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Feuerstimmen

Feuerstimmen - eBook-Ausgabe

Christoph Hardebusch
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Roman

„Ein durchdachter und spannender Fantasy-Roman.“ - Passauer Neue Presse

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Feuerstimmen — Inhalt

Mit dem preisgekrönten Roman „Die Trolle“ und der Reihe um die „Sturmwelten“ schrieb sich Christoph Hardebusch an die Spitze der deutschsprachigen Fantasy. Mit „Feuerstimmen“ führt er alle Fans in eine neue Welt: Seit einer Ewigkeit lag der Schrecken in den Tiefen der Meere verborgen und war von den Menschen fast vergessen. Doch nun ist der fünfte Drache, ein allmächtiges Geschöpf der Finsternis, erwacht. Und er will etwas zu Ende bringen, das ihm vor Jahrhunderten nicht gelungen war: die Welt zu unterjochen. Im Verborgenen wächst die Macht des Drachen, und die Menschen erkennen erst spät, dass sie mehr und mehr zum Spielball der Dunkelheit werden. Während die junge Königin Elena alles versucht, um ihr Volk zu schützen, erfährt der Fischer Aidan, dass er eine ganz besondere Gabe besitzt, die im Kampf gegen den Drachen die entscheidende Rolle spielen könnte - den Gesang der Magie ...

€ 8,99 [D], € 8,99 [A]
Erschienen am 17.03.2016
496 Seiten
EAN 978-3-492-97319-9
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Leseprobe zu „Feuerstimmen“

Prolog


Die Harmonie war zerbrochen.
Die Fünf, die einer hätten sein sollen, wurden einander fremd, ein jeder kehrte zu seiner eigenen Natur zurück. Erst als die Boshaftigkeit des Fünften erkannt wurde, formten die Vier ein letztes Mal die Welt. Doch ihre Macht war zu groß, als dass sie ohne Balance entfesselt werden durfte.
Die Harmonie war zerbrochen.
Jedoch die Echos des Weltenlieds können immer noch gehört werden. Und durch dies fanden die Vier ihre Helden, riefen sie an ihre Seite. Die Elemente hätten die Welt zerstört, hätten sie von allem Leben [...]

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Prolog


Die Harmonie war zerbrochen.
Die Fünf, die einer hätten sein sollen, wurden einander fremd, ein jeder kehrte zu seiner eigenen Natur zurück. Erst als die Boshaftigkeit des Fünften erkannt wurde, formten die Vier ein letztes Mal die Welt. Doch ihre Macht war zu groß, als dass sie ohne Balance entfesselt werden durfte.
Die Harmonie war zerbrochen.
Jedoch die Echos des Weltenlieds können immer noch gehört werden. Und durch dies fanden die Vier ihre Helden, riefen sie an ihre Seite. Die Elemente hätten die Welt zerstört, hätten sie von allem Leben befreit, hätte nicht der Bardenruf ihre furchtbare Macht gezähmt.
Viel war an jenem Tage verloren. Aber die Welt wurde gewonnen. Der Fünfte fiel in die Tiefen der Welt, sein Leib zerschlagen, sein Geist zerbrochen. Aber selbst aus seiner Niederlage erwuchs neue Hoffnung. Acht Lande, gesegnet und verflucht von seiner Macht.
Die Harmonie war zerbrochen.
Und doch kehrte Frieden zurück in die Welt. Der Fünfte besiegt, schwanden die Vier. Das, was einst wild und veränderlich war, wurde fest und hart. Die Geschichte der sterblichen Rassen begann und sie machten sich die Welt untertan, wie es ihnen bestimmt war.
Der Fünfte glitt in Legenden, die Vier wurden Mythen. Sowohl Verrat als auch Opfer wurden zu Geschichten. Sterne, die über den Nachthimmel tanzen.
Aber ich erinnere mich. Denn ich kann die Lieder im Wind hören, in den Wellen, im Knistern der Flammen, aufsteigend aus den Gebeinen der Erde. Was vergessen wurde, kann wiederentdeckt werden. Was verborgen liegt, kann aufgedeckt werden. Was schläft, kann wieder wachen. Und mit ihm all seine Schrecken.
Die Harmonie war zerbrochen.
Und doch überdauern die Lieder. Ich werde von den Fünfen singen, von der Wiederkehr des Fünften, von Finsternis, uralt und unvorstellbar.
Ich werde zu den Herzen der Sterblichen singen. Ich werde singen – mit einer Stimme aus Feuer !



Aidan


„Enttäuschend.“
­Aidan blickte zu Revus hinüber, der stocksteif dastand und verständnislos fragte : „Was ist enttäuschend ?“
­Aidan wiegte den Kopf hin und her, als sei er selbst unsicher, und ließ die Hände herabsinken.
„Sieh dich doch einfach mal um.“
Beide ließen die Blicke schweifen. Sie reichten nicht weit, denn trotz des hellen Mondlichts waren die Schatten bereits zu tief, um viel zu erkennen. Die staubige kleine Straße, auf der sie Richtung See zogen, kreuzte hier die größere Küstenstraße an den Klippen, bevor sie hinab zu einem der winzigen Fischerdörfchen führte, die die Küste wie Seepocken sprenkelten.
Freundlich ausgedrückt war es eine ruhige Gegend ; langweilig, wenn man es weniger freundlich betrachtete, und verlassen, wenn man von düsterem Gemüt war. Und ­Aidan wurde dieser Tage oft von finsteren Gedanken beherrscht. Bei Tageslicht mochten die Klippen hoch über der windgepeitschten See eine gewisse Romantik ausstrahlen, doch vor allem war die Landschaft karg, der Boden steinig und die Menschen, die diese Gegend ihre Heimat nannten, so zäh und hart wie der Stockfisch, der hier für die langen, kalten Wintermonde eingelagert wurde.
„Ich verstehe nicht ganz, was du meinst“, erklärte Revus langsam, immer noch, ohne sich zu bewegen.
„An einem solchen von allen Göttern verlassenen Ort, einer solchen Kreuzung, wenn es auf Mitternacht zugeht, da erwartet man doch mehr. Du kennst die Geschichten, singst die Lieder. Zumindest einen Dämon ?“
„Dämon ?“
Jetzt drehte Revus den Kopf doch zu ihm herum, die Stirn in Falten gelegt.
­Aidan zwinkerte ihm zu. „Ja, einen Dämon mit einer Fiedel, der einen zu einem Wettkampf herausfordert. Ein Duell der Barden um den ultimativen Preis. Ein großes Lied, das beste, das je gespielt wird. Stattdessen …“
­Aidan wies mit einem Nicken auf die Kreuzung.
„Haltet die Klappe“, schnauzte sie der kleine Mann in dem schmierigen Lederwams an, offensichtlich durch die Tatsache ermutigt, dass er eine Armbrust auf ­Aidans Brust gerichtet hielt. Seine beiden Begleiter hielten lange Klingen in den Fäusten, billiger Stahl, abgewetzt und schmucklos, aber sicher noch immer gut genug, um einen Mann vom Leben zum Tod zu befördern. In ihren bärtigen Gesichtern stand genau jene Absicht in deutlichen Lettern geschrieben.
„Ah, jetzt verstehe ich.“ Revus schnalzte mit der Zunge. „Du willst sagen, das Leben ist oft enttäuschender als die Lieder, die es beschreiben.“
„Ich sage nicht, dass da draußen nicht eine verlassene Kreuzung existiert, an der genau in diesem Moment ein verzweifelter Spielmann um Leib und Seele aufspielt, aber diese hier ist …“
„Eine Enttäuschung.“
Sie sahen einander in die Augen, während sie weiterredeten.
„Genau.“
Vertrauen und Verständnis, gewachsen in vielen Jahren unverbrüchlicher Freundschaft, bedurfte nur weniger Worte.
„Ich sagte, haltet die Klappe !“
Der Anführer der Räuberbande stieß mit der Armbrust in ­Aidans Richtung, was dem die Gelegenheit gab, die Hände in einer scheinbar abwehrenden Geste zu bewegen und sie danach ein Stück tiefer zu halten. Der Mann schien von der Reaktion seiner Opfer verwirrt zu sein ; sicherlich hatte das plötzliche Erscheinen dreier Bewaffneter normalerweise eine andere Wirkung auf Reisende, die die Küstenstraße entlangkamen –
„Dies ist ein Überfall“, erklärte er, als sei dieser Umstand bislang nicht erwähnt worden.
„Das sagtest du bereits, als du hinter dem Findling hervorgetreten bist, den du so geschickt als Versteck genutzt hast.“
­Aidan wies auf den vom Wind abgeschliffenen Felsen, auf den jemand vor langer Zeit Wegmarken gemalt hatte, die längst so verblasst waren, dass keine Worte oder Symbole mehr zu erkennen waren. Nur noch Flecken aus Farbe, die einst alles geheißen haben mochten. Die Mitte von Nirgendwo, dachte ­Aidan mit grimmiger Zufriedenheit, das verdammte Ende der Welt.
„Das ist alles deine Schuld“, entfuhr es Revus mit einem Mal so heftig, dass ­Aidan aus seinen Gedanken gerissen wurde und seinen Freund ansah.
„Meine Schuld ?“
Empört schüttelte er den Kopf.
„Natürlich ! Du wolltest über Land reisen. Ich habe eine ruhige Passage auf einem Schiff vorgeschlagen, aber der Herr hat ja Angst vor dem Meer und …“
„Eine ruhige Passage ?“, griff ­Aidan die dahingeworfenen Worte auf und zog sie wie ein Tau ein. „Ruhige Passage ? Schon mal was von Stürmen gehört ? Von Riffen ? Von Seeungetümen ?“
„Seeungetüme ! Pah, so ein Unsinn ! Du wolltest bloß nicht seekrank werden wie eine Hafenratte.“
Die drei Banditen schauten ratlos zwischen ihnen hin und her. So ein Schauspiel wurde ihnen wohl nur selten geboten und sie hatten keine Eile, es zu beenden, auch wenn ihr kleiner Anführer immer noch finster dreinblickte.
„Ach ja ? Und was ist mit … mit …“
­Aidan sah sich Hilfe suchend um. Sein Blick traf auf die drei Straßenräuber und er wies mit einem triumphierenden Ruf auf sie.
„Piraten !“
„Das sind doch keine Piraten“, entgegnete Revus und verdrehte die Augen. „Piraten fahren auf Schiffen und haben Entermesser und Totenkopfflaggen.“
„Ähm … Strandpiraten ?“ ­Aidan sah den größten der drei an, einen wahren Hünen von einem Mann, der selbst ihn noch um anderthalb Köpfe überragte. „Ich nehme an, das tut ihr doch auch gelegentlich, oder ?“
„Was ?“
Der Straßenräuber schien ehrlich verwirrt zu sein. ­Aidan sah es ihm nach und wandte sich an den Anführer.
»Strandräuberei ? Kommt schon, wir haben doch mindestens ein Leuchtfeuer in der Ferne gesehen. Hier auf den Klippen ? In dunklen Nächten, bei Sturm und ­
­Wind ?«
„Es gibt Leuchtfeuer“, bestätigte der Anführer langsam, wie ein Mann, der nicht sicher ist, ob er gerade ein Geständnis ablegt.
„Und Riffe ? Gefährliche Untiefen ? Bei solch einer Küste, solchen Klippen, da muss es doch …“
„Ja, sicher, deshalb doch die Leuchtfeuer“, fuhr ihm der Anführer ins Wort.
„Na also“, sagte ­Aidan mit Triumph in der Stimme. „Und sicher schleicht ihr euch in dunklen Nächten dorthin, löscht die Feuer, entzündet euer eigenes, vielleicht unten am Strand, und die Schiffe, die in jenen Nächten vorüberziehen, werden in die Irre gelockt, laufen auf ein Riff und dann …“
Die drei Straßenräuber wechselten verunsicherte Blicke. Das hier lief nicht so, wie sie es erwartet hatten, das war ihnen mittlerweile deutlich anzumerken. ­Aidan rollte die Augen und konnte nur knapp ein Seufzen unterdrücken.
„Dann müsst ihr am nächsten Morgen nur noch die Reichtümer vom Strand einsammeln“, kam ihm Revus zur Hilfe, der ihm ein schnelles Lächeln zuwarf, das jeden aufmerksamen Beobachter misstrauisch gemacht hätte. Zum Glück waren ihre Gegenüber alles andere als aufmerksam, denn Gerede über Reichtümer hatte zur Folge, Menschen dieses Schlags abzulenken.
„Genau. Und es ist nicht einmal Mord, weil die See schon längst ihren Teil der Arbeit erledigt hat. Einfach nur ein schöner Spaziergang am Strand – und wer mag das nicht ? –, bei dem man reich wird – und wer wird nicht gern reich ?“
Fast hätte er sehen können, wie in den Köpfen der Straßenräuber aus der kleinen Saat ein Schössling spross, der früher oder später dunkle Früchte tragen würde, die nichts Gutes für die Schifffahrt an dieser Küste bedeuteten.
„Hank hat nie so gute Ideen“, grummelte der Älteste der Straßenräuber, dessen grauer Bart verfilzt war. Seine Nase ragte wie eine Burgruine aus seinem Gesicht hervor. Entweder war er beim Brotschneiden sehr unvorsichtig gewesen oder jemand hatte ihm vor langer Zeit die Nase aufgeschlitzt, vermutlich als Strafe für ein ­Verbrechen. ­Aidan war froh, dass das fahle Mondlicht kein genaueres Studium des zerfurchten Gesichts ermöglichte.
„Halt die Klappe“, fauchte der Kleine und funkelte seinen Gefährten wütend an. Dabei wandte sich die Armbrust ein winziges Stück zur Seite, gerade genug, damit sie nicht mehr genau auf ­Aidan zielte.
„Ist doch so“, sagte der Hüne mit kindlichem Trotz in der Stimme.
­Aidan bemerkte, wie auch Revus’ Hände weiter herabsanken, kaum merklich, Stück für Stück.
„Ich wollte das schon längst vorschlagen“, log Hank.
­Aidan war überrascht, wie schnell er sich gefangen hatte und nun versuchte, das Blatt zu wenden. Er war gefährlicher, als er zuerst angenommen hatte.
„Aber erst mal müssen wir die beiden hier versorgen.“
Noch während er sprach, wandte er sich wieder ­Aidan zu und hob die Armbrust. Seine Gefährten kicherten ­finster, als sei der Satz ein gewaltiger Scherz, was für ihre Gemüter vermutlich sogar der Wahrheit entsprach. In ­Aidans Ohren klangen die Worte verdächtig wie ihre hübsche Umschreibung für Umbringen und Verscharren, ein Schicksal, dem ­Aidan trotz allem gern entgehen wollte.
„Habt ihr denn Erfahrung mit Strandräuberei ?“
­Aidan dachte schnell, sprach aber manchmal noch schneller, was sie schon mehr als einmal in Schwierigkeiten gebracht hatte, ihnen aber auch hin und wieder aus so manchem Schlamassel half.
„Nein“, gestand Hank und legte mit der Armbrust an. „Aber ich lerne schnell.“
„Wir waren drei Jahre bei der Schwarzen Bruderschaft oben im Norden an der, äh, schwarzen Küste“, berichtete ­Aidan so ruhig, dass jeder annehmen musste, dass er die Wahrheit sprach.
„Ja, die Schwarze Bruderschaft“, warf Revus schnell ein. Sie beide kannten das alte Lied von der Schwarzen Bruderschaft und ihrem Anführer. Nach einigen Strophen voller Raub und Plünderung entpuppte sich der Kapitän als niemand anderer als die Scharlachrote Klinge, eine Piratin von legendärer Schönheit und noch legendärerer Grausamkeit.


Klingende Münzen von Silber und Gold,
Schätze wie niemals gesehen
haben wir uns an Bord geholt,
um gleichfort wegzuwehen.


Klingende Schwerter aus edelstem Stahl,
härter als Felsengestein,
lassen dir selten die letzte Wahl.
Was dir einst war, ist mein !


Klingende Worte wie Winde so flink
eilen uns voraus.
Feier noch einmal, sei glücklich und trink.
Morgen ist es aus !


Ihr kennt die Lieder von Wasser und Wind.
Brüder, lasst uns gehen.
Wir lassen sie wissen, wie wir wirklich sind :
scharlachrot und schön.


Offenbar waren sie nicht die Einzigen, die das Lied schon einmal gehört, oder, in ihrem Fall, viele Male vorgetragen hatten.
­Aidan stimmte einige Töne an, sang den Refrain von Beute, Gold und Schätzen, der in so vielen Tavernen aus voller Brust mitgegrölt wurde. Fast so inbrünstig wie die Zeilen, in denen die Scharlachrote Klinge eingehender beschrieben und ihre beeindruckenden Taten in der Koje besungen wurden. Das Lied brachte immer gutes Geld ein und jeder Barde, der etwas auf sich hielt, kannte es.
„Ihr … ihr kennt die Klinge ?“, fragte der Hüne mit etwas, das wohl ein anzügliches Grinsen sein sollte, aber mehr wie das hoffnungslose Lechzen einer läufigen Hündin wirkte.
„Ho, immer langsam“, erwiderte ­Aidan. „Kennen ist zu viel gesagt, wir haben nur unter ihr die Weltmeere unsicher gemacht. Obwohl der gute Revus hier einmal eine ganze Nacht in ihrer Kajüte verbracht hat …“
„Nein !“
Revus warf ihm einen gequälten Blick zu, den ­Aidan mit einem aufmunternden Lächeln quittierte.
„Aber er schweigt darüber.“
„Ja, äh, zu … schmerzhaft ?“, bot Revus an, was dem Hünen ein lautes Lachen entlockte.
„Das glaube ich bei dir Winzling sofort“, bellte er in die Nacht. „Ich würde ihr schon zeigen, was ein echter Kerl ist !“
Er schlug sich auf die Brust, sodass es schallend klatschte. Die Klinge in der anderen Hand schien er vergessen zu haben. Hank jedoch nicht.
„Genug mit dem Seemannsgarn“, rief er.
„Kein Seemannsgarn“, erwiderte ­Aidan. „Aber wenn ihr keine Hilfe bei der Strandpiraterie wollt …“
„Doch, wir sollten …“
„Halt die Klappe !“
„Nein ! Reichtümer am Strand einfach einsammeln !“
Die drei Straßenräuber begannen einen lautstarken Streit, der zwar nicht ihre ganze Aufmerksamkeit kostete, wohl aber den Gutteil davon. ­Aidan blickte zu Revus, der mit den Schultern zuckte. Wenn es um Angriffssignale ging, war ein Schulterzucken wenig bemerkenswert und würde auch sicher nicht in die Annalen der Kriegsführung eingehen, aber in dieser Situation war es ausreichend.
­Aidan warf sich zur Seite, die Hände fielen auf die Hefte von Schwert und Dolch. Hank stieß einen Alarmschrei aus, der zwar weitaus beeindruckender war als ein Schulterzucken, aber dennoch zu spät kam. Der Bolzenschuss der Armbrust war hastig und ging dorthin, wo ­Aidan gerade noch gestanden hatte, sich aber nun nicht mehr befand.
Mit einem Geräusch wie von zerreißender Seide glitten die geölten Klingen aus den Scheiden. ­Aidan sprang vor und führte das Schwert in einem hohen Bogen. Hank riss die Armbrust empor, empfing den Hieb und die Klinge grub sich in das harte Holz. Doch so öffnete der Straßenräuber sich für den Dolch, den ­Aidan mit der Linken führte und ihm schnell in die Brust rammte. Hank taumelte zurück, die Armbrust entglitt seinen Fingern, doch ­Aidans Schwert hatte sich im Holz verbissen und wurde ihm ebenfalls aus der Hand gerissen. Für Siegesfreude war keine Zeit, denn der Vernarbte drang nun auf ihn ein. Nur mit größter Mühe konnte ­Aidan seinen schnellen, geschickten Hieben ausweichen und er wurde weiter und weiter zurückgedrängt. Sein Gegner wusste, was er tat, war offenkundig erfahren mit der Klinge und hatte mit ­Aidan einen Gegner vor sich, der nur noch mit einem Dolch bewaffnet war.
„Deserteur ?“, brachte ­Aidan keuchend hervor und wies auf seine eigene Nase. Der Mann brüllte wütend und hieb nach seinem Kopf, doch ­Aidan zuckte gerade noch rechtzeitig zurück. „Wusst’ ich’s doch.“
„Dein gesprächiges Maul stopfe ich dir schon“, knurrte der Vernarbte und spie auf den Boden. „Du hast deinen letzten Scherz gemacht !“
„Das bezweifle ich“, rief Revus von weiter hinten, der den groben, aber ungemein wuchtigen Angriffen des Hünen auswich, in einer Rolle über den Boden glitt und ­Aidans Schwert ergriff. Er sprang mit einem triumphierenden „Ha !“ auf, nur um festzustellen, dass noch immer die Armbrust an der Klinge hing. Der Hüne röhrte wie ein brünstiger Hirsch und hieb wieder nach ihm, doch ­Aidan musste weiteren Angriffen des Vernarbten ausweichen und konnte seinen Freund nicht mehr sehen.
„Ich schlitze dich auf wie ein geschlachtetes Schwein“, gab sein Gegner ein ungemütliches Versprechen ab. „Für Hank.“
„Ach, du konntest Hank nie leiden“, warf ­Aidan ein. „Du bist ein besserer Kämpfer als er und schlauer auch.“
Für einen kurzen Moment hielt der Vernarbte inne und legte den Kopf kurz zur Seite. „Stimmt. Aber es wird mir einfach Spaß machen, dich in Streifen zu schneiden.“
­Aidan nutzte den Moment, um seinen Dolch zu schleudern. Die Klinge flog gerade und grub sich in die Schulter des Vernarbten, ließ ihn aufschreien. Eine Handbreit weiter links, und es wäre vorüber gewesen. Eine Handbreit, die über Leben und Tod entschied. So jedoch packte der Mann das Heft mit der freien Hand, zog die Klinge langsam aus seinem Fleisch und sah auf das blutige Metall in seiner Faust hinab.
„So viel Spaß“, sagte er grimmig und hob sein Schwert, dann hielt er inne. „Was denn, kein kluges Wort mehr ? Kein Scherz ? Deine einzige Waffe weggeworfen, und jetzt ? Auch noch die Sprache verloren ?“
­Aidan holte tief Luft. In ihm kochte die Erinnerung an ein altes Leid empor. Eigentlich hatte er sich geschworen, nie wieder …
Sein Schwert wirbelte durch die Luft, ein silbernes Rad im Mondlicht. Der Vernarbte stürmte auf ihn zu. ­Aidans Hand fuhr empor, seine Finger fanden schweren Stahl. Er wirbelte herum, Metall schlug auf Metall, kratzte über­einander, dann glitt die Klinge seines überraschten Gegners zur Seite. ­Aidan jedoch zog einen Bogen nach oben, einen tiefen Schnitt von der Lende bis zur Schulter. Sein Gegner fiel wortlos hintenüber. Noch bevor er am Boden aufschlug, waren seine Augen kalt und leer.
„Nein, keine Sprüche, keine Lieder“, flüsterte ­Aidan, dann sah er sich schnell um, doch Revus kniete bereits neben dem gefallenen Hünen, in dessen Brust das Schwert seines Freunds fast bis zur Parierstange steckte.
Einige Momente schwiegen sie, dann erhob sich Revus langsam und atmete tief durch.
„Du weißt, dass ich recht hatte, ja ? Es ist deine Schuld.“
Sie beide wussten, dass es die Wahrheit war, aber ­Aidan parierte mit einem Scherz, wie es ihm seit langer Zeit zur Gewohnheit geworden war.
„Du bist nur wütend, weil ich nicht in dem Gasthaus Rast machen wollte, in dem dir die Stallmagd schöne Augen gemacht hat.“ Er wischte das Blut vom Schwert und sah sich nach seinem Dolch um.
„Ja, das auch.“ Für einen Moment schien es, als wollte Revus noch etwas hinzufügen, aber dann wechselte er das Thema : „Die Schwarze Bruderschaft ? Die Scharlachrote Klinge ?“
„Erschien mir angemessen, irgendwie passend.“
Revus lachte.
„Weiß denn niemand, dass dieses Lied mehr als zweihundert Jahre alt ist ? Und dass die Flotten der gesegneten Inseln die Schwarze Bruderschaft zerschlagen und die Scharlachrote Klinge am Mast ihres eigenen Schiffs aufgehängt haben ?“
„Letzte Strophe, Revus, letzte Strophe. Du weißt doch, da ist niemand mehr nüchtern.“
Sie standen nun nebeneinander, sahen sich an.
„Das Schicksal der Barden“, erklärte Revus.
„Das Schicksal der Barden“, bestätigte ­Aidan, doch in seinem Herzen meinte er etwas ganz anderes als sein alter Freund und Reisegenosse.
Die schmale Straße führte auf das Meer zu. Die andere, die hier kreuzte, verlief nach Norden und Süden, in größere Länder, größere Städte. Dieser Weg jedoch führte lediglich in ein kleines Dorf. Genau richtig.
„Lass uns aufbrechen und die gute Nachricht überbringen, dass die Wege nun sicherer sind. Bestimmt wird irgendjemand gern hierherkommen und diese Schurken beerdigen.“
„Mehr als sie für uns getan hätten“, vermutete Revus und schlug ­Aidan auf die Schulter. »Gut, lass uns ­Helden sein.«
Nein, besser nicht, dachte ­Aidan, nickte aber und folgte seinem Freund auf dem letzten Stück ihres Wegs ans Ende der Welt.

Christoph Hardebusch

Über Christoph Hardebusch

Biografie

Christoph Hardebusch, geboren 1974 in Lüdenscheid, zählt zu den erfolgreichsten deutschen Fantasyautoren. Er studierte Anglistik und arbeitete in einer Werbeagentur, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Seine Romane um „Die Trolle“ und „Sturmwelten“ eroberten die Bestsellerlisten. Zuletzt...

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„Ein durchdachter und spannender Fantasy-Roman.“

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„Der Autor hat ein munteres erzähltes Abenteuergarn gesponnen, das (...) den Leser an die Seiten zu fesseln weiß.“

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„Wer epische High Fantasy mag (...) sollte in ›Feuerstimmen‹ unbedingt hineinlesen!“

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„Stilistisch beherrscht Christoph Hardebusch sowohl die lauten, sprich actionreichen Töne, als auch die leisen, humorvollen Aspekte. Zusätzlich kann er mit guten Ideen überzeugen, die insgesamt dafür sorgen, dass ›Feuerstimmen‹ lesenswerte Fantasykost ist.“

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