Erlösung (Die Salvation-Saga 3) — Inhalt
„Der Meister der Science-Fiction auf dem Höhepunkt seiner Kunst!“ SFF World
Seit Jahren belagern die Olyix, eine feindliche Alienrasse, die Erde und ernten die Menschen für ihren Gott. Eine Stadt nach der anderen fällt ihren verheerenden Waffen zum Opfer. Als das Ende der Menschheit unausweichlich scheint, gelingt es einer Gruppe von Freiheitskämpfern, das Schiff der Olyix zu infiltrieren. Ihre einzige Hoffnung liegt darin, eine Tausende Lichtjahre entfernte verborgene Enklave zu erreichen und von dort aus zukünftigen Generationen den geheimen Standort der Feinde zu senden ...
Das epische Finale der Salvation-Saga von SPIEGEL-Bestsellerautor Peter F. Hamilton!
Leseprobe zu „Erlösung (Die Salvation-Saga 3)“
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JULOSS FÄLLT
Vor dem Neána-Insertionsschiff schimmerte Juloss wie eine saphirblaue Perle. Die riesigen Ozeane und kleinen Kontinente wurden von langen, unbeweglichen Wolkendecken verhüllt. Im Weltraum darum herum funkelte es wie Diamantenstaub, als das Sonnenlicht von den Orbitalforts reflektiert wurde, die diese kostbare Welt vor einer Invasion beschützten.
Das Insertionsschiff näherte sich aus südlicher Richtung der Ekliptik und stieß in unregelmäßigen Stößen kalte Masse ab wie ein schwarzer Komet. Bei seiner endgültigen Annäherung an den ahnungslosen [...]
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JULOSS FÄLLT
Vor dem Neána-Insertionsschiff schimmerte Juloss wie eine saphirblaue Perle. Die riesigen Ozeane und kleinen Kontinente wurden von langen, unbeweglichen Wolkendecken verhüllt. Im Weltraum darum herum funkelte es wie Diamantenstaub, als das Sonnenlicht von den Orbitalforts reflektiert wurde, die diese kostbare Welt vor einer Invasion beschützten.
Das Insertionsschiff näherte sich aus südlicher Richtung der Ekliptik und stieß in unregelmäßigen Stößen kalte Masse ab wie ein schwarzer Komet. Bei seiner endgültigen Annäherung an den ahnungslosen Planeten maß es nur noch fünfundzwanzig Meter im Durchmesser. Es strahlte keine Magnetfelder aus und seine äußere Hülle war strahlungsabsorbierend, was es unsichtbar machte. In diesem vollkommenen Tarnmodus entging es der Wachsamkeit der SkyForts und glitt an ihnen vorbei, während es den Rest seiner Reaktionsmasse beim letzten Bremsmanöver abwarf. Jetzt fiel es auf den westlichen Rand des größten Kontinents zu, wo eine hohe Bergkette im Meer versank. Winzige Stöße der Korrekturdüsen justierten den Sink-Vektor des Schiffs und steuerten es zur Küste. Bis zur Morgendämmerung dauerte es dort noch dreißig Minuten. Im Inland kauerte einsam auf dem hügeligen Vorgebirge die Stadt Afrata, deren Lichter das fruchtbare Tal hell erleuchteten.
Als das Insertionsschiff auf die äußere Atmosphäre traf, teilte es sich in sechs birnenförmige Segmente auf. Diese sanken weiter hinab und wurden durch den Luftwiderstand der sich verdichtenden Atmosphäre immer stärker abgebremst. Die Segmente zielten in die Nähe einer dünnen Landzunge, deren felsiges Ufer von dichtem Unterholz bedeckt war.
Hundert Meter vom Ufer entfernt stiegen sechs große Fontänen wie gewaltige Geysire hoch. Sie brachen an der Krone und klatschten dann zwischen die erschreckten Seevögel, die bereits unterwegs waren, um die ersten Fische des Tages zu fangen.
Die Neána schwammen an Land. Kreaturen wie aus düsteren, uralten Albträumen der Menschheit entstiegen der Verbannung, um erneut die Lande zu durchstreifen – ihre beeindruckenden Reptilienkörper bewegten sich rasch auf zahlreichen sehnigen Gliedmaßen, und ihre rasiermesserscharfen Krallen schnappten unaufhörlich. Sie erklommen die Klippen am Fuß des Gebirges und machten sich auf die Suche nach ihrer Beute.
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Dellian wusste, dass sich das Neána-Rudel näherte. Er befand sich im Stadtzentrum von Afrata und lauerte im Schatten einer verlassenen Plaza, auf die die Sonne senkrecht herunterbrannte. Die Kriechpflanzen, die die unteren Stockwerke der Wolkenkratzer aus Glas und Carbon kolonisiert hatten, hingen in langen Strängen wie ein grüner Wasserfall an der Fassade herunter. Sie boten eine ausgezeichnete Deckung. Er schlich durch die baumelnde Vegetation und ließ ihre seidenen Blätter über seine nackte Haut streifen. Das Gefühl ähnelte einer Dusche mit feinem Staub.
Irgendwo auf der Avenue, der er sich näherte, flog ein Schwarm Vögel auf. Ihre hastigen Flügelschläge erzeugten einen Wirbel aus hellen Farben, der kurzzeitig den Himmel verdeckte. Er sah lange Schatten zwischen den Farnen, die die Bürgersteige erobert hatten. Unter dem dumpfen Kreischen der flüchtenden Vögel war ein schnelles Schnattern zu vernehmen: das kehlige Rattern, mit dem Neána-Rudel auf der Jagd kommunizierten.
Dellian trat rasch um die Ecke des Gebäudes und hob seinen Bogen. Der Neána-Anführer war näher, als ihm lieb war. Als das diabolische Ding ihn sah, setzte es zu einem tödlichen Spurt an. Muskeln so dick wie sein Oberkörper traten an seinen Hinterbeinen hervor und trieben es voran, während es zwei Sets von Oberkörper-Gliedmaßen ausstreckte, deren Krallen schnappten. Sein triumphierendes Geheul war ohrenbetäubend. Dellian blieb regungslos stehen und hielt den Bogen ruhig. Dann ließ er den mit einer Eisenspitze versehenen Pfeil fliegen. Er zischte wie ein schwarzer Laserstrahl durch die Luft und durchbohrte die Kehle des Neána.
Das Monster landete auf dem Boden, gelblich braunes Blut pulsierte aus der Wunde. Sein Schwung trug es weiter. Die anderen Wesen kreischten voller Wut und griffen ihn an, aber Dellian war bereits verschwunden. Er rannte auf die andere Seite der Avenue, auf das Gewirr der Schlingpflanzen zu, die an dem Wolkenkratzer herunterhingen. Von Licht durchbrochene Dunkelheit umschloss ihn, und die rauen Blätter klebten an seiner unförmigen, kugelsicheren Weste, verlangsamten seine Flucht. Unter seinen Stiefeln zermalmte er Farnwedel, als er hinter dem Eingangsportikus des Gebäudes Deckung suchte. Hinter ihm schrien sich die Neána etwas zu. Ihre barschen Laute hallten laut über die Plaza.
Er hatte den Portikus erreicht und ging in die Hocke. Sein Atem klang harsch in seinen Ohren und sein Herz hämmerte, während er wartete. Aber niemand griff an. Er schob seinen Metallhelm ein Stück hoch und warf einen schnellen Blick um die Mauerecke herum. Zwei Neána schlichen auf seiner Seite der Plaza entlang, während drei andere die Gebäude hinter dem zentralen Springbrunnen erkundeten.
Dellian nahm jetzt sein Sturmgewehr und schlich vorsichtig von dem Portikus weg. Nur noch ein paar dünne Schlingpflanzen schirmten ihn vor den Aliens ab. Er hob das Gewehr und eröffnete das Feuer. Flammen schlugen aus der Mündung und es donnerte. Der Rückstoß hämmerte die Waffe in seine Schulter, aber er zielte ruhig und sah zu, wie die Geschosse eine Bresche durch den Körper des ersten Neána schlugen. Der andere dahinter zögerte, als würde er vor der Brutalität zurückschrecken, dann zog er eine Waffe aus seinem Harnisch, die aussah wie eine Bazooka.
„Verfluchte Heilige!“, schrie Dellian. Er rannte weiter, feuerte dabei und zielte vage in Richtung des zweiten Neána. Die Kreatur feuerte ebenfalls und der Portikus explodierte hinter ihm.
Die Schockwelle schleuderte ihn rücklings zu Boden. Der reaktive Schild des Körperpanzers absorbierte den größten Teil der Explosion, während er sich zusammenrollte, um den Aufprall abzumildern. Seine adaptive Muskulatur ermöglichte ihm, sehr schnell wieder auf die Füße zu kommen. Sensorgrafiken scrollten über seine Optik und suchten feindliche Ziele. Der Mikro-Missile-Werfer fuhr aus seinem Rucksack hoch, einsatzbereit. Vier weitere Neána stürmten auf die Plaza. Sie trugen graue Carbon-Exoskelette mit einer Vielzahl von Waffenerweiterungen. Ihre elektronischen Kriegsführungssysteme wurden aktiviert und überzogen die Plaza mit einem digitalen Nebel.
Dellian wollte gerade seine Missiles abfeuern, als der Himmel über ihm heller wurde. Seine Sensoren richteten den Blick nach oben. Hoch über ihm donnerte ein strahlender goldener Feuerball durch die Atmosphäre und zog eine mächtige bernsteinfarbene Säule aus überhitzter Luft hinter sich her. Dellian trat unwillkürlich einen Schritt zurück, als der Feuerball zu beschleunigen schien. Die Strahlung überflutete die Plaza, deshalb schaltete Dellians Sichtvisier auf monochrom.
„Scheiße!“ Er wandte sich zur Flucht.
Der Feuerball schlug in den Springbrunnen ein, Licht explodierte und erhellte alles ringsum.
Dellian blinzelte geblendet und starrte durch den hohen Zaun, der den Perimeter der Immerle-Domäne schützte. Fünfundzwanzig Kilometer entfernt auf der anderen Seite des Dschungeltals glänzte Afrata hell wie die Sonne. Jedes Gebäude strahlte wie von einer Sonneneruption. Er zuckte mit den Schultern und lief zu den Sportplätzen, wo seine Jahrgangsgruppe wartete. Sie sollten heute Nachmittag ein Footballspiel gegen den Ansaru-Clan austragen. Dellian selbst konnte kaum die acht Monate warten, bis sie alle endlich ihren zehnten Geburtstag erreicht hatten. Alexandre hatte ihnen versprochen, dass sie dann mit der Ausbildung in der Orbital-Arena beginnen durften. Er liebte die Vorstellung, wie sie bei Zero-g herumflogen, in Zeitlupe Purzelbäume schlugen, sich von den Wänden abstießen und wie Vögel emporstiegen …
Ein Lokak stieß seinen krächzenden Jagdschrei aus. Dellian blieb wie angewurzelt stehen und musterte den Zaun. Das war gefährlich nah gewesen.
„Da ist nichts, das weißt du.“
Er fuhr herum. Yirella stand hinter ihm. Aber diese Yirella war ausgewachsen, mindestens zweimal so groß wie er und schien kein Haar mehr zu haben. Trotzdem trug sie ein T-Shirt und eine Sporthose, genau wie er. Yirella leistete immer den Jungen auf dem Spielfeld Gesellschaft und spielte ihre Spiele, anders als Tilliana und Ellici. Er glotzte sie einen Moment lang an. Irgendwie war diese ältere Yirella noch faszinierender als die, die er kannte … obwohl er die hier genauso gut kannte. Ich … verstehe das nicht.
„Und was war das dann für ein Geräusch?“, wollte er wissen. Er genoss es, dass er ausgerechnet sie korrigieren konnte.
„Eine Erinnerung.“ Sie ging auf die Knie und senkte ihren großen Kopf auf Augenhöhe zu ihm herab. Dann hielt sie ihm beide Hände hin. „Vertraust du mir, Del?“
Auf der anderen Seite des Zauns ertönte ein ganzer Chorus aus Lokak-Schreien, die in Tonhöhe und Wildheit anstiegen. Er wusste, dies bedeutete, sie sammelten sich, bereit, die Domäne auf Geheiß der Neána anzugreifen. Es steckten immer die Neána dahinter, der ewige Feind, Lügner und Betrüger.
„Ja“, antwortete Dellian nervös und musste sich zusammenreißen, um sie anzusehen und nicht in den undurchdringlichen Dschungel jenseits des Zauns zu starren.
„Gut.“ Sie packte seine Hände. Ihre Finger waren kühl, trocken und unglaublich kräftig. Yirellas Gegenwart erzeugte immer Zufriedenheit in ihm, aber diesmal ging die körperliche Berührung noch tiefer. Nicht nur seine Haut spürte sie – diesmal sank die Empfindung der Berührung in seinen Körper, kühlte und entspannte seine Muskeln. Er hatte nicht gemerkt, dass er so angespannt gewesen war.
„Das ist wichtig, Del. Nichts von dem, was du hier siehst, die Domäne, Juloss – nichts davon ist real.“
„Was?“ Er drehte seinen Kopf ein Stück zur Seite.
„Nein! Sieh mich an, Del. Sieh nur mich an.“
Ihre Augen waren groß, voller Liebe und Sorge. Das Gefühl war so stark, dass er gegen seine Tränen ankämpfen musste. „Ich verstehe das nicht“, erwiderte er kläglich, diesmal laut und deutlich.
„Es gibt aber etwas, das du, wie ich weiß, verstehst: Ich bin hier, Del. Ich bin bei dir. Und ich werde dich niemals verlassen. Niemals, weil ich dich liebe.“
Die Welt hinter ihr vibrierte, als würde er wie verrückt den Kopf schütteln. Dabei tat er das gar nicht. Er konnte unmöglich seinen Blick von ihren wunderschönen Augen losreißen.
„Das hier ist wie ein Spiel, Del. Ich möchte, dass du es mit mir spielst. Wirst du das tun?“
„Ja“, flüsterte er. Er hatte jetzt Angst. Die Welt zitterte so heftig, dass er nicht kapierte, warum er es nicht fühlen konnte.
„Da draußen gibt es schlimme Dinge, aber das sind nicht die Bestien, vor denen wir immer gewarnt wurden. Diese bösen Dinge sind wie Monster aus Albträumen, und sie dringen in deinen Kopf ein, um ihn mit wirklich üblen Ideen vollzustopfen. Aber ich bin jetzt hier bei dir, also können wir sie zusammen vertreiben.“
„Ich will nicht kämpfen. Ich will nach Hause.“
„Wir sind zu Hause, Del. Deshalb sind wir hier auf der Domäne. Das hier bist so sehr du, das ist dein Anfang, so grundlegend, dass sie ihn nicht korrumpieren konnten wie alles andere. Du gehörst hierher.“
„Ja.“
„Deshalb müssen wir dieses Schlimme beseitigen, in dem sie dich ertränkt haben. Erinnerst du dich an deine Jahrgangsgruppe?“
„Ja.“
„Sie sind jetzt dein Team, stimmt’s?“
Er schloss kurz die Augen und sah die lachenden Gesichter seiner Jahrgangsgruppe, aber ihre Züge waren verzerrt, als würden sie von einem welligen Spiegel zurückgeworfen, verändert und gealtert. Außer … „Rello.“ Er stöhnte, als das Gesicht seines Freundes schwarz wurde, Risse bekam, aus denen schleimiges Blut quoll, bevor die Vision sich auflöste.
„Ich weiß“, sagte Yirella sanft. „Er ist gegangen.“
„Wir haben ihn getötet. Das ist unser Fehler. Wir sind nichts weiter als Gefangene. Sie haben uns bereits bei der Geburt in Ketten gelegt.“
„Niemand hat uns angekettet, Dellian. Wir sind frei.“
„Nein. Es sind die Heiligen. Sie haben uns das angetan, sie haben uns unsere Entscheidungsfreiheit genommen.“ Er knurrte. „Ich bin froh, dass sie tot sind.“
„Was?“
Er starrte in ihr schockiertes Gesicht. „Ich bin froh“, wiederholte er wahrheitsgemäß. Die Welt um sie herum hörte auf zu zittern. Ein beruhigendes Grau mischte sich in die Farben, dämpfte die Härte der tropischen Landschaft. Die sogenannten Heiligen waren getötet worden. Er erinnerte sich so lebhaft daran, es gesehen zu haben. Die Olyix hatten ihre Erinnerung von der Zeit geteilt, als die verehrte Salvation of Life wieder im Gateway-Sternensystem angekommen war. Die Rachsüchtige Häretikerin, das von den Heiligen gestohlene Transportschiff, das während der Heimreise an Bord des Archenschiffs verstaut gewesen war, war plötzlich ausgebrochen und hatte ohne Vorwarnung auf die friedlichen Olyix-Schiffe in der Nähe gefeuert. Sie hatten leider keine Wahl gehabt, als das Feuer zu erwidern, aber nur, um sich selbst vor einer solch sinnlosen Aggression zu schützen. Die Bilder waren so lebhaft in seiner Erinnerung, explodierten mit nuklearer Gewalt, und sein Strahlen schimmerte vor der undurchdringlichen Pracht des Gateways. Es war so schmerzhaft zu wissen, wie sehr er belogen worden war …
„Verflucht!“ Yirella fuhr hoch. „Diese Erinnerungsroute hat sich einfach geöffnet. Entschuldige, mein Fehler. Dellian, konzentriere dich bitte. Fokussiere dich auf mich.“
Er lächelte sie an, während das Grau um sie herum wuchs.
„Ich liebe dich, Dellian. Erinnerst du dich daran?“
„Natürlich tue ich das.“
Sie küssten sich, als das Grau das Universum verfinsterte. Und sie fielen …
… in die Orbital-Arena. Ein Ort, den er bewunderte. Und ein einfacher Ort, ein gepolsterter Zylinder von siebzig Meter Länge und einem Durchmesser von einhundert Metern. Über ihm schwebten in der Luft dreißig Hürden: Orangefarbene Polyeder, so vertraut wie die Sternbilder in der Nacht. Oh, was sie für Spiele gespielt hatten! Der Spaß, die Siege und Niederlagen. Und ganz am Anfang hatte er alle Regeln gebrochen und einen anderen Jungen angegriffen, der Yirella wehtun wollte …
„O ja“, hauchte er. Und als er Yirella ansah, teilten sie die Begeisterung und all diese Erinnerungen, die aus ihrer gemeinsamen Jugend heraufwirbelten.
Dann ließ sie los.
„Nein!“, rief er.
Sie lächelte immer noch, als sie von ihm wegtrieb. Die Wand der Arena hinter ihr passte sich an und zeigte ihm Juloss, weit unter ihnen. Es wurde angegriffen. Tausende riesiger Olyix-Regulationsschiffe schossen darauf zu und glühten bernsteinfarben, als sie mit atemberaubender Geschwindigkeit durch die obere Atmosphäre rasten. Pilzförmige Wolken stiegen an der Oberfläche auf, als Städte und Domänen vernichtet wurden.
„Nein!“, schrie er. „So ist es nicht passiert! Die Olyix sind unsere Freunde. Sie haben das nicht getan.“
„Ich habe den Flaggenball!“, rief Yirella ihm freudig zu. „Ich kämpfe mich zum Torring durch.“
Dellian kniff die Augen zusammen und sah sie in einem schützenden Körperanzug, während sie breit grinsend den blinkenden Flaggenball umklammerte. Der Torring des gegnerischen Teams hing im freien Raum, auf halber Strecke zum brennenden Planeten. Die Geschwindigkeit, mit der sie durch das All flog, war Furcht einflößend.
„Vorsichtig!“, rief er ihr zu.
Sie war auf dem Weg, den Siegtreffer zu erzielen und lachte entzückt.
Er sah den Spieler Nummer acht nicht, der auf sie zuschoss. Nur war es diesmal nicht mehr Nummer acht, sondern es war eine Jagdkugel der Olyix, die stark beschleunigte. Ihre Zielerfassungssysteme hatten sich auf Yirellas schlanken Körper ausgerichtet, als sie mühelos auf den Torring zuflog.
„Nein!“, schrie Dellian. Sein gepanzerter Anzug trieb ihn auf die Jagdkugel zu. Er prallte mit voller Wucht dagegen und brachte sie vom Kurs ab. Seine mit Krallen bewehrten Handschuhe kratzten über die glänzende Kugel und hinterließen lange Furchen in der zähen Hülle. Sie verbog sich, warf Blasen, als versuchte das, was sich darin befand, herauszukommen und mit ihm zu ringen. Er verstärkte seinen Griff und versuchte die Kugel in seinen Armen zu zerquetschen. Die reagierte, indem sie an seiner Brust weich wurde, ihn in sich aufnahm. Irgendwie wusste er, dass er perfekt hineinpassen würde.
Vor ihnen platzte Juloss auf und enthüllte das Ende des Universums, wo die silbernen Reste von Sternen elegante Flüsse aus Zwielicht bildeten und in das Nichts in ihrem Herzen stürzte. Daneben schimmerte ein goldenes Licht, das ihn weiterlockte.
Yirella landete auf der Oberfläche der Jagdkugel, mit gespreizten Beinen. Auf ihrer ebenholzschwarzen Haut glühten rote Hieroglyphen. „Das wird wehtun“, sagte sie ernst.
„Was? Yi, nicht …“ Irgendwie blickte Dellian auf sich selbst hinab, auf die Jagdkugel, während Yirella perfekt auf ihm balancierte und hinuntergriff. Ihre Hand durchstieß die Hülle und der Schmerz war unglaublich. Sein Schrei ließ das sterbende Universum erzittern.
Der Schaden, den sie verursacht hatte, bildete lange Risse in der Kugel. Sie zerfetzte sie weiter, bog scharfkantige Abschnitte zurück und schleuderte sie wirbelnd ins Nichts hinaus. Er begann sich zu wehren, wand sich wie verrückt, um ihren gnadenlosen Fingern zu entkommen.
„Vertrau mir!“, bat sie. „Kämpfe nicht dagegen an, Del. Ich reiße den Neurovirus aus dir heraus.“
„Was?“ Er schluchzte jetzt, der Schmerz war so intensiv, brannte durch jeden Nerv, um sein lebendes Hirn zu foltern.
„Ich liebe dich, Del, das weißt du. Nichts kann das aus dir herausreißen.“
„Ja.“
„Dann sag es!“, verlangte sie von ihm.
„Ich liebe dich.“
Ihre Hände rissen den letzten Rest der Jagdkugel auseinander – und entblößten seinen Olyix-Fünfling-Körper.
„Das kann nicht ich sein!“, klagte er.
„Ich liebe dich, Del. Auf ewig. Ganz gleich, wo uns das hinführt.“
„Hilf mir!“, flehte er sie an.
Das Ende des Universums umschlang sie, und seine letzten Fragmente bildeten einen stinkenden Strudel, der sie in den Tod der Ewigkeit hinabsog, zu dem goldenen Gottwesen an seiner Seite, das dort auf sie wartete. Yirellas Hände schnitten in das Fleisch des Fünflings.
Dellian fühlte, wie sich Finger um seinen Arm schlossen. Sie zog. Fünfling-Fleisch dehnte sich wie glitschiges Gummi, klebte an ihm, vermischte sich mit ihm, um ihm Kraft zu geben. Jetzt kämpfte er dagegen an, die fremden Gedanken der Hingabe an das Gottwesen am Ende der Zeit wurden in quälenden Rucken aus ihm herausgerissen.
„Yirella! Lass nicht los!“
Das Universum stürzte seiner Auslöschung entgegen, die Wände des Strudels wirbelten in einem tödlichen Mahlstrom aus Albträumen und Dämonen an ihm vorbei.
„Bitte!“, bettelte er.
Yirella riss nach Kräften daran, schrie vor Anstrengung wortlos auf. Langsam, während sich die sehnige, fremdartige Masse an jedem Zentimeter seiner Haut festsog, zog sie ihn aus dem Fünfling-Körper. Mit einem fast unerträglichen Ruck befreite er sich. Das ausgelöschte Universum war verschwunden.
Dellian zitterte heftig. Blendendes Licht flammte um ihn herum auf. Alles tat weh, aber der Schmerz war längst nicht mehr so stark wie noch vor wenigen Augenblicken. Er schüttelte seine Glieder, richtige menschliche Glieder, auch wenn sie immer noch von Drähten und Fasern umgeben waren, als hätte jemand ihn in einem Netz aufgefischt. Sein kurzes Haar brannte, während etwas noch die letzten Follikel aus seiner Kopfhaut zog.
Als seine Kraft schwand, hörte er auf, um sich zu schlagen und fiel auf das Bett. Er bekam keine Luft und seine Brust hob und senkte sich in dem verzweifelten Versuch, Atem zu schöpfen. Die Umgebung verschwamm ständig vor seinen Augen. Leute in medizinischen Kitteln drängten sich um ihn, blickten mit besorgten Mienen auf ihn herunter und redeten unverständlich schnell. Drei Meter von ihm entfernt drückte sich sein ganzes Team gegen eine geschwungene Glaswand. Sie hatten die Münder geöffnet und schrien, hatten Tränen in den Augen. Janc hämmerte an das Glas, Uret war auf die Knie gesunken. Tilliana weinte.
„Was verflucht …?“ Die Worte waren ein raues Krächzen. Er drehte den Kopf.
Yirella lag neben ihm auf der Couch, die Schultern von Kissen gestützt. Ihre Kopfhaut war von einem Pelz aus seidenen weißen Strähnen verdeckt, die dünner waren als jedes Haar. Tränen liefen ihr über die Wangen, als sie ihn anblickte.
„Del?“
„Ich liebe dich“, sagte er. Dann schlugen die Erinnerungen mit der Wucht eines Tsunami über ihm zusammen, schleuderten ihn zurück auf die Matratze. „Die Heiligen sind tot“, verkündete er in die Runde und brach in Tränen aus.
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