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Die Sehnsucht nach dem MeerDie Sehnsucht nach dem Meer

Die Sehnsucht nach dem Meer Die Sehnsucht nach dem Meer - eBook-Ausgabe

Manila Klafack
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Historischer Roman

— Historischer Abenteuerroman über eine junge Frau auf der Suche nach Freiheit und Glück
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Die Sehnsucht nach dem Meer — Inhalt

Zwischen Liebe und Freiheit auf hoher See – ein historischer Roman für Fans von Jessica Weber und Diana Norman

England, 18. Jahrhundert: Die Pfarrerstochter Melissa geht an Bord eines Schiffes, um ihrem Vater nachzureisen. Doch als das Schiff von Piraten geentert wird, muss sie um ihr Leben bangen. Zum Glück setzt sich Jonathan, einer der Piraten, für sie ein. Die Freibeuter verschleppen die junge Frau in ihr Versteck, um für sie Lösegeld zu erpressen. Dort trifft sie auf die berüchtigten Piratinnen Mary Read und Anne Bonny und segelt mit ihnen weiter. Doch ist Melissa für das raue Leben auf dem Meer wirklich gemacht? Und warum kann sie Jonathan nicht vergessen?

€ 17,00 [D], € 17,50 [A]
Erschienen am 31.08.2023
344 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-50604-5
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€ 4,99 [D], € 4,99 [A]
Erschienen am 31.08.2023
320 Seiten
EAN 978-3-492-98936-7
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Leseprobe zu „Die Sehnsucht nach dem Meer“

Kapitel 1 Abschied

Mich fragt ja keiner. Nach der Hektik der vergangenen Wochen bewegt sich Melissa immer an der Grenze zum Weinen, das spüre ich genau. Auch wenn sie selbstverständlich so tut, als ob alles gut wäre. Sie ist schon ein wunderbares Mädchen, immer brav und tapfer. Doch was hat sie davon? Ich versuche, sie aufzuheitern, indem ich um sie herumhüpfe und sie zum Spielen auffordere. Da schimpft sie sogar mit mir und sagt, ich solle ihr aus dem Weg gehen. Pah, sie sollte sich einfach mal entspannen, finde ich, aber mich fragt ja keiner.


»Pass auf [...]

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Kapitel 1 Abschied

Mich fragt ja keiner. Nach der Hektik der vergangenen Wochen bewegt sich Melissa immer an der Grenze zum Weinen, das spüre ich genau. Auch wenn sie selbstverständlich so tut, als ob alles gut wäre. Sie ist schon ein wunderbares Mädchen, immer brav und tapfer. Doch was hat sie davon? Ich versuche, sie aufzuheitern, indem ich um sie herumhüpfe und sie zum Spielen auffordere. Da schimpft sie sogar mit mir und sagt, ich solle ihr aus dem Weg gehen. Pah, sie sollte sich einfach mal entspannen, finde ich, aber mich fragt ja keiner.


„Pass auf dich auf Papa!“ Melissa schluchzte in den Armen ihres Vaters. Pfarrer Arthur St. James klopfte seiner Tochter mit der behandschuhten Hand beschwichtigend auf den Rücken. „Nun beruhige dich doch, mein Kind. Wir sehen uns bald wieder. Nur ein paar Monate.“

Eine blasse Wintersonne schien Melissa ins Gesicht. Sie blinzelte. Eigentlich liebte sie diese Jahreszeit. Die Tage wurden spürbar länger, und manchmal wehte ein winziger Hauch des nahenden Frühlings um ihre Nase. Es war ein milder Winter gewesen, und die ersten Schneeglöckchen ließen bereits ihre kleinen grün-weißen Spitzen blicken. Doch seit ihr Vater und seine neue Frau sich für diese Reise entschieden hatten, war viel Zeit mit den Reisevorbereitungen vergangen, und nun stand die Abreise bevor.

Melissa war oft in Gedanken versunken und lächelte seltener als üblich. Sie hatte sich mit einer dauernden Betriebsamkeit in die Vorbereitungen der Abreise gestürzt und sich so von dem Gefühl des Verlassenwerdens abzulenken versucht.

„Ich weiß, aber ich war noch nie länger als ein paar Tage von dir getrennt“, sagte sie betrübt.

Der Pfarrer schob seine Tochter ein wenig von sich und betrachtete sie eingehend. Von der kleinen Strähne kastanienbraunen Haares, die sich aus der ansonsten sorgsam unter einem Hut verborgenen Aufsteckfrisur gelöst hatte, über die geröteten Wangen in die tiefgrünen Augen, die durch die Tränen heller schimmerten und ihn an das zarte Blattgrün im Frühling erinnerten.

„Mein Schatz, du siehst deiner Mutter so ähnlich.“ Seine warme Hand lag an ihrer Wange. Melissa schaute mit verschleiertem Blick zu ihrem Vater auf. Ihre grünen Augen trafen auf seine haselnussbraunen, die wie Ton-in-Ton auf seine hellbraunen Haare abgestimmt wirkten. Es stimmte, äußerlich hatte sie nicht viel von ihm. Schon immer hieß es, sie sehe ihrer Mutter sehr ähnlich. „Und du bist genauso charakterstark, wie sie es war. Du wirst bestens zurechtkommen.“

„Meinst du wirklich?“ Melissa hatte ihre Mutter sehr geliebt und stets versucht, ihr nachzueifern. Doch hatte sie geglaubt, den Sanftmut und die Hilfsbereitschaft ihres Vaters geerbt zu haben. Immerhin füllte sie die Rolle der braven Pfarrerstochter sehr gut aus.

Doch tief im Innern, oft vor sich selbst verleugnet, spürte sie, wie sie sich im Grunde nach Freiheit sehnte.

„Selbstverständlich. Du hast recht lange zurückgesteckt, aber jetzt kannst du dich etwas von deinem Papa lösen.“ Melissa erkannte, wie schwer es ihrem Vater fiel, sie etwas loszulassen. „Du kannst nicht immer an meiner Seite sein. Du bist jetzt erwachsen und musst dein Leben leben“, setzte Arthur hinzu.

Er warf über Melissas Schulter einen Blick zurück auf das kleine Pfarrhaus, das fast fünfundzwanzig Jahre ihr Zuhause gewesen war. Er seufzte leicht. „Hier habe ich die größten Freuden und das größte Leid erlebt“, sagte er leise. „Wie oft hat deine Mutter in dem kleinen Garten hinter dem Haus gesessen. Als wie hierherkamen, war er völlig verwildert, und sie hat ein kleines Kunstwerk mit herrlichen Rosen, Funkien und Hortensien daraus gemacht, einen traumhaften Ort für uns alle.“

Auch Melissa sah es vor sich. „Im Frühjahr duftet es nach Flieder und Jasmin. Im Sommer haben wir den Schatten der mit Blauregen und Clematis berankten Pergola genossen“, überkam nun auch Melissa die Erinnerung.

„Und erst der Herbst mit seinen leuchtenden Farben und den herrlichen Äpfeln“, fiel ihr Vater ein. „Bald ist die Zeit wieder reif, alles wird sprießen und wachsen.“

„Ja, aber dieses Jahr werden wir es nicht erleben.“ Jetzt rannen ein paar Tränen über Melissas Wangen.

„Aber wir wissen, es geschieht, und darin finde ich Trost. Diese Oase, in der wir die Ruhe gefunden haben, wird bestehen bleiben. Und ich bin gewiss, wir werden beide andere, ähnliche Orte finden – und an uns denken.“

„Ich muss zur Kutsche, mein Schatz“, sagte er. Widerstrebend löste sich Melissa aus der Umarmung ihres Vaters. Sofia wartete bereits darin und sah aus dem Fenster. Sie wollte den beiden einen Augenblick allein für ihre Verabschiedung geben.

„Es bleibt doch dabei, du kümmerst dich hier um alles und unterstützt den neuen Pfarrer, wo du kannst. Und dann kommst du nachgereist. Nicht dass es du es dir anders überlegst“, sagte Arthur mit einem Augenzwinkern. Sie hatten immer wieder darüber gesprochen. Sofia und Arthur hatten Melissa gebeten, sie gleich zu begleiten. Doch Melissa ahnte, sie würde sich nur überflüssig fühlen, wenn sie sofort mitreiste. Immerhin handelte es sich um die Hochzeitsreise ihres Vaters. Die Frischvermählten sollten Zeit für sich haben, ohne die erwachsene Tochter am Rockzipfel. Sie würden nach Indien reisen und dort ein paar Monate bei Sofias Eltern bleiben.

„Vielleicht genießt ihr eure Zweisamkeit so sehr, dass ich gar nicht kommen soll“, ging Melissa mit schelmischem, wenn auch tränenverschleiertem Blick auf den neckenden Ton ihres Vaters ein.

„So kenne ich meine Tochter. Durch nichts unterzukriegen. Das wird sicher nicht geschehen. Bis Mai, meine Kleine.“ Sprach’s, küsste sie auf die Wange und eilte zur Kutsche. Der Kutscher hatte schon einige missmutige Blicke zu den beiden geworfen, weil der Abschied so lange dauerte.

Melissa sah noch, wie sich ihr Vater aus dem Fenster beugte, bis der Wagen in eine Kurve fuhr und verschwand


Kapitel 2 Zurückgeblieben – Was nun?

Mir sagt ja keiner was. Arthur ist weg, Sofia auch. Hier herrscht trotzdem weiter große Aufregung, und das Packen hat ebenfalls kein Ende. Doch das Schlimmste ist, Melissa wirkt so nachdenklich und irgendwie bedrückt. Dorothy ist ebenfalls keine Hilfe. Wollen die etwa auch noch weg? Was wird dann aus mir?

Mir reicht’s. Ich geh Mäuse erschrecken.

 

Melissa schaute dem Wagen nach, bis nichts mehr zu sehen war. Dann schlang sie sich das Wolltuch enger um den Körper und ging ins Haus zurück.

Sie war nie längere Zeit ohne ein Elternteil zu Hause gewesen. Die vor ihr liegenden Monate würden eine Bewährungsprobe für sie darstellen. Als sie so Gedanken versunken ins Haus zurückkehrte, kam ihr Max, ihr Britisch-Kurzhaar-Kater, entgegengelaufen, im Schlepptau Dorothy, ihre Haushälterin. Mit ihren dunkelblonden Locken, den wachen blauen Augen und dem stets sonnigen Gemüt war Dorothy Melissas Familie seit Jahren eine verlässliche Hilfe. Und mehr noch, sie war in all diesen Jahren eine Freundin geworden. Sie war fast einen Kopf kleiner als Melissa und wesentlich runder. „Sind sie weg?“, fragte sie.

„Ja“, antwortete Melissa niedergeschlagen und beugte sich herab, um ihren Kater zu streicheln, der ihr schnurrend um die Beine strich. „Jetzt ist er fort“, sagte Melissa mehr zu sich selbst als zu Dorothy.

„Na, na. Mach dir nicht so viele Sorgen. Dein Vater und Sofia werden eine schöne Zeit miteinander haben, und es wird alles gut gehen“, sagte Dorothy.

Melissa hob erstaunt den Kopf: „Eigentlich hatte ich mir mehr Sorgen darum gemacht, wie ich ohne meinen Vater zurechtkomme.“ Max reichte die kleine Zuwendung. Er drehte sich um und schlich auf seinen Samtpfoten Richtung Schuppen davon. Melissa folgte ihm gedankenverloren mit den Augen. Max, ein Britisch-Kurzhaar-Kater, hatte ihrer Mutter gehört, und obwohl er mittlerweile zehn Jahre alt war, sprang er oft noch so fidel herum wie als junges Kätzchen. Vermutlich verdankte er seine gute Konstitution der Einkreuzung einer Hauskatze. Zwar hatte er das hübsche grau-schwarz-gestreifte Fell seiner Artgenossen, doch er war etwas weniger gedrungen und kräftig. Seine hellen grünen Augen hatten fast dieselbe Farbe wie Melissas.

Dorothy schüttelte lächelnd den Kopf und riss Melissa aus ihren Gedanken: „Also, das hätte ich wahrhaftig nicht gedacht. Die ganze Gemeinde weiß doch, dass du es bist, die sich im Hintergrund um alles kümmert und alles organisiert. Du hast doch nach dem Tod deiner Mutter das Zepter in die Hand genommen und dich fünf Jahre um alles gekümmert, bis Sofia in euer Leben trat. Du musstest viel zu früh erwachsen werden.“

„Aber das war doch selbstverständlich.“ Melissa wusste gar nicht, was sie von dieser Ansicht halten sollte. Doch Dorothy wollte das offenbar schon längst einmal gesagt haben und ließ sich nicht abbringen. „Du bist bald einundzwanzig. Willst du nicht endlich deine eigene Familie gründen? Willst du immer bei deinem Vater leben? Nicht dass grundsätzlich etwas dagegenspräche, aber ich hatte immer gedacht, du erwartest etwas anderes von deinem Leben.“

Melissa musste überlegen. Ja, was erwartete sie vom Leben? Bevor ihre Mutter gestorben war und obwohl sie damals noch halb ein Kind war, hätte sie die Frage problemlos beantworten können. Einen Mann finden, einander so zu lieben, wie sie es bei ihren Eltern erlebt hatte, heiraten, Kinder bekommen, und sich um ihre Familie kümmern. Diese Zukunft hatte klar vor ihrem inneren Auge gestanden. Doch früher als erwartet, hatte sie den schmerzhaftesten Verlust erfahren, den ein Kind ertragen muss. Ohne groß darüber zu nachzudenken, vielleicht um sich von dem Schmerz abzulenken, hatte sie ihrem Vater geholfen. Sie hatten sich gegenseitig gestützt.

Hatte sie dabei ihre eigenen Wünsche und Ziele aus den Augen verloren? Die Heirat ihres Vaters hatte an ihrem Leben zunächst nichts Grundlegendes geändert. Sofia hatte viele Aufgaben übernommen, doch es gab immer noch genug für Melissa zu tun. Sie war so daran gewöhnt, dass sie in diesem Hamsterrad gar nicht innehielt.

Manchmal überkam sie das Gefühl, ganz allein auf der Welt zu sein. So war es in diesem Augenblick. Sie wusste natürlich, dass sie auf ihren Vater und Sofia sowie Dorothy immer zählen konnte, doch nachdem ihre Mutter gestorben war, hatte sie das Gefühl, ihren Anker verloren zu haben. Sie fühlte sich einfach mutterseelenallein.

Ihr Vater hatte das immer gespürt und versucht, diese Lücke zu füllen. Doch es war ihm nie gelungen. Melissa mochte sich aber auch nicht vorstellen, wie ihr bisheriges Leben wohl verlaufen wäre, wenn ihr Vater nicht so einfühlsam, liebevoll und fürsorglich zu ihr gewesen wäre. Viele ihrer Freundinnen hatten weniger Glück mit ihren Vätern oder mit Stiefmüttern.

Melissa sah, dass Dorothy sie fragend anblickte.

„Ich weiß gar nicht mehr so genau, was ich mir früher für mich erträumt habe“, gab Melissa leise zu. „In all den Jahren habe ich nur an meine Aufgaben gedacht und nicht an das, was ich wollte. Früher hätte ich sagen können, was das ist. Eine eigene Familie. Doch ich bin ja bisher keinem Mann begegnet, mit dem ich mir das Gründen einer Familie hätte vorstellen können.“

Es hatte in den vergangenen drei Jahren drei Anträge von jungen Männern gegeben, und obwohl Melissa sie mochte und sich geschmeichelt fühlte, kam eine Heirat nicht infrage. Beim dritten Antrag, der erst ein paar Monate her war, fiel ihr die Ablehnung schwerer als beim ersten. Zwar mochte sie den jungen Mann. Aber nicht so sehr, dass sie sich vorstellen konnte, den Rest ihres Lebens mit ihm zu verbringen.

„So ist das beim Erwachsenwerden“, holte Dorothy sie zurück in die Gegenwart. „Die Wirklichkeit holt jeden ein, und man muss seinen eigenen Weg finden. Für dich bedeuten die kommenden Monate, dir über dein zukünftiges Leben klar zu werden.“

Dorothy hatte leicht reden, dachte sich Melissa. Was hatte sie schon zu bedenken, woher wollte sie wissen, welche Entscheidungen Melissa zu treffen hatte? Melissa merkte sogleich, wie ungerecht diese Gedanken waren. Selbstredend hatte Dorothy das Recht, denn immerhin hatte sie sich entschieden, Melissa zu begleiten, wenn sie sich aufmachen würden, um ihrem Vater und ihrer Stiefmutter zu folgen.

Niemand von ihnen wusste, wie es in der Fremde zugehen würde. Zivilisiert wie hier in England würde es gewiss nicht sein, und auch die Seereise versprach bereits einiges an Aufregung. So lange unterwegs zu sein, auf einem Schiff voller fremder Menschen. All das würde neu und aufregend sein, Spuren hinterlassen. Und Melissa freute sich sehr darauf.


Kapitel 3 Mutprobe

Merde, verdammt, ja, ja, jagt ein armes Kätzchen, das nur Hunger hat, ruhig mit einem Fußtritt davon. Dabei bin ich doch nur meinem Herrn in das Wirtshaus gefolgt. Und siehe da, ein großer, dunkler Mann hat sein Fleisch mit mir geteilt. Da musste ich mich aber beeilen, schnell alles zu vertilgen. In den Ritzen unter der Treppe glühten schon die Augen der Ratten. Aber von diesem Festmahl haben sie nichts bekommen. Es war délicieux.

 

Er betrat das Wirtshaus. Lautes Stimmengewirr und albernes Frauenlachen klangen ihm entgegen. Einen Moment brauchte er, um sich an das Halbdunkel und den Rauch in der Luft zu gewöhnen. Im Pfeifenqualm konnte er Gesichter ausmachen. Er sah sich im Schankraum um. Die meisten Kerle waren einfache Seeleute, so wie er ab heute einer sein würde. Er blickte in ihre schmutzigen Gesichter. Eine Flasche Rum und eine willige Frau, mehr brauchten sie nicht nach einer langen Seereise.

Es würde vielleicht nicht so einfach werden, wie er sich das ausgemalt hatte. Zwar fiel er in seiner Kleidung nicht auf. Sie war nicht besser als die der anderen. Aber in seiner Sprechweise und in seinem Benehmen könnte ein aufmerksamer Beobachter sehr wohl einen Unterschied bemerken. Nun, er würde eben aufpassen müssen und sehr schnell lernen.

„Endlich“, polterte eine raue Stimme neben ihm, und schon lag eine große schwere Hand auf seiner Schulter. „Wird Zeit, dass du auftauchst. Der Kapitän wollte nicht mehr lange warten.“

Jonathan drehte sich um und sah sich einem bulligen Mann gegenüber. Zwar war der Mann um einiges kleiner, aber wesentlich muskulöser.

„Ja, ja, schon gut, Henri. War gar nicht so einfach, diese Spelunke hier zu finden. Aber jetzt bin ich da“, antwortete Jonathan.

Der ältere Seemann bugsierte ihn zu einem Tisch in einer Nische. Dort saß ein hakennasiger Mann mit dunklen Bartstoppeln. Der Dreispitz lag neben einem halbvollen Bierkrug und einer Rumflasche mit zwei Gläsern. Auch ein paar Stücke kaltes Fleisch lagen auf einem Teller, und daneben duftete ein halber Laib Brot.

„Das ist La Buse, der Bussard“, sagte Henri auf den Mann weisend. Er hätte den Kapitän nicht vorstellen müssen. La Buse, oder Olivier Le Vasseur, wie er hieß, war in diesen Zeiten und Gewässern als umtriebiger Piratenkapitän bekannt. Als Franzose noch dazu hatte er es natürlich hauptsächlich auf englische, spanische und portugiesische Schiffe abgesehen.

„Ich bin Jonathan Smith“, wandte er sich nun direkt an La Buse. „Ich würde gern anheuern.“

La Buse musterte ihn eine volle Minute, die Jonathan wie eine Ewigkeit vorkam, bevor er antwortete: „Wir haben unseren Steuermann nach unserer letzten Fahrt eingebüßt.“ Dabei warf er einen Seitenblick auf seinen Quartiermeister. Dieser kurze Blick entging Jonathan nicht, und er fragte sich, was da wohl passiert war. „Nach allem, was mir Henri berichtet hat, könntest du der Richtige dafür sein“, sagte La Buse. „Setzt dich her und trink mit uns.“

Henri schob ihm einen vollen Bierkrug zu, und auch der Teller mit dem Fleisch sowie ein paar Scheiben Brot wanderten zu Jonathan. Er langte zu und war überrascht, wie gut es schmeckte. Dann schaute er nach unten, weil ihm etwas um die Beine strich. Es war ein besonders dünnes, schwarzes Kätzchen. La Buse bemerkte seinen Blick und sagte: „Was machst du denn hier, Lady?“

Jonathan musste sich ein Grinsen verkneifen, gab dem Kätzchen ein paar kleine Stücke Fleisch und fragte: „Lady?“

„Ja, das ist unsere Schiffskatze, und sie benimmt sich gern wie eine Dame. Streunt mit hocherhobenem Kopf auf dem Schiff herum“, antwortete Henri.

„Und manchmal begleitet sie euch an Land, wie ich sehe.“

La Buse antwortete nicht, strich der Katze aber ein paar Mal über ihr struppiges, schwarzes Fell.

„Wann geht die Fahrt denn los?“, fragte Jonathan.

„In drei Tagen. Morgens mit Einsetzen der Flut sticht die Victory in See. Allerdings wirst du verstehen, wenn wir dich vor der Heuer noch prüfen.“

Damit hatte Jonathan gerechnet. Hier konnte der gefährlichste Teil des gesamten Unterfangens lauern.

„Aye“, antwortete Jonathan und blieb äußerlich gelassen.

Gemeinsam verließen sie das Wirtshaus und liefen an der Hafenmauer entlang. Gefolgt von der schwarzen Katze. Nach einigen Minuten erreichten sie das Schiff. Bis auf drei verschlafen wirkenden Männer, die darauf herumschlurften, war es leer. Lady sprang mit ein paar Sätzen die Gangway hinauf und machte es sich auf einem Fass bequem. Die Männer ließ sie nicht aus den Augen.

„Männer, aufgepasst, wir haben hier einen neuen Rekruten“, sprach La Buse die Seeleute an. „Wie wäre es, wenn ihr in Schwung kommt, damit wir ihn gebührend willkommen heißen können?“

Die Verwandlung der drei war erstaunlich. Ihre ermatteten Schritte verwandelten sich in einen federnden Gang, und ihre müden Mienen wurden von einem breiten Grinsen erhellt.

„Lass uns beginnen“, forderte La Buse Jonathan auf.

Der war sehr wachsam, konnte sich aber noch keinen Reim auf das Kommende machen.

So stieg er die Gangway hinauf. Oben angekommen, musste er sich gleich unter dem ersten unvorhergesehenen Schwerthieb wegducken.

Er machte eine Drehung, bei der er seinen Säbel zog und bereits in dieser Bewegung den Angriff eines zweiten Piraten abwehrte. Der Erste wartete nicht lange und schlug erneut auf Jonathan ein. Zum Glück für Jonathan war keiner der beiden ein guter Kämpfer, und er konnte sie schnell in Schach halten.

Nach einige Minuten stoppte der Kapitän den Kampf. „Genug! Wehren kannst du dich. Jetzt lass mal sehen, wie gut du dich in der Takelage bewegst. Auf, auf!“ Mit diesen Worten zog er seine beiden Pistolen.

Jonathan war verdutzt. Da wedelte La Buse mit den Pistolen Richtung Mast.

„Du meinst … da rauf?“

„Genau“, La Buse ersetzte seinen grimmigen Gesichtsausdruck durch ein schiefes Grinsen.

Jonathan war nicht ganz klar, was der Kapitän sehen wollte. Dennoch machte er sich auf und krabbelte hoch. Als das erste Projektil neben ihm vorbeizischte, hätte er vor Schreck beinahe das Gleichgewicht verloren. Zum Glück konnten die Freibeuter sein Gesicht nicht sehen, da er ihnen den Rücken zuwandte. Dass es gefährlich werden würde, bei dieser Bande anzuheuern, hatte er geahnt. Dass ihm drohte, in den Rücken geschossen zu werden, damit hatte er nicht gerechnet.

Sei es drum, er musste es schaffen.

Da sauste bereits die zweite Kugel an ihm vorbei. Er rechnete. Sie waren zu fünft. Jeder zwei Schuss, zusammen also zehn Kugeln, denen er ausgesetzt war, wenn sie nicht nachluden. Er hoffte, dass sie nüchtern waren und nicht versehentlich ein Loch in sein abgetragenes Hemd schießen würden.

Jonathan bemühte sich, ganz ruhig zu bleiben und auf direktem Wege nach oben zu gelangen, während die Pistolenkugeln um ihn herumschwirrten. Endlich hatte er es geschafft. Als sein Blick nach unten ging, gab ihm Henri das Zeichen, er solle wieder herunterkommen. Das Gesicht von La Buse sah er nicht, es war von seiner breiten Hutkrempe verdeckt.

Beim Abwärtsklettern schossen die Piraten nicht mehr auf ihn. Als Jonathan wieder die Schiffsplanken unter seinen Füßen hatte und sich zum Kapitän umwandte, nickte der nur und ging in Richtung Niedergang. Damit war Jonathan entlassen, und seine Karriere als Pirat konnte beginnen.

Manila  Klafack

Über Manila Klafack

Biografie

Manila Klafack, geboren 1975 und aufgewachsen in Mecklenburg, liebt Bücher seit Kindesbeinen. Bereits als Schülerin schrieb sie für die Lokalzeitung und war Gründungsmitglied einer Schülerzeitung. Sie absolvierte eine kaufmännische Ausbildung und ein Betriebswirtschaftsstudium und begann nach einem...

Kommentare zum Buch
Gelungenes Erstwerk-Fortsetzung sehnlichst gewünscht
Brina aus GDB am 05.09.2023

Ich kann dieses Buch sehr empfehlen! Die Geschichte hat mich direkt gefesselt und ich musste dieses Buch in wenigen Tagen durchlesen. Mir haben die Einführung in neue Kapitel und Sichtwechsel sehr gefallen. Ich hoffe sehr auf eine Fortsetzung der Geschichte.

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