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Ein Schotte für die Feiertage Ein Schotte für die Feiertage - eBook-Ausgabe

Stefanie Lahme
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Roman

— Witziger, warmherziger Winterroman mit Second Chance in einer kleinen Buchhandlung in Schottland

„Ein romantischer Weihnachtsschmöker mit viel schottischem Flair.“ - Westdeutsche Allgemeine Zeitung

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Ein Schotte für die Feiertage — Inhalt

Witziger, warmherziger Winterroman in einer kleinen Buchhandlung für Fans von Lucie Castel, Jenny Colgan und Manuela Inusa 

„Mir war nicht klar, wie sehr ich mir genau das hier gewünscht hatte: Scott und ich, in einer kalten schottischen Winternacht, versunken in einem endlosen Kuss.“ 

Lauren kehrt nach fünfzehn Jahren in das schottische Dorf zurück, in dem sie als Jugendliche die Ferien in der Buchhandlung ihrer Tante verbracht hat – bis ihr Draufgänger Scott das Herz brach. Aber fünfzehn Jahre sind lang, und was soll schon passieren, wenn Lauren nur ein paar Tage bleibt, um nach dem Tod der Tante alles Nötige für den Verkauf des geerbten kleinen Buchladens zu regeln? 

Scott kann passieren. Während Lauren sich gegen die Einsicht wehrt, dass sie noch immer viel zu viel für ihn empfindet, setzt der Pubbesitzer alles daran, ihr Herz erneut zu erobern. Doch ist er dabei ehrlich zu ihr? 

€ 13,00 [D], € 13,40 [A]
Erschienen am 12.09.2024
280 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-50795-0
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€ 4,99 [D], € 4,99 [A]
Erschienen am 12.09.2024
304 Seiten
EAN 978-3-377-90161-3
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Leseprobe zu „Ein Schotte für die Feiertage“

Kapitel 1

Es gibt kaum ein schlimmeres Geräusch als das lauter werdende Röhren eines Autoauspuffs, der keinen Hehl daraus macht, bald den Geist aufzugeben.

Was stellt die einzig praktikable Lösung für dieses Problem dar? Man dreht das Radio lauter und gibt Gas.

Genau das tat ich auf meiner abendlichen Fahrt durch die schottischen Highlands. Die Scheibenwischer kämpften jaulend gegen den konstant prasselnden Regen an, und im Radio schmetterten die Pogues ihr Weihnachtslied, der einzige Lichtblick an diesem Tag, der von Minute zu Minute deprimierender wurde. [...]

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Kapitel 1

Es gibt kaum ein schlimmeres Geräusch als das lauter werdende Röhren eines Autoauspuffs, der keinen Hehl daraus macht, bald den Geist aufzugeben.

Was stellt die einzig praktikable Lösung für dieses Problem dar? Man dreht das Radio lauter und gibt Gas.

Genau das tat ich auf meiner abendlichen Fahrt durch die schottischen Highlands. Die Scheibenwischer kämpften jaulend gegen den konstant prasselnden Regen an, und im Radio schmetterten die Pogues ihr Weihnachtslied, der einzige Lichtblick an diesem Tag, der von Minute zu Minute deprimierender wurde. Es heißt ja immer, man solle auf sein Bauchgefühl hören, und meins machte mir mit deutlichem Magengrummeln klar, dass ich geradewegs auf eine Katastrophe zusteuerte.

Hatte ich vorhin behauptet, dass ein röhrender Auspuff so ziemlich das schlimmste Geräusch ist, das ein Auto von sich geben kann? Falsch. Es gab definitiv noch ein übleres, und zwar das, welches besagter Auspuff verursacht, wenn er sich vom Wagenboden löst und mit kreischendem Scheppern über den Asphalt schleift.

Eine Weile gab ich vor, dass nichts weiter passiert wäre, und pfiff nervös vor mich hin, bis selbst ich einsah, dass meine übliche Lösungsstrategie, nämlich das Motto Einfach mal ignorieren, wird schon irgendwie weitergehen, mich hier nur in größere Schwierigkeiten bringen würde. Vor der Windschutzscheibe erstreckte sich das schmale Band der Single Track Road, der einspurigen Straße, die hoffentlich nach Aberlundy führte, nur rudimentär von den Scheinwerfern meines fünfzehn Jahre alten Toyota Yaris namens Elizabeth erhellt. Außerhalb der matten Lichtkegel herrschte tiefe Schwärze. Da mir die Umgebung keinerlei Rückschlüsse auf meinen Standort gestattete, warf ich einen scheuen Blick auf das Navigationsgerät, das auf dem Beifahrersitz lag, da sich der Gumminippel, mit dem es an der Scheibe zu kleben pflegte, bereits vor einer Stunde mit einem resignierten Plopp in die düsteren Gefilde des Fußraums begeben hatte. Vermutlich fristete es dort eine traurige Existenz zwischen Gas und Bremse. Noch zehn Minuten bis Aberlundy. Läppische zehn Minuten! Die konnte ich doch gut und gerne zu Fuß zurücklegen.

Ich zückte mein Smartphone. Kein Netz. Na schön. Dann musste ich eben Pi mal Daumen überschlagen, wie viel Zeit mich die Strecke zu Fuß kosten würde. Im Joggingtempo vermutlich eine Stunde. Wenn ich es wagte, meinen Rollkoffer hinter mir herzuziehen, und somit normal schnell gehen musste … Nein. Nein, nein, nein. Ich würde nicht stundenlang durch den strömenden Regen waten. Da fuhr ich lieber mit herunterhängendem Auspuff weiter. Was konnte schon passieren?

Thema Bauchgefühl: An diesem Nachmittag, als ich fluchtartig mein Zimmer in Edinburgh verlassen hatte, wäre es vernünftiger gewesen, es zu ignorieren. Dann könnte ich den Abend mit meiner Mitbewohnerin im Pub verbringen oder, noch besser, mit einem Buch auf der Couch, statt auf der einsamsten Single Track Road Schottlands eine Autopanne zu haben. Genervt von mir selbst und meinem Selbstmitleid stieß ich die Luft aus und spähte aus dem Seitenfenster, denn dort draußen, o Wunder, flackerte ein Lichtlein in der Dunkelheit. Sah aus wie das Fenster eines Hauses. So fernab der Zivilisation befand ich mich also doch nicht.

Entschlossen zog ich den Regenmantel vom Rücksitz und schlüpfte hinein. Dabei riss ich den Rückspiegel aus seiner Verankerung und legte ihn kurzerhand ebenfalls auf dem Beifahrersitz ab, wo er dem Navi Gesellschaft leisten konnte. Bewaffnet mit der Taschenlampen-App meines Smartphones öffnete ich die Tür, kletterte aus dem Wagen und versank bis zum Knöchel in einer Pfütze. Eiskaltes Wasser sickerte in meinen Schuh, der hervorragend für einen Bürojob geeignet war, für einen nächtlichen Spaziergang auf regennasser Straße jedoch gänzlich unpassend.

Davon ließ ich mich nicht beirren. Hilfe in Form netter Leute in einem heimeligen Cottage in Sicht, stapfte ich los. Tatsächlich trog mich mein Bauchgefühl, das an diesem Tag bereits einen herben Vertrauensverlust erlitten hatte, diesmal nicht. Ich erreichte ein heimeliges Cottage, und die Leute waren nett, vom Großvater über die Eltern bis zum zehnjährigen Sohn. Kaum hatte ich ihnen von meiner Misere berichtet, hüllten sie sich in Regenjacken und begleiteten mich zum Auto. Ein Hund war ebenfalls mit von der Partie und wuselte begeistert um unsere Beine herum.

Nach einer ausgiebigen Begutachtung der Lage mit einer echten Taschenlampe versuchten wir mit vereinten Kräften, den Auspuff vom Auto zu trennen, gaben dieses Vorhaben wegen erheblicher Gegenwehr desselben jedoch bald auf. Der Zehnjährige kam auf die Idee, das Teil vorerst einfach am Auto zu befestigen, sodass es zumindest nicht mehr auf dem Boden schleifte und ich meine Fahrt fortsetzen konnte. Gesagt, getan. Nur eine halbe Stunde später und bis auf die Haut durchnässt röhrte ich mit dem Sound einer Formel-1-Rennfahrerin gen Aberlundy und ließ die bisherigen, nicht sehr erfreulichen Ereignisse des Tages Revue passieren.

 

Einige Stunden zuvor am frühen Nachmittag des Tages, an dem mich mein Auspuff im Stich ließ:

Am letzten Arbeitstag in einem Job, den ich über alles geliebt hatte, verließ ich das Verlagsgebäude mit schwerem Herzen und einem Karton mit all dem Zeug, das sich im Verlauf eines achtjährigen Bürolebens angesammelt hatte, von der obligatorischen pflegeleichten Pflanze bis zu den Pinnwand-Magneten, die mir eine Kollegin getreulich aus jedem Urlaub mitgebracht hatte. Der Verlag schloss Ende des Jahres endgültig seine Pforten, und somit waren wir alle arbeitslos. Ohne eine neue Stelle in Aussicht sah meine berufliche Zukunft noch düsterer aus als der wolkenverhangene Himmel über Edinburgh. Das freundliche Angebot eines Kollegen, jetzt wohl Ex-Kollegen, sich im nächsten Pub ordentlich einen zu brennen, hatte ich ausgeschlagen. Ich wollte mich in Ruhe zu Hause in meinem Leid suhlen, bevor ich wie schon in den Wochen zuvor, seit ich von der Kündigung erfahren hatte, nach einer neuen Anstellung suchen würde.

Aus der Ruhe wurde nichts. Im Flur stolperte ich über die Stiefel von Steven, dem Freund einer meiner Mitbewohnerinnen. Die lauten Stimmen aus der Küche ließen darauf schließen, dass sich die beiden mal wieder stritten. Also verzichtete ich auf den dringend benötigten Tee und verzog mich ohne Umweg in mein Zimmer. Ein Hort des Friedens, jedenfalls bis meine andere Mitbewohnerin, ohne anzuklopfen, hereinstürmte.

„Hey, Laury, geht das jetzt klar mit deinem Zimmer?“

Einen Moment lang starrte ich nur perplex in das zu einem erwartungsvollen Lächeln verzogene Gesicht von Becky, bis mir unser gemeinsam ausgetüftelter Plan wieder einfiel, der mir nun nicht mehr so zusagte wie bei seiner Erstellung. Das konnte daran liegen, dass ich anders als am Planungsabend stocknüchtern war. Wegen der Trauer über den Jobverlust hatte ich gar nicht mehr daran gedacht.

„Ich habe schon eine Anfrage“, berichtete Becky und ließ sich auf mein ungemachtes Bett fallen. „Über Weihnachten und vor allem Hogmanay zahlen die Leute gut und gerne das Doppelte.“ Zum Jahreswechsel, in Schottland Hogmanay genannt, waren die Unterkünfte in Edinburgh besonders gefragt und schnell ausgebucht. „Ich sag dir, wenn das klappt, können wir uns nächstes Jahr richtig was leisten.“

In ihrem Fall war das vermutlich eine Reise, und in meinem war ich froh, wenn ich mit den Einnahmen unserer Aktion die Wochen bis zum nächsten Job überbrücken konnte. Einen Trumpf hatte ich zwar noch in der Hinterhand, aber dieses Geld würde wohl erst in ein paar Monaten verfügbar sein, und ich hatte keinen blassen Schimmer, wie viel ich erwarten konnte.

„Bist du sicher, dass es eine gute Idee ist?“, wagte ich einzuwenden.

„Na klar! Ein Kumpel von mir vermietet ständig ein Zimmer in seiner Wohnung über Airbnb und hat so schon viele coole Leute kennengelernt.“

„Ist das der Kumpel mit dem Wohnungsbrand, weil einer seiner Airbnb-Gäste vergessen hatte, eine Kerze zu löschen, bevor er in den Pub gegangen ist?“

Becky winkte ab. „Das passiert uns nicht, weil wir Kerzen verbieten.“

„Na, das ist ja einfach.“

Entweder überhörte Becky die Ironie in meinen Worten mit Absicht, oder sie war zu begeistert von unserem Plan, um empfänglich für subtile Kritik zu sein. „Das Gute ist ja auch, dass Siobhan über die Feiertage in Edinburgh bleibt und als Ansprechpartnerin für unsere ersten Gäste zur Verfügung steht.“

Dem Gebrüll aus der Küche nach zu urteilen, würde Siobhan sich sogar höchstpersönlich in unserer WG befinden und nicht, wie ursprünglich geplant, Weihnachten und den Hogmanay bei der Familie ihres Freundes verbringen.

„Ja, großartig.“ Ich nahm die Pflanze aus dem Karton und platzierte sie auf dem Schreibtisch.

„O nein, sind das deine Sachen aus dem Büro?“ Becky sprang auf und zog mich in eine Umarmung, die reichlich ungelenk ausfiel, weil ich auf dem Schreibtischstuhl saß und sie fast eins neunzig groß ist. „Es tut mir so leid. Sollen wir in den Pub?“

„Nein, ich muss einen neuen Job suchen.“

„Das kannst du morgen auch noch machen. Lenk dich heute erst mal ab.“

„Ich sollte wirklich …“ Während ich pflichtbewusst den PC hochfuhr, erreichte der Streitpegel in der Küche seinen Höhepunkt. Das Scheppern zerbrechenden Geschirrs ließ Becky und mich zusammenzucken. Becky zog ein langes Gesicht. „Oje. Hoffentlich war das nicht der gute Weihnachtsteller von Oma.“

Damit brachte sie mich tatsächlich zum Lachen, denn der Weihnachtsteller, den wir seit drei Jahren verwendeten, um unsere selbst gebackenen Plätzchen darauf zu präsentieren, stammte keineswegs von ihrer Großmutter, sondern aus dem Supermarkt nebenan. Wir hatten ihn bei einem fröhlichen Adventsumtrunk feierlich Weihnachtsteller von Oma getauft, und seitdem hieß er so.

Es waren witzige Anekdoten und gemeinsame Traditionen wie diese, die mich an der Wohngemeinschaft festhalten ließen, diese und der unschlagbar günstige Preis der durch vier geteilten Miete. Auch wenn ich einsah, dass ich mit fast dreiunddreißig Jahren allmählich zu alt für das WG-Leben wurde. Daher suchte ich nicht nur einen neuen Job, sondern parallel dazu eine bezahlbare Wohnung im näheren Umkreis von Edinburgh, bestenfalls direkt in der Stadt. Mit etwas Glück rückte die Erfüllung meines Wunsches nach den eigenen vier Wänden sogar bald in greifbare Nähe, denn über Beziehungen hatte ich ein zum Verkauf stehendes Apartment gefunden.

„Schau mal auf der Seite von Airbnb nach“, forderte Becky mich mit einem Wink Richtung Computermonitor auf. „Vielleicht gibt es neue Gastanfragen.“

Ich überließ ihr die Tastatur. Routiniert rief sie unser brandneues Profil auf. „Sieh dir das an! Da fragt jemand an, ob wir eines der Zimmer schon ab übermorgen vermieten könnten. Das würde bedeuten, dass wir doppelt so viel einnehmen wie geplant.“ Ihrem begeisterten Gesichtsausdruck entnahm ich, dass sich ihre Reisepläne von einem Wochenendtrip nach Glasgow Richtung eine Woche Sonne auf den Kanaren verschoben.

Während sie laut überlegte, wo sie unterkommen oder ob sie für die paar Tage einfach mit in mein Zimmer ziehen könnte, fiel mein Blick auf den Brief, der seit drei Wochen auf meinem Schreibtisch lag und den ich gefühlt mindestens hundertmal gelesen hatte, weil ich es nicht glauben konnte. Meine Tante Edwina hatte mir ihren Buchladen in Aberlundy vererbt. Und das, obwohl ich seit Jahren nichts von ihr gehört hatte. Zugegeben, sie auch nicht von mir. Diesen Gedanken verdrängte ich rasch, da er mir jedes Mal einen Stich versetzte. Die pragmatische Siobhan hielt den Brief zunächst für Spam, doch ein paar Gespräche mit dem Notar, der das Erbe verwaltete, ergaben, dass alles seine Richtigkeit hatte. Außerdem war Tante Edwina ja keine plötzlich auftauchende fremde Person, die sich per dubioser E-Mail meldete, um mir ihr komplettes Vermögen zu vermachen, sondern die Frau, bei der ich von meinem zehnten bis achtzehnten Lebensjahr sämtliche Sommerferien und unzählige Feiertage verbracht hatte.

„Becky“, sagte ich kurz entschlossen, da ich soeben eine deutliche Botschaft des viel gerühmten Bauchgefühls empfangen hatte, „die Gäste können mein Zimmer haben. Ich fahre nach Aberlundy.“

Bevor ich das Haus, wie ich hoffte, dank des bereits engagierten Maklerbüros verkaufte, wollte ich es mir zumindest noch einmal anschauen. Eigentlich hatte ich diesen Besuch erst für die Weihnachtsfeiertage geplant, aber warum es nicht hinter mich bringen?

 

Eine Entscheidung, die ich innerhalb der letzten zehn Minuten auf der Zielgeraden in das beschauliche Städtchen bitter bereute.

Kurz bevor die Scheinwerfer das Ortsschild mit der Aufschrift Willkommen in Aberlundy erfassten, löste sich die Befestigung des Auspuffs, und ich fuhr scheppernd und klappernd in Aberlundy ein, als würde ich drei Just Married-Konservensätze hinter mir herschleifen. „Halt durch, Elizabeth“, murmelte ich. Die Scheibenwischer zumindest gaben ihr Bestes, und so erreichte ich, angespannt über dem Lenkrad kauernd, die Straße, in der sich Tante Edwinas Buchladen befand. Mit einem letzten gequälten Rasseln kamen sowohl Wagen als auch Auspuff zur Ruhe. Ich wischte mir Schweiß und Regen vom Gesicht, ein aussichtsloses Unterfangen, da meine Haare unbeirrt weitertropften.

Im trüben Licht der Straßenlaterne konnte ich das Schaufenster des Buchladens ausmachen, an dem ein großes Schild mit der optimistischen Aufschrift Vorübergehend geschlossen klebte. Meine Kehle schnürte sich zu bei der Erkenntnis, dass dieser Laden niemals mehr öffnen würde. Einen Moment lang fühlte ich mich in die Tage meiner Kindheit zurückversetzt, an denen ich auf dem Rücksitz des Autos meiner Eltern herumhüpfte und es kaum erwarten konnte, in den Laden zu laufen und Tante Edwina zu begrüßen. Ich hatte den Duft von Büchern und Papier geliebt, gemischt mit dem von Lavendel, den Tante Edwina verströmte, wenn sie mich liebevoll umarmte und mich ihr „kleines Bücherwürmchen“ nannte.

Ich hätte sie weiterhin besuchen sollen, auch nachdem das mit Scott passiert war. Ein gebrochenes Herz war keine Entschuldigung, einen lieben Menschen wie Tante Edwina im Stich zu lassen. Die Regentropfen auf meinem Gesicht vermischten sich mit Tränen, und hier auf der menschenleeren Straße von Aberlundy war ich wieder das lesebegeisterte Mädchen, das am glücklichsten umgeben von Büchern in Tante Edwinas magischem Buchladen war.

Bis Scott alles zerstört hatte.


Kapitel 2

Regen trommelte auf Elizabeths Dach. Mit zusammengekniffenen Augen versuchte ich, auf der nächtlichen Straße mehr zu erkennen als die Pfützen, die im trüben Laternenlicht wie Zauberspiegel in eine andere Welt wirkten. Ich hielt Ausschau nach der Angestellten aus dem Maklerbüro, mit der ich vor der Abfahrt telefoniert hatte und die mich hier treffen wollte. Leider war das vor einer Stunde gewesen, und wegen des fehlenden Handyempfangs hatte ich sie nicht von unterwegs über meine Verspätung informieren können. Die Hoffnung, sie würde im Buchladen auf mich warten, erwies sich als zu optimistisch, denn hinter der Fensterscheibe herrschte undurchdringliche Dunkelheit.

Mein Smartphone rotierte in der Manteltasche des Regenmantels. Ich angelte es hervor. Zwei verpasste Anrufe von Joyce, der Maklerin, gefolgt von einer Sprachnachricht.

„Hallo, Lauren, ich habe eine halbe Stunde auf Sie gewartet und musste zu einem anderen Kunden. Rufen Sie mich bitte an, um einen neuen Termin zu vereinbaren. Bis dann!“

Kurz und bündig und ohne den Hauch eines Vorwurfs gesprochen. Joyce kannte sicher die Straßenverhältnisse und ließ Gnade mit einer Städterin walten, die im Schneckentempo über die Single Track Road juckelte. Von dem Auspuff-Desaster konnte sie schließlich nichts ahnen. Mein Versuch, sie anzurufen, endete auf der Mailbox. Im ersten Anlauf fiel mir kein vernünftiger Text ein, also probte ich zunächst meine Botschaft, bevor ich beim zweiten Mal eine höfliche Nachricht hinterließ, in der ich Joyce mitteilte, ich wäre nun da und würde mich über einen Rückruf freuen.

Ich hatte keine Ahnung, wo Joyce wohnte, und mich überfiel ein schlechtes Gewissen, weil sie womöglich die Strecke vom Maklerbüro, das mindestens eine halbe Stunde entfernt im nächsten größeren Ort lag, extra für mich zurückgelegt hatte, nur um niemanden vorzufinden. Ich ärgerte mich über mich selbst, weil ich keinen sicheren Zeitpuffer eingeplant hatte. Gerade ich sollte es nun wirklich besser wissen, schließlich war ich die Strecke oft genug gefahren, zunächst auf dem Rücksitz im Auto meiner Eltern, ein paarmal mit dem Bus, und beim letzten Besuch war ich stolz mit meinem ersten eigenen Auto hergekommen.

An dieses letzte Mal dachte ich lieber nicht zurück. Wie kam es, dass selbst nach fünfzehn Jahren der Schmerz ausgerechnet jetzt so heftig aufflammte, als wäre er frisch? Es musste an der Umgebung liegen, obwohl ich von dieser durch den strömenden Regen nicht viel mehr erkennen konnte als das Schaufenster von Tante Edwinas Laden, vor dem wie früher Blumenkästen standen. Beim Anblick der kläglichen Überreste der Pflanzen darin, vermutlich Geranien, denn es waren immer rote Geranien gewesen, wurde mir das Herz schwer. Tante Edwina hätte um diese Jahreszeit längst weihnachtliches Tannengrün oder andere winterharte Gewächse in die Kübel gepflanzt und hübsch dekoriert. Ich erinnerte mich an meine Besuche hier in der Adventszeit, an die mit Lichterketten geschmückte Auslage und die liebevoll präsentierten Weihnachtsbücher, an die Vorleseabende im Laden bei Plätzchen und Kakao.

Die Blumenkästen stimmten mich jedoch nicht nur traurig, sondern erinnerten mich auch an etwas. Die Chancen waren zwar gering, aber probieren wollte ich es. Nach einem tiefen Atemzug, als würde ich mich unter Wasser begeben, was angesichts des Platzregens in gewisser Weise zutraf, stieß ich die Autotür auf, stieg aus und rannte mit hochgezogenen Schultern zum Laden. Das schmale Vordach bot nur wenig Schutz, doch nass war ich sowieso. Ohne zu zögern, tastete ich über die Blumenreste, die unter meinen Fingern modrig zerbröselten, bis ich harte Keramik spürte. Mit einem triumphierenden Laut zog ich die glasierte Tonkatze aus dem Kübel. Sie war innen hohl, und, ich traute meinem Glück kaum, wie damals klebte ein Ersatzschlüssel in der Figur. Nach einigem Gefummel schaffte ich es, ihn herauszuziehen. Tante Edwina hatte in der nicht ganz unbegründeten Sorge gelebt, sich auszusperren, daher hatte sie den Notfallschlüssel hier versteckt. Ich wusste noch, wie stolz ich gewesen war, als sie ihn mir gezeigt hatte. Als Kind hatte ich das Vertrauen meiner Tante sehr zu schätzen gewusst.

Dies war auch jetzt noch so, und im Geiste bedankte ich mich bei Tante Edwina, während ich die Ladentür aufschloss. Im Haus tastete ich eine Weile nach dem Lichtschalter, fand ihn schließlich und betätigte ihn. Nichts, bis auf ein leises Klicken. Allmählich gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit. Durch die Fenster fiel das Licht der Straßenlaterne und malte matte Streifen auf den Dielenboden. Ich erkannte die Umrisse der Ladentheke, daneben etwas Flaches, vermutlich einen Büchertisch, und dahinter die aufragenden Schatten der Regale. Hatte Tante Edwina in all den Jahren nichts verändert? Das wenige, was ich sehen konnte, war genau wie in meiner Erinnerung. Ich atmete ein, und der schwache Duft von Lavendel und Papier zog mich in meine Vergangenheit. Fast glaubte ich, Tante Edwinas Stimme zu hören, ihr fröhliches Lachen. In diesem Laden hatte ich die glücklichste Zeit meiner Kindheit verbracht. Und eine der schlimmsten in meinem jungen Erwachsenenleben.

Tränen schossen mir in die Augen. Ein weiteres Mal versuchte ich vergeblich, das Licht einzuschalten. Es war still bis auf das leise Plitsch, Platsch, mit dem ich mit meinem Regenmantel den Boden volltropfte. Das Klingeln des Smartphones kam mir laut wie ein Nebelhorn vor und ließ mich zusammenzucken.

„Lauren, meine Liebe“, erklang die Stimme von Joyce, nachdem ich das Gespräch angenommen hatte. „Es tut mir so furchtbar leid, dass ich nicht auf Sie warten konnte.“

„Nein, ich muss mich entschuldigen. Ich bin doch viel zu spät gekommen. Mir ist der Auspuff abgefallen.“

Das klang mehr als merkwürdig, doch Joyce erwiderte ungerührt: „Ja, na ja, das passiert. Kein Problem. Können wir unseren Termin auf Montag verschieben? Leider ist mein Kalender für morgen schon voll.“

„Klar, sehr gerne. Tut mir wirklich leid, dass Sie den Weg umsonst gefahren sind.“

„Das ist in Ordnung. Also Montagnachmittag um fünf?“

„Ja, das passt, danke.“ Ich überlegte, ob ich verraten durfte, dass ich mir Zutritt zum Haus verschafft hatte. Warum nicht? Es gehörte schließlich mir. „Sagen Sie bitte, wissen Sie zufällig, warum das Licht im Laden nicht funktioniert?“

„Oh! Sie sind im Laden?“

Joyce klang so bestürzt, dass ich mich unwillkürlich duckte und misstrauisch umschaute. Leider war es nicht heller geworden, und ich konnte nichts Bedrohliches entdecken. „Ja?“, sagte ich vorsichtig. „Ist das ein Problem?“

„Nein! Natürlich nicht. Es ist nur … Strom und Wasser sind aus Sicherheitsgründen abgestellt worden. Ich kann Ihnen am Montag zeigen, wo die Hauptschalter sind.“

„Sagen Sie mir das bitte jetzt, ich möchte vorerst hier wohnen.“

„Das geht nicht!“

Ein Hauch von Unruhe schwang in Joyce’ Stimme mit, und ich stutzte. Irgendetwas war hier faul. „Warum nicht?“, fragte ich kühl.

„Es hat einen Wasserschaden in der Wohnung Ihrer verstorbenen Tante gegeben. Sie ist nicht bewohnbar.“

„Ich möchte mich gerne selbst davon überzeugen.“ War das zu unhöflich? Joyce schwieg zu lange, und ich fürchtete, sie beleidigt zu haben. „Außerdem habe ich keine Unterkunft“, fügte ich möglichst freundlich hinzu. „Für zwei Nächte wird es schon gehen.“

„Nun ja, wenn Sie wollen.“ Joyce hörte sich an, als beabsichtigte ich, unter einer Brücke zu übernachten. „Der Sicherungskasten befindet sich im Keller, wenn Sie die Treppe hinuntergehen, wovon ich Ihnen im Dunkeln nur abraten kann, finden Sie ihn …“

„Danke“, unterbrach ich sie. Auf keinen Fall würde ich in den Keller gehen. Ich hielt mich nicht für besonders furchtsam, aber ich hatte vor etwas Angst, das sich mit Vorliebe in Kellern aufhielt, wie ich aus leidvoller Erfahrung wusste, und einige dieser Erfahrungen hatte ich ausgerechnet hier sammeln müssen. Spinnen. Es gab nichts, was mich in größere Panik versetzen konnte als die achtbeinigen Monster des Grauens. Um keinen Preis der Welt würde ich mich, nur mit meiner Taschenlampenapp bewaffnet, diesen Tieren ausliefern. Da konnte man mir noch so oft erklären, dass sie doch ganz harmlos waren. Für mich waren sie das nicht! Ich stellte mir bereits vor, wie die Spinnen in den Monaten, die dieses Haus unbewohnt gewesen war, die Herrschaft über den Keller übernommen und diesen mit staubigen Netzen überzogen hatten, und erschauerte.

„Ich komme zurecht. Bis übermorgen dann!“

Wir wechselten noch einige höfliche Worte des Abschieds. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Wasserschaden? Wie schlimm mochte der sein? Warum war ich nicht darüber informiert worden? Die Uhr meines Smartphones zeigte, dass es bereits kurz nach acht war. Da ich davon ausgegangen war, in Tante Edwinas Haus zu übernachten, hatte ich mir um einen Schlafplatz keine Gedanken gemacht. So spät war es in einer Kleinstadt, fast ein Dorf, schwer, noch irgendwo unterzukommen. Früher hatte es in Aberlundy einige Frühstückspensionen gegeben, und der örtliche Pub vermietete ebenfalls Zimmer. Ich beschloss, es dort zu versuchen, da ich davon ausging, dass er jetzt, an einem Freitag, auf jeden Fall geöffnet hatte. Ob noch immer Scotts Vater ihn führte?

Ich schloss die Tür hinter mir ab und steckte den Schlüssel ein, bevor ich meinen Rollkoffer aus dem Kofferraum hob und mich auf den Weg die Straße hinunter Richtung Pub machte. Der Weg kam mir wesentlich länger vor als früher, wenn ich die Strecke beschwingten Schrittes und natürlich immer bei strahlendem Sonnenschein zurückgelegt hatte, mit klopfendem Herzen, voller Vorfreude auf ein Treffen mit Scott.

Mein Verstand sagte mir, dass damals sicher nicht dauernd die Sonne geschienen hatte, und was Scott anging, rasselten sofort die Sicherheitsgitter herunter, die mich vor der schmerzlichen Erinnerung abschirmten.

Während der Fahrt durch das Städtchen war es mir nicht aufgefallen, da ich von der von Elizabeth verursachten Geräuschkulisse abgelenkt gewesen war, doch jetzt registrierte ich, dass die Straßenränder komplett zugeparkt waren. Auf dem Marktplatz standen mehrere Reisebusse. Fand hier etwa ein Festival statt? Mir sank der Mut, denn dann war es unmöglich, ein freies Zimmer zu bekommen. Ich schaute mich nach entsprechenden Plakaten um, doch meine Brille war mittlerweile so nass vom Regen, dass ich froh sein konnte, wenn ich den Pub fand. Tatsächlich lief ich daran vorbei. Zu meinem Glück schwang hinter mir die Tür auf und entließ zwei singende Menschen und einen Schwall Musik auf die Straße, der abrupt abbrach, sobald die Tür zufiel.

Ich machte kehrt und schaffte es in den Pub. Schwungvolle Geigenmusik, begleitet von Banjo und Gitarre, empfing mich. Meine Brille beschlug umgehend. Nur einen flüchtigen Blick konnte ich auf die Menschenmenge im Raum werfen. Sämtliche Stühle und Bänke waren besetzt, und die wenigen Stehtische und Borde entlang der Wände waren ebenfalls von Gästen umlagert. Die meisten von ihnen sangen und klatschten, und es roch nach feuchter Wolle und dem Holzfeuer, das im Kamin hinten im Schankraum brannte. Halb blind und überfordert von der ausgelassenen Stimmung stellte ich den Koffer neben der Tür ab, strich mir, so gut es ging, das nasse Haar aus dem Gesicht, wohl wissend, dass ich aussehen musste wie eine aus dem Fluss gezogene, halb ertrunkene Katze. Dieser Vergleich erinnerte mich sofort wieder an Scott, mit dem ich eine derartige Rettungsaktion unternommen hatte, als ich mit fünfzehn gerade erst herausfand, dass ich mehr für ihn empfand als Freundschaft.

Was wohl aus der Katze, die wir Jane getauft hatten, geworden war? Vermutlich war sie längst tot, denn das war achtzehn Jahre her.

Mit mäßigem Erfolg wischte ich die Gläser meiner Brille mit einem Taschentuch ab, das leider ebenfalls feucht war, und bahnte mir einen Weg durch die Gäste in Richtung Theke. Hinter den mit bunten Schildern versehenen Zapfhähnen stand ein großer Mann mit dunklem Haar, der Bier in ein Pintglas füllte. Da ich ihn nur als verschwommenen Umriss wahrnahm, spähte ich versuchsweise über den Rand der Brille. Aussichtslos, da meine Sehstärke der eines Maulwurfs entsprach. Auf meiner Seite der Theke reihten sich Gäste aneinander, auch sie durch die verschmierten Brillengläser nur ein verwaschener Mischmasch. Ich suchte nach einer Lücke und überlegte, wie ich die Aufmerksamkeit des Barkeepers auf mich ziehen könnte, da wichen vor mir zwei Herren zur Seite. Vermutlich lächelten sie mich freundlich an, was ich nicht sehen konnte, aber ich lächelte vorsichtshalber selbst höflich und trat an die Theke.

Der Barkeeper stellte zwei gefüllte Pints ab und wandte das konturlose Oval seines Gesichts mir zu. So viel konnte ich immerhin erkennen und behielt mein mittlerweile verkrampftes Lächeln bei.

„Was darf es sein?“, fragte er.

Diese Stimme hätte ich unter Tausenden erkannt. Tief, volltönend und samtig und ein wenig rau.

Vor mir stand Scott, der Mann, der mir vor fünfzehn Jahren das Herz gebrochen hatte.

Stefanie Lahme

Über Stefanie Lahme

Biografie

Stefanie Lahme, geboren 1970, lebt und schreibt im Münsterland. Sie liebt Bücher und liest, was ihr in die Finger kommt. Wenn sie nicht schreibt, findet sie Inspiration für neue Schreibprojekte bei Joggingrunden durch den Wald, beim Tauchen und Reisen – am liebsten nach Irland und Schottland. Sie...

Pressestimmen
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„Ein romantischer Weihnachtsschmöker mit viel schottischem Flair.“

(A) bookreviews.at

„So viel Charme, Winterfeeling, Schottland Vibes und jede Menge Liebe zwischen den Zeilen. Hier hält man einen grandios zu lesenden, herrlichen Roman in Händen.“

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