Die Tochter der Sündenheilerin (Sündenheilerin-Reihe 3) - eBook-Ausgabe
Historischer Roman
„Mitreißend, spannend und atmosphärisch dicht geschrieben.“ - Ruhr Nachrichten
Die Tochter der Sündenheilerin (Sündenheilerin-Reihe 3) — Inhalt
Frühjahr 1254: Dreiundzwanzig Jahre sind vergangen, seit die Sündenheilerin Lena und ihr Mann Philip nach Ägypten reisten und gemeinsame Abenteuer bestritten. Mittlerweile leben die beiden zufrieden auf Burg Birkenfeld und sind stolze Eltern dreier Kinder. Doch als ihre älteste Tochter Antonia den Heiratsantrag eines verwitweten Mannes ablehnt, ahnt Lena Schreckliches. Denn Antonias Verehrer ist kein Geringerer als der Sohn von Lenas ältestem Feind – und der schwört nach Antonias Zurückweisung eiskalte Rache.
Leseprobe zu „Die Tochter der Sündenheilerin (Sündenheilerin-Reihe 3)“
Halberstadt, Ostern 1254
Ihr solltet Eure Schönheit nicht an einen kleinen Kläffer verschwenden, Fräulein Antonia. Ihr braucht einen Mann.« Eberhard von Regenstein grinste, als er sah, wie sehr seine Worte die junge Frau überraschten. Antonia von Birkenfeld stand in der Nähe des Domportals unter der großen Eiche und hielt einen dieser kleinen weißen Hunde im Arm, die derzeit in Mode waren. Sogar während der heiligen Messe hatte das lächerliche Fellbündel still zu ihren Füßen geruht. Sie warf einen kurzen Blick zur Seite, als wolle sie sich versichern, ob [...]
Halberstadt, Ostern 1254
Ihr solltet Eure Schönheit nicht an einen kleinen Kläffer verschwenden, Fräulein Antonia. Ihr braucht einen Mann.« Eberhard von Regenstein grinste, als er sah, wie sehr seine Worte die junge Frau überraschten. Antonia von Birkenfeld stand in der Nähe des Domportals unter der großen Eiche und hielt einen dieser kleinen weißen Hunde im Arm, die derzeit in Mode waren. Sogar während der heiligen Messe hatte das lächerliche Fellbündel still zu ihren Füßen geruht. Sie warf einen kurzen Blick zur Seite, als wolle sie sich versichern, ob sie allein war. Ihre Eltern, Graf und Gräfin von Birkenfeld, standen ein wenig abseits und sprachen mit dem Scholasticus Volrad von Kranichfeld. Wie es schien, überschütteten sie ihn gerade wieder mit Goldstücken für seine neue Domschule. Nun gut, Eberhard war es recht, dafür hatte seine Familie sich mit der größten Spende für den Neubau des Halberstädter Doms hervorgetan.
„Ihr braucht einen richtigen Mann“, wiederholte er. „Einen, der Euch mit seiner Leidenschaft erfüllt. Dann habt Ihr es nicht mehr nötig, Eure Zärtlichkeit an ein Tier zu verschwenden.“
„Einen richtigen Mann?“ Antonia musterte Eberhard mit blitzenden Augen und setzte den Hund auf den Boden. „Ihr meint so einen wie Euch?“
Ah, er hatte das kleine Luder richtig eingeschätzt. In ihr brannte das südländische Feuer, vermutlich ein Erbe ihrer orientalischen Großmutter. Er trat näher.
„Warum nicht? Ihr hättet gerade das rechte Alter.“
„Für Euch?“ Sie hielt seinem Blick mit schamloser Offenheit stand und erinnerte ihn für einen kurzen Moment an ihren Vater. Sie hatte seine hellbraunen Augen, das gleiche schwarze Haar, nur dass ihres lang und seidig bis über die Hüften fiel, gehalten von einem Reif aus versilberten Rosenblättern. Ihr Surcot aus feinster dunkelblauer Seide passte ausgezeichnet dazu und betonte ihre weibliche Figur. Obwohl Eberhard Antonias Vater nicht ausstehen konnte, sah er in ihr ein Juwel, mit dem er sich gern geschmückt hätte.
„Wäre es nicht an der Zeit, Regenstein mit Birkenfeld zu verbinden?“ Er lächelte sie an. Eine gute Mitgift würde sie auch einbringen, eine der drei Eisenerzminen, die ihrem Vater gehörten. Und dass sie ihm im Bett Freude bereiten würde, stand außer Frage.
„Ihr glaubt, Ihr wärt der rechte Mann für mich? Herr Eberhard, bedenkt, Eure Tochter ist nur um ein Jahr jünger als ich.“
„Männer sind wie Bäume“, erwiderte er und berührte den Stamm der Eiche. „Ihre Stärke wächst mit dem Alter. Frauen hingegen sind wie Rosen – man muss sie rechtzeitig pflücken, bevor sie verwelken.“
„Ihr seid mir ein rechter Poet, Herr Eberhard.“ Sie lachte. „Soll ich mich geschmeichelt fühlen, dass ein starker Baum wie Ihr bereit ist, eine unscheinbare kleine Rosenknospe wie mich zu pflücken?“
„Ihr könntet keine bessere Partie machen, Fräulein Antonia. Niemand vermag es mit der Stärke der Regensteiner aufzunehmen.“
„Und natürlich trügt Ihr mich auf Euren starken Händen und würdet mich mit Eurem sprichwörtlichen Witz und Geist erfreuen.“ Sie kicherte. Eberhard nickte zufrieden. Auch wenn sie eine Birkenfelderin war, so schien sie ihm doch verständiger als der Rest ihrer Sippe. Eine Frau, die wusste, was gut für sie war.
„Ihr werdet mir gewiss viele Söhne gebären“, sagte er. „Den passenden Körper habt Ihr ja, runde Hüften und volle Brüste, die sich nach Liebkosung sehnen.“
Antonia räusperte sich. „Herr Eberhard, glaubt Ihr nicht, dass Ihr mit Euren Worten ein wenig zu weit geht?“
Ah, jetzt spielte sie wieder die Schamhafte! Umso besser. Sollte sie nach außen ruhig kühl und beherrscht wirken, den leidenschaftlichen Funken würde er allein entfachen, wenn sie erst die Seine war. Und dass sie ihm gegenüber nicht abgeneigt war, hatte sie ihm durch ihre offenen Blicke deutlich genug gezeigt.
„Ich reise morgen für einige Wochen nach Worms“, erklärte er. „Werdet Ihr bei Eurem Vater ein gutes Wort für mich einlegen, wenn ich nach meiner Rückkehr bei ihm vorspreche?“
„Herr Eberhard, mein Vater ist sicher entzückt, wenn Ihr ihn um meine Hand bittet.“ Sie blitzte ihn mutwillig an. „Ihr wisst doch, wie viel er von Euch und Eurer Familie hält. Da stört es ihn gewiss nicht, dass Ihr zweiundzwanzig Jahre älter als ich und bereits verwitwet seid. Einen starken Baum erkennt er schließlich auch an den Jahresringen.“ Sie blickte auf Eberhards Leibesmitte, die nicht mehr ganz so schlank war wie noch vor einigen Jahren.
Auf einmal hatte Eberhard das Gefühl, dass sie sich über ihn lustig machte. Doch sofort schob er den Gedanken beiseite. Er hatte schließlich das Verlangen in ihren Augen leuchten sehen …
1. Kapitel
Antonia liebte die Abendstimmung auf Burg Birkenfeld, wenn sich Handwerker und Gesinde in der Vorburg anschickten, ihr Tagewerk zu beschließen, und der Hof allenthalben von Scherzworten und Gelächter erfüllt war. Vor allem an diesem Tag, da das Pfingstfest unmittelbar vor der Tür stand.
Doch im Augenblick erregte etwas anderes ihre Aufmerksamkeit. Ganz in der Nähe der Schmiede, in der Meister Mattes noch immer seinen Hammer schwang, saß Stephan von Cattenstedt auf einem Mauervorsprung und schliff sein Schwert. Stephan von Cattenstedt … Seit der junge Mann im letzten Herbst auf Burg Birkenfeld erschienen war, beschäftigte er Antonias Gedanken. Dabei war sie regelrecht erschrocken, als sie ihn zum ersten Mal erblickt hatte, denn eine lange Narbe entstellte sein Gesicht. Vom rechten Jochbeinbogen über die Wange hinweg bis zum Kinn, so breit wie ihr kleiner Finger. Ihr Vater hatte ihr erzählt, man habe Stephan auf dem letzten Kreuzzug für seine Tapferkeit zum Ritter geschlagen. Stammte die Narbe aus diesen Kämpfen? Wie gern hätte Antonia mehr über ihn erfahren, doch jedes Mal, wenn sie Stephan sah, empfand sie seltsame Scheu, die sie nur mit Mühe überspielen konnte. Ausgerechnet sie, der ihre Brüder nachsagten, sie würde noch dem Teufel in der Hölle das Feuerholz abschwatzen. Bei dem Gedanken daran stahl sich ein Lächeln auf ihre Züge. Sollte sie die Gelegenheit wirklich verstreichen lassen? Stephan war wortkarg, gewiss, aber niemals unhöflich.
Sie beobachtete den jungen Ritter eine ganze Weile, bevor sie sich ein Herz fasste und auf ihn zuging.
„Guten Abend, Herr Stephan“, begrüßte sie ihn mit aufgesetzter Munterkeit. Er hielt in seiner Arbeit kurz inne, hob den Blick und musterte sie. Er hatte wunderschöne dunkelblaue Augen, und ihr fiel zum wiederholten Male auf, dass er ohne die Narbe deutlich jünger ausgesehen hätte.
„Guten Abend, Fräulein Antonia“, antwortete er artig, um sich sogleich wieder seinem Schwert zu widmen.
„Sagt, Herr Stephan, warum schleift Ihr Euer Schwert? Wollt Ihr gegen Räuber zu Felde ziehen? Ich dachte, Ihr sollt morgen nur meine kleine Schwester sicher von Burg Hohnstein nach Birkenfeld zurückbegleiten.“
„Ja.“
„Ja, dass Ihr gegen Räuber ziehen wollt, oder ja, dass ihr meine kleine Schwester nach Hause begleiten werdet?“
Er musterte sie mit hochgezogenen Brauen, sagte aber nichts.
„Ihr seid heute nicht sonderlich redselig.“
„Nein.“
„Habt Ihr gar schlechte Laune?“
„Nein.“
„Könnt Ihr auch mit mehr als einer Silbe antworten, wenn Euch der Sinn danach steht?“
„Gewiss.“
„Wir machen Fortschritte“, stellte Antonia fest. „Brächtet Ihr auch drei Silben zuwege?“
„Womöglich.“
„Zwei Worte?“
Er musterte sie mit gerunzelter Stirn. „Fräulein Antonia?“
„Ja, Herr Stephan?“ Sie lächelte ihn an.
Er legte Schwert und Schleifstein beiseite. „Was wollt Ihr von mir?“
„Nur ein wenig reden.“
„Aha.“
Sie setzte sich neben ihn auf den Mauervorsprung. „Ist das nicht ein wunderschöner Abend?“
„Gewiss.“
„Ich dachte immer, zu den ritterlichen Tugenden gehöre mehr, als ein Schwert zu schleifen. Die höfische Kunst des Gesprächs beispielsweise.“
„So?“
„Warum seid Ihr kein Freund gewandter Worte?“
„Bin ich das nicht?“
Antonia seufzte. „Ich merke schon, an Euch beiße ich mir die Zähne aus.“
Sie erhob sich und blickte zum Burgtor, durch das soeben zwei Männer ritten. Ihre Brüder Alexander und Rudolf, die wie so oft gemeinsam auf der Jagd gewesen waren. Rudolf hatte einen stattlichen Rehbock quer vor seinem Sattel liegen.
„Pfingstsonntag gibt es Rehbraten für alle!“, rief er stolz in den Hof, nahm Bogen und Köcher von der Schulter und warf sie einem Knecht zu, der beides geschickt auffing. Dann stieg er ab. Antonia lächelte. Ihr Ziehbruder Rudolf war das genaue Gegenteil von Stephan. Über alle Maßen redselig. Jedenfalls in seinen guten Zeiten. Alexander grinste nur und sprang ebenfalls vom Pferd.
Hinter sich hörte sie wieder das Geräusch des Schleifsteins. Sie wandte sich um. Stephan hatte die Hemdsärmel hochgekrempelt und bearbeitete seine Klinge mit neuer Kraft. Die Funken sprühten nur so, und die Muskeln seiner Unterarme zeichneten sich deutlich unter der Haut ab.
„Machst du dem Stephan etwa schöne Augen?“
Antonia fuhr herum. „Rudolf, du redest Unsinn!“
„Wer schreit, hat unrecht, Schwesterchen. Wusstest du das nicht?“
„Und du musst dich dafür auch nicht schämen“, pflichtete Alexander ihm bei. „Die meisten Frauen mögen Männer mit Kriegsnarben.“
„Wenn ihr beide nicht sofort den Mund haltet, sorge ich höchstpersönlich dafür, dass ihr auch gleich Narben davontragt!“
„Oh! Komm, Alex, Rückzug! Sie wird gefährlich.“
Lachend ließen die beiden ihre Schwester stehen.
„Und ihr nennt euch tapfere Ritter!“, rief sie ihnen verärgert nach. Erst jetzt bemerkte sie, dass Stephan mit dem Schleifen aufgehört hatte und sie ansah. Heißes Blut schoss ihr in die Wangen. Am liebsten wäre sie vor Scham davongelaufen.
Stephan erhob sich von dem Mauervorsprung. „Gute Nacht, Fräulein Antonia.“ Für einen Moment glaubte sie, den Hauch eines Lächelns zu erahnen. Doch sofort verflüchtigte sich dieser Eindruck wieder. Niemand auf Burg Birkenfeld hatte Stephan von Cattenstedt jemals lächeln sehen.
Am folgenden Morgen brach Stephan schon in aller Frühe mit einem der Waffenknechte auf, um Antonias Schwester Meret rechtzeitig zum Pfingstfest nach Burg Birkenfeld zurückzuholen. Antonia hatte es sich nicht nehmen lassen, ihm vom Fenster ihrer Stube aus unbemerkt nachzusehen. Warum um alles in der Welt hielt der Kerl ihre Gedanken nur so gefangen? Und war es wirklich so offensichtlich? Oder hatte Rudolf sich nur wieder einen seiner albernen Scherze erlaubt? Sie verließ ihre Kammer, um sich in der Burgküche ein Frühmahl richten zu lassen. Seit sie denken konnte, war es so üblich, dass jeder morgens in die Küche ging, wenn er Hunger hatte. Die einzige gemeinsame Mahlzeit fand abends statt. Ausnahmen bildeten die hohen Feiertage, wenn man schon mittags beisammensaß.
„Alexander, wurde der Ochse schon übergeben?“, hörte sie die Stimme ihres Vaters aus der Küche.
„Ich kümmere mich gleich darum“, lautete die Antwort.
„Und wenn er nicht reicht, schieße ich noch einen Rehbock für die Dörfler.“ Rudolf lachte zufrieden.
Antonia betrat die Küche und sah ihren Vater Philip und ihre beiden Brüder bereits am Tisch sitzen.
„Guten Morgen“, grüßte sie und nahm Platz.
„Guten Morgen, Schwesterchen. Hast du von deinem tapferen Ritter geträumt?“
So viel zu der Frage, ob Rudolf gestern nur einen seiner üblichen Scherze gemacht hatte.
„Welcher tapfere Ritter?“ Philip zog die Brauen hoch und musterte seine Tochter scheinbar streng, doch sie bemerkte sofort das belustigte Blitzen seiner Augen.
„Ich habe keine Ahnung, wovon Rudolf spricht.“ Sie griff nach dem Brot und brach ein Stück ab.
„Nein?“ Rudolf grinste sie breit an. „Das pfeifen doch schon die Spatzen von den Dächern. Der arme Stephan.“
„Dir geht es wohl wieder etwas zu gut. Pass nur auf dein Gleichmaß auf!“, gab Antonia bissig zurück.
„Mit dem steht es zum Besten, Schwesterchen.“
„Stephan von Cattenstedt?“, fragte ihr Vater nach.
„Ich habe gestern nur ein paar Worte mit ihm gewechselt. So wie es unter höflichen Menschen üblich ist. Im Gegensatz zu Rudolf lässt Stephan auch andere zu Wort kommen.“
Philip sah seinen Sohn an. „Da hat sie recht, Rudolf.“
Alexander lachte. „Ich breche jetzt auf, den Bauern von Alvelingeroth den Pfingstochsen zu bringen. Kommst du mit, Rudolf?“
„Nur wenn wir auf dem Rückweg noch auf die Jagd gehen.“
Statt einer Antwort schlug Alexander ihm auf die Schulter. Rudolf erhob sich, und die beiden jungen Männer verließen die Küche. Antonia und ihr Vater blieben zurück.
„Und?“ Philip sah Antonia auffordernd an.
„Was und?“, fragte sie zurück.
„Ist etwas dran?“
„An Rudolfs dummem Geschwätz?“
Ihr Vater lachte. „Pass nur auf, Antonia! Männer sind ungern die Beute. Sie wollen lieber selbst erobern.“
„Wo steckt eigentlich Mutter?“, wechselte Antonia schnell das Thema.
„Sie bereitet alles für Merets Rückkehr vor.“
„Schade, dass die Hohnsteiner das Pfingstfest nicht auch bei uns verbringen“, seufzte Antonia. Sie schätzte Gräfin Mechthild und Graf Johann von Hohnstein, bei denen sie ebenso wie zurzeit Meret als junges Mädchen mehrere Jahre verbracht hatte, um außerhalb der elterlichen Burg den letzten Schliff zum Erwachsenwerden zu erhalten.
„Ja“, bestätigte ihr Vater. „Aber sie haben sich um ihre eigenen Dörfer zu kümmern. Das Pfingstfest gehört den Bauern ebenso wie der Kirche.“
„Herr Graf!“ Einer der Knechte stürzte atemlos in die Küche.
Philip fuhr herum. „Was gibt’s?“
„Herr Eberhard von Regenstein steht mit seinem Gefolge vor dem Tor und bittet um eine Unterredung mit Euch.“
„Mit mir?“ Philip starrte den Knecht verblüfft an. „Bist du dir sicher, dass er sich nicht in der Burg geirrt hat?“
Antonia kicherte, doch dann erinnerte sie sich an ihre Begegnung mit dem Regensteiner vor einigen Wochen in Halberstadt.
„Vater, ich fürchte, er will um meine Hand anhalten.“
„Ist er verrückt geworden?“
Sie erzählte ihrem Vater von der Begebenheit in Halberstadt.
Philip wandte sich an den Knecht. „Bitte ihn, sich zu gedulden. Ich habe viel zu tun. Wer unangemeldet erscheint, muss so kurz vor dem Pfingstfest damit rechnen, dass er zu warten hat.“
„Jawohl, Herr Graf.“
Dann sah er seine Tochter an. „Wollen wir zuvor noch eine Partie Schach spielen?“
Sie nickte lächelnd. „Gern auch zwei.“
2. Kapitel
Eberhard von Regenstein wartete bereits ungeduldig, als Philip ihn endlich in den großen Kaminsaal bitten ließ. Antonia saß neben ihrem Vater und war gespannt, wie der wohl mit dem Regensteiner verfahren würde.
„Welch unerwarteter Besuch, Herr Eberhard!“ Philip stand auf und begrüßte den Regensteiner mit Handschlag. „Verzeiht, dass Ihr so lange warten musstet, aber Ihr versteht gewiss – das nahende Pfingstfest stellt jede Grafschaft vor Herausforderungen. Vermutlich ist das auf Burg Regenstein nicht anders.“
Eberhard räusperte sich.
„Nehmt doch bitte Platz!“ Philip wies auf den großen Lehnstuhl, der ihm gegenüber am Kamin stand. „Also, was führt Euch zu mir?“
Eberhard setzte sich. Sein Blick flog zwischen Antonia und ihrem Vater hin und her.
„Hat Eure Tochter Euch noch nichts … erzählt?“
„Meine Tochter? Was genau meint Ihr, Herr Eberhard?“, fragte Philip scheinbar arglos.
„Nun“, der Regensteiner räusperte sich erneut, „Fräulein Antonia hat mir zugesichert, dass sie ein gutes Wort bei Euch einlegen würde, wenn ich mich erkläre.“
„Wenn Ihr Euch erklärt?“ Antonias Vater runzelte die Stirn. „Ach, ihr meint Euer seltsames Betragen am Osterfest in Halberstadt?“
„Mein seltsames Betragen?“ Eberhards Gesicht verfärbte sich rot. „Ich habe mich Fräulein Antonia wie ein Ehrenmann genähert und sie in aller Form um ihre Hand gebeten. Sie ermunterte mich, bei Euch vorzusprechen.“
„Ich fürchte, Ihr habt meine Tochter missverstanden, Herr Eberhard. Sie wollte Euch gewiss nicht kränken, wusste aber nicht so recht, wie sie es in Worte fassen soll. Denn wisst Ihr, ich wünsche mir einen starken Schwiegersohn, der vom Alter her zu Antonia passt.“
„So bin ich Euch gar zu alt?“, brauste Eberhard auf.
„Ihr könntet ihr Vater sein“, bestätigte Philip. „Hättet Ihr einen erwachsenen Sohn und wäre meine Tochter ihm geneigt, dann hätten wir darüber reden können.“
„Die Kraft eines Mannes steigt mit den Jahren“, brüstete sich Eberhard. „Bedenkt, eines Tages werde ich der Graf von Regenstein sein. Regenstein und Birkenfeld sollten sich nicht länger feindlich gegenüberstehen. Eine Verbindung unserer Häuser ist längst überfällig.“
„In dem Fall wäre es vielleicht eher angemessen, wenn wir über eine Verbindung Eurer Tochter Sibylla mit einem meiner Söhne nachdenken.“
„Was?“
„Wir sollten doch in einer Generation bleiben, Herr Eberhard. Meint Ihr nicht?“
„Meine Tochter Sibylla stand nie zur Wahl. Sie wird keinen Birkenfelder heiraten!“
„Warum nicht?“
„Weil … verdammt, ich bin nicht hier, um über meine Tochter zu sprechen. Ich bin hier, Euch um Antonias Hand zu bitten. Ihr findet keinen besseren Gatten als mich. Männer sind wie Bäume, sie gewinnen mit dem Alter an Stärke“, wiederholte er seinen lächerlichen Vergleich, der Antonia bereits in Halberstadt erheitert hatte.
„So? Dann verratet mir, was ein junger Rosenstrauch mit einer morschen Trauerweide anfangen soll“, gab Philip kühl zurück. „Ich werde meine Tochter niemals einem Mann geben, der ihr Vater sein könnte.“
„Das ist eine Unverschämtheit!“
„Wie auch immer, Ihr seid kein ernst zu nehmender Bewerber um die Hand meiner Tochter.“ Philip erhob sich. „Und jetzt, da Ihr meine Antwort kennt, möchte ich Euch höflich bitten, meine Burg zu verlassen. Das Pfingstfest findet in drei Tagen statt, und vermutlich habt auch Ihr noch viel zu tun.“
„Das werdet Ihr noch bereuen! Niemand weist mich ungestraft ab.“
Philip blieb gelassen. „Ich würde es allenfalls bereuen, wenn Ihr mein Schwiegersohn wärt, Herr Eberhard. Ich erinnere mich noch allzu gut an unsere allererste Begegnung. Vielleicht wundert es Euch, aber ich lege keinen Wert darauf, einen Mann meinen Schwiegersohn zu nennen, der mich einstmals als dreckigen Bastard beschimpfte und vor mir ausspie. Gehabt Euch wohl, Herr Eberhard. Dort vorn ist die Tür.“
Eberhard schnaubte wütend und ging.
Antonia und ihr Vater tauschten einen zufriedenen Blick aus.
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