Verräter an deinem eigenen Volk“, sprach er stöhnend. „Zuerst bringst du diesen Abschaum aus dem Süden, nun willst du die Aklán vernichten. Dabei bist du der Sohn der Unauslöschlichen!“ Er biss die Zähne zusammen, um einen Schmerzensschrei zu unterdrücken. „Besinne dich, Aiphatòn!“, sprach er weiter. „Verbünde dich mit …“
Der kahle Alb legte den Kopf in den Nacken und lachte schallend. „Du stehst kurz davor, in die Endlichkeit zu ziehen, und versuchst, mich in ein Bündnis mit den Aklán zu schwatzen? Ich bin dein Kaiser, Alb!“, donnerte er und richtete die schlanke Spitze des Speers auf den Liegenden. „Du müsstest mir gehorchen, ohne auch nur eine Frage zu stellen, so wie es auch die Aklán sollten! Stattdessen betrieben sie ihre Intrigen, trachteten nach meinem Sturz und sahen sich auf meinem Thron. Denkst du, ich bin so gütig und verzeihe diesen Frevel? An mir, dem Sohn der Unauslöschlichen?“
Daitolór wagte nicht, sich zu rühren.
Inzwischen hegte er große Zweifel daran, Aiphatòn mit irgendetwas aufhalten zu können. Wer einen Nachtmahr im Flug einfach zu Boden schmetterte, der würde über einen herkömmlichen Speer lachen. Er sah seine Kriegerinnen und Krieger zerstückelt und von Magie zerrissen umherliegen, als wären sie für wertlos befundene Schlachtabfälle. Aber was unternehme ich?
„Die Unauslöschlichen ließen uns damals im Stich“, spie der Eingeklemmte aus. „Wir saßen in diesem Loch, mitten im Grauen Gebirge, und warteten auf Nachricht aus Tark Draan. Doch sie kam nicht. Sie kam niemals! Ohne die Dsôn Aklán wären wir in Phondrasôn untergegangen.“
Aiphatòn betrachtete ihn, die Augen waren tiefschwarze Löcher und verliehen dem schmalen, ebenmäßigen Antlitz etwas abgründig Unheimliches.
Man sagte, dass diese Augen niemals ihre wahre Farbe zeigten, auch nicht bei Nacht, wie es bei Albae üblich war. Als Kind von Nagsar und Nagsor Inàste war er ein Shintoìt, das höchste und reinste Wesen. Man erkannte ihn stets als solchen, auch ohne die ins Fleisch gewobene Panzerung.
„Es wäre besser für euch gewesen“, befand Aiphatòn flüsternd und stach durch den Hals des liegenden Kriegers. „Und für das Geborgene Land. Aber wisse: Ich mache meinen Fehler wieder gut.“
Der Verletzte umfasste röchelnd den runenverzierten Speerschaft mit einer Hand und wollte ihn rausziehen, sein Schwert prallte erfolglos dagegen.
„Die Aklán wird die Nächste sein, die ich in die Endlichkeit sende. Danach kehre ich zurück und stecke dein geliebtes Dsôn in Brand. Ich bin ihr Kaiser, und die Albae werden durch meine Hand untergehen, wie ich es einem alten Freund versprach. Die Erkenntnis traf mich spät, doch sie traf mich. Dein Tod heißt Aiphatòn“, sprach er getragen. „Ich nehme dir die Unendlichkeit und überlasse deine Reste den Aasfressern. Ist es nicht lustig, dass dich das mit den gemeinen Barbaren eint? So enden die Unterschiede.“
Gurgelnd starb der Alb unter dem Nachtmahr, das Blut rann aus dem eingerissenen Mundwinkel und tropfte auf die Erde. Der Körper entspannte sich.
Daitolór regte sich nicht. Er darf mich nicht sehen.
Der Benàmoi hatte nach dem Gehörten einen Entschluss gefasst.
Unbeweglich verfolgte er, wie Aiphatòn die schmale Spitze aus dem Fleisch des Kriegers zog und sie an dessen Kleidung säuberte. Dann lief der Kaiser los und schien sich an Firûshas Fährte zu heften.
Daitolór, dem die gesamte Einheit innerhalb eines Wimpernschlags durch diesen Alb genommen worden war, sah, dass der Shintoìt keine Stiefel trug, sondern mit bloßen Füßen die Verfolgung aufnahm.
Erst als sich der Feind weiter entfernt hatte, erhob er sich und warf seinen Speer achtlos zu Boden. Gegen einen Widersacher wie Aiphatòn taugten Holz und Stahl nichts.
Mit einem Magus fertigzuwerden, das traute er seinem Volk durchaus zu, doch wenn sich der Sohn der Unauslöschlichen gegen sie wandte, und zwar bis der letzte Alb vernichtet war, wie er es versprochen hatte, schwebten sie in größter Gefahr.
Ich muss die Aklán warnen. Zusammen mit ihren Brüdern wird sie einen Weg finden, wie man ihn aufhält.
Daitolór ging zum verbliebenen Nachtmahr und fasste ins Reitgeschirr, besänftigte das Tier mit ein paar geraunten Worten und schwang sich in den Sattel. Spurenlesen war keine besondere Kunst, die Hufe hinterließen in der Erde deutliche Abdrücke, die Aiphatòn leider ebenso leicht sah.
Vom Rücken des Rappen warf er einen Blick auf den Leichenhügel, dann zum Kraterrand in einer Meile Entfernung, wo sich die Stadt und der Palast erhoben. Halte stand, schwarzes Herz, und bringe unseren Feinden mit jedem deiner Schläge die Endlichkeit.
Dass er Dsôn gegen den Willen der Aklán im Stich ließ, musste sein, denn nur so bewahrte er Firûsha vor dem Einzug in die Endlichkeit. Die etwa fünfzig Kriegerinnen und Krieger, die dort unten im Kessel ausharrten, würden Dsôn lange genug verteidigen. Auch ohne ihn.
Samusin stehe uns bei. Und ich flehe dich an, Inàste, lasse nicht zu, dass ausgerechnet ein Shintoìt unseren Untergang bedeutet. Daitolór fühlte unsäglichen Hass gegen den Kaiser; umgehend verriet ihm das leichte Ziehen im Antlitz, dass sich Wutlinien darauf gebildet hatten.
Er wandte den Kopf – und sah Aiphatòn unmittelbar neben dem Nachtmahr stehen. Woher …? Daitolórs Augen weiteten sich vor Furcht. Noch bevor er die Hand nach dem Schwertgriff zu strecken vermochte, zuckte die dünne Speerspitze heran.
„Warum so wütend, Benàmoi?“, sprach Aiphatòn mit eiskaltem Lächeln. Die Klinge bohrte sich durch den Hals des Nachtmahrs und von dort durch das gehärtete Leder in die Brust des Kriegers. „Geh zu deiner Einheit und lasse sie wissen, wer sie in die Endlichkeit schickte.“
Die Runen am Schaft leuchteten dunkelgrün auf; ein grelles Knistern wurde lauter und lauter, bis es zum einzigen Geräusch in Daitolórs Ohren wurde. Sein letzter Gedanke war, dass es nun niemanden mehr gab, der die Aklán vor ihrem tödlichen Verfolger warnte.
„Fantastische Literatur wie aus dem Bilderbuch.“
Markus Heitz hat mit dem zweiten Teil der Reihe ins Schwarze getroffen. Spannende Kampfszenen, aber auch Szenen aus dem alltäglichen Leben der Albae machen das Buch sehr abwechslungsreich und Lust auf die Fortsetzung der Reihen.
Ein klarer Heitz: Sprich: gut aufgebaut, sehr detailliert ausgeführt.
Der Leser kann sich in der faszinierenden, grausamen Welt der Albae verlieren.
„(…) es gelingt Markus Heitz mit diesem etwas anderen Abenteuer die Leser zum wiederholten Male in seinen Bann zu ziehen.“
„Schnell stellt sich so die für Heitz typische Faszination ein. (…) Doch nicht nur die Figuren, auch der rasant geschriebene Plot, der mit allem aufwartet, was Fans sich wünschen, tut sein übriges, um den Leser ganz tief in seinen Bann zu ziehen. Alles in allem ist ›Gerechter Zorn‹ ein hervorragend geschriebenes Fantasybuch, das Appetit auf mehr macht.“
„Der Band schließt so manche Lücke, die sich vielleicht beim Lesen der vorangegangenen Bücher aufgetan hat und macht zudem Lust auf den kommenden, vierten Band von ›Die Legenden der Albae‹.“
„In schönster Einer-gegen-alle-Manier schreibt Markus Heitz in seinem ganz eigenen Schreibstil, gewohnt episch und detailreich. Eine Eigenschaft, die der Autor gerade in seinen High-Fantasy-Reihen ausleben kann und die sich im Showdown um Aiphatón einmal mehr als überaus lesenswert entpuppt.“
„Die Geschichte ist mit zahlreichen originell ausgearbeiteten Figuren bestückt, unvorhersehbare Ereignisse suchen die Charaktere heim und dazwischen findet sich Blut, Krieg und Zerstörung.“
„Besticht mal wieder mit epischen Schlachten und einer wendungsreichen Handlung.“
„Heitz versteht es, Legenden zu spinnen, die ihre Anziehungskraft nicht verloren haben auch dank einer bildhaften Sprache.“
„Wie gewohnt von Markus Heitz sind sowohl die Handlung als auch die Charaktere ausgezeichnet durchdacht. Ich habe bei seinen Romanen immer das Gefühl, die Propagandisten lebhaftig vor mir zu sehen.“
„Markus Heitz brennt wieder ein Fantasy-Feuerwerk ab, bei dem man als Leser Feuer und Flamme ist!“
Markus Heitz ist ein Phänomen im Bereich der Phantastischen Literatur.
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