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Die Toten von Valldemossa Die Toten von Valldemossa - eBook-Ausgabe

Noelia Herrera
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Ein Mallorca-Krimi

— Der perfekte Strandkrimi für den Urlaub in Spanien
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Die Toten von Valldemossa — Inhalt

Dunkles Geheimnis auf der Sonneninsel Mallorca. Für alle Leser:innen von Lilly Alonso und Lucia de la Vega

„Plötzlich war es wieder da, dieses Gefühl, das sie seit der ersten Nacht in Valldemossa hatte. Die Gewissheit, nicht allein zu sein. Beobachtet zu werden.“

Als die junge Berlinerin Leni eine alte Finca auf Mallorca erbt, ahnt sie nichts von den dunklen Geheimnissen ihrer Familie. Die Dorfbewohner begegnen ihr mit Misstrauen, denn ihr Onkel Eduardo soll vor 40 Jahren eine Reihe grausamer Morde begangen haben. Als erneut ein Verbrechen geschieht, ist der Ort in Aufruhr, die älteren Bewohner erkennen das Muster sofort. War Eduardo wirklich der Mörder? Welche Rolle spielt die weinende Madonna? Mateo Ruiz, der Sohn des ehemaligen ermittelnden Beamten, übernimmt den Fall. Gemeinsam versuchen sie herauszufinden, ob der Mörder zurückgekehrt ist ... 

Ein packender Thriller, der in die düsteren Abgründe der sonnigen Ferieninsel blickt.

€ 18,00 [D], € 18,50 [A]
Erscheint am 30.05.2025
324 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-50825-4
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€ 4,99 [D], € 4,99 [A]
Erscheint am 30.05.2025
324 Seiten
EAN 978-3-377-90191-0
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Leseprobe zu „Die Toten von Valldemossa“

Pròleg

Eduardo spürte, dass es vorbei war.

In die Enge getrieben, stolperte er durch die Vegetation. Wo genau er war, das vermochte er nur zu ahnen. Die Nacht war dunkel, kaum ein Mondschein fiel durch die dichten Wolken auf den Boden, um ihm den Weg zu zeigen.

Mit jedem seiner hektischen Schritte hoffte er, sich nicht an den scharfen Stacheln der niedrigen Büsche zu verletzen. Der Kies knirschte laut unter seinen Fußsohlen. Immer wieder peitschten Äste gegen sein Gesicht.

Verdammt, wo zum Teufel war er hier? Er presste sich an einen breiten Felsen. Seine [...]

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Pròleg

Eduardo spürte, dass es vorbei war.

In die Enge getrieben, stolperte er durch die Vegetation. Wo genau er war, das vermochte er nur zu ahnen. Die Nacht war dunkel, kaum ein Mondschein fiel durch die dichten Wolken auf den Boden, um ihm den Weg zu zeigen.

Mit jedem seiner hektischen Schritte hoffte er, sich nicht an den scharfen Stacheln der niedrigen Büsche zu verletzen. Der Kies knirschte laut unter seinen Fußsohlen. Immer wieder peitschten Äste gegen sein Gesicht.

Verdammt, wo zum Teufel war er hier? Er presste sich an einen breiten Felsen. Seine Lunge brannte und rasselte mit jedem Atemzug. In der Ferne bellten die Hunde, die ihn riechen konnten. Seinen Schweiß. Seine Angst.

Sie kamen näher, er konnte es fühlen.

Die Panik kroch in ihm hoch, kribbelte über seine Haut, von den Zehenspitzen bis zur Kopfhaut.

Wimmernd kratzte er sich am Oberarm. Was war nur aus diesem Leben geworden? Er schloss die Augen, zwang sich zur Konzentration. Wirklich gelang es ihm nicht.

Ein lautes Knacken direkt hinter ihm im Gestrüpp ließ ihn zusammenzucken. Die blutigen Hände ballte er zu Fäusten.

Flucht! Verschwinden! Laufen. So schnell wie möglich fort von hier.

„Hier drüben!“, rief eine bekannte Stimme. „Eduardo! Eddy! Komm schon. Ich will dir helfen!“

Seine Augen füllten sich mit Tränen und brannten. Durch den Schleier konnte er nichts erkennen.

Hektisch wischte er sich über das Gesicht. „Helfen?“ Eduardo keuchte. „Du kannst mir nicht helfen, Ricardo.“

Vor zwei Tagen hatten sie beide gemeinsam in der Tapas-Bar am Hafen gesessen und eine Flasche Wein gekillt. Zwei junge Männer. Freunde, seit der Kindheit.

Zwei Tage! Nur zwei mickrige Tage.

48 Stunden.

Und die Welt in Valldemossa war eine andere. Eduardo konnte es nicht fassen.

Mit letzter Kraft stieß er sich vom Felsen los und stolperte vorwärts.

„Eduardo“, rief ihm Ricardo hinterher, „jetzt bleib stehen und lass uns drüber sprechen, verdammt noch mal!“

Doch Eduardo wollte nicht reden. Nicht mehr. Niemand hörte ihm zu.

Je weiter er vorwärtslief, desto steiniger und rutschiger wurde der Untergrund. Zwischen den kargen Büschen vor ihm war der Himmel zu erahnen. Er bewegte sich auf das Ende des Waldes zu.

Seine Schritte wurden hastiger. Wenn er am Nordende herauskam, würde er auf dem Olivenhain stehen.

Seinem Olivenhain. Niemand kannte den Weg durch das Feld so gut wie er. Diese Nacht würde er leben. Alles andere war nicht mehr wichtig.

In ihm keimte die Hoffnung auf. Sie euphorisierte ihn regelrecht. Immer schneller bewegte er sich auf das Ende der Büsche zu.

Seine Beine überschlugen sich förmlich, bis er das Gefühl hatte, über den steinigen, von Dornen und Kies übersäten Boden fliegen zu können.

Hinter ihm holte Ricardo auf. Ein Ächzen und Poltern verriet Eduardo, dass sein Verfolger ins Straucheln kam, womöglich sogar hingefallen war. Doch er sah nicht zurück.

Er war im Tunnel seiner panischen Gedanken gefangen. Jeden Moment erwartete er, dass die mannshohen Olivenbäume vor ihm auftauchten.

Doch als er den letzten Busch passierte, bemerkte er seinen Fehler.

Abrupt blieb er stehen und rutschte auf den Kieseln aus. Rücklings fiel er auf den Boden, vor ihm der tiefe Abgrund.

Tränen verschleierten ihm den Blick. Er war nicht nach Norden in Richtung Feld gelaufen, sondern stand westlich auf dem großen Felsvorsprung. Vor ihm ging es zwanzig Meter in die Tiefe. Er saß in der Falle.

Zitternd richtete er sich auf und humpelte zum Abgrund. Unter ihm waberte die Dunkelheit dicht wie pechschwarzer Teer. Panisch sah er sich um. Die Hoffnung, die wie ein zartes Pflänzchen im Frühling in ihm gekeimt war, wurde vor seinen Augen zertreten und zermalmt. Er suchte einen Ausweg aus dieser Lage.

„Eduardo!“ Ricardo hatte zu ihm aufgeholt. „Lass uns reden.“

Er schluckte.

„Reden? Worüber denn reden? Ihr habt euch doch eh schon alle eure Meinung gebildet!“

Langsam machte Ricardo einen Schritt auf ihn zu, doch Eduardo rückte näher an den Abgrund heran.

Ein paar Steinchen lösten sich aus dem Felsen und fielen klackernd wie kleine Spielwürfel in die Dunkelheit.

Das Geräusch, wenn sie an den Felsvorsprüngen abprallten, wurde von Meter zu Meter leiser. Bis es von dem schwarzen Nichts aufgesogen wurde.

Beschwichtigend hob Ricardo die Arme.

„Eduardo. Eddy, wie lange kennen wir uns schon? Du weißt, wer ich bin. Du weißt, dass ich dir zuhöre. Lass uns darüber sprechen, was du getan hast.“ Ricardos Stimme versagte zitternd. „Warum du es getan hast“, krächzte er weiter.

Eduardo schluchzte. Er vergrub das dreckverschmierte Gesicht in den zerkratzten Händen. „Du verstehst es nicht, verdammt noch mal! Es ist alles anders, als du denkst.“

„Dann erzähl, Eddy! Erkläre es mir!“ Ricardo streckte ihm die Hand entgegen.

Sein Brustkorb hob und senkte sich schnell. Das Adrenalin pumpte sich durch seine Adern bis ins Gehirn. Eduardo schüttelte den Kopf, das Gesicht schmerzverzerrt verzogen.

Er schloss die Augen und wurde still. Als hätte ein Teil von ihm die Welt verlassen und würde in einer anderen Galaxie schweben.

Vorsichtig schob Ricardo einen Fuß vorwärts. Ohne den Blick von seinem besten Freund abzuwenden, tastete er nach der Dienstwaffe unter seiner Jacke.

„Es ist sinnlos.“ Eduardo öffnete die Lider und schaute ihn traurig an. Die Panik hatte sich aus seinem System verabschiedet und war einer alles umfassenden Ruhe gewichen. Mit einmal war ihm klar, was er zu tun hatte.

„Nein, nein, ist es nicht. Wir werden das gemeinsam schaffen, Eduardo. Du bist nicht allein.“

Eduardo lachte schrill auf und wunderte sich selbst über den Ton, der so fremd in seinen eigenen Ohren klang. „Das war das Problem, Ricardo! Ich war immer allein! Ein Teil von mir hat gefehlt, auch wenn ich es nicht wusste. Ich habe diesen Teil gefunden – oder besser, er hat mich gefunden. Und jetzt will ich ihn wieder loswerden. Sofort! Für immer!“

Er drehte sich um und starrte in die tiefe Dunkelheit hinab. Langsam breitete er die Arme aus. Der Wind kitzelte über seine Haut, strich durch seine Haare wie Finger, die ihn zu beruhigen versuchten. Zum ersten Mal seit Tagen war da ein Gefühl von Frieden. Als würde die Welt stillstehen. Tu es, flüsterte eine verführerische, aber vertraute Stimme in sein Ohr. „Nur noch ein Schritt, Eduardo. Ein einziger Schritt. Dann ist alles vorbei.“ Er zuckte zusammen, erkannte die Stimme. Es war seine eigene. „Nein, lass mich, ich will nicht“, entgegnete er scharf.

„Dann komm her“, rief Ricardo ihm zu. „Es muss so nicht enden. Wir werden das klären! Aber du musst jetzt mitkommen.“

Eduardo hörte ihm nicht zu. Zu sehr war er mit seinem eigenen Kampf beschäftigt. Mit der Entscheidung, ob er den einzigen Ausweg nehmen sollte, der sich ihm noch bot. Oder ob er kämpfen sollte. Für sich. Für seine Unschuld. Für seine Freiheit.

Er schloss die Augen und presste die Luft stoßartig aus seiner Lunge. Langsam drehte er sich um.

Doch da war es. Ein Schatten, eine Bewegung hinter Ricardo. Eduardo zuckte zusammen, erschrak und trat reflexartig einen Schritt zurück. Polternd rollten Steine in die Tiefe, als der Schotter unter ihm wegbrach.

Seine Ferse rutschte auf dem glatten Stein aus, und sein Herz stoppte für einen Moment, als er den Halt verlor.

Er ruderte mit den Armen, darauf bedacht, die Balance wiederzuerlangen, doch es funktionierte nicht.

„Hilfe!“, keuchte er voller Angst und streckte die Hände nach Ricardo aus. Sein alter Freund sprang auf ihn zu, wollte ihn vor dem fatalen Fall bewahren, doch es war zu spät.

„Nein! Nicht“, schrie Ricardo ihm mit Entsetzen in der Stimme zu.

Die Schwerkraft gewann. Wie in Zeitlupe kippte Eduardos Körper nach hinten. Er fiel, die Hände immer noch nach Ricardo greifend.

Immer tiefer verschlang ihn die Finsternis. Mit jeder Sekunde wurde er schneller. Die Panik wandelte sich in Akzeptanz. Er würde sterben. Hier. Jetzt. In dieser Nacht. Und für einen kurzen Augenblick war er frei. Wie ein Adler, der sanft und königlich über sein Revier schwebte.

Er fragte sich, wann es vorbei war, und wunderte sich gleichzeitig, dass nicht sein Leben vor seinen Augen vorbeizog.

So, wie es passieren sollte, wenn man starb. Doch da war nichts. Nur der Wind und die Dunkelheit.

Bis der betonharte Felsboden seinen Sturz beendete.

Das Geräusch brechender Knochen und der Schmerz, als seine Organe zerfetzten, war das Letzte, was er wahrnahm.


Capítol 1

„Wie war der Name?“

„Pérez. Das schreibt sich Paula, Emil, – äh, R – E – Z. Pérez.“ Leni räusperte sich peinlich berührt und zwirbelte eine blonde Strähne um ihren Finger, bevor sie sie verlegen hinter das Ohr klemmte. „Das Alphabet ist nicht meine größte Stärke. Ich meine, das Buchstabieren. Natürlich kenne ich das Alphabet. Der Vorname ist Leni. L – E – N – I. Wie Lena, aber mit i am Ende. Meine Mutter fand das niedlicher.“

Sie presste die Lippen aufeinander.

Sei still, Leni, ermahnte sie sich selbst.

Die Verkäuferin hinter dem Tresen zog eine Augenbraue hoch. Leni hatte sich schon immer gefragt, wie das funktioniert. Sie konnte das nicht. Bei ihr hoben sich direkt beide Brauen. Oder gar keine.

„Sie haben einen spanischen Namen?“

Leni nickte stumm.

„Aber Spanisch sprechen Sie nicht?“

Sie biss sich auf die Unterlippe, schüttelte verlegen den Kopf und sah nach unten. Leni hoffte, dass die Haare vor ihrem Gesicht die Röte verdeckten, die, wie sie merkte, unaufhaltsam in ihre Wangen schoss.

„Mein Vater starb, bevor ich auf der Welt war, und meine Mutter ist Deutsche.“ Sie trat von einem Fuß auf den anderen. „Ich bin ebenfalls Deutsche.“

Dass sie im letzten Monat schnell einen Grundkurs in der Volkshochschule in Berlin belegt und drei Viertel der Stunden verpasst hatte, verschwieg sie vorsichtshalber. Viel mehr als ein höfliches ›¡Buenos días!‹ war eh nicht hängengeblieben.

„Verstehe“, murmelte die Verkäuferin. „Moment, ich muss das mit meiner Chefin klären.“

„Okay.“

Leni sah ihr hinterher, wie sie in Richtung des Hinterzimmers verschwand, und tastete nach dem kleinen Anhänger ihrer Halskette. Ein silberner Schwan mit einem winzigen grünen Stein. Das warme Metall hatte schon immer eine beruhigende Wirkung auf sie gehabt.

Leni schloss die Augen und atmete den Duft von frisch gebackenen Brötchen ein.

Sie befand sich an der Rezeption vom ›Hotel Ferrer‹. Dem Haus mit der Fassade aus ockerfarbenem Backstein und grün lackierten Fensterläden, die den Charme alter mallorquinischer Dörfer einfing.

Doch es war nicht nur ein Hotel, sondern zugleich die beliebteste Bäckerei im Ort, wie sie aus den Reiseführern erfahren hatte. So waren die Tische und Regale mit einer reichen Auswahl an Kuchen, Torten und Gebäck gefüllt, die einen verführerischen Duft ausströmten.

Ihr Magen meldete sich laut knurrend, um sie daran zu erinnern, dass der Becher Porridge heute Morgen auf dem Flughafen das Letzte war, was sie zu sich genommen hatte.

Der verlockende Anblick der saftigen, mit Puderzucker bestäubten Coca de Patata, die sie von hier aus riechen konnte, half wenig. Wenn sie auf dem Hotelzimmer war, würde sie erst mal online einen Burger bestellen.

Eine Hotelrezeption mitten in einer Bäckerei hatte sie zu Hause in Deutschland nie gesehen. Und dabei hatte sie nach den vielen Jahren, die sie in der Hauptstadt gelebt und gearbeitet hatte, gedacht, dass es nichts gab, was sie überraschen würde.

Aber gut, Valldemossa war nicht Berlin.

Das stürmische Klingeln der Türglöckchen durchdrang ihre Gedanken und riss sie aus ihren Überlegungen.

„Bon dia, guten Tag“, grüßte eine tiefe, warme Stimme, und Leni fuhr herum. Vor ihr trat ein Mann mit dunkelbraunen, leicht gelockten Haaren in das Geschäft ein.

Einige Strähnen standen wild ab, was an einen zerstreuten Professor erinnerte. Die abgewetzte Lederjacke und das Badge, das vor seiner Brust baumelte, unterstrichen diesen Eindruck. Sein Lächeln war entwaffnend und brachte seine braunen Iriden zum Leuchten.

Leni nickte dem Fremden kurz zu, bevor sie sich wieder umdrehte, um in die Richtung zu schauen, in der die Verkäuferin zuvor verschwunden war.

„Ist niemand hier? Dann können wir uns ja selbst am Kuchen bedienen, oder?“ Der Mann gluckste über seinen eigenen Scherz.

„Sie sind alle nach hinten gegangen. Ich wollte im Hotel einchecken, aber sie finden die Schlüssel nicht.“

„Oh, wie nett. Sie sind zu Besuch in Valldemossa? Auf der Durchreise?“

Leni schüttelte den Kopf und wandte sich dem Fremden zu. „Nicht so ganz. Ich habe eine Immobilie geerbt und beschlossen, hier zu wohnen.“

Verdutzt riss er die Augen auf. »Ach so, na dann: ¡Bienvenidos! Herzlich willkommen in Valldemossa. Ich hoffe, Mallorca gefällt Ihnen?«

„Danke, bisher habe ich nur die Landschaft vom Bus aus gesehen, aber es ist fantastisch grün und unberührt.“

„Ja.“ Er seufzte gequält. „Jedenfalls solange wir genug Regen haben. In den letzten Jahren war das selten der Fall, und ›unberührt‹ ist hier auch nicht mehr so viel. Leider.“

„Oh, das wusste ich nicht.“ Leni verzog das Gesicht.

„Aber wenn Sie jemanden brauchen, der Ihnen die Schönheit des Ortes hier zeigt, dann melden Sie sich gerne bei mir.“ Er nestelte umständlich in seiner Jackentasche und zog eine zerknitterte Visitenkarte hervor. „Mateo Ruiz. Touristenführer.“

„Leni Pérez“, stellte sie sich vor und griff nach der Karte. „Die Neue.“

Ein überraschter Schatten huschte über Mateos Gesicht. „Pérez?“, wiederholte er. „Kommt Ihre Familie etwa aus Valldemossa?“

„Ja, väterlicherseits. Soweit ich weiß. Mein Vater ist sehr früh gestorben, und sonst hatte ich niemanden, der mir von meinen Wurzeln hätte berichten können. Wieso? Kennen Sie jemanden aus meiner Familie?“

„Nein, nicht direkt“, gab er zu und schürzte die Lippen, „aber ich habe von ihnen gehört. Jeder hier hat von ihnen gehört. Es ist ein kleines Dorf.“

Leni rieb sich den Nasenrücken. Sie versuchte, in dem freundlichen Gesicht des Mannes zu lesen, was er mit der merkwürdigen Bemerkung gemeint haben könnte.

Doch bevor sie nachfragen konnte, näherten sich energische Schritte mit klackernden Absätzen. Die Tür zum Hinterzimmer wurde aufgerissen, und eine stattliche Frau in einem dunklen Anzug und knallroten High Heels trat in den Verkaufsraum.

Erwartungsvoll drehte sie sich um.

„Sie sind Leni Pérez?“, polterte die Frau mit harter Stimme los.

Leni spürte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte, und schluckte schwer. „Äh, ja, das … das bin ich.“

„Bedaure, ich kann Ihnen kein Zimmer geben!“ Mit einem schneidenden Blick fixierte die hochgewachsene Frau Leni, die sich davon fast aufgespießt fühlte. Die feindselige Stimmung traf sie unerwartet wie ein heftiger Windstoß, der ihr den Atem raubte.

„Wie bitte?“

„Hören Sie, ich weiß, wer Sie sind, und Sie haben hier bei uns nichts verloren.“

„Wer bin ich denn?“ Nervös zwang sich Leni zu einem scheuen Lächeln, in der Hoffnung, die Situation entschärfen zu können.

„Sie sind eine Pérez. Das macht Sie für mich hier automatisch zu einer Persona non grata. Jetzt gehen Sie!“

„Wie bitte?“ Leni klappte die Kinnlade herunter. „Was soll das denn? Das ist absurd! Sie müssen mich verwechseln.“

„Eine Pérez, die sich ausgerechnet nach Valldemossa verirrt? Absolut unmöglich. Wir alle wissen genau, welches Unwesen Ihr Vater Eduardo Pérez vor über vierzig Jahren hier getrieben hat. Die armen Frauen!“

„Mein Vater?“, krächzte Leni, „der hieß Guillermo und war Tierpfleger im Berliner Zoo. Außerdem ist er vor meiner Geburt bei einem Verkehrsunfall gestorben. Ich habe nie etwas von einem Eduardo gehört.“

Die Frau zupfte sich an den Ärmeln des teuren Blazers und verzog keine Miene. „Dann sind Sie die Nichte. Na und? Die waren doch alle gleich. Der eine hat Schweine gefüttert und der andere eben Schimpansen den Hintern abgeputzt. Ändert nichts daran, dass für Sie hier kein Platz ist.“

„Aber wo soll ich denn jetzt hin?“ Leni schloss für den Hauch eines Moments die Augen und versuchte, sich mit einem tiefen Atemzug zu beruhigen.

„Bitte“, fuhr sie flehend fort, „nur für eine Nacht. Morgen sind Sie mich los. Glauben Sie mir, bei diesem warmen Empfang habe ich keine Lust, einen zweiwöchigen Urlaub bei Ihnen zu verbringen. Aber es ist spät, ich kenne mich hier nicht aus, und Sie haben das einzige Hotel im Ort. Nur eine Nacht!“

„Bedaure. Sie kommen aus Berlin, hm? Ich bin sicher, Sie finden sich draußen zurecht. Ich habe gehört, dass man dort unter Brücken schläft.“

Leni zitterte am ganzen Körper. „Ich … ich werde Ihnen eine Rezension auf dem Buchungsportal hinterlassen, die sich gewaschen hat!“ Sie hob den schweren Wanderrucksack auf und warf ihn sich auf den Rücken. Eine Entscheidung, die sie sofort bereute, als sie vom enormen Gewicht ihres Gepäcks um ein Haar die Balance verlor.

Ohne aufzusehen, stolperte sie zur Tür hinaus. Der Mann, der sich ihr als Mateo vorgestellt und die Szene wortlos mitverfolgt hatte, machte einen großen Ausfallschritt zur Seite, um nicht von ihr umgehauen zu werden.

Die Türglöckchen läuteten ihr stürmisches Lied, das in Lenis Ohren wie Hohn klang. Am liebsten hätte sie die Glocken heruntergerissen und im hohen Bogen weggeworfen, doch so mutig war sie nicht.

Draußen blieb sie auf dem Bürgersteig stehen. Tränen der Wut flossen über ihr Gesicht, und die frische Märzluft ließ sie diese noch schärfer auf der Haut spüren.

 

Mit hochrotem Kopf stapfte Leni über das holprige Kopfsteinpflaster. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Nicht mal im Studentenheim in Beijing, als sie mitten in der Nacht ankam und vor verschlossenen Türen stand. Die Frau des Hausmeisters hatte sie damals mit nach Hause genommen.

Sie wischte sich mit dem Ärmel die Tränen weg, die ihr vor Wut über die Wangen liefen. Hier war sie, in einer pittoresken Gasse mitten auf Mallorca. Weit weg von ihren Freunden in Deutschland. Hier gab es niemanden, den sie anrufen konnte, damit er sie abholte. Keine Hausmeisterfrau, die das Gästebett ausbreitete, um ihr eine Nacht in der Kälte zu ersparen.

„Scheiße!“, fluchte sie laut. In ihrer Magengegend kribbelte es unangenehm, und ihr Herz hämmerte gegen ihren Brustkorb wie ein wildgewordenes Tier in Gefangenschaft. Leni wusste, welches Unheil da in ihr hochkroch: eine Panikattacke!

Sofort zog sie scharf die kühle Luft ein und versuchte dabei, tief in ihr Zwerchfell zu atmen. So, wie es ihr die Therapeutin beigebracht hatte.

Zähme die Bestie, Leni! Halte sie in Schach!

Ihr Herzschlag normalisierte sich langsam wieder. Erleichtert zog sie den Reißverschluss ihrer Jacke bis unters Kinn.

Sie hatte keine Ahnung, wo sie jetzt hinsollte. Einen Plan B? Gab es nicht. Zum ersten Mal, seit in ihr die Idee gewachsen war, hegte sie Zweifel. War es schlau, den Job als interkulturelle Expansionsberaterin an den Nagel zu hängen? Mit Ende dreißig von vorne zu starten?

„Entschuldige, Leni, aber sag mal: Spinnst du völlig? Du ziehst von jetzt auf gleich nach Mallorca, um ein Hostel zu eröffnen?“

Die ungläubigen Worte ihres Ex-Freundes Gregor hallten in ihren Ohren. Ja, was? War sie durchgedreht? War das alles eine riesengroße Schnapsidee? Bis vor ein paar Wochen war ihr Leben herrlich verplant.

Gregor, der fast schon notorisch irgendwelche Start-ups gründete, sie hochzüchtete wie schicke Orchideen, um sie dann an die meistbietenden Investoren zu verkaufen.

Der Gregor, der sie vor die Tür gesetzt hatte, weil er sich neu verliebt hatte. „Das war nicht geplant, Leni. Du verstehst das doch, oder?“

Ausgerechnet der Gregor, der sie erst auf den Gedanken gebracht hatte, hierher auszuwandern, weil Berlin für sie alle zu klein geworden war.

Doch sie hatte schon schwierigere Situationen gemeistert.

„Frau Pérez?“ Leni fuhr herum. Vor ihr stand Mateo, der Mann mit den bernsteinfarbenen Augen, mit einer Bäckereitüte in der Hand. Er lächelte entwaffnend.

„Leni“, antwortete sie und zog die Nase hoch.

Er nickte zustimmend. „Leni. Ich möchte mich für Catalina, die Besitzerin, entschuldigen. Das ist nicht die Begrüßung in unserer Dorfgemeinschaft, die du dir erwünscht hast, oder?“

„Ach, du meinst, aus einem Hotel geworfen und beleidigt zu werden, würde mir nicht gefallen? Ich verstehe nicht mal, wovon sie überhaupt gesprochen hat. Ich kenne keinen Eduardo Pérez.“

„Vielleicht kann ich das kurz erklären.“ Mateo nahm die Tüte in die andere Hand. „Ich versuche es jedenfalls, denn ich kenne die Namen und Zusammenhänge nur von meinem Padre, der mir viel von damals erzählt hat. Das war alles weit vor meiner Geburt. Eduardo war der Bruder von Guillermo, Ihrem Vater. Wenn ich das verstanden habe. Nach dem, was geschehen war, hat die ganze Familie Pérez den Ort verlassen, weil, nun ja, Sie haben es am eigenen Leib erfahren. Die Freundlichkeit hört bei manchen Menschen bei der Sippenhaft auf.“

Leni öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber ihr fehlten die Worte. Die gewaltigen Anstrengungen der letzten Tage zollten ihren Tribut. Sie starrte den Spanier an und hätte schwören können, dass kleine Kobolde auf seinen Schultern tanzten. Ihre Füße wurden leicht, als würde sie vom Boden abheben und über den Dingen schweben.

Sie konzentrierte sich kurz auf den Rhythmus des Atems. Jetzt mitten auf der Straße in Ohnmacht zu fallen, war das Letzte, wonach ihr der Sinn stand.

„Ich verstehe nicht“, presste sie hervor. „Warum wird hier um den heißen Brei geredet? Was ist passiert, dass niemand mit diesem Namen hier auch nur atmen darf?“

„Oh!“ Überrascht zog er die Augenbrauen hoch. „Du hast keine Ahnung? Wie soll ich es sagen? Eduardo Pérez war … Wie kann man das am besten übersetzen? – Der Madonnenmörder!“

Fröstelnd zog Leni die frische Märzluft ein. Der letzte Satz waberte durch ihre Synapsen wie das unheilvolle Echo in einer Tropfsteinhöhle, die jeden Moment über ihr zusammenzubrechen drohte.

„Der was? Der Madonnenmörder?“, wiederholte sie leise und massierte sich stöhnend die pochende Stirn. „So ein Blödsinn.“ Leni schnaubte. „Heißt das, dass irgendjemand aus dem Teil meiner Familie, den ich nie getroffen habe, Menschen umgebracht hat?“

Mateo räusperte sich. „Das ist keine leichte Information, ich verstehe. Aber ich kenne einen Ort, wo du heute Nacht schlafen kannst.“

Argwöhnisch stutzte Leni. „Ich weiß nicht. Ich habe gelernt, nicht mit fremden Männern mitzugehen. Und schon gar nicht bei ihnen auf der Couch zu schlafen. Auch wenn das zugegebenermaßen nicht die Aussicht auf vorübergehende Obdachlosigkeit in einem fremden Land enthalten hatte.“

Mateo hob die Hände und grinste. „Nein, das wollte ich damit auch nicht ausdrücken. Allerdings kenne ich jemanden, die ab und zu eine Wohnung an Touristen vermietet. Und ich weiß zufällig, dass die momentan nicht belegt ist.“

Über Noelia Herrera

Biografie

Noelia Herrera, geboren 1979 in einem beschaulichen, kleinen Ort mitten im deutschen Westfalen, hegt seit ihrer Kindheit eine große Liebe zu Spanien, insbesondere zur Baleareninsel Mallorca. Zum Studium zog es sie in die spanische Hauptstadt Madrid, doch ihr Herz blieb stets auf den Balearen.

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