Die vergessene Prinzessin (Bedeutende Frauen, die die Welt verändern 7) Die vergessene Prinzessin (Bedeutende Frauen, die die Welt verändern 7) - eBook-Ausgabe
Alice von Battenberg – Fernab ihrer Heimat kämpfte sie um die große Liebe und rettete Menschenleben
— Romanbiografie über Prinz Philips Mutter„Eine ergreifende Romanbiografie“ - Elbe Weser Kurier
Die vergessene Prinzessin (Bedeutende Frauen, die die Welt verändern 7) — Inhalt
Die Prinzessin, die für ihr Glück kämpfen musste – das tragische und unkonventionelle Leben der Mutter von Prinz Philip und späteren Schwiegermutter der Queen Elizabeth. Ein privater Blick hinter die Kulissen des englischen Königshauses!
London, 1902: Als Alice von Battenberg dem weltgewandten Prinzen Andreas von Griechenland begegnet, ist sie sofort von ihm eingenommen. Er erwidert die Gefühle der ausgesprochen intelligenten Prinzessin, die zwar taub geboren wurde, aber in mehreren Sprachen Lippen lesen kann. Alice folgt ihrer großen Liebe nach Griechenland, nichts von der Zerreißprobe ahnend, die ihr dort einige Jahre später bevorstehen soll: Der Konflikt zwischen Volk und Krone spitzt sich zu, Unruhen stürzen das Land in eine schwere Krise. Alice kämpft für ihre neue Heimat, baut Hospitäler und kümmert sich um Kriegsversehrte. Doch die Lage verschärft sich, ihre Familie gerät wiederholt in tödliche Gefahr, und letztendlich scheint eine Flucht der einzige Ausweg zu sein …
Spätestens seit der Netflix-Serie „The Crown“ dürfte Alice von Battenberg den meisten ein Begriff sein. In ihrem Roman beleuchtet Eva-Maria Bast das Schicksal dieser starken, ungewöhnlichen Frau, die von der Prinzessin zur Heimatsuchenden wurde.
Bedeutende Frauen, die die Welt verändern
*Mit den historischen Romanen unsere Reihe »Bedeutende Frauen, die die Welt verändern" entführen wir Sie in das Leben inspirierender und außergewöhnlicher Persönlichkeiten!*
Auf wahren Begebenheiten beruhend erschaffen unsere Autorinnen ein fulminantes Panormana aufregender Zeiten und erzählen von den großen Momenten und den kleinen Zufällen, von den schönsten Begegnungen und den tragischen Augenblicken, von den Träumen und der Liebe dieser starken Frauen.
Leseprobe zu „Die vergessene Prinzessin (Bedeutende Frauen, die die Welt verändern 7)“
Prolog
Frankreich, St. Cloud, Frühjahr 1929
„Mama!“
Der kleine Junge gab nicht auf. „Mama, schau mal, wie schön diese Blume ist.“
Er pflückte an diesem warmen Frühlingstag des Jahres 1929 eine Margerite und hielt sie seiner Mutter hin, die im Garten ihres Hauses in St. Cloud auf einer schmiedeeisernen Bank saß.
Alice starrte die Blume an wie einen Fremdkörper. Das strahlende Gelb, umgeben von dem weißen Kranz. Wie eine Sonne. Eine weiße Sonne.
„Mama!“ Philip lachte und gab ihr die Blume. »Mama, wenn ich dir diese Blume schenke, dann sprichst du aber wieder [...]
Prolog
Frankreich, St. Cloud, Frühjahr 1929
„Mama!“
Der kleine Junge gab nicht auf. „Mama, schau mal, wie schön diese Blume ist.“
Er pflückte an diesem warmen Frühlingstag des Jahres 1929 eine Margerite und hielt sie seiner Mutter hin, die im Garten ihres Hauses in St. Cloud auf einer schmiedeeisernen Bank saß.
Alice starrte die Blume an wie einen Fremdkörper. Das strahlende Gelb, umgeben von dem weißen Kranz. Wie eine Sonne. Eine weiße Sonne.
„Mama!“ Philip lachte und gab ihr die Blume. „Mama, wenn ich dir diese Blume schenke, dann sprichst du aber wieder mit mir, ja? Ich hab dir doch nichts getan, Mama. Ich hab dich doch lieb.“
Alice spürte seine beiden Kinderärmchen um ihren Hals. Die Wange, die sich an die ihre presste. Wie gut er roch! Sie schloss die Augen und sog seinen Duft tief in sich ein.
Sie wusste nicht, ob er noch weitersprach. Wenn sie die Augen geschlossen hielt, war da nur noch Stille. Denn Alice war taub, und wenn sie die Augen schloss, konnte sie nicht von den Lippen der anderen lesen und sich somit ganz in ihre Welt zurückziehen. Aber sie war doch nur taub und nicht taubstumm! Sie konnte nicht nur perfekt Lippenlesen, sondern auch perfekt sprechen – in mehreren Sprachen. Dass sie es nicht mehr tat, war eine bewusste Entscheidung. Sie schwieg, weil keiner sie verstand. Andreas, ihr geliebter Mann, ihre vier Töchter, ihr gesamtes Umfeld in ihrem französischen Exil – sie alle nahmen sie nicht ernst. Keiner glaubte ihr, dass sie heilende Kräfte hatte und in der Lage war, direkt mit Jesus Christus zu sprechen. Dabei waren diese heilenden Kräfte doch so wichtig, um die Welt zu retten, diese böse, dunkle Welt voller Mörder und Revolutionäre, die so grausam war und ihr so viele ihrer Liebsten geraubt hatte. Und Alice wusste, dass es weitergehen würde! Und dass auch dieser kleine Junge, der ihr gerade diese wunderschöne Blume gereicht hatte, in Gefahr war.
Sie spürte, dass er die Arme von ihrem Hals löste. Die Leere griff nach ihr, füllte sie aus. Auch er verließ sie. War er in Gefahr? So wie Alexei einst in Gefahr gewesen war? Wie ihre Tante, die Zarin, hatte sie vier Töchter und einen Jungen. Ihre Tante, die Zarin, hatten die Revolutionäre gejagt und am Ende grausam ermordet. Würde ihnen das gleiche Schicksal drohen?
Erschrocken riss sie die Augen wieder auf. Philip!
Da stand er mit hängenden Armen und sah sie still an. Nein, er war nicht in Gefahr, sie waren in Frankreich und in Sicherheit. Aber er sah so traurig aus, so unendlich ratlos. Dabei war er doch nur ein siebenjähriger Junge, der sich nach der Liebe und Zuneigung seiner Mutter sehnte.
Alice begann zu zittern. Wie gerne hätte sie die Arme nach ihm ausgestreckt. Doch sie konnte es nicht. Ihre Arme wollten ihr nicht gehorchen.
So sah sie ihn nur an. Ihr trauriger Blick erwiderte den seinen.
Sie war allein, so allein. Und Philip war es auch.
*
Eine Stunde später saß Alice noch immer auf der schmiedeeisernen Bank im Garten von St. Cloud. Philip war längst von seiner einfühlsamen Nanny Tilda nach drinnen gebracht worden, und ihre Hofdame Martha war gekommen und hatte sich neben sie gesetzt, ihr fürsorglich eine Decke um die Schultern gelegt. Alice hielt nach wie vor die Margerite in der Hand, die Philip ihr gegeben hatte, und drehte sie nachdenklich hin und her.
Und dann sprach sie die ersten Worte seit Wochen. „Ich bin wirklich krank“, sagte sie leise. „Wie Philip mich angesehen hat – ich muss etwas tun. Er hat eine ganz normale Mutter verdient, die für ihn da ist und ihm die Welt erklärt. Ich will nicht versagen.“
Die Hofdame nickte weise. „Ja, das müssen Sie“, erwiderte sie sanft. „Es ist gut, dass Sie das erkennen.“
„In mir ist manchmal so viel Dunkelheit“, erklärte Alice. Nun, da sie sich entschlossen hatte zu sprechen, brachen die Worte nur so aus ihr hervor. „So unendlich viel Dunkelheit. Und da sind diese Stimmen, die auf mich einreden. Dann halte ich mir die Ohren zu, doch es hilft nichts, denn sie kommen ja von innen. Und Andreas bin ich auch nur eine Last. Er glaubt mir nicht, dass ich heilende Hände habe. Und er glaubt mir nicht, dass Jesus mir Dinge anvertraut. Wir haben uns einmal so geliebt, mittlerweile lehnt er mich nur noch ab.“
Alice sah die andere an, voller Hoffnung, bei ihrer stets so treuen Hofdame auf Verständnis zu stoßen. Doch auch Martha musterte sie auf diese eigenartige Weise. Mit einer Mischung aus Mitgefühl und Ablehnung.
Sie war allein. So allein. War sie das wirklich? Da war doch Jesus, der ihr Halt und Kraft gab! Jesus! Ihr treuer Gefährte! Er würde immer an ihrer Seite sein!
*
„Lass die Kinder zu mir. Bitte.“
„Nein. Du machst ihnen Angst.“
„Ich will ihnen doch nur helfen.“
„Du hilfst ihnen nicht, Alice. Du läufst mit irgendwelchen Ikonen murmelnd durch das Zimmer. Oder du liegst auf dem Sofa.“
„Ich will das Böse vertreiben. Aber die dunklen Mächte drücken mich manchmal nieder. Dann muss ich mich hinlegen. Doch ich werde euch alle retten, Liebster. Wie ich euch schon einmal gerettet habe. Euch wird nichts geschehen.“
„Du musst uns nicht mehr retten“, sagte Andreas. Seine sonst so kalte Stimme klang mit einem Mal zärtlich, und für einen Augenblick sah Alice in seinen Augen die innige Liebe, die sie einmal verbunden hatte.
„Wir sind in Frankreich. Und in Sicherheit.“
Angstvoll sah sie ihn an. „Die dunklen Mächte sind überall.“
Die Liebe in seinem Blick erlosch.
Er ging fort. Wieder war Alice allein.
*
Andreas hatte Alice’ Mutter kontaktiert, die sofort angereist war, um ihrer Tochter zur Seite zu stehen.
„Bitte, Liebes, sag mir, was dich so bedrückt“, flehte Viktoria Mountbatten ihre Tochter nach dem gemeinsamen Essen an.
„Ich muss sie beschützen“, erklärte Alice auch ihr.
„Wen? Wen musst du beschützen?“
Alice sah aus dem Fenster, ihr Blick verlor sich. Dann wandte sie rasch den Kopf. „Ist dir schon einmal aufgefallen, wie ähnlich die Situation deiner Schwester, der Zarin, mit der meinen ist?“
Viktoria sah sie an, unendlichen Schmerz im Blick. „Aber deine Tante Alix ist tot, mein Kind.“
Alice nickte finster. „Eben. Sie hat ihre Familie nicht retten können. Mir wird das gelingen. Ich werde den Bann des Bösen brechen. So vieles ist ähnlich. Beide haben wir vier Töchter und dann noch einen kleinen Jungen bekommen. Unsere Männer wurden gefangen genommen. Wir wurden von Soldaten bewacht und von Revolutionären gejagt. Sie wurden am Ende alle ermordet. Uns wird das nicht passieren.“
Alice zögerte. Sollte sie ihrer Mutter anvertrauen, dass sie erfahren hatte, dass sie eine Heilige war? Wer, wenn nicht sie, würde ihr glauben?
„Ja, mein Liebes, Alix ist tot“, sagte Viktoria und nahm ihre Hände. „Aber euch wird das nicht passieren, da hast du ganz recht. Ihr seid geflohen und in Sicherheit.“
Alice’ Blick verschleierte sich. „Wir sind auch in Sicherheit, weil ich eine enge Beziehung zu Jesus Christus habe. Er gibt mir seine Kraft. Wir haben zusammen zu Abend gegessen und …“
Ruckartig entzog Viktoria ihr die Hände.
„Da gibt es noch eine Gemeinsamkeit zwischen dir und Alix“, sagte sie kalt. „Beide leidet ihr an religiösen Wahnvorstellungen. Ich werde nicht zulassen, dass es in deinem Leben auch einen Rasputin geben wird.“
Dann ging sie hinaus.
Alice sah ihr nach. Sie war allein. So allein.
Darmstadt, Neues Palais, 13 Monate später
Sie war allein. So allein. Alle waren fortgegangen und hatten sie mit diesem Mann zurückgelassen.
„Ihr Kopf und Ihr Körper sind krank, Alice“, sagte Professor Karl Wilmanns. „Sie wissen das. Dr. Simmel und Sigmund Freud haben Ihnen ja auch schon geholfen. Aber das hat nicht ausgereicht. Nun ist es Zeit, mit mir an den Bodensee zu kommen. Dort steht eine wunderschöne Klinik, in der wir Ihnen noch besser helfen können.“
Alice starrte ihn an. Panik im Blick. Dieser Mann war böse. Und sie wusste es. Sie war allein mit dem Bösen, war ihm völlig ausgeliefert. Dolla, Cecilia, Tante Onor und Onkel Ernie wollten mit Mama und Philip ein kleines Picknick machen. Als sie fort waren, hatte sich dieser mitfühlende Mensch, der zunächst solches Interesse an ihren religiösen Ansichten gezeigt hatte, in ein Monster verwandelt, in den Teufel.
„Nein“, schrie Alice. „Nein, ich gehe nicht mit Ihnen.“
Die Augen des Mannes wurden zu Eiskristallen. „O doch, das werden Sie“, sagte er ruhig. Seine Hand, eine riesige Pranke, fuhr nach vorne und packte sie grob am Unterarm.
„Nein!“, rief Alice panisch und riss sich los. Sie sprang so heftig auf, dass der Stuhl, auf dem sie gesessen hatte, umkippte und zu Boden fiel.
Sie rannte zur Tür, um nach Hilfe zu rufen, doch der Mann hatte sie bereits erreicht und rammte ihr eine Spritze in den Arm.
Alice sank in sich zusammen.
Sie war allein. So allein. Und diesem Mann hilflos ausgeliefert. Das Böse hatte die Macht über sie gewonnen.
Teil 1
1902–1905
1. Kapitel
Die junge Frau beugte sich nach vorne, um kritisch ihr Spiegelbild zu mustern. Es war der 23. Juni 1902, und Nona Kerr, die Hofdame ihrer Mutter, bürstete gerade Alice’ dichtes blondes Haar. Ihre dunklen Augen leuchteten voller Vorfreude, und der hochgeschlossene Spitzenkragen betonte ihr ebenmäßiges Gesicht. Zaghaft lächelte Alice ihrem Spiegelbild zu. Heute war es ihr wichtiger denn je, hübsch auszusehen.
Gemeinsam mit ihrer Mutter Viktoria von Battenberg, geborene Prinzessin von Hessen und bei Rhein und in Begleitung von Hofdame Nona, war Prinzessin Alice von Battenberg am Vorabend im Buckingham Palace angekommen, um an Onkel Berties Krönungsfeierlichkeiten teilzunehmen. Dreiundsechzig Jahre hatte Königin Victoria geherrscht, und als sie nach mehr als sechs Jahrzehnten Regierungszeit am 22. Januar 1901 gestorben war, war der neunundfünfzigjährige Albert Edward aus dem deutschen Adelsgeschlecht Sachsen-Coburg und Gotha an der Reihe. In drei Tagen war es so weit, und aus Onkel Bertie würde Edward VII. werden. Viel aufregender fand Alice jedoch die Tatsache, dass sie heute Andreas wiedertreffen würde. Die Mitglieder des griechischen Königshauses wurden zum Mittagessen erwartet, für das sich Alice gerade hübsch machte. Oder besser: hübsch machen ließ. Nona leistete ganze Arbeit, und Alice beobachtete im Spiegel, wie deren geschickte Hände die Strähnen ihrer Haare zusammenfassten. Man sagte von ihr, sie sei die schönste Prinzessin Europas – als habe Gott damit, dass er ihr ein besonders ansehnliches Äußeres verlieh, wettmachen wollen, dass sie taub war. Dafür konnte sie umso besser sehen und beobachten.
Ihre Mutter hatte stets darauf bestanden, dass man keine Rücksicht auf ihre Taubheit nehmen solle, und Alice gezwungen, das Lippenlesen zu lernen. Sie war stolz darauf, das Lippenlesen in drei Sprachen zu beherrschen – doch Andreas konnte noch viel mehr Sprachen. Deutsch, Englisch, Dänisch, Russisch, Französisch und Italienisch. Vor drei Monaten hatte sie den drei Jahre älteren Prinz Andreas von Griechenland und Dänemark bei einem Familientreffen kennengelernt. Ihr griechischer Prinz, wie sie den vierten Sohn König Georgs I. von Griechenland insgeheim nannte, war ungemein klug, das war ihr von dem Gespräch, das sie damals geführt hatten, in Erinnerung geblieben. War sie anfangs noch etwas scheu gewesen und hatte befürchtet, dass ihre Taubheit ihn abschrecken könne, so hatte er sie schnell eines Besseren belehrt, ihre Taubheit nicht als Makel wahrgenommen, sondern ihr im Gegenteil Komplimente dafür gemacht, wie gut sie das Lippenlesen beherrschte. „Wieso sollte es mich stören?“, hatte er gefragt, als sie ihn direkt darauf ansprach. „Du verstehst doch jedes Wort, das ich sage. Außerdem: Wenn mich deine Taubheit stören würde, könntest du dich auch an dem Monokel stoßen, das ich tragen muss, weil ich kurzsichtig bin.“ Verschmitzt hatte er hinzugefügt: „Zum Glück habe ich das Monokel, sonst würde ich vielleicht gar nicht so deutlich sehen können, wie schön du bist.“
Alice war ob des Kompliments errötet, und ihr Herz hatte wild zu schlagen begonnen. Meinte er es ernst? Irgendetwas sagte ihr, dass seine Worte ehrlich gemeint waren und er ebenfalls Gefühle für sie hegte.
Es war ihr schwergefallen, Abschied zu nehmen, umso mehr hatte sie der Krönung entgegengefiebert – und gleich würde sie vor ihm stehen.
Nona berührte sie sanft an der Schulter, und Alice wandte sich um, um ihr von den Lippen ablesen zu können.
„Ich wäre dann fertig“, sagte die Hofdame lächelnd. Nona war siebenundzwanzig Jahre alt, hatte dichtes rotbraunes Haar, das sie hochgesteckt trug, und ein ebenmäßiges Gesicht. Ihre Augen waren voller Zuneigung. „Wenn ich mir das erlauben darf, du siehst zauberhaft aus.“
„Danke“, erwiderte Alice. „Und ich bin froh, dich heute und immer an meiner Seite zu haben.“
Nona lächelte. „Ich wüsste auch nicht mehr, was ich ohne euch tun würde.“ Nona Kerr arbeitete inzwischen schon seit fünf Jahren bei der Familie und war zu einer wichtigen Stütze für sie alle geworden. Ein Leben ohne Nona konnte Alice sich gar nicht mehr vorstellen. Kurz vor dem diamantenen Kronjubiläum Königin Victorias war sie in ihrer aller Leben getreten. Die Engländerin hatte damals kein Wort Deutsch gesprochen, sich aber schnell eingewöhnt. Inzwischen kam sie mit dem Sprachengemisch aus Französisch, Deutsch und einer Prise Englisch, dessen man sich im Hause Battenberg bediente, gut zurecht.
„Dann ist es wohl Zeit hinunterzugehen“, sagte Alice.
Sie schritt durch die breite Flügeltür und den Salon, der ihr Zimmer mit dem ihrer Mutter verband. Viktoria von Battenberg, geborene Prinzessin von Hessen und bei Rhein, war eine streng aussehende, schlanke Frau mit schmalem Gesicht, ihre hohe Stirn wurde von einem gelockten Pony bedeckt. Ohne diese Frisur, dachte Alice, hätte das Antlitz ihrer Mutter vermutlich noch länger und schmaler gewirkt. Das Lächeln, das sie Alice schenkte, war liebevoll, aber zurückhaltend. Viktoria von Battenberg war eine strenge und zielstrebige Mutter, die hohe Erwartungen an ihre Kinder hatte.
„Du siehst schön aus“, machte Viktoria ihrer Tochter ein Kompliment.
„Danke, du siehst auch sehr gut aus, Mama.“
Seite an Seite schritten die beiden Frauen zum Mittagessen.
„Ich hoffe, ich mache alles richtig“, murmelte Alice. Sie hatte die Etikette am englischen Königshaus zwar mit der Muttermilch aufgesogen, aber dennoch oft das Gefühl, dass es derart viel zu beachten gab, dass sie niemals allem gerecht werden konnte.
Ihre Mutter sah sie im Gehen an, das war nötig, damit Alice von ihren Lippen lesen konnte, als sie erwiderte: „Mach dir darum keine Sorgen. Seit Onkel Bertie hier das Sagen hat, riecht es nicht nur im ganzen Palast nach Zigarren, sondern auch mit der Etikette nimmt man es seither nicht mehr so genau.“
*
Als sie den Blauen Salon betraten, fiel Alice’ Blick sofort auf Andreas, und ihr Herz schlug schneller. Wie ein griechischer Gott sah er aus! Groß und schlank war er, seine Haltung voller natürlicher Eleganz, das dunkle Haar, an der Seite gescheitelt, lag glatt um seinen Kopf, auf seiner Nase thronte das Monokel. Er stand vor dem Kamin, ein Glas in der Hand, und sah ihr erwartungsfroh entgegen. „Alice.“ Er begrüßte sie mit einem Handkuss, als sie bei ihm angelangt war, und in ihrem Bauch stieg ein ganzer Schwarm von Schmetterlingen empor.
„Wie schön, dich wiederzusehen.“
Bevor Alice Kronprinz Konstantin und dessen Frau Sophie von Griechenland begrüßen konnte, die sich in Andreas’ Nähe befanden, richtete sich alle Aufmerksamkeit auf den Mann, der gerade zur Tür hereingekommen war. Onkel Bertie. Englands Thronfolger, der in drei Tagen gekrönt werden sollte. Doch er war seltsam bleich, auf seiner Oberlippe standen Schweißperlen, und es ging ihm offensichtlich ganz und gar nicht gut.
„Bertie!“, rief seine Gattin Alexandra, die nahe der Tür gestanden hatte, und eilte auf ihn zu. „Was ist mit dir?“
Sie nahm ihn beim Arm, um ihn zu stützen.
„Du lieber Himmel“, flüsterte Alice Andreas zu, und alle Befangenheit war angesichts des schlimmen Zustands von Onkel Bertie wie weggeblasen. „Er verliert gleich das Bewusstsein.“
In diesem Moment schwankte Englands künftiger König und Andreas’ Bruder, Kronprinz Konstantin, lief nun ebenfalls erschrocken herbei, um seinen Onkel zu stützen. „Holen Sie einen Arzt, und bringen Sie ihn in seine Gemächer“, wies die entsetzte Alexandra die Dienerschaft an.
Minuten später war Bertie samt Alexandra verschwunden. Die Zurückbleibenden sahen sich ratlos an.
Alice nutzte die Gelegenheit, um Andreas’ Geschwister zu begrüßen. „Königliche Hoheiten, es ist mir eine Ehre!“, sagte sie und knickste erst vor dem Kronprinzen Konstantin von Griechenland, dann vor seiner Gattin Sophie von Preußen und im Anschluss vor einem weiteren Bruder von Andreas, Georg.
„Alice, Sie sehen zauberhaft aus“, versicherte Georg und schenkte ihr einen freundlichen Blick. Andreas’ Bruder war Alice schon bei ihrer letzten Begegnung sehr sympathisch gewesen. Wie jetzt auch hatte sie sich des Eindrucks nicht erwehren können, dass Georg sehr genau um die Gefühle wusste, die sie füreinander hegten. Immer wieder hatte sie die dunklen Augen des griechischen Prinzen auf sich ruhen gespürt, fragend, aber auch wohlwollend. Kronprinz Konstantin war ebenfalls eine ausgesprochen sympathische Erscheinung: ein hochgewachsener, schlanker Mann mit einem mächtigen Schnauzer und klugem Blick. Seine Gattin war eine wunderschöne Frau, die allerdings etwas hochnäsig wirkte und Alice mit hochgezogenen Brauen von oben bis unten musterte, als erwäge sie, ob diese es wert sei, mit ihrer Aufmerksamkeit bedacht zu werden. Ihr Blick verunsicherte Alice zutiefst.
„Hoffentlich geht es Bertie bald besser“, murmelte sie verlegen.
„Ach, es wird nur die Aufregung vor der Krönung sein“, vermutete Konstantin. „Oder die vielen Vorbereitungen haben ihn zu sehr belastet.“
Etwas ratlos begab sich die Tischgesellschaft schließlich zur reichhaltig gedeckten Tafel im Dining Room, der Butler signalisierte der Dienerschaft aufzutragen. Alice konnte ihr Glück kaum fassen, als sie feststellte, dass Andreas ihr Tischherr war, obwohl sie in der Rangfolge weit unter ihm stand. So dicht neben ihm zu sitzen war furchtbar aufregend, gleichzeitig aber auch ungemein unterhaltsam. Andreas war ein wortgewandter Gesprächspartner, und es rührte Alice, wie streng er darauf achtete, ihr immer das ganze Gesicht zuzuwenden, wenn er etwas zu ihr sagte – denn so hatte sie es leichter, von seinen Lippen abzulesen. Sie spürte, dass sie beobachtet wurden. Sowohl Sophie von Griechenlands als auch Viktoria von Battenbergs skeptische Blicke ruhten immer wieder auf dem Paar. Bei Letzterer wusste Alice, was das bedeutete: Ihre Mutter hielt sie mit ihren siebzehn Jahren noch für zu jung, um eine ernsthafte Bindung einzugehen. Aber daran war ja überhaupt noch nicht zu denken! Auch wenn Andreas ihr gegenüber sehr charmant und aufmerksam war und sie wirklich das Gefühl hatte, dass er ebenso in sie verliebt war wie sie in ihn – wissen konnte sie das nicht. Vielleicht war das ja alles nur Höflichkeit.
*
Andreas wich den Rest des Tages nicht von ihrer Seite – sie hatten ja auch nicht viel zu tun, außer bang auf Nachrichten von Onkel Bertie zu warten. Die Familie verstreute sich nach dem Essen nicht, sondern wechselte lediglich vom Speisesaal wieder in den Blauen Salon, wo die Dienerschaft Tee und Gebäck reichte. Alice und Andreas hatten es sich nebeneinander auf einem schmalen Sofa gemütlich gemacht, von dem aus sich ein hervorragender Blick auf die Parkanlagen des Palastes bot.
„Wie viele Geschwister hast du eigentlich?“, fragte Alice. Nicht, um das Gespräch in Gang zu bringen, denn sie hatten einander so viel zu sagen, dass das nicht nötig war, sondern aus echtem Interesse.
„Sechs, eigentlich sieben, aber meine Schwester Olga starb noch als Baby“, erwiderte er melancholisch.
„Das tut mir leid“, sagte Alice und fügte dann, um ihn abzulenken, hinzu: „Ich freue mich, dass du nun tatsächlich bei der griechischen Armee bist. Davon hast du ja bei unserem letzten Treffen so geschwärmt – und gesagt, dass das dein Traum ist.“
Andreas nickte, und Alice konnte Stolz in seiner Miene erkennen, als er sagte: „Ja, Griechenland ist meine Heimat. Deshalb spreche ich mit meinen Eltern auch nur griechisch.“
„Ich bewundere dich dafür, wie viele Sprachen du beherrschst“, sagte Alice. „Griechisch, Englisch, Französisch, Russisch …“
„Das muss man, wenn man mit halb Europa verwandt ist“, scherzte er.
„Deine Mutter ist eine Enkelin des Zaren Nikolaus I., richtig?“, fragte Alice.
Er bejahte ihre Frage und sah ihr dann tief in die Augen, ihr Herz schlug schneller. „Im Übrigen bist du es, die Bewunderung verdient.“
„Ach was“, winkte sie ab. „Ich spreche längst nicht so viele Sprachen wie du.“
„Meine Liebe, du kannst drei Sprachen von den Lippen ablesen. Das soll dir einmal einer nachmachen. Du scheinst wirklich sehr fleißig zu sein und einen eisernen Willen zu haben.“
Alice errötete. Sosehr sie seine Komplimente freuten – sie wusste nicht wirklich damit umzugehen, es war das erste Mal, dass ihr ein Mann solch freundliche Dinge sagte. Daher versuchte sie, das Gespräch in andere Bahnen zu lenken.
„Wenn wir gerade bei halb Europa sind – dein anderer Großvater ist doch König Christian IX. aus dem Hause Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg?“
„Genau“, grinste Andreas. „Und der wiederum ist der Vater von Tante Alexandra und damit der Schwiegervater von Bertie.“
„Wie kommt es eigentlich, dass ein dänischer Prinz auf dem griechischen Thron sitzt?“, erkundigte sie sich.
Er lachte. „Das ist mindestens so kompliziert wie unserer aller Verwandtschaftsverhältnisse. Also …“
Er setzte sich zurecht, und Alice machte sich auf eine längere Geschichtsstunde gefasst, als endlich – es war inzwischen Abend geworden, und bald würde das Dinner gereicht werden – die Tür aufgerissen wurde und eine blasse Alexandra das Zimmer betrat. Die Anwesenden erhoben sich sofort eilig von ihren Plätzen, um zu lauschen, was die Gattin des Thronfolgers über dessen Gesundheitszustand zu berichten hatte.
„Bertie wurde direkt in den Musiksaal gebracht und dort auf dem Tisch operiert. Er hat starke Schmerzen und Fieber“, stieß Alexandra hervor. „Sein Blinddarm war entzündet.“
Alice und Andreas sahen einander voller Entsetzen an. „Eine Blinddarmentzündung ist lebensgefährlich“, formte er mit den Lippen, wissend, dass er die Dinge nicht laut aussprechen musste, damit sie sie verstand.
Alice nickte betroffen. „Armer Onkel Bertie, arme Tante Alexandra.“
„Die Krönungsfeierlichkeiten werden nun wohl verschoben, und wir werden erneut anreisen müssen“, sagte Andreas’ Schwägerin Sophie, die sich mit ihrem Gatten, dem griechischen Thronfolger Konstantin, wenig später zu ihnen gesellte, Alice allerdings mit Missachtung strafte. Die Kronprinzessin von Griechenland, geborene Prinzessin von Preußen, hielt sie offenbar für unwürdig oder nicht standesgemäß. Ihr Blick war kühl, ihr Mund leicht spöttisch herabgezogen. Zu Alice’ Erleichterung gesellte sich aber alsbald Georg, Andreas’ älterer Bruder, zu ihnen und lächelte ihr erneut freundlich zu. Alice lächelte dankbar zurück.
2. Kapitel
Die Rosen im Garten des Buckingham Palace standen in voller Blüte und schwängerten die Luft mit ihrem süßen Duft. Die Sonne schien warm auf Alice’ Haut, und die Vögel jubilierten, als müssten sie für einen Meisterwettbewerb singen.
„Du siehst zauberhaft aus“, flüsterte Andreas und sah Alice mit glühendem Blick an. „Du bist schöner als all die Rosen in diesem Garten.“
Er brach eine gelbe Blüte ab und reichte sie ihr mit einer kleinen Verbeugung. Alice nahm sie lächelnd entgegen, hielt sie an die Nase und sog den Duft tief ein. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, ob andere Menschen, die zu hören vermochten, in der Lage waren, Düfte so intensiv zu erleben wie sie selbst. Wenn sie einen schönen Duft roch, war es ihr, als breite er sich in ihr aus, ergreife von ihr Besitz. Manchmal sah sie dann auch Farben vor sich und nahm etwas wahr, das vielleicht Musik gewesen wäre, wenn sie es denn hätte hören können.
Als sie die Augen wieder öffnete, bemerkte sie, dass Andreas sie unverwandt ansah. „Alice“, sagte er leise. Zart berührte er ihr Kinn und hob ihr Gesicht, sodass sie ihm in die Augen sehen musste. Alice warf einen raschen Blick auf Nona, die ihnen in einiger Entfernung gefolgt war, nun jedoch demonstrativ den Kopf abwandte.
„Alice“, sagte Andreas noch einmal, und dieses Mal erwiderte sie seinen Blick.
Er zog sie unter eine nahe gelegene Pergola, die über und über von Rosen bewachsen war und sie vor neugierigen Blicken schützte, dann ging er vor ihr auf die Knie.
Fassungslos sah sie ihn an, als er sagte: „Alice von Battenberg, ich habe mich schon vor drei Monaten in dich verliebt. Als ich dich das erste Mal sah, wusste ich: Das ist die Frau, mit der ich mein Leben verbringen möchte. Du hast mich verzaubert, Alice. Würdest du mir die Ehre erweisen, mich zu heiraten?“
„Ja“, rief Alice nach einem Moment der Sprachlosigkeit überwältigt vor Glück, „ja, und wie ich das will.“ Und während ihr die Knie weich wurden, war er schon wieder aufgestanden, zog sie in seine starken Arme und küsste sie, dass ihr schwindelig wurde.
Als sie sich voneinander lösten, griff er nach ihrer Hand, strich sanft über ihren Ringfinger und sagte: „Einen Ring habe ich leider nicht bei mir, schon gleich keinen, der gut genug für meine Prinzessin wäre.“ Um ihr dann tief in die Augen zu schauen und zu versichern: „Aber der wird nachgereicht.“
„Ein Ring ist nicht so wichtig“, sagte sie strahlend. „Wichtig ist nur unsere gemeinsame Zukunft. Oh, wie sehr ich mich darauf freue!“
„Ich dachte eigentlich, ich reise zu einer Krönungsfeier an“, schmunzelte Andreas. „Stattdessen komme ich zu meiner eigenen Verlobung.“
Alice musste lachen. Sie liebte seinen Humor.
„Was denkst du, wie unsere Familien es auffassen?“
„Meine Eltern werden sich sehr freuen“, war Andreas überzeugt. „Sie werden dich gleich in ihr Herz schließen, deine Zielstrebigkeit bewundern, dich bezaubernd schön finden. So wie ich auch.“
Alice musste lachen. „Du bist ein Charmeur.“
„An meine Komplimente wirst du dich gewöhnen müssen“, gab er zurück, um ernst hinzuzufügen: „Und deine Familie? Wie werden sie reagieren?“
Alice seufzte. „Wir haben über diese Dinge noch nie gesprochen. Sie haben einfach … keine Rolle gespielt bisher. Ich glaube, Mama hätte nie damit gerechnet, dass ich mich so früh schon verloben würde.“
„Aber werden sie es billigen?“
„Das hoffe ich“, sagte Alice bang. Viktoria von Battenberg hatte ihr Missfallen darüber, dass Alice und Andreas so viel Zeit miteinander verbrachten, ihrer Tochter gegenüber inzwischen sehr deutlich gemacht.
„Ich werde dann natürlich offiziell um deine Hand anhalten.“
Alice nickte. „Warte damit aber noch ein bisschen“, bat sie, überlegte kurz und meinte schließlich: „Ich werde mit Tante Alexandra darüber sprechen. Und mit Onkel Bertie, wenn es ihm besser geht. Zu ihnen hatte ich schon immer ein inniges Verhältnis. Sie werden uns einen guten Rat geben können.“
*
„Wie geht es dir, Tante Alexandra?“ Alice knickste und näherte sich der englischen Kronprinzessin, die inzwischen eigentlich schon zur Königin hätte gekrönt sein sollen. Sie saß am Fenster, wo sie mit einer Lektüre beschäftigt war. Alice fand, dass die letzten Tage Spuren im Gesicht ihrer Großtante hinterlassen hatten. Die Augen unter dem lockigen Pony lagen tief in den Höhlen, ihr Gesicht wirkte schmal und blass.
Alexandra sah von ihrem Buch auf und lächelte. „Alice, wie schön. Nimm doch Platz.“
Alice tat wie ihr geheißen.
„Um auf deine Frage zurückzukommen“, sagte Alexandra müde, „so bin ich erschöpft, aber zugleich unendlich erleichtert, dass Bertie wieder auf dem Weg der Besserung ist. Ich habe mir schreckliche Sorgen um ihn gemacht.“
„Wir alle“, wisperte Alice. Dann sagte sie vorsichtig: „Es muss schön sein, so zu lieben und so geliebt zu werden.“
Alexandras Lächeln vertiefte sich. „Ich freue mich, dass du diese Erfahrung nun auch machen darfst.“
Alice erschrak. Es war klar, dass ihre Mutter um ihre Liebe wusste. Aber dass selbst ihre Großtante bei all ihren Sorgen bemerkt hatte, wie es um sie stand, überraschte sie dann doch.
„Ist das so offensichtlich?“
„Ach, Liebes“, sagte Englands künftige Königin, „Euer Glück springt einem förmlich entgegen. Es ist mit Händen zu greifen.“
Ein Strahlen breitete sich auf Alice’ Gesicht aus. „Er hat mir einen Heiratsantrag gemacht.“
„Das ist ja wundervoll! So schnell …“
„Es war Liebe auf den ersten Blick. Für uns beide“, merkte Alice an. „Du … bist die Erste, der ich es erzähle.“
„Das ehrt mich sehr“, freute sich Alexandra.
„Ich bin nicht sicher, wie Mama darauf reagieren wird“, fuhr Alice zögernd fort. „Sie weiß zwar nichts von unserer Verlobung, aber dass wir gegenseitig große Zuneigung füreinander empfinden, hat sie natürlich mitbekommen und mir sehr unmissverständlich klargemacht, dass sie das nicht gutheißt.“
„Lass ihr Zeit“, empfahl ihre Großtante. „Du bist noch jung, und sie sorgt sich wegen deiner Taubheit um dich.“
„Das muss sie nicht“, begehrte Alice auf. „Ich habe ihr doch gezeigt, dass es mir bestens gelingt, im Leben Fuß zu fassen.“
„O ja, und dafür bewundern wir dich auch alle“, sagte Alexandra, um dann vorsichtig fortzufahren: „Vielleicht hat sie auch nicht damit gerechnet, dass du so schnell einen Mann finden würdest.“
„Weil ich taub bin?“, fragte Alice geradeheraus.
„Nun …“, murmelte Alexandra verlegen, der anzumerken war, dass sie ihre Worte schon bereute.
„Schon gut“, sagte Alice rasch. „Du musst dir keine Sorgen machen, dass du mich verletzen könntest. Ich weiß, dass ich taub bin, und ich weiß, dass es Männer geben könnte, die das abschreckt. Andreas gehört nicht dazu, im Gegenteil.“
„Im Gegenteil?“ Alexandra sah sie fragend an.
„Nun“, setzte Alice an, „er bewundert mich dafür, wie gut es mir trotz meiner Taubheit gelingt, ein ganz normales Leben zu führen.“
„Da bewundert er dich zu Recht“, freute sich Alexandra. „Er hat etwas erkannt, das alle, die dir nah sind, an dir schätzen und bewundern. Deine ungemeine Zielstrebigkeit, deine Stärke und deine Fähigkeit, Benachteiligungen in Vorteile umzuwandeln.“
Sie streckte ihre Hände aus, und Alice legte die ihren hinein. „Du bist ein ganz besonderer Mensch. Mein Neffe Andreas hat großes Glück. Und wer weiß: Vielleicht seid ihr im Sommer, wenn wir uns alle wiedersehen, um die Krönungsfeierlichkeiten nachzuholen, ja schon ganz offiziell ein Paar.“
„Eine ergreifende Romanbiografie“
„Der Autorin Eva-Maria Bast ist es meisterhaft gelungen, das Leben dieser herausragenden Persönlichkeit feinsinnig nachzuzeichnen und zum Leben zu erwecken. Ein beeindruckender Einblick in das Leben einer besonderen Prinzessin!“
„Auf wahren Begebenheiten beruhend, erschafft die Autorin ein fulminantes Panorama aufregender Zeiten und erzählt von den großen Momenten und den kleinen Zufallen, von den schönsten Begegnungen und den tragischen Augenblicken, von den Träumen und von der Liebe dieser starken Frau.“
Mit "Die vergessene Prinzessin" hat die Autorin eine Wissenslücke bei mir gefüllt. Auf 400 Seiten beschreibt Eva-Maria Bast einen Teil des Lebensweges von Alice von Battenberg. Viele kennen ihren Namen nur als "die Mutter von", aber wer wirklich hinter diesem Namen steckt, bleibt vielen Menschen (leider) verborgen. Die Romanbiografie gibt Einblicke in das Leben der Prinzenmutter und zeigt die Einflüsse von Außen. Wer nicht passt, wird weggesperrt. Ich bin froh, dieses Buch gelesen zu haben. Danke für die tollen, unterhaltsamen und lehrreichen Lesestunden.
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