Die richtige Flughöhe Die richtige Flughöhe - eBook-Ausgabe
Wie wir Ballast abwerfen und ein besseres Leben führen können
— Lebenshilfe und Krisenmanagement vom Flugpionier„Neue Impulse vom Himmelsforscher“ - (CH) Berner Zeitung
Die richtige Flughöhe — Inhalt
Hoch hinaus im Leben: Der Pionier des modernen Fliegens gibt Tipps fürs persönliche Krisenmanagement
Für Bertrand Piccard gibt es keine Grenzen – außer den eigenen Willen. Er hat die Welt mit dem Ballon umrundet und dabei viel über Spiritualität gelernt. Seine Inspirationen lösen Schranken im Kopf.
Es braucht einen ganz besonderen Charakter, um in einem Solarflugzeug oder Ballon die Welt zu umrunden. Bertrand Piccard hat sich nie gefragt, warum er das machen will. Für ihn ging es immer nur um das Wie. Mit dieser Perspektive auf die eigenen Ziele hat er Dinge erreicht, die vor ihm noch niemand geschafft hat.
Dieses Mindset ist die Grundlage für sein Buch „Die richtige Flughöhe“, in dem Piccard erstaunliche neue Facetten von Spiritualität und Psychologie enthüllt. Er beschreibt, wie Tiefpunkte mit einer Form von Selbsthypnose überwunden werden können, wie ein Abenteuer zur Quelle von Kraft und Inspiration wird und wie es ist, jenseits der Wolken mit sich allein zu sein und daraus gestärkt hervorzugehen.
„Neue Impulse vom Himmelsforscher“ – Berner Zeitung
„Die richtige Flughöhe“ schlägt eine Brücke zwischen Piccards Passion für Flugexperimente, seinen Erfahrungen über den Wolken und den Fähigkeiten, die er dabei entwickelt hat. Der spannende Einblick in die Psychologie eines Pioniers lässt niemanden kalt, der zu neuen Horizonten aufbrechen will.
„Das Buch ist ein Ratgeber an der Schnittstelle von Selbstmanagement, Psychologie und spirituellem Denken – eine ganz eigene, aber unterhaltsame Mischung.“ – Harvard Business Manager
Bevor Bertrand Piccard Weitflugrekorde aufstellte, war der Schweizer als Psychiater tätig. Inzwischen hat er zahlreiche Bücher zu psychologischen Themen und zum Thema Lebenshilfe veröffentlicht und engagiert sich gegen die Klimakrise.
Leseprobe zu „Die richtige Flughöhe“
Einführung von Matthieu Ricard
An Bertrand Piccard bewundern wir seit jeher, dass er es geschafft hat, allein durch die Kraft seiner Vorstellung, seine Kreativität, sein Durchhaltevermögen und seinen Mut Träume wahr werden zu lassen. In Die richtige Flughöhe lässt er uns an den Früchten seiner Erkenntnis teilhaben – und dies mit einer erfrischenden Natürlichkeit. Ihm geht es nicht darum, Theorien darüber aufzustellen, wie wir unser Leben am besten planen können. Er berichtet von eigenen Erfahrungen, die ihm heute besonders hilfreich erscheinen und ohne [...]
Einführung von Matthieu Ricard
An Bertrand Piccard bewundern wir seit jeher, dass er es geschafft hat, allein durch die Kraft seiner Vorstellung, seine Kreativität, sein Durchhaltevermögen und seinen Mut Träume wahr werden zu lassen. In Die richtige Flughöhe lässt er uns an den Früchten seiner Erkenntnis teilhaben – und dies mit einer erfrischenden Natürlichkeit. Ihm geht es nicht darum, Theorien darüber aufzustellen, wie wir unser Leben am besten planen können. Er berichtet von eigenen Erfahrungen, die ihm heute besonders hilfreich erscheinen und ohne Weiteres in die Tat umgesetzt werden können.
Dabei ruft er uns vor allem in Erinnerung, dass alle Unzufriedenheit im Leben hauptsächlich auf dem Fehler beruht, sich die Gegenwart anders zu wünschen, als sie ist. Ein sinnloses Unterfangen. Jeden Tag stehen wir an einer Kreuzung, und alle Wege führen zu einem neuen Ausgangspunkt für eine unvorhersehbare Zukunft, deren inspirierte Architekten wir sein können. Unsere Angst vor dem Ungewissen verblasst, wenn wir die innere Stärke finden, die Unwägbarkeiten des Lebens nicht länger zu bekämpfen. Hierfür, so schreibt Bertrand, müssen wir uns vom Joch unserer vorgefertigten Überzeugungen lösen, denn: „Die meiste Zeit halten uns nicht die Winde des Lebens gefangen, sondern unsere eigene Art zu denken und unsere Existenz zu begreifen.“
Unser Geist kann unser bester Freund oder unser schlimmster Feind sein, und die Qualität jedes gelebten Moments ist eng mit der Art verknüpft, wie wir die Welt wahrnehmen. Ganz gleich, was passiert, wir können die Dinge immer wieder neu erfahren, und es liegt an uns, ob wir sie in ein gutes oder schlechtes Gefühl verwandeln.
Bertrand wehrt sich dagegen, „alles zu kontrollieren, alle Fragen zu beantworten, sich beruhigende Überzeugungen zurechtzustricken und vorgefasste Erklärungen anzunehmen“.
Unsere Kontrolle über äußere Umstände ist begrenzt, flüchtig und häufig sogar illusorisch. So schwer diese Bedingungen auch wiegen: Ob es uns gut oder schlecht geht, hängt häufig davon ab, wie wir unsere Erfahrungen deuten. Wir müssen uns also fragen, welche inneren Voraussetzungen wir erfüllen müssen, um Freude am Leben zu haben, und wie wir sie nähren können. Unsere Weltsicht zu ändern erfordert keinen naiven Optimismus, ebenso wenig wie gekünstelte Euphorie, die nur dazu dient, Gegenwind zu neutralisieren.
„Im Leben“, so Bertrand, „widerfahren uns immer wieder Situationen, die wir nicht ändern können, und doch haben wir gelernt, sie abzulehnen, statt sie zu unserem Vorteil zu nutzen. […] Das chinesische Schriftzeichen für ›Krise‹ macht uns zu ebendieser Mut. Es besteht aus zwei Elementen: Das erste steht für Risiko und Gefahr, während das zweite das Konzept einer Handlung ausdrückt, die man ausführt, oder einer Chance, die man ergreift.“ Die Steine, die sich uns in den Weg legen, sind an sich nicht wünschenswert, können aber zu Katalysatoren von Veränderung werden, wenn man sie zu nutzen weiß. Sich von Schicksalsschlägen nicht aus der Bahn werfen zu lassen bedeutet nicht, dass sie uns nicht nahegehen oder dass sie uns nichts anhaben können, doch sie verbauen uns nun nicht mehr unser Leben. Von höchster Bedeutung ist es, weder Angst noch Mutlosigkeit die Oberhand gewinnen zu lassen. Shantideva, ein buddhistischer Meister aus dem 7. Jahrhundert, ruft uns dies ebenfalls ins Gedächtnis: „Wenn es eine Lösung gibt, wozu der Unmut? Wenn es keine Lösung gibt, wozu der Unmut?“
Das Gleiche gilt auch für das Leid. Bertrand zitiert eine Studie, in der an Krebs erkrankte Menschen die Frage beantworten: „Hatte der Krebs in irgendeiner Form einen positiven Einfluss auf Ihr Leben oder Ihr Lebensgefühl? Wenn ja, welchen?“ Etwa die Hälfte aller Befragten bejahte und gab als positive Aspekte an: ein intensiveres und bewussteres Leben, mehr Verständnis für andere, ein besseres Verhältnis zum Partner, eine verstärkte innerliche wie auch soziale Selbstentfaltung.
Im Buddhismus ist Leid nicht wünschenswert. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass man es sich nicht zunutze machen kann, um menschlich und geistig zu wachsen, wenn das Leid unvermeidbar ist. Der Dalai Lama erklärt es immer wieder: „Tiefes Leid kann unseren Geist und unser Herz öffnen, und so öffnen wir uns unseren Mitmenschen.“ Leid kann eine außergewöhnliche Erfahrung sein. Es führt uns den oberflächlichen Charakter unserer Alltagssorgen vor Augen – dass die Zeit unvermeidlich verstreicht, dass wir verletzlich sind –, und vor allem führt es uns vor Augen, was tief in unserem Inneren tatsächlich zählt.
Wie wir diese Wellen des Leids erleben, hängt hauptsächlich von unserer Einstellung ab. Anstatt von ihnen überrascht zu werden und in Trauer zu verfallen, sollte man sich mit ihnen vertraut machen und sich innerlich auf sie vorbereiten, denn sie sind unvermeidbar: Krankheiten beispielsweise oder das Alter und der Tod. Körperliches oder psychisches Leid kann ungeheuer groß sein, ohne deshalb unseren positiven Blick auf unsere Existenz zu brechen. Wenn wir erst einmal einen gewissen inneren Frieden gefunden haben, ist es viel leichter, unsere seelischen Zustände zu halten oder schnell wiederzufinden, selbst wenn wir mit außergewöhnlich schweren äußeren Umständen konfrontiert sind.
Erlangen wir diesen geistigen Frieden ganz einfach dadurch, dass wir ihn uns wünschen? Wohl kaum. Das Leben lässt sich nicht durch reines Wünschen bestreiten. Und so ist der innere Frieden ein seelischer Schatz, den man nicht ohne Anstrengung erlangt. Wenn wir uns jedoch von unseren persönlichen Problemen überrollen lassen, und seien sie auch noch so groß, sorgen wir nur dafür, dass sich unsere Situation verschlimmert und wir für die Menschen um uns herum zur Last werden. Sämtliche Umstände werden dann als Angriff interpretiert, wir wehren uns verbittert gegen unser Los, und das bis zu dem Punkt, an dem wir die Sinnhaftigkeit unserer Existenz anzweifeln. Deshalb ist ein gewisser innerer Friede von essenzieller Bedeutung. Ohne unsere Sensibilität, unsere Liebe und unseren Altruismus aufzugeben können wir uns dann auf die Tiefen unseres Seins verlassen.
Bertrand widmet einen Teil seines Werks der Lösung von Konflikten, indem man die Perspektive seines Gegenübers einnimmt, sich öffnet und Verständnis zeigt, um gemeinsam Lösungen zu finden und eine noch größere Kluft möglichst zu vermeiden. Ein chinesisches Sprichwort sagt, mit einer Hand könne man nicht klatschen. Ebenso wenig kann man sich mit jemandem streiten, der die Konfrontation gekonnt vermeidet. Wohlwollen und innere Ruhe sind die besten Mittel, um aufkommenden Konflikten den Nährboden zu entziehen.
„Die Freiheit“, so Bertrand, „die wirkliche Freiheit liegt nicht darin, alles tun zu können, sondern alles denken zu können. In alle Richtungen zu denken und auf allen Höhen gleichzeitig, grenzenlos.“ Schon Mahatma Gandhi sagte: „Die äußere Freiheit, um die wir kämpfen, hängt von unserer inneren Freiheit ab. Wenn dies die richtige Auffassung von Freiheit ist, müssen wir uns vor allem einer Veränderung in uns selbst widmen.“
In den Siebzigerjahren traf ein Tibeter einen alten Meister, den auch ich schon besucht habe, in der Nähe von Darjeeling in Indien. Er erzählte ihm zunächst von all seinen vergangenen Leiden, gefolgt von einer Liste all seiner künftigen Sorgen. Währenddessen wendete der spirituelle Meister vor sich ein paar Kartoffeln auf einem kleinen Grill. Nach einer Weile sagte er zu seinem jammernden Gast: „Was reibst du dich so auf wegen etwas, das vergangen ist, und wegen Dingen, die noch gar nicht existieren?“ Verdutzt schwieg der Gast und blieb lange Zeit wortlos bei dem Meister sitzen, der ihm ab und zu eine wohlschmeckende, knusprige Kartoffel reichte.
Innere Freiheit erlaubt es uns, die Schlichtheit des Augenblicks zu genießen, befreit von Vergangenheit und Zukunft. Sich von Erinnerungen nicht einnehmen zu lassen bedeutet nicht, dass man keine nützlichen Lehren aus vergangenen Erfahrungen ziehen kann. Und sich von Zukunftsängsten frei zu machen bedeutet nicht, dass man der Zukunft nicht mehr mit wachem Geist begegnen kann, sondern lediglich, dass man unnötige Ängste vermeidet.
Zu einer solchen Freiheit gehören eine gewisse Geistesgegenwart, Transparenz und Lebensfreude. Sie werden aber durch ständige Sorgen und schlechte Vorstellungen unmöglich gemacht werden. Sie erlauben uns, Dinge mit innerer Ruhe zu akzeptieren, ohne in Passivität oder Schwäche zu verfallen. So lassen sich sämtliche Lebensumstände nutzen, die guten wie die schlechten, da sie uns Raum zum persönlichen Wachstum geben. Wir können vermeiden, dass wir abgelenkt oder arrogant werden, wenn uns das Glück hold ist, oder deprimiert, wenn uns das Leben übel mitspielt. So sind wir, ohne unsere Seelenstärke und unseren inneren Frieden zu verlieren, in der Lage, uns fortwährend dem Wohl anderer Menschen zu öffnen und uns guten Zwecken zu widmen, die jedem Augenblick einen Sinn verleihen.
Vorwort – Sie, ein Buch und ich
Wie beginnt man ein Buch, das vom Leben erzählen soll?
Nicht von dem Leben, das wir von der Geburt bis zum Tod verleben, ohne uns Fragen zu stellen. Auch nicht von dem alltäglichen Leben voller Gewohnheiten und Sicherheiten, in dem wir uns damit begnügen, nur auf das zu reagieren, was uns stört. Nein. Es soll von einem Leben erzählen, in dem wir verstehen wollen, wohin die Reise geht, unsere Existenz spüren, uns steigern, uns entwickeln wollen; in dem wir das unbestimmte Gefühl haben, dass es irgendwo einen höheren Bewusstseinszustand gibt, der uns zu mehr Leistungsfähigkeit, Intelligenz und Weisheit befähigt; in dem wir uns bemühen, eine harmonischere Beziehung zu einer Welt zu entwickeln, die normalerweise an uns vorüberzieht.
Ich würde Ihnen gern erzählen, was ich von diesem Leben weiß, was mich meine Erlebnisse als Psychiater, Abenteurer und Luftfahrer gelehrt haben.
Ich würde Ihnen gern etwas über Hypnose erzählen, über Kommunikation, Krisenmanagement, Religion, Spiritualität, über all die Dinge, die uns manchmal helfen können, durch die Unwägbarkeiten im Wind des Lebens zu navigieren.
Doch wie finde ich von Anfang an die richtigen Worte, um mich verständlich zu machen und den Leser, der sich häufig bereits beim Überfliegen der ersten Zeilen eine endgültige Meinung bildet, sofort in meinen Bann zu ziehen? Und wie kann ich jemanden in genau dem Gemütszustand berühren, in dem er sich beim Aufschlagen dieses Buches befindet? Wie kann ich es vermeiden, falsche Erwartungen zu wecken?
Wer sind Sie, und wonach suchen Sie in Ihrem Leben?
Sie interessieren sich sicher für Gesundheitstipps, denn wer tut das nicht? Sie wissen vielleicht, dass ich Psychiater bin, spezialisiert auf Hypnose. Sie könnten also hoffen, dies sei ein Buch über Therapiemöglichkeiten.
Wenn Sie Flieger sind, werden Sie mich als Luftfahrer kennen. Sie wissen, dass mir die erste Erdumrundung ohne Zwischenlandung mit einem Ballon, dem Breitling Orbiter 3, gelungen ist und dass ich Solar Impulse ins Leben gerufen habe, ein Projekt mit dem Ziel, die Erde mit einem Solarflugzeug zu umrunden. Sie erwarten also möglicherweise ein Werk, das sich mit der Luftfahrt beschäftigt.
Oder aber einen Abenteuerbericht, schließlich vertrete ich die dritte Generation einer Familie von Forschern, die sowohl die Stratosphäre als auch die Tiefseegräben erobert haben. Der Stratosphärenballon und der Bathyscaph finden allerdings nur in diesem Vorwort Erwähnung …
Die Vorträge, die ich vor Unternehmern halte, könnten Sie zu der Annahme verleiten, ein Buch über Management in den Händen zu halten. Das wäre nicht völlig falsch, mit der Einschränkung, dass es sich in diesem Fall um persönliches und nicht um projektbezogenes Management handelt …
Und wenn Sie eines der Interviews gehört haben, die ich zu meiner spirituellen Suche gegeben habe, stößt dieses Thema Sie entweder ab oder aber Sie brennen darauf, jeden meiner Gedanken zu hören, und sei er auch noch so unbedeutend. Weil meine Gedanken mit Ihren Existenzängsten und religiösen Fragen zu tun haben …
Doch wie schaffe ich es, von alledem etwas anzusprechen, ohne mich auf eins dieser Themen festzulegen? Am liebsten wäre es mir, wenn Sie einfach alles vergessen, was Sie von mir zu wissen glauben, damit Sie entdecken können, was ich denke und warum ich schreibe. Womit ich Ihnen vielleicht sogar neue Schubladen liefere, in die Sie mich stecken können.
Alles hängt natürlich auch von dem Gemütszustand ab, in dem Sie dieses Buch aufschlagen. Wie fühlen Sie sich gerade? Fühlen Sie sich unverwundbar, geschützt durch Ihre Überzeugungen und Gewissheiten? Bemühen Sie sich, nichts an sich heranzulassen, um die Verletzlichkeit zu vermeiden, die mit Sensibilität unweigerlich einhergeht?
Oder aber lassen Sie Ihre ganz eigene Schwachstelle zu, die es Ihnen ermöglicht, Dinge zu hinterfragen, und erlauben ihr, ihre tief greifende und wohltuende Wirkung zu entfalten?
Ich wende mich an Sie in Ihrer ganzen Sensibilität. An das menschliche Wesen, das wir alle in unserem Inneren tragen, mehr oder weniger versteckt oder vergessen, das aber jedes Mal wieder zum Vorschein kommt, wenn wir krank oder verängstigt sind, wenn wir jemanden verlieren, der uns wichtig ist, wenn wir glauben, im Wind des Lebens vom Weg abgekommen zu sein; jedes Mal, wenn wir die Hoffnung verloren haben oder – aber das kommt selten vor – wenn wir uns fragen, woher wir kommen und wohin wir gehen, was wir auf dieser Erde tun, isoliert in einem Winkel des Weltalls, umgeben von Abermillionen von Sternen. Ja, da kann einem wirklich schwindelig werden! Haben Sie Lust, diesen Schwindel zuzulassen, diese Fragen zu leben und herauszufinden, wie Sie sich derart von ihnen erfüllen lassen können, dass Sie auf einmal spüren, wie Sie mit Ihrem gesamten Wesen existieren? Sie können diese Fragezeichen natürlich vergessen und dieses Buch auf der Stelle wieder zuschlagen, um sich zu beruhigen und Ihre Komfortzone wiederherzustellen. Sie können aber auch die Lektüre fortsetzen und herausfinden, wohin sie uns führt, Sie und mich.
Ich schreibe für die Männer und Frauen, die durch bestimmte Erfahrungen in ihrem Leben verletzlich geworden sind, die es wagen, sich anzuhören, was in ihnen und anderen vor sich geht. Für diejenigen, die noch so etwas wie kindliche Unschuld spüren können. Die die Verbindung aufrechterhalten zwischen dem, was sie einmal waren, und dem, was sie einmal werden möchten. Für all jene, die darunter leiden, die Zeit verstreichen zu sehen, ohne zu wissen, warum sie eigentlich am Leben sind. Ich wende mich an diejenigen, die sich freiwillig in einen Zustand der Aufnahmefähigkeit versetzen, der es zulässt, dass man sie in ihrem tiefsten Inneren berührt, jenseits aller Schutzmauern und Sicherheiten, aller Grundsätze und anderer Überzeugungen.
Ist es möglich, sich an alle gleichzeitig zu wenden, ob sie nun auf der Suche nach Therapie, Abenteuer, Forschungsberichten, Managementratschlägen oder Spiritualität sind, und den einfachen Fragen Raum zu geben, die wir so häufig zu umgehen versuchen? Wie können wir unseren Drang nach Selbstverwirklichung am besten ausleben? Mit uns selbst? Mit anderen? Mit dem Leben? Durch die Suche nach dem, was unserer Existenz, dem Leiden und dem Tod einen Sinn gibt?
Ich habe dieses Buch absichtlich mit einer Reihe von Fragezeichen begonnen. Fragen statt Aussagen, Zweifel statt Gewissheiten. Dies mag denjenigen bedrohlich erscheinen, die vergessen, dass Fragen immer Türen öffnen, während Überzeugungen oft Gefängnisse sind, und dass Antworten nur jenen zugänglich sind, die den Mut haben, Fragen zu stellen. Umso besser! Wir kommen nur weiter, wenn wir in Kauf nehmen, dass dieses Unterfangen uns ein wenig aus der gewohnten Bahn wirft.
Sie werden auf den folgenden Seiten also keine in Stein gemeißelten Antworten erhalten, lediglich einige Lösungsvorschläge, die auf meinen Erfahrungen oder denen meiner Patienten oder der Frauen und Männer beruhen, die mich inspiriert haben. Ich lade Sie ein, gemeinsam mit mir einige Gedankengänge zu verfolgen, um zu ergründen, wie unser Leben zu einem bereichernden Abenteuer werden kann.
Und ich würde mich freuen, wenn Sie mir nach der Lektüre von Ihren Eindrücken berichten. Sind einige Passagen womöglich unverständlich, einige Ansichten zu kategorisch, einige Beispiele wenig überzeugend? Zögern Sie nicht, mir mitzuteilen, wie ich mich klarer ausdrücken und hilfreicher für Sie als Leser sein kann. Auf diese Weise schreibe ich mein nächstes Werk mit Ihnen gemeinsam …
Bertrand Piccard
Gefangen im Wind des Lebens?
Erste Vorstellungen
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht: Mich berührt es jedes Mal zutiefst, wenn ich höre, wie ein Kind von seiner Zukunft spricht, als würde sie in jedem Fall in dieser Form eintreten. Kinder unterscheiden nicht zwischen ihren Träumen und Hoffnungen und der Realität einer unbekannten Zukunft. Unabhängig vom Alter stellen sie sich vor, dass sie, „wenn sie einmal groß sind“, einen Beruf ausüben, der ihnen gefällt, dass sie reich, schön und tolle Mütter/Väter und Ehefrauen/Ehemänner sein werden. Sie sagen nicht, „falls“ es so kommen sollte – für sie ist alles nur eine Frage der Zeit. Ich finde diese absolute Gewissheit in ihrer Vorstellung, dieses natürlich Urvertrauen, zugleich wunderbar und furchteinflößend. Sie wissen noch nichts von all den Stolpersteinen, die mit der menschlichen Existenz einhergehen: Unfälle, Krankheiten, Gewalt, Missgunst, Ungerechtigkeit. Mich fasziniert ihre Arglosigkeit, ihre zuversichtliche Naivität, die im totalen Gegensatz zu unserer Lebenswirklichkeit steht. Aber sie beunruhigt mich zugleich, denn in diesen frühen Vorstellungen liegt auch der Keim für Enttäuschung, Leid und kommende Desillusionierungen.
Dieselben Befürchtungen wecken in mir Eltern, die sich für ihre Kinder wünschen, dass sie glücklich, intelligent, lebensfroh und kerngesund sein mögen. Voller Zärtlichkeit und Liebe widmen sie sich ihren Sprösslingen und stehen den Abwegen des Schicksals trotz allem gänzlich machtlos gegenüber.
Ist es uns nicht allen früher so gegangen, haben wir nicht alle geglaubt, dass unser Leben genau unseren Vorstellungen entsprechen würde, dass alles im Leben glasklar wäre und die Zukunft ein Klacks? Erinnern Sie sich noch daran? Haben Sie noch Zugang zu diesen kindlichen Gefühlen? Akzeptieren Sie die Gefühle, die heute Ihr Handeln lenken?
So unterschiedlich wir auch sein mögen, vieles haben wir gemeinsam: Wir alle haben Träume und Hoffnungen, wir fühlen uns angesichts der Lebensrealitäten häufig verwundbar, wir hängen schönen Erinnerungen nach und ängstigen uns, weil die Zeit viel zu schnell vergeht.
Was ist aus uns und unseren Ambitionen geworden? Die Zeit ist vergangen und hat uns altern lassen. Wir sind verheiratet, verwitwet, geschieden oder alleinstehend, erfreuen uns guter Gesundheit, sind krank oder haben eine Behinderung. Das Leben hat sämtliche Abstufungen von gut bis schlecht für uns bereitgehalten. Wir haben einen Job oder sind arbeitslos, im Ruhestand, in Führungspositionen oder freischaffend. Wir sind arm oder einsam, oder mit viel Glück durch gute Chancen und harte Arbeit reich oder berühmt geworden. Neigen wir nicht dazu, uns auf Lorbeeren auszuruhen, die uns nur durch Zufall zuteilgeworden sind, oder anderen die Schuld für Enttäuschungen zuzuschieben, die wir durch unsere eigene Blindheit selbst zu verantworten haben? Häufig fragen wir nach dem Sinn der Schicksalsschläge, die uns ereilt haben, oder aber wir ergeben uns ihnen wie gelähmt und voller Fatalismus. All das macht uns glücklich, unglücklich oder gleichgültig, angriffslustig oder resigniert, vielleicht auch betäubt vom Leid.
Die Unschuld von damals ist still und leise dem Realismus gewichen, einer Mischung aus Zufriedenheit und Enttäuschung, Stolz und Frust, Glück und Trauer. Wir nennen das „Reife“. Muss es so sein, dass diese Reife unsere Träume zum Platzen bringt, sobald das Band zerschnitten ist, das uns mit dem Kind in uns verbindet?
Wie konnte es so weit kommen? Was ist in uns und um uns herum passiert, dass sich unsere Hoffnungen im Laufe der Zeit in Luft auflösen, bis es am Ende so scheint, als hätte es sie nie gegeben? Wieso verändern die Welt und das Leben uns so sehr? Diese Frage habe ich mir schon immer gestellt, und in diesem Buch will ich gemeinsam mit Ihnen darüber nachdenken.
Mir scheint, das Problem liegt nicht so sehr im Lauf der Zeit, sondern eher darin, wie der Wind des Lebens weht, wie wir ihm begegnen und vor allem, welche Richtung wir in ihm erkennen. Verstehen wir, wer oder was unsere Schritte lenkt, oder auch nicht? Wissen wir, woher wir kommen, wohin wir gehen und warum?
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