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Don't Swipe Right

Don't Swipe Right - eBook-Ausgabe

L.M. Chilton
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Thriller

— Modern und rasant erzählte Serienmörder-Spannung

„Ein humorvoller Blick auf die Absurditäten des modernen Datings, gepaart mit einem spannenden Mordfall, der Sie bis zum Schluss fesseln wird.“ - Westfälische Nachrichten

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Don't Swipe Right — Inhalt

A match made in hell - Jedes Match kann der einzig wahre Killer sein

Gwen hatte einige schreckliche Dates, die sie gern vergessen würde. Doch sie muss sich wieder mit ihnen befassen, als die Männer einer nach dem anderen ermordet werden. Ausgerechnet ihr neuestes Match auf der App, Parker, macht ihr eine Heidenangst. Er scheint zu viel über die Mordserie und Gwen zu wissen. Doch niemand glaubt ihr. Gwen selbst gerät ins Visier des Polizisten Aubrey, schließlich ist sie die einzige Verbindung zwischen den Opfern. Schwerer als die Sorge um die Ermittlungen wiegt allerdings die Frage, wer das nächstes Opfer wird, wenn all ihre Ex-Freunde aus dem Weg geräumt sind …

Rasant, fesselnd und herrlich zynisch: Das herausragende Thriller-Debüt von L.M. Chilton

L.M. Chilton arbeitet seit 15 Jahren erfolgreich als Journalist für Fernsehsendungen und renommierte Zeitungen. Er lebt in London, wo er schließlich auch das Schreiben als Autor für sich entdeckt hat. „Don’t Swipe Right“ ist sein Debüt.

Perfekt für Leser:innen von Bella Mackies „How to Kill Your Family“ 

€ 10,99 [D], € 10,99 [A]
Erschienen am 24.10.2024
Übersetzt von: Stephan Glietsch
416 Seiten
EAN 978-3-492-60858-9
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Leseprobe zu „Don't Swipe Right“

Kapitel 1

Ich habe mehr als einmal gewaltigen Mist gebaut.

Und damit meine ich nicht die üblichen kleinen Verfehlungen, die jeder mal begeht. Ich gebe freimütig zu, dass ich mindestens zwei Kreditkarten zu viel besitze, unter einer minderschweren Kartoffelchipabhängigkeit leide und dringend mehr Sport treiben müsste. Nein, ich spreche von den wirklich schlimmen Dingen. Denen, die man so tief vergraben möchte, dass man sich vormachen kann, sie wären nie passiert.

Ich würde sagen, dass ich mir locker vierzehn Fehltritte geleistet habe, die den Dalai Lama [...]

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Kapitel 1

Ich habe mehr als einmal gewaltigen Mist gebaut.

Und damit meine ich nicht die üblichen kleinen Verfehlungen, die jeder mal begeht. Ich gebe freimütig zu, dass ich mindestens zwei Kreditkarten zu viel besitze, unter einer minderschweren Kartoffelchipabhängigkeit leide und dringend mehr Sport treiben müsste. Nein, ich spreche von den wirklich schlimmen Dingen. Denen, die man so tief vergraben möchte, dass man sich vormachen kann, sie wären nie passiert.

Ich würde sagen, dass ich mir locker vierzehn Fehltritte geleistet habe, die den Dalai Lama dazu veranlassen würden, die Stirn zu runzeln. Aber von all diesen Katastrophen war die, die sich gerade direkt vor meinen Augen abspielte, vermutlich die zweitschlimmste: der Junggesellinnenabschied meiner besten Freundin alias der höllischste Junggesellinnenabschied – kurz JGA – aller Zeiten. Dabei ist in diesem Zusammenhang die Verwendung des Wortes „höllisch“ nur bedingt gerechtfertigt, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass der Teufel nie gezwungen war, an einem Donnerstagabend um halb neun Bellinis aus penisförmigen Strohhalmen zu schlürfen.

Und für dieses Desaster war ich, die Trauzeugin, ganz alleine verantwortlich. Meinen tollen Plan, erst chinesisch essen und dann zum Karaoke zu gehen, fanden Sarahs alte Schulfreundinnen „zu unkonventionell“. Als hätte Heinrich VIII. – ich vermute einfach mal, dass die Tradition des JGA irgendwie mit ihm und seinen vielen Frauen zu tun hat – jemals darauf bestanden, dass sämtliche Teilnehmerinnen T-Shirts mit einem dilettantisch mit Photoshop bearbeiteten Porträt des Bräutigams tragen.

Leider war mir keine bessere Alternative eingefallen als die Happy Hour im Cameo, dem zweitschlimmsten Nachtclub von Eastbourne. Eine Fahrlässigkeit, die mir gerade um die Ohren flog.

„Na los, Leute! Zeit für ›Braut & Bräutigam‹!“, quietschte Amy. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie Amy hieß, ihr Name könnte aber auch Helen oder Anne gewesen sein. Oder Daisy.

Betreten saßen wir zu sechst um den Tisch in einer der Nischen, die die beleuchtete und sehr leere Tanzfläche des Cameo umgaben. So früh am Abend hatten wir den Club fast für uns allein, abgesehen von ein paar Geschäftsleuten an der Bar, die aussahen, als wären sie nur noch zwei Wodka-Red-Bull davon entfernt, sich ihre Krawatten um die Stirn zu binden und Haka zu tanzen.

„Also … erste Frage: Welche Schuhgröße hat Richard?“, fragte Amy/Helen/Anne/Daisy.

Ich schloss die Augen, und in der Hoffnung, sie würden mich augenblicklich verschlucken, ließ ich mich in die Kunstlederpolster sinken.

„Was weiß denn ich“, lallte Sarah und fummelte an ihrer „Braut“-Schärpe herum, während ihr Gesicht die Farbe einer roten Rübe annahm. „Frag mich was Versauteres!“

„Na gut …“, stammelte Amy (oder wie auch immer sie hieß) und starrte angestrengt auf die Liste mit Fragen, um etwas angemessen Schlüpfriges aufzutreiben. „Was ist seine Lieblingsposition beim Sex?“

Ich ertrug das keine Minute länger. Als die Gruppe unisono in ihre Bellinis seufzte, erhob ich mich von meinem Platz und verschwand in den von der Tanzfläche aufsteigenden Trockeneiswolken. Geführt von den Leuchtbuchstaben des Schriftzugs „Create Your Own Adventure“ an der Wand fand ich meinen Weg zur Toilette und betete inständig, dass jemand hinter dem Kondomautomaten einen Fluchttunnel gegraben hatte.

Ich verzog mich in eine leeren Kabine, ließ die Klobrille mit dem Fuß runter und setzte mich. Der hämmernde Bass des eintönigen House-Sounds war hier nur noch ein dumpfes Dröhnen. Ich holte mein Handy aus der Tasche und öffnete Connector, eine gerade angesagte Dating-App, die – je nachdem, auf wen man hörte – entweder a) jede Chance zunichtemachte, meine Trennung zu verarbeiten, oder b) eine gesunde Ablenkung von meinen zunehmend fragwürdigen Lebensentscheidungen bot.

Nach zehn Minuten des Swipens durch einen endlosen Strom nahezu identischer Männer, die auf ihren Profilfotos für einen Aufstieg nach Machu Picchu viel zu erholt aussahen, wurde ich vom Geräusch der sich öffnenden Toilettentür unterbrochen. Sekunden später hallte Sarahs Stimme durch den gekachelten Vorraum.

„Gwen! Hast du dich hier verkrochen? Du verpasst ›Steck dem Bräutigam den Penis an‹!“

Ein lautloses „Mist“ auf den Lippen stopfte ich das Telefon zurück in meine Tasche und öffnete die Tür. Sogar wenn sie von einer neonpinken „Braut“-Schärpe verunstaltet wurde, sah Sarah mit ihrer glänzenden schwarzen Mähne und dem tadellosen Make-up aus wie eines dieser Models auf den Hochglanzfotos von Haartönungspackungen.

„Ah, da bist du ja“, sagte sie und drückte mir eine Plastiksektflöte in die Hand. „Du verschwendest deine Zeit doch nicht schon wieder mit dieser dämlichen Dating-App?“

„Nein, ich lese nur die Klosprüche.“

Sarah sah mich an, als wäre ich ein niedliches Hundebaby, das auf den Boden gepinkelt hat. „Ich weiß, was los ist“, sagte sie kopfschüttelnd und lächelte traurig. „Ich habe schon befürchtet, das könnte alles etwas viel für dich sein. Ist schließlich erst zwei Monate her, dass … du weißt schon. Du musst wirklich nicht bleiben, wenn du nicht willst.“

„Was? Ich soll die einmalige Gelegenheit verpassen, einem nackten Pappzwilling deines Zukünftigen einen Penis anzustecken? Auf keinen Fall! Außerdem würde ich zu Hause vermutlich auch nichts anderes machen.“

„Ach, Gwen“, seufzte Sarah, „mir musst du doch nichts vormachen. Es ist völlig okay, wenn du wegen Noah traurig bist.“

„Wie schon gesagt: Alles gut. Mir geht’s gut. Wirklich gut.“ Wenn ich das Wörtchen „gut“ nur oft genug wiederholte, reichte das normalerweise aus, um zumindest mich selbst zu überzeugen, dass alles, na ja, gut war.

„Na schön, wenn du das sagst“, erwiderte sie. „Dann komm mit, ich brauche dich. Wir spielen immer noch ›Braut & Bräutigam‹, und ich werde dabei total abgefüllt.“

„Das wundert mich nicht.“ Da Sarah selbst ohne die Blockabsätze noch gut zehn Zentimeter größer wäre als ich, schwang ich mich auf den Waschtresen, um mit ihr auf Augenhöhe zu sein. „Bist du dir absolut sicher, Sar, dass du das durchziehen willst?“

„Das hier? Nein, nicht wirklich. Hier ist es grauenhaft. Aber du hast gesagt, dass wir ins Flares nicht mehr reinkommen, weil du dort …“

„Nein, ich meine nicht den JGA. Ich meine das hier.“ Ich zeigte auf ihre glitzernde „Braut“-Schärpe. „Die Hochzeit. Richard …“

„Ach, verdammt, Gwen. Nicht schon wieder diese Leier.“ Sie verdrehte die Augen. „Ich weiß ja, dass du und Richard nicht gerade BFFs seid, aber du kennst ihn auch noch nicht so gut …“

„Du etwa?“

Nach einigen fragwürdigen Beziehungen im College beherrschte Sarah inzwischen eigentlich die Kunst, entsprechende Warnzeichen zu erkennen, und servierte jeden Mann ab, der nur die leichtesten Anzeichen an den Tag legte, ein Vollidiot zu sein. Umso überraschter war ich, dass sie sich so schnell in Richard verknallt hat. Obwohl an ihm per se nicht viel auszusetzen war, gab es – von seinem auffallend guten Aussehen und seinem Treuhandfonds mal abgesehen – auch nicht allzu viel Positives hervorzuheben. Ich schätze, genau das mochte sie an ihm: Richard war total durchschnittlich. Nachdem sich die beiden letzten Sommer auf einer Konferenz kennengelernt hatten – also im echten Leben, wie zu Zeiten unserer Großeltern –, war ihre Beziehung schnell enger geworden. Bald darauf hatte Richard sie während einer Wanderung auf irgendeinen blöden Hügel mit einem Ring überrascht, den er in einer der zahllosen Taschen seiner Lieblingsfunktionsjacke verborgen hatte.

Und jetzt, nur sechs Monate später, stand Sarah im Begriff, aus unserer gemeinsamen Wohnung auszuziehen, um mich ganz allein den Gräueln des Singledaseins zu überlassen. Und das war völlig in Ordnung. Ich hatte nicht das geringste Problem damit, und wer etwas anderes behauptete, der kannte mich schlecht.

„Wir sind vielleicht noch nicht so lange zusammen, aber ich weiß, dass er einer von den Guten ist“, sagte Sarah. „Und die gibt es weiß Gott nicht im Überfluss. Also fände ich es toll, wenn ihr beide zumindest versuchen würdet, miteinander auszukommen.“

Ich starrte auf meine schmuddeligen Chucks und wollte gerade etwas erwidern, da ertönte in den Tiefen meiner Tasche ein verräterisches Brummen.

Mit der Präzision eines professionellen Scharfschützen nahm Sarah meine Tasche ins Visier. „Ich wusste es!“, kreischte sie, als ich nach meinem Handy griff. „Du hast geswipt! Kannst du nicht mal für einen Abend die Finger von Connector lassen? Das soll schließlich die beste Nacht meines Lebens werden!“

„Und ich dachte, die beste Nacht ist die Hochzeitsnacht?“

„Nein, das ist die zweitbeste. In der besten Nacht“, sagte sie leise, griff sanft nach meinem Unterarm und zog meine Hand aus der Tasche, „tanzt man bis zwei Uhr früh mit seinen besten Freundinnen im miesesten Club von Eastbourne und füllt sich mit Champagner ab.“

„Im zweitmiesesten, bitte. Und das hier ist definitiv kein Champagner, Süße.“ Ich winkte mit dem Plastikglas.

„Auch egal.“ Sarah ließ meinen Arm los. „Heute geht eine Ära zu Ende, okay? Sarah und Gwen. Wir machen ein letztes Mal einen drauf, bevor ich aus der WG ausziehe. Das ist für mich mindestens so wichtig wie der große Tag.“

„Dann solltest du vielleicht dein Krönchen richten, Prinzessin, das sitzt nämlich total schief.“

Sarah drehte sich zum Spiegel, um ihr Diadem zurechtzurücken, und ich nutzte die Chance, um erneut in meine Tasche zu greifen. Das vertraute Brummen konnte nur eins bedeuten: Ich hatte eine neue Connector-Nachricht. Und ich platzte vor Neugierde, zu sehen, von wem sie war. Ich tastete nach dem Handy, da hörte ich Sarah schnaufen, als ließe jemand die Luft aus einem Reifen.

„Um Himmels willen, Gwen, hast du vergessen, wie Spiegel funktionieren?“, fauchte sie. „Gib mir das Ding!“

„Na schön.“ Seufzend reichte ich ihr das Handy. „Selber schuld, wenn deine Hochzeitsfotos asymmetrisch aussehen, weil ich bis dahin keine Begleitung auftreibe.“

Die Feier sollte in der kommenden Woche stattfinden, natürlich am Valentinstag.

„Mir wäre es mir lieber, du kommst alleine“, sagte sie, setzte ihr Glas ab und nahm mir das Telefon aus der Hand, „bevor du so einen Connector-Affen anschleppst.“

„Ach komm. So übel sind die nicht alle.“

„Tatsächlich? Und was ist mit dem Kerl von letzter Woche, der statt Deo Desinfektionsmittel benutzt?“

„Der war zumindest erfindungsreich. Komm schon, immerhin versuche ich, jemanden kennenzulernen. Das ist nicht leicht, weißt du. Nicht alle stolpern auf einer Konferenz in Milton Keynes wie durch Zauberhand über die Liebe ihres Lebens.“

„Es liegt nicht an dir“, entgegnete Sarah. „Es liegt daran, dass es in dieser App von Arschlöchern nur so wimmelt.“

Als wollte sie mir beweisen, dass sie recht hat, stocherte sie mit dem Zeigefinger auf dem Display herum wie eine alte Frau in der Keksdose. „Siehst du, was ich meine? Die sehen alle aus wie Serienkiller“, sagte sie und swipte hastig durch ein Profil nach dem anderen.

„He, he, immer langsam“, rief ich. „Du verpasst grade ein paar sehr vielversprechende Kandidaten!“

Plötzlich piepte das Handy.

„Na so was. Sieht ganz so aus, als hättest du ein Match.“

„Gib das her!“, quiekte ich und riss ihr das Telefon aus der Hand.

Voller Panik, sie könnte mich versehentlich mit einem Psychopathen gematcht haben, tippte ich auf die App ein. Doch das Foto, das auf meinem Display erschien, war überraschend ansprechend. „Parker, 34, Datenanalyst aus Eastbourne“ hatte dunkelblondes Haar, dunkle Brauen und ein fast feminines Gesicht, das ihn ziemlich attraktiv machte.

„Mag Ausgehen und Drinbleiben, Reisen, Kino und den guten alten Sonntagsbraten“, las ich vor.

„Und – ta-daa – arbeitet in der beschissenen IT-Branche“, ergänzte Sarah.

„Nobody is perfect“, erwiderte ich achselzuckend. „Sieh mal, hier steht, dass er Sinn für Humor hat, sich nicht zu ernst nimmt, und offenbar macht er – wie auf den exzellent ausgewählten Fotos unschwer zu erkennen ist – nichts lieber, als sich mit wechselnden Freunden in diversen Pubs zu amüsieren.“

„Kann man jemanden auch ent-matchen?“, fragte Sarah und steckte sich demonstrativ den Finger in den Hals.

„Na ja, ich könnte ihn blockieren, aber …“

„Gut! Wenn das erledigt ist, mach bitte das Ding aus und komm zurück zum Tisch.“

Als sie mein Zögern bemerkte, wurden ihre Gesichtszüge kurz weich, und sie legte die Hand auf meine Schulter. „Weißt du noch? Keine Dates mehr. Das hast du mir versprochen, zumindest bis nach der Hochzeit. All diese Witzfiguren können Noah nicht ersetzen.“

Gereizt legte ich das Handy mit dem Display nach unten auf den Waschtresen. Mein Ex war der letzte Mensch, an den ich im Augenblick denken wollte.

„Oh, und bitte sei mir nicht böse, aber Richard ist auf dem Weg hierher“, sagte Sarah, als wäre das die selbstverständlichste Sache der Welt.

Mit einem theatralischen Stöhnen warf ich den Kopf in den Nacken. Wenn es eines gab, was diesen Abend noch öder machen konnte, dann war das Richard.

„Willst du mich verarschen, Sarah?“, jammerte ich. „Ist das überhaupt erlaubt? Wo bleibt denn da die viel beschworene Tradition?“

„Ach komm schon. Das mit der Tradition hatte sich spätestens erledigt, als Daisy das Helium aus dem Pimmelballon inhaliert hat.“

„Verdammt, ich wusste, dass sie Daisy heißt!“, zischte ich leise.

Clubs wie das Cameo waren überhaupt nicht Richards Ding. Er war einer dieser Männer, die sich über einen leckenden Wasserhahn freuten, weil er ihnen die Gelegenheit bot, ihre Verlobte auf eine dreistündige Tour durch den Baumarkt zu schleppen. Und so viel stand fest: Die Prä-Richard-Sarah wäre lieber gestorben, als einem Baumarkt auch nur nahe zu kommen. Wenn überhaupt, dann hätte man sie im benachbarten Pub angetroffen, wo sie alleine eine Flasche Sauvignon Blanc leerte.

„Keine Angst, Gwen, er wird uns schon nicht den Spaß verderben. Er kann brav bei uns in der Ecke sitzen, bis wir mit den Spielen fertig sind.“

„Klasse! Darf es auch eine andere Ecke sein?“

„Gwen! Sei lieb! Wir leben im 21. Jahrhundert, man feiert keine getrennten JGAs mehr. Gemeinsame Partys sind der heiße Scheiß. Und für ihn ist das eine prima Gelegenheit, vor der Hochzeit meine Mädels kennenzulernen. Bitte bemüh dich wenigstens ein bisschen. Für mich, okay?“

Schmollend verschränkte ich die Arme. „Na gut. Gib mir eine Minute, um mich frisch zu machen, ja?“

„Und du schreibst diesem Parker-Typ auch wirklich nicht?“, hakte Sarah nach und sah mich misstrauisch an.

„Definitiv nicht.“

„Kluges Mädchen“, antwortete sie und überprüfte ein letztes Mal den Sitz ihres Diadems, bevor sie ging.

„He, Sar, warte kurz“, rief ich ihr hinterher.

„Ja?“

„Siebenundvierzig.“

„Was?“

„Richards Schuhgröße ist siebenundvierzig.“

„O Mann, natürlich. Danke! Wieso weißt du so was?“

„Weil ich das verdammte Quiz geschrieben habe, du Intelligenzbestie“, klärte ich sie auf. „Und jetzt raus hier.“

Sie warf mir einen Kuss zu. Nachdem sie gegangen war, blieb ich auf dem Waschtisch sitzen und betrachtete mein verzerrtes Spiegelbild auf dem Edelstahlwasserhahn. Obwohl ich selbst im Singledasein gestrandet war, wünschte ich mir für Sarah nichts sehnlicher als die Hochzeit ihrer Träume und dass sie niemals durch das Treibgutminenfeld einer solchen App irren musste, um einen halbwegs anständigen Menschen zu finden, mit dem sie ihr Leben verbringen konnte. Dennoch, bei dem Gedanken, dass es für meine beste Freundin bald „… und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende“ heißen würde, fühlte ich mich leider nicht annähernd so glücklich, wie ich vermutlich sein sollte.

Ich rutschte vom Waschtisch und versuchte, dieses ungute Gefühl zu verdrängen. Als ich mein Handy zurück in die Handtasche stopfte, erhaschte ich einen kurzen Blick auf Parkers Profil, das immer noch geöffnet war. Ich hielt inne, und mein Finger schwebte über seinem Gesicht. Mit der anderen Hand hob ich das Glas und stürzte den warmen Prosecco herunter.

Scheiß drauf, dachte ich und tippte eine Nachricht.

wyd? Sitz grad bei nem Albtraum-JGA fest. Hast du Lust, mir ne Ausrede zu liefern, um hier zu verschwinden?

 

Kapitel 2

Ich kehrte zu unserem Tisch zurück, wo Sarah – die Augen mit ihrer Schärpe verbunden – gerade mit einem plump zusammengebastelten Phallus herumfuchtelte. Die Girls bemühten sich erfolglos, das Genital an die richtige Stelle am Körper eines grotesk muskulösen Pappkameraden zu lotsen, auf dessen Kopf ein Porträtfoto von Richard klebte.

Ich setzte mich zu ihnen, und da Sarah mich nicht sehen konnte, scrollte ich munter durch die Bilder in Parkers Connector-Profil. Er bediente wirklich alle Klischees: Es gab den Firmenfeierschnappschuss mit zwei – nicht annähernd so gut aussehenden – Kumpels im Arm und einem billig aussehenden Pokal in der Hand, außerdem ein melancholisches Schwarz-Weiß-Bild sowie ein Halloweenfoto, das ihn als Zombie zeigte, geschickterweise so geschminkt, dass trotz Verkleidung niemandem entgehen konnte, wie attraktiv er war.

Allerdings muss ich zugeben, dass mein eigener Connector-Auftritt auch kein bahnbrechendes Renaissancekunstwerk war. Ich hatte einen ganzen Nachmittag darauf verschwendet, ein möglichst sexy und unwiderstehlich wirkendes, unmöglich-nach-links-zu-swipendes Dating-Profil zu erstellen, nur um dann doch aufzugeben und ein paar alte Schnappschüsse aus den Tiefen meines Fotoalbums hochzuladen. Letzten Endes hatte ich mich für fünf Bilder entschieden, die von „süß und das weiß ich genau“ bis hin zu „lässig und dabei unbeabsichtigt sexy“ reichten. Und schon war „Gwen, 29, Barista aus Eastbourne“ offiziell zu haben. Auch wenn „zu haben“ irgendwie eklig klingt: Bislang hatte ich dabei meinen Spaß. Na gut, „Spaß“ ist relativ. Eigentlich erwiesen sich die meisten Matches entweder als a) totale Freaks oder b) manipulative Kotzbrocken ersten Grades. Vermutlich wäre mein Liebesleben mit „interessant“ akkurater beschrieben.

„Bin ich nah dran?“, rief Sarah und stieß dabei gegen ein Tablett voller Bellinis, die um Haaresbreite in meinem Schoß gelandet wären.

„Nah dran, mich völlig einzusauen!“, schimpfte ich. „Wann kommt Richard denn?“

„Ich nehme an, jeden Moment“, antwortete Sarah. „Er wollte es mir nicht sagen.“

„Wie link“, murmelte ich, und wie aufs Stichwort schwenkte sie mit dem Papp-Penis nach links. Diesmal blieben die Drinks nicht verschont.

Laut kreischend versuchte die Partygesellschaft, dem Proseccoregen auszuweichen. Sarah löste die Augenbinde, musterte das Schlachtfeld und sah mich dann kopfschüttelnd an.

Die superlustigen Traubenzuckerherzen mit flotten Sprüchen wie „Von der Löwin zur Hauskatze“, „Heute Nacht muss Netflix ran“ und „Nicht schlecht für dein Alter“ waren über den ganz Tisch verstreut und lösten sich in den Cocktailpfützen langsam auf.

„Du hast ›links‹ gesagt!“, fauchte sie mich an.

„Nein, ich meinte … ach, auch egal“, erwiderte ich und wischte eine klebrige Pfirsichspalte von meiner Jeans. „Mein Fehler. Ich hole uns neue.“

Während ich mich durch einen kleinen Pulk von Leuten schob, die sich zur Musik von Ed Sheeran selbstverloren auf der Tanzfläche drehten, blickte ich auf mein Handy. Noch bevor ich die Bar erreichte, ploppte eine Nachricht auf.

Albtraum-JGA? Klingt lustig. Kann ich dazukommen?

Ich schnappte mir einen Barhocker, bestellte eine Runde Bellinis sowie einen Tequila für mich und tippte eine Antwort.

Nein, auf keinen Fall! Aber wir könnten uns im Brown Derby beim Pavillon an der Strandpromenade treffen.

 Mit ein bisschen Glück konnte ich mich vom Acker machen, bevor Richard hier eintraf. Ich wollte gerade zahlen, da rief eine Stimme vom anderen Ende der Bar: „Lassen Sie mich das übernehmen.“ Sie gehörte einem grinsenden Typen, der mit seiner Mastercard in meine Richtung winkte. Er sah aus, als käme er geradewegs von einer wichtigen Vorstandssitzung bei der Bürolangeweiler AG, und das halb leere Bier vor ihm war eindeutig nicht sein erstes. Das Jackett seines Anzugs hatte er über den Tresen gelegt, und die Schweißflecken unter den Achseln seines knitterigen und nicht mehr ganz weißen Hemdes schienen zu wachsen, während er sprach.

„Nein danke, ich habe bereits Gesellschaft“, ließ ich ihn abblitzen, deutete zu den Girls hinüber und beschäftigte mich dann demonstrativ mit meinem Handy, nur für den Fall, meine Antwort ließe sich irrigerweise dahingehend interpretieren, dass ich mir nichts Schöneres vorstellen könnte, als bei schummerigem Licht von einem verschwitzten Bürohengst verführt zu werden. Und selbst wenn es so wäre: Sisqos Thong Song schallte so laut durch den Laden, dass jeder Versuch einer Unterhaltung zur Übungsstunde im Lippenlesen werden musste. Ich schrieb eine weitere Nachricht an Parker.

Hey, ich werde gerade von einem lokalen Aldi-Manager angebaggert und muss hier weg! Was meinst du: 22 h im Derby?

Der Barkeeper stellte fünf Bellinis auf ein Tablett und schob den Tequila über die Bar zu mir rüber. Ich ließ den Blick durch den Club schweifen: Von Richard war noch immer nichts zu sehen, aber die Mädels enterten gerade die Tanzfläche.

„Jetzt mach schon. Na los“, beschwor ich mein Handy, als könnte ich Parker auf diese Weise überzeugen, mir einen Grund zu liefern, von hier zu verschwinden, bevor Richard auftauchte.

Ich konnte das Starren des Kerls an der Bar förmlich spüren und hob den Blick.

Wie erwartet grinste er mich an. „Na, hat dich jemand versetzt?“, fragte er und fuhr dabei mit dem Finger über den Rand seines inzwischen geleerten Bierglases. „Also, ich bin noch da, Schätzchen. Trink doch was mit mir.“

„Nein danke“, sagte ich mit Nachdruck.

„Wie hieß es früher immer: Rede nicht mit fremden Männern. Und ich dachte, ihr Mädels von heute pfeift da drauf. Ihr hängt doch ständig am Handy und chattet mit wildfremden Typen.“

Ich ignorierte ihn, kippte den Tequila in einem Zug runter und schnappte mir das Tablett mit den Drinks. Klar, ich hätte ihm eine gepfefferte Antwort geben können, entschied mich aber, mir die Mühe zu sparen.

„Fremder ist wohl nicht gleich Fremder?“, rief er mir nach.

Während ich mit der Linken das Tablett hielt, drückte ich mit der Rechten den Refresh-Button der App, aber Parker hatte immer noch nicht geantwortet, also schob ich das Handy in die Gesäßtasche meiner Jeans.

Ich hatte gerade die Mitte der Tanzfläche erreicht, da erblickte ich Richard, der in eine Outdoorjacke gewickelt aus der Kälte hereinkam und sich seinen Weg in Richtung der Girls bahnte. Ich überlegte kurz, mich an die Bar zu verziehen, aber ein rascher Blick zurück brachte mich schnell davon ab: Der Bürotyp starrte mich immer noch an, als würde er jeden Moment anfangen zu sabbern.

Was nun?

Just in diesem Augenblick vibrierte endlich mein Handy. Mit der einen Hand balancierte ich das Tablett, während ich mit der anderen das Telefon aus der Tasche zog und mit dem Daumen über das Display wischte, um die Nachricht zu öffnen.

Tut mir leid, ich muss umdisponieren. Für Jungs wie mich ist es momentan nicht sicher da draußen.

Es folgte der Link zu einem Lokalzeitungsartikel mit der Überschrift „Polizei rät zu Vorsicht nach Leichenfund durch Jogger“.

Ich öffnete ihn, und als sich die Seite aufbaute, wurde mir flau im Magen. Der attraktive rotblonde Junge, der mir vom Foto seiner Abschlussfeier entgegenlächelte, kam mir erschreckend bekannt vor.

Der erste Satz, den ich las, lautete „Rob Hamiltons Leiche wurde morgens gegen 6:30 Uhr von zwei Läufern im Sovereign Park entdeckt.“

Rob Hamilton.

Meine Arme wurden zu Gummi. Das Tablett fiel mir aus der Hand, und die orangefarbenen Getränke schwappten über die erleuchtete Tanzfläche. Sarahs Freundinnen und die wenigen anderen Tänzer sprangen erschrocken zur Seite.

Rob sah nicht nur aus wie jemand, den ich kannte. Er war jemand, den ich kannte.

Erst eine Woche vorher hatte ich ein Date mit ihm.

L.M. Chilton

Über L.M. Chilton

Biografie

L.M. Chilton arbeitet seit 15 Jahren erfolgreich als Journalist für Fernsehsendungen und renommierte Zeitungen. Er lebt in London, wo er schließlich auch das Schreiben als Autor für sich entdeckt hat. „Don’t Swipe Right“ ist sein Debüt.

Pressestimmen
köllefornia Magazin

„Aus einer ironischen Geschichte mit enorm viel spannenden Elementen gelingt es Chilton einen unterhaltsamen Roman abzuliefern.“

Westfälische Nachrichten

„Ein humorvoller Blick auf die Absurditäten des modernen Datings, gepaart mit einem spannenden Mordfall, der Sie bis zum Schluss fesseln wird.“

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