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Die Queen (Die Queen 3) Die Queen (Die Queen 3) - eBook-Ausgabe

Eva-Maria Bast
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Elizabeth II. – Als Monarchin führte sie ihr Volk in eine neue Zeit und brachte Beständigkeit im Wandel

— Romanbiografie

„Die Autorin Eva Maria Bast schildert die Ereignisse mit Leichtigkeit, Humor und spannenden Dialogen.“ - StadtRadio Göttingen „Book's n' Rock's“

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Die Queen (Die Queen 3) — Inhalt

Turbulente Jahre für Queen Elizabeth II.

Seit zwei Jahrzehnten führt Elizabeth II. das britische Volk bereits durch die Wogen des Wandels, doch die späten 70er bleiben turbulent. Die Schwester der Queen sorgt mit der ersten royalen Scheidung für Aufsehen, und auch in politischen Dingen wird die Diplomatie Elizabeths auf die Probe gestellt. Seit der Wahl Margaret Thatchers zur ersten weiblichen Premierministerin stehen zwei Frauen an der Spitze Großbritanniens, deren Verhältnis nicht ohne Spannungen ist. Immerhin hat Sohn Charles mit Diana Spencer endlich eine passende Frau gefunden. Wird im Palast nun endlich etwas Ruhe einkehren?

Der dritte Band der Romanbiografien um Queen Elizabeth II. führt die Leser:innen in die 70er und 80er Jahre, in denen mit Margaret Thatcher sowie Lady Di viel neuer Wind durchs Königshaus weht.


Weitere Bände der Reihe: 

Band 1: Die Queen. Elizabeth II. – Als junge Frau wurde sie zur Königin, als Königin wurde sie zur Legende

Band 2: Die Queen. Elizabeth II. – Als Königin regierte sie ein Land, als Ehefrau und Mutter kämpfte sie um Erfüllung

€ 15,00 [D], € 15,50 [A]
Erschienen am 02.11.2023
432 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-492-06379-1
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€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 02.11.2023
432 Seiten
EAN 978-3-492-60443-7
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Leseprobe zu „Die Queen (Die Queen 3)“

Teil 1

1977–1979


Kapitel 1

Die Fackeln in den Händen der Kinder erhellten den Abendhimmel und erleuchteten auch die aufgeregten Gesichter der kleinen Briten, denen heute die große Ehre zuteilwurde, bei den Feierlichkeiten zu Königin Elizabeths silbernem Thronjubiläum dabei zu sein. Als sie sich, in einem smaragdgrünen Mantel mit passendem Halstuch und in Begleitung ihrer Familie, dem Reiterstandbild Georges III. auf Snow Hill in Windsor näherte, steigerte sich das Gemurmel der mehr als zweihunderttausend Zuschauer, die sich hier versammelt hatten und deren [...]

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Teil 1

1977–1979


Kapitel 1

Die Fackeln in den Händen der Kinder erhellten den Abendhimmel und erleuchteten auch die aufgeregten Gesichter der kleinen Briten, denen heute die große Ehre zuteilwurde, bei den Feierlichkeiten zu Königin Elizabeths silbernem Thronjubiläum dabei zu sein. Als sie sich, in einem smaragdgrünen Mantel mit passendem Halstuch und in Begleitung ihrer Familie, dem Reiterstandbild Georges III. auf Snow Hill in Windsor näherte, steigerte sich das Gemurmel der mehr als zweihunderttausend Zuschauer, die sich hier versammelt hatten und deren Autos kilometerweit die Straßen verstopften, in frenetischen Jubel. Elizabeth lächelte ihnen zu und musterte gerührt all die fantasievollen Verkleidungen: Die Menschen waren keineswegs in Alltagskleidung erschienen und auch nicht in ihrem Sonntagsstaat. Nein, sie trugen Kostüme aller Art, Kleidungsstücke, die der Zeit der Vorgänger Elizabeths auf dem Thron nachempfunden waren und damit ein Zeichen für die Geschichte der Monarchie setzten. Elizabeth sah Männer und Frauen in Gewändern, wie sie zu Zeiten Elizabeths I. Mode gewesen waren, ebenso wie viktorianische und edwardianische Kleidung. Dann streiften die Blicke der Königin hinüber zu den Fackeln, die vor dem Reiterstandbild im Boden steckten und ihr Monogramm „EIIR“ bildeten. Sie lächelte, hob wieder den Blick und winkte der Menge zu, was diese abermals mit enthusiastischem Jubel quittierte.

„Wenn Eure Majestät dann bereit wären?“, ertönte eine schüchterne Stimme an ihrer Seite.

„Natürlich“, sagte Elizabeth lächelnd und nahm die brennende Fackel aus den Händen von Sir Michael Parker entgegen. Dem fünfunddreißigjährigen Major oblag die große Ehre, das Initialfeuerwerk zum silbernen Thronjubiläum der Königin vorzubereiten – und Elizabeth sollte nun, am 6. Juni 1977, das Signal geben, es zu entzünden. Diese Tage gipfelten in Trooping the Colour, dem offiziellen Geburtstag des Monarchen. Sie waren der Höhepunkt der Jubiläumsfeierlichkeiten, um den herum Elizabeth und Philip ein enormes Programm absolviert hatten – und noch absolvieren würden.

Die Feierlichkeiten hatten bereits am 6. Februar begonnen, dem Tag, an dem Elizabeth vor fünfundzwanzig Jahren Königin geworden war. Sie hatte sich damals in Afrika aufgehalten und gerade zu dem Zeitpunkt, als sie durch den Tod ihres Vaters zur Königin wurde, von einem Baumhaus aus Tiere beobachtet. Das war nun ein Vierteljahrhundert her, jetzt hatte es im ganzen Land Straßenfeste, Gottesdienste und Paraden gegeben, Elizabeth selbst war im Februar und März mit ihrem Ehemann unter anderem nach Samoa, Tonga, auf die Fidschi-Inseln und nach Neuseeland, Australien, Papua-Neuguinea, Indien und den Oman gereist. Es folgte eine lange Reise durch Schottland – bevor sie nun in England die Feierlichkeiten begehen und anschließend ihre Reise durchs Königreich fortsetzen würden.

Das Feuer, das sie heute Abend in Windsor Great Park entzünden sollte, war das Startsignal für ein Feuerwerk und mehr als hundert weitere Leuchtfeuer, die zu ihren Ehren im ganzen Königreich brannten und sich in acht flammenden Ketten von den Kanalinseln bis zu den äußersten Enden Schottlands und von der Nordsee bis nach Irland erstreckten. Jedes Leuchtfeuer war auf einem Hügel oder an einem anderen prominenten Punkt in Sichtweite des nächsten platziert und würde in dem Moment entzündet werden, in dem das vorangehende Feuerwerk in der Kette zu sehen war.

Die insgesamt hundertzwei Feuer sollten an jene erinnern, die vor fast vierhundert Jahren, am frühen Morgen des 30. Juli 1588, beginnend auf einem Kliff in Cornwall, entzündet worden waren. Damals hatte es sich um Warnfeuer gehandelt, die bedeuteten: Die spanische Armada ist tatsächlich gesichtet worden! England ist in großer Gefahr! Minuten später wurde etwas weiter östlich das nächste Leuchtfeuer entzündet und dann wieder das nächste, immer weiter verbreitete sich das Signal entlang der Küste bis nach Plymouth, wo die englische Flotte schon bereitstand, und dann weiter ins Land. Diesmal jedoch bedeuteten die Feuer keine Gefahr, und sie waren auch keine Warnung, sondern Ausdruck tiefer Freude über die Monarchin, die seit fünfundzwanzig Jahren auf dem Thron saß.

Elizabeth wollte gerade wie vereinbart mit ihrer Fackel das aufgeschichtete Brennholz entzünden, als unweit von ihr ein riesiges Spektakel losbrach. Blaue, grüne, gelbe und rote Feuerblumen schossen in den dunklen Nachthimmel über Windsor, um dort zu explodieren und sich in verschwenderischer Fülle über Schloss und Park zu ergießen.

Verwundert drehte die Königin sich zu Michael Parker um. „Sehen Sie das?“, staunte sie, „das Feuerwerk brennt bereits.“

„Es ist mir wirklich außerordentlich unangenehm, Ma’am“, stammelte der arme Major, „da war wohl jemand übereifrig. Das wird selbstverständlich Konsequenzen haben.“

Doch Elizabeth winkte beschwichtigend ab: „Lassen Sie nur. Ich möchte nicht, dass an meinem silbernen Thronjubiläum jemand gescholten wird, nur weil er ein Freudenfeuerwerk anzündet. Ergötzen wir uns lieber an diesem schönen Anblick.“ Wie zur Bestätigung begann die Band der Household Cavalry in diesem Moment Pomp and Circumstance Marches zu spielen. Elizabeth wandte sich lächelnd zu ihrer Familie um, die, etwas von ihr entfernt stehend, den Blick in den Himmel gerichtet hatte: ihr Mann Philip und, aufgereiht wie die Orgelpfeifen, ihre Kinder. Der neunundzwanzigjährige Charles, die schwangere Anne mit ihrem Mann Mark Phillips, der siebzehnjährige Andrew und der dreizehnjährige Edward sowie ihre Schwester Margaret und Queen Mum, ihre Mutter.

Leise trat Elizabeth neben Philip. „Fünfundzwanzig Jahre“, sagte sie, „unglaublich, was wir seitdem alles erlebt haben. Es kommt mir viel länger vor. Und doch ist es, als sei es erst gestern gewesen, dass du mir die Nachricht von Vaters Tod überbrachtest, auf unserer Lodge in Afrika.“

Philip sah sie von der Seite an. „Du warst, wie immer, so unglaublich beherrscht in diesem Moment. Nur kurz hast du in meinen Armen geweint und dann getan, was man von dir erwartete: deine Pflicht erfüllt.“

„Ja.“ Nachdenklich beobachtete Elizabeth die Lichtkaskaden, die in den Himmel stiegen. Es war eine schreckliche Zeit gewesen, auch für sie als Ehepaar. Sie selbst war regelrecht erstarrt gewesen, da sie ja nicht trauern, nicht zusammenbrechen durfte, sondern plötzlich Königin war und so viel von ihr erwartet wurde. Auch Philip hatte gelitten, die Marinekarriere, die ihm so wichtig gewesen war, war mit einem Mal vorbei, er musste künftig hinter seiner Frau gehen, seine Kinder durften nicht seinen Namen tragen.

„Gibt es etwas in den fünfundzwanzig Jahren deiner Regentschaft, das du aufrichtig bereust?“, hörte Elizabeth ihren Mann leise fragen, während sie in den bunt erleuchteten Nachthimmel blickten.

Elizabeth nickte. „O ja, das gibt es. Und du weißt auch, was es ist.“

„Das Grubenunglück“, vermutete Philip.

„Das Grubenunglück“, bestätigte sie leise. Es hatte sich am 21. Oktober 1966 im Bergarbeiterdorf Aberfan nahe Merthyr Tydfil in Südwales ereignet. Unter den hundertvierundvierzig Opfern waren hundertsechzehn Kinder, da die Pantglas-Grundschule und Teile der benachbarten Mittelschule am schlimmsten von den Erdrutschen betroffen waren. Während Philip sofort am nächsten Tag an den Unglücksort gereist war, hatte Elizabeth gezögert: Würde sie mit ihrer Ankunft womöglich für ein derart großes Aufsehen sorgen, dass die Helfer von ihrer Suche nach Verschütteten abgelenkt und damit vielleicht Menschenleben gefährdet würden? Selbst Mutter kleiner Kinder, war sie außerdem überzeugt gewesen, dass ihr der Besuch des Ortes und der Anblick der trauernden Eltern so nahegehen würde, dass sie die Contenance verlöre. Und eine weinende Queen wäre ihrer Überzeugung nach nicht geeignet, die Menschen zu trösten. Ein Monarch bewahrt schließlich immer die Ruhe, gibt den Menschen Kraft und Halt. Nachdem sie wegen ihres Fernbleibens sehr in die Kritik geraten war, war sie nach acht Tagen dennoch gefahren – und hatte tatsächlich Tränen vergossen, was die Menschen aber umso mehr berührt und sogar getröstet hatte. In der Öffentlichkeit Empathie zu zeigen war für Elizabeth neu gewesen – sie hatte viel gelernt und tief bereut, dass sie nicht früher nach Aberfan gereist war.

„Und das schönste Erlebnis?“, erkundigte sich Philip.

Auch hier musste Elizabeth nicht lange überlegen. „Charles’ Investitur.“ Sie sah ihren ältesten Sohn, der zwischen Anne und Queen Mum stand, voller Zuneigung an. „Wobei es auch gleichzeitig schrecklich war. Wegen all der Bombendrohungen hatte ich furchtbare Angst um ihn.“

„Ich erinnere mich gut. Nach der Investitur hast du dich ins Bett gelegt und warst eine Woche lang zu erschöpft, um aufzustehen. Das habe ich seither nie mehr bei dir erlebt.“

Als habe er ihren Blick auf sich gespürt, wandte Charles in diesem Moment den Kopf und lächelte höflich – aber distanziert. Elizabeth seufzte innerlich. Die Investitur war für sie nicht nur wegen der Bedeutung für die Krone so wichtig, sondern auch wegen ihrer persönlichen Beziehung zu Charles. Selten waren sie so unbeschwert miteinander gewesen wie damals, als sie über die Tatsache gelacht hatten, dass die Kugel auf Charles’ Krone ein vergoldeter Tischtennisball war. Und selten waren sie einander so nah gewesen wie in dem Moment, als sie ihm den Krönungsmantel umlegte. Doch das hatte nicht allzu lange angehalten – heute war ihre Beziehung wieder von großer Distanz geprägt. Anne, die Elizabeth sehr nahestand, hatte ihr einmal gesagt, Charles habe viel zu viel Ehrfurcht vor seiner Mutter, der Königin, als dass er zu einem unbeschwerten Umgang finden könne. Elizabeth hoffte, sie würden sich ein bisschen näherkommen, wenn Charles Ende des Jahres Teil des Kronrats werden würde. Und sie hoffte, dass sich bald eine Frau für ihn fände.

Vor sieben Jahren hatte Charles im Park von Windsor nach einem Polospiel ein Mädchen kennengelernt. Der Prince of Wales war niedergeschlagen gewesen, weil die Mannschaft der „Blauen Teufel“, deren Kapitän er war, das Spiel verloren hatte; er hatte sich mit seinem Pferd zurückgezogen. Da war eine junge Frau in grüner Jacke und enger Samthose zu ihm getreten und hatte gesagt: „Ein schönes Tier, Sir.“

Camilla hatte den zwei Jahre jüngeren Charles verzaubert, die beiden hatten sich immer wieder getroffen. Elizabeth war unsicher gewesen, ob Camilla die Richtige für ihren Sohn sei, Philip hatte das gelassener gesehen: Solange Camilla nur Charles’ Geliebte sei, sei doch alles in Ordnung, argumentierte er. Schließlich müsse der Junge sich die Hörner abstoßen. Elizabeth war bei Philips Worten zwar etwas zusammengezuckt, hatte ihren Sohn aber gewähren lassen und war erleichtert gewesen, als Camilla 1973, als Charles sich zur Marine gemeldet hatte, schließlich ihren Ex-Freund Andrew Parker Bowles heiratete, der zeitweise mit der lebenshungrigen Prinzessin Anne eine Affäre gehabt hatte.

Elizabeth setzte nun all ihre Hoffnungen in Philips Onkel Dickie Mountbatten, der wie eh und je regen Anteil an der Familie nahm und für Charles eine ausgesprochen wichtige Bezugsperson war.

„Warum ist denn das halbe Schloss dunkel?“, rief der dreizehnjährige Edward, nachdem das Feuerwerk, das er mit Begeisterung verfolgt hatte, beendet war, in ihre Gedanken hinein.

Stirnrunzelnd sah sich Elizabeth nach Michael Parker um. Erst jetzt bemerkte sie, dass dieser offenbar zwischenzeitlich fort gewesen war: Vollkommen außer Atem eilte er auf sie zu.

„Ist der Strom ausgefallen?“

Parker nickte mit verzweifeltem Gesichtsausdruck. „Eure Majestät, es tut mir sehr leid, aber ich muss Ihnen sagen, dass absolut alles, was schiefgehen kann, schiefgegangen ist.“

„Wenn ich etwas in den fünfundzwanzig Jahren meiner Regentschaft gelernt habe, dann, dass immer etwas schiefgehen kann.“ Elizabeth lächelte ihm beruhigend zu: „Was ist denn passiert?“

„Nun, Ma’am, der Hauptgenerator der BBC ist explodiert, also mussten wir ihnen einen von unseren leihen, der die eine Hälfte von Windsor Castle beleuchtet. Und obendrein ist auch noch der Strom ausgefallen.“

Elizabeth lachte. „Nehmen wir’s mit Humor.“


Kapitel 2

Auch am nächsten Morgen, dem 7. Juni 1977, riss der Jubel der riesigen Menge nicht ab, als Elizabeth, heute ganz in Rosa, mit Philip in der goldenen Staatskutsche im Rahmen einer Prozession zu einem Dankgottesdienst zur St Paul’s Cathedral fuhr. Daran nahmen die Strumpfbandritter, Staatsoberhäupter aus der ganzen Welt sowie ehemalige Premierminister des Vereinigten Königreichs teil. Während der ganzen Zeit spürte sie ein Gefühl tiefer Ergriffenheit über die so offen bekundete große Zuneigung der Menschen. Wieder und wieder wanderte ihr Blick zu Philip, der, wie immer, wie ein Fels an ihrer Seite stand. Ihr Mann. Auch wenn es nicht immer einfach zwischen ihnen gewesen war, so war er jeden Streit und jede Diskussion wert: In den dreißig Jahren ihrer Ehe hatten sie sich aufeinander eingestimmt, schwangen zusammen und waren ein wunderbares Team. Sie war so dankbar für ihn! Das Gefühl der Rührung wich auch dann nicht, als sie später in Begleitung ihrer Familie von der Kathedrale durch die tobende Masse zur Guildhall ging. Eigentlich waren für den Spaziergang zwanzig Minuten eingeplant gewesen, doch am Wegesrand standen so viele Menschen, die ihr Blumensträuße entgegenstreckten, dass Elizabeth immer wieder anhielt, um einen entgegenzunehmen. Schließlich brauchte sie für die Strecke fast eine Stunde. Aber das machte nichts. Selten zuvor hatte sie sich ihrem Volk so nahe gefühlt wie in jenen Tagen, vorbei schien die Zeit, in der sie teilweise harsch kritisiert worden war. Nach fünfundzwanzig Jahren auf dem Thron war Königin Elizabeth populär wie nie zuvor.

 

Endlich waren sie in der Guildhall angekommen. Gleich würde Elizabeth das Versprechen wiederholen, das sie anlässlich ihres einundzwanzigsten Geburtstags auf ihrer Afrikareise mit ihren Eltern in einer Radioübertragung des BBC gegeben hatte: Sie waren in Rhodesien, und Elizabeth wusste noch genau, wie aufgeregt sie damals gewesen war. Das Mikrofon vor sich, hatte sie unter einem großen, alten Baum gesessen und sich fest gegen dessen Stamm gepresst. Die Rinde hatte sich in ihren Rücken gegraben, und irgendwie hatte ihr das ein Gefühl der Sicherheit gegeben.

Nachdem alle an der festlich gedeckten Tafel in der Guildhall Platz genommen hatten, erhob sich Elizabeth und wiederholte die Worte, die sie dreißig Jahre zuvor gesprochen hatte: „Es gibt da ein Motto, das viele meiner Vorfahren geführt haben, ein nobles Motto: Ich diene. Diese Worte waren eine Inspiration für viele frühere Thronerben, wenn sie sich bei Erreichen des Mannesalters zu ihrer ritterlichen Aufgabe verpflichteten. Ich kann es nicht so machen wie sie, aber dafür erlaubt mir die Erfindung der Technik etwas, was ihnen nicht möglich war. Ich kann meinen feierlichen Akt der Hingabe sprechen, während das ganze Empire zuhört. Diese Verpflichtung möchte ich jetzt abgeben. Es ist ganz einfach. Ich erkläre vor euch allen, dass mein ganzes Leben, ob es lang währt oder kurz, dem Dienst an euch und der großen Familie des Empires, der wir alle angehören, gewidmet sein soll. Aber ich werde nicht die Kraft haben, diesen Vorsatz allein auszuführen, wenn ihr nicht hinzutretet, wozu ich euch hiermit einlade. Ich weiß, dass eure Unterstützung mir unwandelbar gegeben wird. Möge Gott mir helfen, dieses mein Gelöbnis zu erfüllen, und möge Gott alle segnen, die gewillt sind, mir dabei zu helfen.“

Als sie geendet hatte, sah sie in lauter ergriffene Gesichter. Plötzlich war ihr, als sei sie nicht fünfzig, sondern einundzwanzig Jahre alt, als sei sie nicht in London, sondern in Rhodesien, und als blicke sie nicht in die Gesichter ihrer Familie und ihrer Gäste, sondern in die des BBC-Redakteurs – seinen Namen hatte sie inzwischen vergessen –, der sie damals in Rhodesien nach ihrer Rede angesehen hatte wie vom Donner gerührt.

Lächelnd hob sie ihr Glas und fügte hinzu: „Obwohl ich dieses Gelübde in meinen Salattagen abgelegt habe, als ich grün im Urteil war, bereue ich es nicht und ziehe kein einziges Wort davon zurück.“

„Was meinst du bloß mit Salattagen, Mummy? Das klingt komisch“, raunte ihr Edward später zu.

Elizabeth lächelte ihren Dreizehnjährigen an. „Das ist eine Redewendung von William Shakespeare, der diesen Satz erstmals im Jahr 1606 in seinem Stück Anton und Cleopatra verwendete“, erklärte sie. „Sie bezeichnet eine Zeit sorgloser Unschuld, von Vergnügungen und Idealismus, die Zeit der Jugend eben.“

„Dann bin ich auch in meinen Salattagen?“, erkundigte sich Edward und warf dem Salat, den die Diener soeben servierten, einen misstrauischen Blick zu.

Elizabeth lachte. „Ich würde sagen, in der Vorstufe dazu. Du bist noch nicht erntereif.“

 

Nachdem sie in den Buckingham Palace zurückgekehrt waren, versammelte sich die Familie in dem geräumigen Salon hinter dem Balkon, von dem aus sie gleich den jubelnden Menschenmassen zuwinken wollten.

„Wie schön, dass du heute deine Williamson-Diamond-Brosche trägst“, befand Queen Mum und lächelte ihre Tochter an.

Elizabeth erwiderte das Lächeln. „Ja, sie begleitet mich schon so lange und schien mir daher als Symbol für den heutigen Tag genau richtig.“

Der Stein in der Mitte, der wie eine Blüte gearbeitet war, war der größte rosafarbene Diamant der Welt. Elizabeth hatte ihn 1947 von dem kanadischen Geologen Dr. John Thorburn Williamson, nach dem das Schmuckstück benannt war, zur Hochzeit bekommen.

„Unglaubliche sechs Jahre hat es gedauert, bis der Stein endlich von Cartier gefasst wurde“, erinnerte sich Queen Mum. „Williamson wollte, dass der Stein in die Mitte weiterer rosafarbener Diamanten gesetzt würde, und wollte uns welche zukommen lassen, was er aber nie tat.“

„Was daran lag, dass er keine rosafarbenen Diamanten in ausreichender Zahl ausfindig machen konnte, weil sie derart selten sind. Aber es war reizend, wie er sich bemüht hat“, sagte Elizabeth, „und es macht den großen rosafarbenen Diamanten umso wertvoller.“

Statt der kleinen rosafarbenen Diamanten hatte der Geologe seinem ursprünglichen Geschenk hundertsiebzig kleine Diamanten im Brillantschliff, zwölf Diamanten im Baguetteschliff und einundzwanzig Marquise-Diamanten hinzugefügt, aus denen Cartier um den rosafarbenen Diamanten Blütenblätter, Stiel und Blätter gesetzt hatte.

Während die Königin und ihre Mutter in Erinnerungen schwelgten, wurden die Rufe der Menschen, die sich unter dem Balkon versammelt hatten und darauf warteten, die Königsfamilie zu sehen, immer lauter.

„Ich glaube, wir sollten hinausgehen“, ließ sich Philips Onkel, Dickie Mountbatten, vernehmen.

„In der Tat, das sollten wir“, bestätigte Elizabeth und trat, gefolgt von ihrer Familie, auf den Balkon, wodurch sich der Jubel der Menge ins Unermessliche steigerte. Elizabeth winkte und lächelte, wie sie das ihr Leben lang getan hatte – erst als Prinzessin und später als Königin –, und trat schließlich wieder in den hinter dem Balkon liegenden Raum zurück.

Dort erwartete sie ihr Privatsekretär Martin Charteris, der Elizabeth schon begleitet hatte, als sie noch Prinzessin gewesen war. Damals war er ihr Privatsekretär gewesen, als sie Königin wurde, hatte sie aber den Privatsekretär ihres Vaters, Tommy Lascelles, übernehmen müssen, dem Michael Adeane gefolgt war. Martin war stets ihr zweiter Privatsekretär gewesen und 1972 dann endlich ihr erster geworden. Insofern kannte Elizabeth ihn genau, konnte in seiner Miene, obgleich diese meist unbewegt war, lesen wie in einem Buch. Deshalb wusste sie, dass es ein Problem gab, bevor Charteris überhaupt das Wort ergriffen hatte.

„Was ist, Martin?“

„Nun, es ist so“, begann Charteris. „Wie es scheint“, er räusperte sich und stieß dann hervor: „Ein Schiff hat vor Westminster Palace angelegt.“

„Aha.“ Elizabeth sah ihren Privatsekretär ratlos an. Da sie am Tag zuvor das Feuerwerk gezündet hatten, das an die Leuchtfeuer bei der Ankunft der spanischen Armada erinnern sollte, konnte sie sich die Bemerkung nicht verkneifen: „Ich hoffe, es ist kein feindliches Schiff.“

„Wie man es nimmt, Ma’am.“

„Nun reden Sie schon, Martin.“

Der atmete einmal tief durch. Auch nach über einem Vierteljahrhundert in Elizabeths Diensten fiel es ihm immer noch schwer, der von ihm sehr Verehrten schlechte Nachrichten zu überbringen.

„An Bord befanden sich vier junge Männer, Ma’am. Ihre Namen sind John Lydon, John Ritchie, Steve Jones und Paul Cook. Zusammen bilden sie eine Punkband, die sich, äh, Sex Pistols nennt.“

„Fahren Sie fort.“

„Nun, sie sangen God save the Queen.“

„Wie das dieser Tage Millionen Briten tun.“

„Nein, Ma’am, diese Version singen, zum Glück, nicht Millionen Briten. Es ist eine, ich möchte sagen, Verunglimpfung der Hymne. Sie haben sie laut und mit Megafonen gesungen.“

„Haben Sie den Text?“, fragte Elizabeth mit unbewegter Miene.

„Natürlich, Ma’am.“ Etwas umständlich kramte Charteris ein Blatt Papier heraus und reichte es Elizabeth peinlich berührt. Sie las.

„Gott schütze die Königin/Sie ist kein Mensch/Und es gibt keine Zukunft/Für Englands Träume.“

Elizabeth schluckte. Vor zwanzig Jahren war schon einmal derart harsche Kritik an ihr geübt worden. Ein gewisser Lord Altrincham hatte sie als schulmädchenhaft und unnahbar bezeichnet, was sie hart getroffen hatte. Daraufhin hatten Elizabeth und Philip verschiedene Schritte unternommen, um das Königshaus zu öffnen.

Still sah Martin sie an. Und so, wie sie in seinem Gesicht lesen konnte wie in einem Buch, konnte er es in ihrem.

„Ma’am, das hat lange nicht die Ausmaße wie die Kritik des Lord Altrincham seinerzeit. Zwei Polizeiboote waren sofort zur Stelle und forderten die Band auf, ihren Gesang zu unterlassen. Doch die Männer haben nicht reagiert. Also hat die Polizei das Boot geentert und elf Personen verhaftet.“

„Lord Altrincham wurde damals auch Paroli geboten“, sagte Elizabeth. „Er wurde geohrfeigt. Und dennoch oder vielleicht gerade deshalb gab es eine riesige Welle.“

„Aber Sie können das nicht vergleichen“, beharrte Martin Charteris. „In diesem Jahr Ihres silbernen Thronjubiläums sind Sie populär wie selten zuvor. Und die neue U-Bahn-Linie hat man Ihnen zu Ehren ja sogar Jubilee Line genannt.“

„Und dennoch geht es den Briten in wirtschaftlicher Hinsicht schlecht wie nie“, gab die Queen zu bedenken, „weshalb wir ja überlegt hatten, ob wir die Feierlichkeiten zum silbernen Thronjubiläum wirklich so groß begehen sollen.“

„Und ich hatte Ihnen ausdrücklich zugeraten, Ma’am, und ich stehe dazu. Die Menschen brauchen Optimismus und Festtagsstimmung als moralische Unterstützung. Glauben Sie mir, das bringt Sie dem Volk näher. Die Situation lässt sich ein wenig vergleichen mit Ihrer Krönung im Nachkriegsengland, und auch damals haben wir uns entschieden, diese groß zu begehen. Weil die Menschen etwas Glanz, Mut und Hoffnung brauchen. Die Leute lieben Sie, Ma’am. Sie sehen doch, wie sie Ihnen zujubeln.“

Nachdenklich sah Elizabeth ihren Privatsekretär an. In der Tat war sie überall, wo sie bisher auf ihrer Commonwealth-Tour hingekommen war, begeistert empfangen worden. Und das hatte sie überrascht. Es hatte sie tief im Herzen berührt, fast schon bestürzt. Das Land befand sich in einer tiefen Krise, und dennoch liebten die Menschen sie von ganzem Herzen, vertrauten ihr.

„Liebes?“, ertönte eine Stimme neben ihr. Elizabeth wandte sich um und sah in das vertraute Gesicht ihrer inzwischen sechsundsiebzigjährigen Mutter. „Mach dir nichts aus diesen albernen Jungen“, sprach Queen Mum ihrer Tochter Mut zu. „Es ist genau so, wie es Mr Charteris erläutert hat. Die Leute lieben dich, viel mehr, als dir selbst bewusst ist. Das verbindet dich übrigens mit deinem Großvater.“

„Du meinst mit George V., deinem Schwiegervater?“

Queen Mum nickte. „Als er sein Jubiläum beging, war er ebenfalls völlig überwältigt und überrascht von der Liebe und Begeisterung, die ihm überall entgegenschlug. Die Engländer sind nicht dumm, Elizabeth.“

„Wie meinst du das?“

„So, wie ich es sage. Sie vermögen sehr genau zu trennen zwischen Ursache und Wirkung. Die große Menge gibt dir nicht die Schuld an der Krise, in der dieses Land steckt. Sie sehen, dass du, wie dein Großvater, fleißig, grundanständig und ehrlich bist. Dass du ein großes Herz hast. Sie lieben dich als den Menschen, der du bist.“

Elizabeth merkte, dass ihr Herz schneller zu schlagen begann. Wenn ihre Mutter wirklich recht hatte, dann war das das schönste Geschenk, das die Briten ihr zu ihrem silbernen Thronjubiläum hatten machen können. Wieder klangen ihr die Worte ihrer verstorbenen Großmutter, Queen Mary, im Ohr. Kurz bevor Elizabeth Königin geworden war, hatte diese ihr gesagt, dass Lilibet, das Mädchen, die Frau, in dem Moment verschwinden würde, in dem sie Königin werde. Dann gebe es nur noch die Krone. Elizabeth hatte sich gefragt, wie das gehen solle. Sie war doch immer noch der gleiche Mensch, Mensch und Krone ließen sich doch nicht trennen! Und nun würdigten die Briten sie zu ihrem fünfundzwanzigsten Thronjubiläum, indem sie den Menschen liebten und nicht – oder nicht nur – die Krone. Vorausgesetzt, es stimmte, was Martin Charteris und ihre Mutter sagten. Aber gerade diese beiden waren neben Philip ihre ehrlichsten und direktesten Ratgeber, hatten eine scharfe Beobachtungsgabe und wussten Situationen hervorragend einzuschätzen. Wenn sie sagten, dass es so war, dann war es so. Und dann konnte ihr auch eine Band namens Sex Pistols diese tiefe, unbändige Freude nicht nehmen.

Eva-Maria Bast

Über Eva-Maria Bast

Biografie

Eva-Maria Bast, geboren 1978, ist Journalistin, Verlegerin und Autorin. Für ihre Arbeiten erhielt sie diverse Auszeichnungen, darunter den Deutschen Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung in der Kategorie Geschichte, und stand unter anderem mit dem Pseudonym Charlotte Jacobi (zusammen...

Pressestimmen
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