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Die Richterin und das Erbe der Toten (Ein Fall für Mathilde de Boncourt 6) Die Richterin und das Erbe der Toten (Ein Fall für Mathilde de Boncourt 6) - eBook-Ausgabe

Liliane Fontaine
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Ein Südfrankreich-Krimi

— Der neue Frankreich-Krimi mit der beliebten Richterin Mathilde

„Rund um die spannenden Fälle, die auch gesellschaftlich relevant sind, atmen die Bücher Kultur, Land und Leute.“ - SR "aktueller bericht"

Alle Pressestimmen (6)

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Die Richterin und das Erbe der Toten (Ein Fall für Mathilde de Boncourt 6) — Inhalt

Ein Krimi für alle Südfrankreichfans: Mord à la française - und die Untersuchungsrichterin mittendrin
 
 Die ungewöhnliche Krimireihe um Richterin Mathilde de Boncourt geht weiter. Für Fans von „Madame le Commissaire“ und Kommissar Dupin.  

In Nîmes wird ein junger Mann ermordet aufgefunden. Richterin Mathilde de Boncourt und ihr Team stoßen bei ihren Ermittlungen auf eine Verbindung zur Familie Savigny, die mit ihrer Olivenölproduktion zu Reichtum gekommen ist.

Das Brisante: Nahezu die gesamte Familie kam vor vielen Jahren bei einer Brandkatastrophe ums Leben. Die Tochter der Savignys, Valerie, überlebte, liegt seither allerdings im Wachkoma. Als sie wenig später stirbt, sind die Ärzte wenig überrascht, denn ihr Ableben war durchaus zu erwarten. Doch Mathilde ist skeptisch. Wem spielt der Tod der Erbin in die Karten?

Mathilde de Boncourt ermittelt:

Band 1: Die Richterin und die Tote vom Pont du Gard
Band 2: Die Richterin und die tote Archäologin
Band 3: Die Richterin und der Kreis der Toten
Band 4: Die Richterin und das Ritual des Todes
Band 5: Die Richterin und der Tanz des Todes
Band 6: Die Richterin und das Erbe der Toten
Band 7: Die Richterin und der Todesbote
Band 8: Die Richterin und das Todesspiel


Alle Bände sind in sich abgeschlossene Fälle und können unabhängig voneinander gelesen werden.

€ 12,00 [D], € 12,40 [A]
Erschienen am 30.03.2023
304 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-31936-2
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€ 6,99 [D], € 6,99 [A]
Erschienen am 30.03.2023
304 Seiten
EAN 978-3-492-60367-6
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Leseprobe zu „Die Richterin und das Erbe der Toten (Ein Fall für Mathilde de Boncourt 6)“

Prolog

Zweiundzwanzig Jahre zuvor

Die beiden Hunde rochen es zuerst. Der beißende Geruch drang in ihre empfindlichen Nasen. Doch mehr, als laut zu bellen und an dem Gitter des großen Zwingers hochzuspringen, konnten sie nicht tun.

Am nächsten Tag füllte die Schlagzeile eine halbe Seite in der Tageszeitung Midi Libre.

Drama um fünfköpfige Familie

In den späten Abendstunden starben vier Menschen bei einem Brand ihres Hauses in der Nähe von Beauvoisin. Bei den Opfern handelt es sich um Mitglieder der über die Grenzen des Languedoc hinaus bekannten Familie [...]

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Prolog

Zweiundzwanzig Jahre zuvor

Die beiden Hunde rochen es zuerst. Der beißende Geruch drang in ihre empfindlichen Nasen. Doch mehr, als laut zu bellen und an dem Gitter des großen Zwingers hochzuspringen, konnten sie nicht tun.

Am nächsten Tag füllte die Schlagzeile eine halbe Seite in der Tageszeitung Midi Libre.

Drama um fünfköpfige Familie

In den späten Abendstunden starben vier Menschen bei einem Brand ihres Hauses in der Nähe von Beauvoisin. Bei den Opfern handelt es sich um Mitglieder der über die Grenzen des Languedoc hinaus bekannten Familie Savigny. Ernest Savigny, der die Olivenölproduktion der Familie in der vierten Generation fortführte, wurde zusammen mit seiner Frau und zwei der drei Kinder Opfer der Flammen, die auch einen Teil des alten Herrenhauses zerstörten. Der Brand brach wahrscheinlich gegen halb acht Uhr am Abend aus, als die Familie bei Tisch saß. Die jüngste Tochter konnte sich aus den Flammen retten und liegt schwer verletzt in einem Krankenhaus in Nîmes. Bemerkt wurde die Katastrophe vom Hausmeisterehepaar der Familie Savigny und einem Bruder der verstorbenen Madame Savigny, die zur gleichen Zeit am Ort des furchtbaren Unglücks eintrafen. Noch ist nicht geklärt, wo und aus welchem Grund das Feuer ausbrach. Die Brandursachenermittler der Recherche des Causes et des Circonstances de l’Incendies, RCCI, haben ihre Arbeit aufgenommen.

 

Zwei Tage später fesselten ein Foto des rußgeschwärzten Hauses und eine Portraitaufnahme von Ernest Savigny die Leser des Midi Libre.

Noch immer tappen die Brandursachenermittler des RCCI im Dunkeln. Capitaine Georges Gerard von der Gendarmerie nationale ließ verlauten, alles deute darauf hin, dass ein Kurzschluss in der Elektrik zur Katastrophe geführt haben könnte. Genaueres könne man zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht sagen. Derweil wurde bekannt, dass die dreizehnjährige Tochter Valerie im Koma liegt. Wie bereits berichtet, hat sonst niemand der Familie Savigny den Brand überlebt.

 

Nach einer Woche hatten die Brandursachenermittler ihre Arbeit beendet. Der Midi Libre schrieb dazu:

Capitaine Georges Gerard von der Gendarmerie nationale und sein Team haben die Suche nach der Brandursache im Hause der Familie Savigny beendet. Als Auslöser für die Katastrophe hat die Untersuchung ein Dohlennest im Abzug des Kamins im Salon ergeben, das den Kamin massiv verstopft hat. Die Mitglieder der Familie Savigny haben eine Rauchgasintoxikation erlitten, an der sie laut Bericht der Gerichtsmedizin verstorben sind. Die Flammen, die aus dem Kamin schlugen, haben sich offenbar sehr schnell über die Gardinen der Fenster im gesamten Raum ausgebreitet. Hier sind die größten Brandschäden zu verzeichnen. Es ist ein Wunder, dass sich die jüngere Tochter retten konnte. Sie liegt immer noch im Koma in einem Krankenhaus in Nîmes. Wann und ob die Ärzte sie aus diesem wieder erlösen können und welcher Gesundheitszustand sich dann abzeichnen wird, bleibt abzuwarten, ließ die behandelnde Ärzteschaft verlauten.

 

Am übernächsten Tag berichtete der Midi Libre:

Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wurden Ernest Savigny, seine Ehefrau Marie-Laurence und die beiden Kinder Chantal und Eric gestern Nachmittag zu Grabe getragen. Über eine Hoffnung auf Genesung der jüngeren Tochter Valerie ist noch nichts bekannt.

 

Drei Monate später erschien der letzte Beitrag im Midi Libre zur Brandkatastrophe im Hause der Familie Savigny.

Dominic Roubais übernimmt vorerst das Olivenölimperium Savigny. Huiles d’Olives Savigny bleibt in der Familie. Dominic Roubais, ein Cousin des verstorbenen Olivenölproduzenten Ernest Savigny, übernimmt das Unternehmen, dem er bereits seit vielen Jahren als stellvertretender Geschäftsführer angehörte. Der Name Huiles d’Olives Savigny bleibt erhalten. Neben der Produktion hochwertigen Olivenöls bietet das Unternehmen auch eine breite Palette von Olivenspezialitäten an, von der eingelegten Olive bis hin zu delikaten Aufstrichen.

Nach der Fertigstellung der Renovierungsarbeiten, Monsieur Roubais schätzt, dass das Herrenhaus in zwei Monaten wieder bewohnbar ist, wird der neue Chef des Hauses mit seiner Familie einziehen. Isabelle Roubais wird ihren Mann tatkräftig in der Unternehmensführung unterstützen, die beiden Kinder Firmin und Diane freuen sich bereits auf den Umzug in das altehrwürdige Haus. „Sobald Valerie wieder bei Bewusstsein und genesen ist, wird sie natürlich mit Beginn ihrer Volljährigkeit das Unternehmen leiten, wenn sie es wünscht“, so Dominic Roubais beim Pressetermin. Noch aber liegt Mademoiselle Valerie Savigny im Koma. Über ihren gegenwärtigen Zustand und die Aussichten auf Heilung ist nach wie vor nichts Neues bekannt.

 

Kapitel 1

Es war Odile nicht leichtgefallen, überhaupt nichts zu tun, die Hände in den Schoß zu legen und abzuwarten. Der gute Geist im Château de Boncourt und Ziehmutter von Mathilde de Boncourt sah ihrem Geburtstag jedes Jahr mit gemischten Gefühlen entgegen. Sie freute sich über die große Aufmerksamkeit, die man ihr widmete, aber ihre Küche kampflos Mathilde, Vivienne und Lucette zu überlassen, fiel ihr schwer.

„Nichts da, du versorgst uns tagaus und tagein, kochst, lässt dir die besten Leckereien einfallen, da wirst du dich doch mal einen Tag von uns verwöhnen lassen“, hatte Mathilde gescholten, und Odile hatte sich in ihr Schicksal ergeben. Da Rémy de Boncourt, Besitzer des Weingutes und graue Eminenz im Hintergrund, und sein Neffe Philippe, der die Geschäfte leitete, am Freitag nach Lyon zur Weinmesse aufbrechen wollten und so das Wochenende für die geplante Feier nicht infrage kam, war beschlossen worden, Odile am Tag ihres Wiegenfestes hochleben zu lassen.

Neugierig war sie alle paar Minuten an der Küchentür erschienen, doch immer wieder mit dem Wedeln eines Geschirrtuchs hinauskomplimentiert worden. Und so saß sie mit einem Buch in der Hand im Salon, als Mathilde hereinkam, um nach ihren Zigaretten zu suchen, die sie auf dem Couchtisch abgelegt hatte.

„Was liest du denn da?“, fragte sie und steckte die Packung ein. Geraucht wurde draußen, ein Gesetz Odiles, dem sie nicht zu widersprechen wagte, es sei denn, sie befand sich in ihrem eigenen Appartement im ersten Geschoss des Schlosses. Dort rauchte sie heimlich, pustete den Rauch ihrer Gauloises blondes aus dem bodentiefen Fenster und wurde doch immer irgendwie von Odile dabei erwischt.

„Die Kindheitserinnerungen von Marcel Pagnol. Bestimmt schon zum hundertsten Mal, aber ich liebe diese Geschichten. Allerdings lese ich jede Seite zweimal. Ich kann mich überhaupt nicht konzentrieren. Was hat denn vorhin in der Küche so gescheppert?“ Odile klappte das Buch zu und legte es weg.

„Nichts Schlimmes passiert. Sébastien hat sich über seine Mutter geärgert, weil die ihn das Eiweiß nicht schlagen ließ. Sie hat an der Schüssel gezerrt, und Sebastien hat plötzlich losgelassen.“ Mathilde lachte. „Fast hätte sie sich auf ihren Allerwertesten gesetzt. Die Schüssel ist auf den Boden geplumpst. Gott sei Dank waren noch keine Eiweiße drin.“

„Aha, was macht ihr mit dem Eiweiß? Baisers?“

„Meine liebste Odile, wie kann man nur so neugierig sein.“ Mathilde umarmte die ältere Frau und drückte ihr einen Kuss aufs Haar. „Lass dich doch einfach überraschen.“

„Und die Jungs, was planen die?“

Die Jungs waren die vier Söhne von Philippe und Lucette, die zum Ehrentag von Odile zusammen mit Sébastien ein kleines Theaterstück aufführen wollten. Seitdem Viviennes Sohn, der mit dem Downsyndrom zu Welt gekommen war, im Sommer bei einer Aufführung in der Arena von Nîmes mitgewirkt hatte, stand sein Berufswunsch fest: Er wollte Schauspieler werden. Gar nicht so leicht für einen jungen Mann mit diesem Handicap, hatte die ganze Familie vermutet. Doch Sébastien war hartnäckig geblieben, hatte mit Mathildes Hilfe eine Bewerbung und ein Foto an eine Casting-Agentur geschickt, und tatsächlich hatte er eine winzige Nebenrolle in einem Film bekommen. Die Dreharbeiten würden im nächsten Frühjahr beginnen.

„Odile, das wirst du noch früh genug erfahren. Jetzt halt einfach mal die Füße still, und genieße es, nichts zu tun“, sagte Mathilde streng.

„Gut. Aber, was rieche ich denn da? Da brennt doch hoffentlich nichts an.“ Odile hob den Kopf und schnupperte.

„Nein, da kann noch nichts angebrannt sein. Die …, sag mal, willst du mich aufs Glatteis führen? Jetzt hätte ich doch fast verraten, was wir in den Ofen schieben. Versuch das bloß nicht noch mal, du weißt, was auf zu große Neugierde steht.“

„Na, das möchte ich sehen, eine Richterin kriegt mich wegen Neugierde dran“, schnaubte Odile. Ihre Augen blitzten amüsiert. „Mathilde …“ Sie wurde plötzlich ernst. „… ich weiß eigentlich gar nicht, was ich sagen soll. Ich bin so gerührt. Du nimmst dir für mich den ganzen Tag frei, wo du doch in Arbeit geradezu ertrinkst.“

„Ach, was, Odile, ich liebe dich. Du bist wie eine Mutter für mich. Es ist selbstverständlich.“ Sie setzte sich neben Odile und nahm ihre Hand. „Was wäre ich denn ohne dich und grand-père? Hm?“

Mathildes Eltern waren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen, als sie gerade einmal drei Jahre alt gewesen war. Ihr Großvater Rémy und Odile hatten sie großgezogen, ihr die Werte vermittelt, die letztendlich zur Wahl ihres Berufs geführt hatten. Mathilde war Untersuchungsrichterin, juge d’instruction, am Gericht von Nîmes.

Die Tür wurde ein Stück aufgeschoben, und ein brauner Hundekopf äugte herein. Schwanzwedelnd marschierte der Labrador zum Sofa und sprang auf das weiche Kissen, keine zehn Sekunden später folgte ein schwarzer Labrador, der es sich auf dem Teppich vor dem Kamin bequem machte.

„Babou, willst du wohl da runter.“ Mathilde wedelte halbherzig mit den Händen, der Hund sah in eine andere Richtung und blieb liegen.

„Wie die kleinen Kinder, wenn er nichts sieht, denkt er, wir sehen ihn nicht“, sagte Odile lachend. „Lassen wir ihn, er ist ein alter Mann geworden, er darf es bequem haben.“

Vom Kamin her war ein Schnarchen zu hören. „Grand-père war mit den Hunden unterwegs. Jetzt hör dir mal an, welches Schnarchkonzert Henri gibt.“ Auch vom Sofa ertönte nun ein satter schnaufender Ton. Babou war ebenfalls eingenickt.

Mathilde erhob sich. „So, weiter geht’s, wenn die fünf Gänge fertig werden wollen, muss ich wieder ran.“ Mathilde hatte zusammen mit Lucette alte Kochbücher mit Rezepten aus der Region durchforstet, um Odile etwas ganz Besonderes an ihrem Geburtstag auf den Tisch zu zaubern.

„Mon Dieu, fünf Gänge. Auch wenn ich das Gefühl habe, ich müsste selbst in der Küche stehen, so bin ich doch ein wenig stolz darauf, dass ihr euch alle so viel Mühe wegen meines Geburtstags gebt. Aber weißt du, was das schönste Geschenk für mich ist, meine kleine Mathilde?“

Mathilde konnte es sich denken. „Das habe ich nur für dich getan“, neckte sie Odile und schlang mit einer eleganten Bewegung ihre lockigen rotblonden Haare, das Erbe ihrer Urahnin aus der Normandie, mit einem Haargummi, den sie aus der Hosentasche zog, zu einem Pferdeschwanz zusammen.

„Nein, im Ernst, ich freue mich so. Rachid ist zum ersten Mal an meinem Geburtstag Gast an unserer Familientafel. Weißt du, ich habe eine Zeit lang gedacht, du und Martin … Das hätte mir auch gefallen. Aber ihr beide, du und Rachid, ihr seid so ein schönes Paar.“

Es hatte geraume Zeit gedauert, bis sich Mathilde über ihre Gefühle für Commandant Rachid Bouraada klar geworden war. Und seit dem Hitzesommer diesen Jahres wussten sie, dass sie zusammengehörten. Martin Endress, der Reiseschriftsteller aus Deutschland, der jetzt in Saint-Fons in direkter Nachbarschaft zum Weingut lebte, war ihr engster und bester Freund, und er gönnte Mathilde ihr Glück von ganzem Herzen, auch wenn er zugeben musste, dass er sehr verliebt in sie gewesen war. Rachid war Mathildes vertrautester Mitarbeiter, und sie hatten in den Jahren ihrer Zusammenarbeit so manchen kniffeligen Fall zusammen gelöst. Er war ihr Fels in der Brandung, sowohl was die berufliche Seite wie nun auch ihr Privatleben anbelangte. Mathilde war glücklich.

 

Als Rachid sich von Mathilde verabschiedete, war es weit nach Mitternacht.

„Und ich kann dich wirklich nicht überreden, mit in die Stadt zu kommen?“ Er hielt ihre Hände und musterte sie zärtlich.

„Ich kann Vivienne und Lucette nicht mit dem ganzen Durcheinander alleine lassen. Wir sehen uns morgen.“ Sie küsste ihn und stemmte dann die Arme in die Seiten. „Mir tut alles weh vom Lachen.“

Odile war komplett aus dem Häuschen geraten. Fünf Gänge, nur für sie, und einer köstlicher als der andere. Croquettes de brandade als Entrée, dazu ein Glas Champagner, Terrine de lapin à la farigoule, Soupe de courge et de châtaignes aux truffes, als Hauptgang Cailles aux raisins und zum krönenden Abschluss eine Charlotte à la châtaigne. Ein festliches und formidables herbstliches Geburtstagsmenü.

Und die Theateraufführung der Jungs nur ihr zu Ehren einstudiert. Sie hatten ein kurzweiliges Stück aufgeführt. Der Vorname, ein Bühnenstück, das auch erfolgreich den Weg in die Kinos gefunden hatte, war von ihnen auf zwanzig Minuten eingedampft worden. Die Zwillinge hatten die weiblichen Rollen übernommen, Sébastien glänzte als Vincent, der mit dem Vornamen, den sein Sohn erhalten sollte, zunächst nicht rausrückte und dann mit dem „Geständnis“, er werde Adolf heißen, einen Familienstreit vom Feinsten provoziert hatte.

„Ich habe grand-père selten so vergnügt gesehen. Ihm sind die Lachtränen nur so über die Wangen gekullert. Es war ein wundervoller Abend. Hast du gesehen, wie Odile gestrahlt hat, als du gekommen bist? Ich glaube, sie ist ein wenig in dich verliebt“, neckte Mathilde Rachid.

„Sie hat mich schon immer gemocht. Denk nur an die Arbeitssitzungen hier. Sie hat uns immer etwas serviert, von dem sie hoffte, dass ich es besonders mag. Das hat sie mir heute gestanden.“

Langsam gingen die beiden zu Rachids Wagen.

„Und weißt du, was mich auch glücklich macht?“, fragte Mathilde.

„Meine ausgeprägte Kennerschaft, was Weine angeht. Schließlich kann ich nicht nur einen Rotwein von einem Weißwein unterscheiden, ich trinke und genieße sie sogar.“ Rachid grinste über beide Ohren. „Ansonsten wäre ich für deinen Großvater niemals infrage gekommen. Ein Glück, dass meine Familie es nicht so genau nimmt. Als Papa und Carla geheiratet haben, gingen bestimmt dreißig Flaschen eurer Weine weg.“

Rachids Vater hatte ein paar Wochen zuvor seine Nachbarin Carla Brouni geheiratet, die nun Carla Bouraada hieß und ein letztes Mal ihren Scherz „Gestatten, Carla Brouni, wie die Frau unseres ehemaligen Präsidenten, nur mit einem o“ zum Besten hatte geben können.

„Dann schlaf gut. Wir essen morgen Mittag zusammen, wie verabredet.“

„Du auch.“ Es folgte ein langer Kuss, und Mathilde sah dem Wagen nach, der zwischen den Alleebäumen, die die lange Auffahrt säumten, verschwand.


Kapitel 2

Er war mehr oder weniger mit dem letzten Cent angekommen. Es hatte eben noch für den Flug aus Santiago gereicht, und er würde noch ein paar Tage durchhalten. Und dann? Dann stand er vor dem Nichts. Am späten Vormittag war er in Marseille gelandet. Nach etwas mehr als neunzig Minuten war sein Zug dann in Nîmes angekommen. Er hatte bis zuletzt gewartet, den alten Kontakt wiederherzustellen, hatte ein Versprechen gebrochen, nein, ein Gebot, ein Verbot, ignoriert. Und dementsprechend war auch die Reaktion gewesen. Zuerst großes Erstaunen. Wie kommst du hierher? Er hatte es mit einem Scherz versucht. Na, mit der Luftpost. Wie lange hatten sie sich nicht gesehen? Es war noch ein Hauch der alten Vertrautheit zwischen ihnen spürbar, aber auch eine Portion Feindseligkeit. Nicht von seiner Seite aus.

Er hatte von Anfang an mit offenen Karten gespielt, seine prekäre Situation, in die er, wie er meinte, unverschuldet hineingeraten war, nicht beschönigt. Er hatte nichts mehr, wie er beteuerte. Alles weg. Verkauft, verhökert. Seine Spielsucht war ihm zum Verhängnis geworden. Und bevor er noch mit zerschmetterten Gliedern und einem Loch im Kopf irgendwo in einem Graben landete, habe er es vorgezogen, in die alte Heimat zurückzukehren. Zurück zu den Wurzeln, das kannst du doch verstehen?

Nein! Er hätte bleiben sollen, wo der Pfeffer wächst.

Du meinst, ich hätte nach Madagaskar abhauen sollen?, hatte er es wieder mit einem lahmen Scherz versucht.

Also, was willst du? Geld? Aber das bleibt eine einmalige Angelegenheit, hörst du?

Sein Zögern wurde ganz richtig interpretiert.

Du willst mehr? Erwartest du etwa eine lebenslange Rente von mir? Schmink dir das ab. Such dir eine Arbeit.

Er leistete den Offenbarungseid. Er war nicht mehr in der Lage zu arbeiten. Alkohol und Drogenexzesse. Leber und Nieren waren in Mitleidenschaft gezogen, er litt unter ständigen Kopfschmerzen, sein Gedächtnis war ein Sieb.

Drogen und Alkohol? Deine Misere hast du ganz alleine zu verantworten, war die kalte Antwort gewesen.

Am Ende war ihm nichts anderes übrig geblieben, als eine Drohung auszusprechen. Die Drohung, alles an die Öffentlichkeit zu zerren. Was hatte er denn zu verlieren? Dass er seit einiger Zeit Blut spuckte, hatte er für sich behalten. Der Quacksalber, den er in Santiago aufgesucht hatte, war gnadenlos ehrlich gewesen. Neun Monate, höchstens ein Jahr. Vielleicht erlebte er noch den nächsten Sommer. Aber das musste niemand wissen. Er wollte es noch länger als bis in den Sommer schaffen, einen Sommer, der mit dem Gesang der Zikaden begann und mit ihm endete, einen Sommer im heißen Sand, ein Bad im Mittelmeer, einen Sommer, der in seinen Träumen niemals endete.

Du willst mich erpressen?

Aber nein. Ich bitte dich, um der alten Zeiten willen, einen alten Freund zu unterstützen, der es alleine nicht mehr schafft.

Er war hartnäckig geblieben, hatte gedroht und gebettelt und das Gespräch dann beendet. Das Versprechen, man wolle sich treffen und man werde eine Lösung finden, klang in seinen Ohren nach.

Den späten Nachmittag, der für den ausklingenden Oktober mild und voller Verheißung auf einen ebensolchen folgenden Tag war, genoss er durch Nîmes schlendernd. Die Arena war teilweise eingerüstet, und die Steine, die bereits restauriert waren, leuchteten in seinen Augen unnatürlich hell. Vor den Lokalen saßen die Menschen, ließen es sich bei einem Aperitif gut gehen, warteten auf ihr Essen, lachten, schwatzten, küssten sich. Wie hatte er das alles vermisst. Staunend stand er vor dem Musée de la Romanité. Er hatte es noch nie gesehen, es gefiel ihm. Und ganz sicher würde er ihm einen Besuch abstatten. Vielleicht wenn es regnete? Genau, ein Regentag im Museum. Er lächelte bei dem Gedanken.

In Santiago war es allmählich warm geworden. Dort zog der Sommer ein, hier verabschiedete er sich. Schon während der Unruhen vor ein paar Jahren hatte er eigentlich die Stadt, das Land verlassen wollen. Doch irgendwie hatte er nie den Absprung geschafft. Schuld war unter anderem Ariadna gewesen, mit der er vier Jahre ein Verhältnis gehabt hatte. Sie war die Frau eines betuchten Weingutbesitzers im Cajón del Maipo gewesen. Doch auch das war ihm nicht gut bekommen. Der Typ hatte ihn grün und blau geschlagen, als er dahintergekommen war.

Vor einem Laden mit Schuhen und Handtaschen blieb er stehen. Aus dem guapo francés, dem feschen Franzosen, wie ihn Ariadna genannt hatte, war ein Wrack geworden. Ein Penner in abgerissener Kleidung. Ob ihn überhaupt in diesem Zustand noch jemand erkannte? Nun, in ein paar Stunden würde er es wissen.

Den Rest der Zeit vertrieb er sich bis zum Einbruch der Dämmerung mit einem kurzen Spaziergang durch die Jardins de la Fontaine. Ein kleines Bier und ein mit Schinken belegtes Sandwich im Les Tables de la Fontaine konnte er sich noch leisten. Ein vorwitziger hungriger Spatz wagte sich bis vor seine Schuhspitzen. Er fegte ein paar Krümel auf den Boden, die das Tierchen aufpickte, bevor es, von einer Taube aufgescheucht, davonflog.

Er hatte sich bis jetzt noch keine Gedanken darüber gemacht, wo er die Nacht verbringen würde. Es war wohl nicht anzunehmen, dass man ihm auch noch ein Bett anbieten würde. Er suchte in seinem Smartphone nach einer Möglichkeit, irgendwo für die nächsten ein bis zwei Nächte preiswert unterzukommen, und prägte sich eine private Unterkunft in der Rue Baudin in der Nähe des Planetariums ein, wo er mit achtundvierzig Euro pro Nacht gut bedient wäre. Und dann würde man weitersehen.

Die Dunkelheit brach herein. Halb sieben und der Tag war fast vorbei. Jetzt begann die Zeit, in der der Lebensrhythmus derer pulsierte, die die Nacht zum Tag machten.

Den Treffpunkt hatte er mit Bedacht gewählt. Von mir aus, aber glaub nicht, dass dir das viel nutzt, war die Reaktion auf seinen Vorschlag gewesen. Er dagegen hatte gehofft, dort an alte Zeiten anknüpfen zu können.

Mit jedem Schritt, der ihn seinem Ziel näherbrachte, wurde er unruhiger. Ein Zittern durchlief seinen Körper, und er begann, unangenehm zu schwitzen. Es wäre besser gewesen, er hätte sich seiner Unterkunft vorher versichert, hätte geduscht und etwas Frisches angezogen. Jetzt stand sein Koffer in einem Schließfach im Bahnhof. Ziemlich genau in der entgegengesetzten Richtung, in die er sich bewegte. Nicht sehr clever. Er musste dann später noch mal den ganzen Weg zurück, sein Zeug holen und hoffen, dass die Unterkunft nicht schon geschlossen war, wenn sie ihn überhaupt beherbergen würden.

„Merde“, sagte er laut. Ein älteres Ehepaar, das mit seinem Hund unterwegs war, drehte sich kopfschüttelnd nach ihm um.

Von den Jardins de la Fontaine waren es nur wenige Gehminuten bis zur Site Vauban, heute eine der Dependancen der Universität von Nîmes. Mit Erstaunen hatte er es gelesen, als er sich im Internet darüber schlaugemacht hatte, ob die Villa Meridia, in der er ab und zu abgestiegen war, immer noch als Hotel existierte. Er konnte sich gut daran erinnern, als das Fort noch als Gefängnis genutzt worden war. Der gesamte Komplex war, obwohl Site Vauban genannt, von dessen Schüler Jean-François Ferry 1687 bis 1688 erbaut worden. Hundert Jahre später wurde das Fort Politisches Sicherheitsgefängnis, bis es 1820 zur Maison centrale de détention, als zentrale Haftanstalt, eingerichtet wurde.

Vor Jahren war er selbst einmal in Santiago im alten Gefängnis Penitenciaría gelandet. Ariadna hatte seine Kaution bezahlt, und er war gleich wieder draußen gewesen. Er konnte von Glück reden, dass es damals nicht zu einer der Revolten gekommen war, die in den überbelegten Strafanstalten Chiles geradezu an der Tagesordnung waren. Einer der Aufstände, die in einer Brandkatastrophe geendet waren, hatte im Knast San Miguel über achtzig Todesopfer gefordert. Eine Gefängnismeuterei mit absichtlich gelegtem Brand, bei dem Teile der Gebäude zerstört wurden, machte 1974 auf die Missstände in Frankreichs Haftanstalten aufmerksam. 1991 schließlich waren die Tage des Forts als Gefängnis gezählt, man sanierte es, und es wurde 2007 Teil der Universität von Nîmes.

Sein Weg führte vorbei an den Resten des antiken Castellum Aquae, von wo das Wasser, das über den Pont du Gard hergeleitet wurde, in die einzelnen Quartiere des römischen Nîmes gelangte, wie er auf einer Hinweistafel lesen konnte. Sein Ziel war der Jardin Mont Margarot, eine nicht sehr große Parkanlage in der Form eines Dreiecks schräg gegenüber des Forts. Der kleine Park auf dem Hügel lag mittlerweile im Dunkeln. Die Beleuchtung der umgebenden Straßen spendete noch etwas Licht. Fast wäre er über einen Mülleimer aus Blech gestolpert, der aus seiner Halterung gerissen worden war. Unrat lag auf dem Weg. Ein Mann kam auf ihn zu, seine angezündete Zigarette glomm auf. Der Mann hastete an ihm vorbei und gab einer Glasflasche, die aus dem Mülleimer gerollt war, einen Tritt.

Er hatte die Parkanlage idyllischer in Erinnerung. In das Holz der Bank, die er angesteuert hatte, waren Buchstaben geritzt, wie er bei näherem Hinsehen bemerkte. Keine Buchstaben in einem Herz, wie man es vielleicht noch vor Jahren gemacht hatte, sondern Buchstaben in den Ecken eines Hakenkreuzes. Wer regierte eigentlich zur Zeit Nîmes? War es immer noch Fournier? Er zuckte mit den Achseln, eigentlich war es ihm egal. Schritte näherten sich. Er nahm sein Smartphone zur Hand und aktivierte die Taschenlampenfunktion.

„So ein Dreck!“ Die Stimme klang ein wenig tiefer als durchs Telefon, war aber unverkennbar. Statt einer Begrüßung musterte ihn ein dunkles Augenpaar von oben bis unten. „Du hast auch schon mal besser ausgesehen. Irgendwie passt du zu der Umgebung.“

Er hatte nicht mit so viel Verachtung gerechnet. Bon, das würde seinen Preis in die Höhe treiben.

Liliane Fontaine

Über Liliane Fontaine

Biografie

Liliane Fontaine ist der Geburtsname der Krimiautorin und Kunsthistorikerin Liliane Skalecki, die in Saarlouis nahe der französischen Grenze geboren wurde. Sie promovierte an der Universität des Saarlandes in den Fächern Kunstgeschichte und Klassische und Vorderasiatische Archäologie und wohnt heute...

Pressestimmen
SR "aktueller bericht"

„Rund um die spannenden Fälle, die auch gesellschaftlich relevant sind, atmen die Bücher Kultur, Land und Leute.“

Merkur online

„Die Figuren sind sympathisch und machen Lust auf weitere Bände der Reihe. Für alle, die ein Stück Frankreich zu Hause haben wollen, ist ›Die Richterin-Reihe‹ genau richtig.“

meinfrankreich.com

„Ein kniffeliger Fall mit sympathischen Protagonisten, interessanter wie spannender Handlung und trotz der vier Toten ein echter Cosy-Krimi!“

SR3 „Krimitipp“

„Spannend und unterhaltsam und auch ein bisschen Reiseführer.“

magazin-koellefornia.com

„Die Autorin versteht ihr Handwerk, ihre Leser an ihren Geschichten teilhaben zu lassen. Grandios.“

lustaufprovance.com

„Die Kriminalromane von Liliane Fontaine zu lesen (ist) wie in den Süden Frankreichs nachhause zu kommen.“

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