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Five Brothers – Wen würdest du lieben, wenn du keine Angst hättest? Five Brothers – Wen würdest du lieben, wenn du keine Angst hättest? - eBook-Ausgabe
Roman
— Mit limitiertem Farbschnitt | Nach „Credence“ der neue heiß ersehnte Einzelband der SPIEGEL-BestsellerautorinFive Brothers – Wen würdest du lieben, wenn du keine Angst hättest? — Inhalt
Alle wissen, dass sie auf dieser Seite der Gleise nichts zu suchen hat. Denn hier herrschen IHRE Regeln.
Während ihre Eltern mitten in einer dreckigen Scheidung stecken, irrt die 18-jährige Krisjen aus gutem Hause ziellos durchs Leben und vertreibt sich ihre Zeit mit einem der berüchtigten Jaeger-Brüder, die auf der anderen Seite der Kleinstadt – der Bucht – leben. Aber jede:r, einschließlich Krisjen, weiß, dass sie eines Tages einen reichen Mann heiraten wird, der ihr etwas bieten kann. Dennoch fühlt sich Krisjen zu der Bucht und ihren Bewohnern hingezogen. Sie verbringt mehr und mehr Zeit im Jaeger-Haus, und lernt die Brüder nacheinander kennen – und lieben ...
Leseprobe zu „Five Brothers – Wen würdest du lieben, wenn du keine Angst hättest?“
1 – Krisjen
Geh nachts nicht allein durch die Dunkelheit.
Ich greife an den Saum meines karierten Rocks und schaue hinter mich. Die dunkle, leere Straße löst sich in einem schwarzen Nichts auf, das unter dem Blätterdach der Bäume wie ein Tunnel wirkt. Der Mitternachtsmond reflektiert nur so viel Licht, dass die Blätter bläulich wirken, und der Oktoberwind weht mir ein paar Haarsträhnen über die Wange.
Ich schaue wieder nach vorn und gehe weiter. Mein Herz pocht.
Geh nachts nicht allein durch die Dunkelheit.
Ich glaube zwar nicht, dass meine Eltern mir jemals [...]
1 – Krisjen
Geh nachts nicht allein durch die Dunkelheit.
Ich greife an den Saum meines karierten Rocks und schaue hinter mich. Die dunkle, leere Straße löst sich in einem schwarzen Nichts auf, das unter dem Blätterdach der Bäume wie ein Tunnel wirkt. Der Mitternachtsmond reflektiert nur so viel Licht, dass die Blätter bläulich wirken, und der Oktoberwind weht mir ein paar Haarsträhnen über die Wange.
Ich schaue wieder nach vorn und gehe weiter. Mein Herz pocht.
Geh nachts nicht allein durch die Dunkelheit.
Ich glaube zwar nicht, dass meine Eltern mir jemals diesen Satz gesagt haben, aber ich habe ihn vollkommen verinnerlicht. Überall auf der Welt lauern Gefahren, wir sind stets dem Risiko ausgesetzt, dass Männer uns wehtun. Sie tun es, weil sie es können, weil wir es ihnen leicht machen.
Es heißt, Frauen sollten nicht zu muskulös sein. Wir sollten nicht zu klug sein und müssten nicht wissen, wie man mit Geld umgeht. Wir bräuchten keinen Orientierungssinn, um uns in einer fremden Stadt, einer Menschenmenge oder am Flughafen zurechtzufinden, und müssten nicht wissen, nach welchen Kriterien man ein Auto aussucht. Wenn ein Mann mit im Auto sitzt, sollte er auch fahren, und die Tischreservierung erfolgt selbstverständlich immer auf seinen Namen.
All das haben mir meine Eltern beigebracht.
Alles im Leben dreht sich um Macht. Sie haben mir zwar nicht gesagt, dass ich keine hätte, aber dass Männer mich lieber mögen, wenn ich sie nicht zeige.
Die Straße ist auf beiden Seiten von Wald umschlossen, und ich spüre, dass da unsichtbare Wesen sind, die sich hinter den Bäumen verstecken und mich beobachten. Es ist, als ob die Gefahr immer weiß, wann wir schutzlos sind, um genau in dem Moment zuzuschlagen. Wie der Serienmörder im Ferienlager immer dann zur Stelle ist, wenn sich ein Mädchen von ihrer Gruppe entfernt hat.
Aber ich habe keine Angst. Ich schaue zum Himmel und erfreue mich an der klaren Nacht und an den hellen Sternen. Ich bin froh, dass ich auf dieser dunklen Straße unterwegs bin, weit entfernt von den Lichtern der Stadt.
In drücke den Saum meines Schulrocks fester; mein Hemd klebt an meiner feuchten Haut, und meine Brüste reiben sich an dem Stoff.
Venus und Jupiter werden in ein paar Monaten sichtbar sein. Ich habe vergessen, welche Konstellationen man zurzeit sehen kann, aber es ist schön, egal, was es ist. Denn in der Hurrikan-Saison ist es in den Küstenstädten Floridas immer bewölkt.
Ich höre den Motor hinter mir nicht.
Plötzlich ruft jemand: „Willst du mitfahren?“
Ich zucke zusammen, mein Herz macht einen Sprung. Ich schaue in die Richtung, aus der die Stimme kommt, und treffe auf grüne Augen, die mich aus einem Truck anstarren. Er fährt näher an mich heran, und ich weiche von der Straße auf den Schotter aus.
Sein Arm hängt über der Tür, sein Oberkörper ist nackt. Jeder Zentimeter Haut, den ich auf seiner Brust, seinem Hals und seinen muskulösen Oberarmen sehe, ist gebräunt.
Er muss draußen arbeiten. Und, wie es aussieht, oft mit nacktem Oberkörper, denn er hat keine hellen Streifen.
Er ist von der anderen Seite der Gleise.
Sein schwarzes Haar steckt unter einem Baseballcap, und seine Augen glänzen auf die Art, die ich inzwischen kenne. Schon lange bevor sie es hätten tun sollen, haben Männer mich so angeschaut.
Ich schlucke. „Nein danke.“
Ich gehe weiter und warte darauf, dass er Gas gibt und weiterfährt, aber er tut es nicht. Die Muskeln in meinen Oberschenkeln spannen sich an, mein Körper bereitet sich darauf vor wegzurennen. Während ich weitergehe, spüre ich seine Blicke auf meinem Rücken.
„Weißt du, was du brauchst?“, fragt er, und ich sehe aus den Augenwinkeln, wie sein Truck wieder neben mir auftaucht. „Ein Mädchen wie du sollte einen Freund haben.“
Eine Strähne meines kastanienbraunen Haars wird kurz vom Wind aufgewirbelt und fällt mir dann wieder ins Gesicht. Ich nestle weiter an meinem Rock herum, die Enden meines weißen Hemds hängen fast bis zum Saum herunter.
„Jemand, der auf dich aufpasst und dich fährt“, sagt er. „Hättest du gerne einen Mann?“
Seine Worte gehen mir unter die Haut. Ich blicke nach vorn auf die Straße. Dunkelheit und Leere. Keiner weiß, dass ich hier draußen bin.
„Komm her“, sagt er beinahe im Flüsterton.
Mein Mund wird trocken.
Es ist keine Bitte.
Ich höre, wie sich die Autotür knarrend öffnet, und bleibe stehen. Ich drehe mich langsam um und beobachte, wie er aus dem Truck springt.
Lauf.
Er lässt die Tür offen, senkt das Kinn und kommt langsam auf mich zu, als sei ich ein Hund, den er an die Leine nehmen muss, bevor er wegläuft.
Lauf, sage ich mir.
Ich weiche einen Schritt zurück, aber er streckt die Hand aus und fängt die lose Haarsträhne ein.
Er sieht sie aber nicht an. Er sieht mir in die Augen.
Er ist jung. Nicht viel älter als ich, aber definitiv größer. Breiter.
Zu nah.
Ich drehe mich um, aber bevor ich einen Schritt machen kann, packt er mich und zieht mich an seine Brust. Ich schnappe nach Luft und spüre, wie er mit einer Hand meine Brust umschließt und die andere zwischen meine Beine gleiten lässt.
Er atmet in mein Ohr aus und streichelt mich durch den Slip. „Oh, da hast du aber was Leckeres, nicht wahr?“
Er stöhnt.
Ich winde mich und wimmere: „Nein …“
Er greift in meinen Slip und streichelt mich weiter, während er durch die Zähne Luft einsaugt. „Steig in den Wagen.“ Er dreht mich herum und lässt mich los, schiebt mich aber zum Auto, bevor ich weglaufen kann. „Jetzt bin ich dein Mann, Kleine“, knurrt er.
Ich schaue zur Seite, aber er schubst mich nach vorn. Die Fahrertür ist offen, also kann ich nicht nach links laufen, und rechts steht er. Ich steige in den Truck und krieche rückwärts auf die Beifahrerseite, bis ich mit dem Rücken gegen die Tür stoße.
Ich greife nach dem Griff hinter mir, aber er verriegelt die Türen, bevor ich die Beifahrertür öffnen kann. Ich ziehe dennoch am Griff, versuche zu fliehen, aber seine Augen sind auf mich gerichtet, während er ins Auto steigt und die Tür zuschlägt. Ich erstarre und spanne meine Oberschenkel an.
Sein Blick wandert meinen Körper hinunter zu meinen Beinen. Mein Rock ist hochgerutscht. Ich ziehe ihn runter.
„Heiliger Bimbam“, murmelt er und bewegt dabei seine Zunge im Mund. Er schaltet den Motor an und gibt Gas.
„Wohin bringst du mich?“
„Irgendwohin, wo ich meiner neuen Freundin ein wenig Aufmerksamkeit schenken kann“, antwortet er.
Seine Augen funkeln, während er auf die Straße schaut. Schweißtropfen laufen ihm über die Brust. Ich beobachte, wie sie über die Wölbungen seines Sixpacks gleiten.
In der Nähe seines Ohrs ist das dunkle Haar noch schwärzer, da es schweißnass ist. Er beißt sich auf die Unterlippe, während er vor sich hin starrt. Ein glatter, junger Nacken. Als er den Arm ausstreckt und das Lenkrad umklammert, sehe ich, dass jeder Muskel angespannt ist. Keine Tattoos. Er hat nur eine Narbe an der Augenbraue, ein kleiner Schlitz, wo kein Haar mehr wächst.
Ich kralle meine Fingernägel in die Sitzlehne.
Ich sollte mich mehr anstrengen, um zu entkommen. Ich sollte ihn schlagen, treten.
Er fährt von der Straße ab, einen Schotterweg hinunter und biegt dann scharf links in ein kleines, von Bäumen umsäumtes Grundstück ein. Hier kommen die Leute her, um mit ihren Quads zu spielen. Überall sind Reifenspuren.
Aber nachts ist der Platz verlassen.
Außer uns ist niemand da.
Er stellt den Motor ab, im Inneren des Trucks wird es fast stockdunkel.
Ich spüre, wie Hände mich an den Knöcheln packen, mich den Sitz entlangziehen, wie er sich zwischen meine Beine kniet und über mich beugt.
„Ich will nach Hause“, sage ich.
Er antwortet nicht.
Er greift mir unter den Rock, streift mir den Slip die Beine runter und starrt auf meine nackte Haut. „Oh, wow, du bist aber eine hübsche kleine Bitch.“
Er schiebt mein Hemd hoch, beugt sich zu mir herunter, nimmt eine Brustwarze in den Mund und saugt daran, während er mich zwischen den Beinen streichelt.
„Mmhm“, stöhnt er.
Ich umklammere sein Handgelenk und versuche, seine Hand unter meinem Rock herauszuziehen, aber seine Muskeln spannen sich unter meinen Fingern an, und die Hand bewegt sich keinen Millimeter von der Stelle. Er fährt mit der Zunge über meinen Nippel, wandert dann zur anderen Brust, und ich winde mich hin und her und versuche, mich zu befreien, aber er beachtet mich nicht, während er sich vergnügt.
Als würde er mich gar nicht sehen.
Als wäre ich hier, um Spaß zu haben.
Er nimmt meine Brustwarze zwischen die Zähne, und es durchfährt mich wie ein Stromstoß bis hinunter zwischen die Beine. Ich lasse seine Hand los und fahre mir mit den Fingern über den Bauch bis zum Rockbund.
„Deine feuchte kleine Pussy ist bereit für mich, nicht wahr?“, gurrt er.
Ja, Baby.
Ich umklammere den Griff des Messers, das in meinem Rockbund versteckt ist, ziehe den Arm hoch und drücke die Klinge an seinen Hals.
Er erstarrt.
Ich spüre mein süffisantes Lächeln.
Sein heißer Atem trifft meine Haut jetzt schneller. Ich hebe den Kopf und fühle mich, als würde ich schweben.
„Runter von mir!“, raunze ich ihn an.
Wow, wie er einfach aufgehört hat! Das war großartig.
Jetzt könnte ich mit ihm machen, was ich will.
Er setzt sich langsam in den Fahrersitz zurück. Ich folge ihm und halte ihm die Klinge an den Hals, während ich mein Bein über seine Oberschenkel gleiten lasse.
Mit gespreizten Beinen setze ich mich auf seinen Schoß. „Hände hoch ans Dach!“, befehle ich.
Er hebt die Arme, atmet immer noch ganz flach und presst die Handflächen ans Autodach.
Das Lenkrad drückt mir in den Rücken, und ich lehne mich an ihn. Meine harten Brustwarzen drücken sich durch mein Hemd gegen seine warme Brust.
Er hält den Atem an, als ich mit meiner freien Hand in seiner Hosentasche krame. Ich ziehe ein paar gefaltete Geldscheine heraus und halte sie hoch, lächle ein wenig, bevor ich sie in meine Hemdtasche stecke.
Ich drücke die Klinge fester an seinen Hals. „Hände hinter den Kopf!“
Er durchbohrt mich mit seinem Blick, aber er tut, was ich sage.
Wahrscheinlich könnte ich jetzt fliehen. Er würde vermutlich nicht nach mir greifen. Oder versuchen, mir das Messer wegzunehmen. Ein Typ wie er – gut aussehend und daran gewöhnt, jede zu haben, die er haben will – denkt wahrscheinlich, dass ich keinen weiteren Ärger wert bin.
Ich könnte gehen.
Aber ich tue es nicht.
Ich bewege mein Becken, rolle ganz langsam über die Beule in seiner Jeans und lasse meine Hand über seine Brust gleiten.
„Wenn ich es mir recht überlege …“, necke ich ihn und knie mich hin, sodass die Brust, die ein bisschen aus meinem Hemd herausragt, auf der Höhe seines Mundes schwebt. „Du bist doch fürs Spaßhaben gemacht, oder etwa nicht?“
Ich drücke mich gegen seinen Mund, und er nimmt die Einladung an, streift mir das Hemd von der Schulter und entblößt eine Brust komplett. Er nimmt sie in den Mund. Seine heiße Zunge leckt und kitzelt so sanft, und ich lege eine Hand in seinen Nacken und halte ihn fest, um sicherzugehen, dass er nicht aufhört.
Ich bücke mich zu ihm runter, küsse seinen Mund und flüstere an seine Lippen: „Öffne deine Jeans und hol ihn raus.“
Ich reibe mich an ihm, keuche und stöhne, während er an seinem Gürtel reißt und seinen Hosenschlitz öffnet.
Er will meine Hüften anfassen, aber ich presse die Klinge fester an seinen Hals. „Fass mich nicht an!“
Er zieht sich zurück, und ich stürze mich auf seinen Mund und spüre, wie sein harter, heißer Schwanz gegen meine Vulva stößt.
Ich starre ihm in die Augen. „Willst du mich immer noch?“, frage ich flüsternd.
Er nickt, sein Mund ist geöffnet, während er schwer atmet. „Ja.“
Ich kreise meine Hüften, will die Erregung steigern, aber er ist schon bereit zu kommen. Er greift hinter mich zum Handschuhfach, und ich küsse seinen Hals und wandere an seiner Wange entlang bis zu seiner Schläfe.
Aber dann wird er still und hält inne, und schließlich höre ich auf, ihn zu küssen.
Als ich hinter mich schaue, sehe ich, dass seine Hand eine Kondomschachtel umklammert. Sie steht auf dem Kopf und wirkt so, als wäre sie leer.
Er wirft sie auf den Boden und durchwühlt den Inhalt des Handschuhfachs auf der Suche nach einem Kondom, das herausgefallen sein muss. Papiere, Servietten und verschiedene Werkzeuge fallen heraus, aber als er aufhört zu wühlen, hat er immer noch nichts gefunden. Nichts.
Er hat keine Kondome.
Ich verkrampfe mich. „Es waren noch zwei übrig“, sage ich.
Er schaut mich bedauernd an und streicht dann noch einmal vergeblich durchs Fach.
Ich lasse meine Arme herunterfallen. „Trace …“
Er schaut hoch, wirft den Kopf in den Nacken und fasst sich mit den Händen ins Haar. „Scheiße“, murmelt er zum Dach.
Mir wird etwas flau im Magen. Wir waren vor drei Tagen zusammen. Da hatte er noch zwei Kondome in der Schachtel. Und seine Brüder benutzen diesen Truck nicht.
Ich versuche, ihm in die Augen zu schauen, aber er sieht mich nicht an. „Im Ernst jetzt?“
Ich warte die Antwort nicht ab, steige von ihm runter, lasse mich auf den Beifahrersitz fallen und lege das Messer ab.
„Komm schon“, sagt Trace mit sanfter Stimme. „Sei mir nicht böse, Krisjen.“
Er greift nach meiner Hand, aber ich ziehe sie weg und knöpfe die oberen Knöpfe meines Hemdes wieder zu, die ich vorhin geöffnet hatte, um auf der dunklen Straße mitten im Nirgendwo wie ein sexy Serienkiller-Köder auszusehen.
Er zögert, aber die Stimmung ist dahin. Er zieht den Reißverschluss seines Hosenschlitzes zu und schnallt den Gürtel fest, und unser kleines Rollenspiel wechselt zurück in die Realität. Ich bin wieder achtzehn, habe gerade meinen Abschluss gemacht und gehe nicht mehr auf die katholische Schule, und er ist zwanzig und versucht, sich eine der besten Freundinnen seiner Schwester nicht zum Feind zu machen, denn er weiß, dass er mir im Leben noch oft über den Weg laufen wird.
„Bitte mach mir kein schlechtes Gewissen“, sagt er leise. „Ich bin nicht davon ausgegangen, dass du nur mit mir zusammen bist. Du bist doch nicht in mich verliebt, oder? Ich bin ein Idiot.“
Ich schließe die Augen, muss aber beinahe lachen, denn er ist tatsächlich ein Idiot.
Und ich bin nicht in ihn verliebt.
Aber jetzt kann ich mich nicht mehr selbst belügen. Ich bin absolut nichts Besonderes für ihn. Wahrscheinlich bin ich nur die Einzige, die heute Abend auf seine Textnachricht geantwortet hat.
Aber ich mag ihn. Er lässt sich auf meine Rollenspielfantasien ein, in denen ich jemanden überwältige, der versucht, mich zu überwältigen.
Ich neige den Kopf und reibe mir die müden Augen.
„Krisjen, komm schon.“ Er nimmt meine Hand. „Es tut mir leid. Ich habe nicht gedacht, dass es ernst ist mit uns.“
„Du musst dich nicht entschuldigen“, sage ich und ziehe meine Hand zurück. Dadurch fühle ich mich nur noch erbärmlicher. „Du hast recht. Wir werden nicht heiraten.“
Ich schaue ihm in die Augen und spreche seinen Namen in meinem Kopf aus. Trace Jaeger.
Und Milo Price. Mein Ex-Freund. Die beiden Männer, mit denen ich geschlafen habe.
Ich dachte immer, es würde nur einer sein. Als ich zwölf war, stellte ich mir die wahre Liebe so vor: Mein Kleid weht im Wind, während ich auf Klippen am Meer stehe und leidenschaftlich geküsst werde. Er ist Dichter. Und dann stellt sich heraus, dass er ein Duke ist. Und ein Schloss besitzt. Ich habe wirklich an diese Fantasie geglaubt, denn ich hatte hochfliegende Ideen und war verzweifelt auf der Suche nach Aufmerksamkeit.
Aber so ist es nicht gekommen. Ich war in der zehnten Klasse und mit ein paar Freunden zum Abschlussball eingeladen. Der Abend endete auf einer Party, wo mich mein Freund auf dem Bett eines Fremden entjungfert hat, und nach elf Minuten war alles vorbei.
Ich habe mit zwei Männern geschlafen.
Und es wird noch andere geben.
Trace wird nicht der Letzte sein.
„Es wird andere Männer geben, die das tun werden, was du mit mir tust“, murmele ich.
„Genauso wie ich?“
„Wahrscheinlich härter.“
Er schnaubt und lehnt sich in seinem Sitz zurück. „Du weißt, dass du immer noch zu mir kommen kannst, wenn du in fünf oder zehn Jahren eine Pause von deinem Ehemann brauchst. Wenn du es mal gut und dirty brauchst.“
Er versucht, mich zum Lächeln zu bringen, aber ich lächle nicht. Stattdessen schaue ich aus dem Fenster. In zehn Jahren … Werde ich ihn dann immer noch brauchen, um mich lebendig zu fühlen?
Ein Bild blitzt in meinem Kopf auf, und fast sofort wird mir klar, dass es nicht meine Mutter ist, die ich da sehe. Ich bin es. Mit ihrem Haar. In ihren Klamotten. In ihrem Leben.
Er versucht, meine Hand zu nehmen. „Komm her.“
Ich wehre mich.
„Komm her“, flüstert er.
Aber ich ziehe vorsichtig meine Hand weg.
Trace ist ein Menschenfreund. Er hasst es, wenn jemand sauer auf ihn ist. Das kommt daher, dass er jahrelang mit vier älteren Brüdern klarkommen musste, die alle Tornado-Typen sind.
Macon, Army, Iron und Dallas.
Seine Schwester Liv ist mit meiner besten Freundin Clay zusammen, aber Liv ist im Vergleich zum Rest des Jaeger-Clans ziemlich ruhig. Das kommt sicher auch daher, dass sie jahrelang mit fünf älteren Brüdern klarkommen musste, die alle Tornado-Typen sind. Aber sie liebt sie alle.
Ihre Eltern sind vor acht Jahren im Abstand von zwei Monaten gestorben. Der älteste Bruder, Macon, war gezwungen, seinen Job beim Militär aufzugeben und nach Hause zu kommen, um seine Geschwister großzuziehen. Trace kann sich fast nur an seine älteren Brüder erinnern.
„Wir könnten was trinken gehen“, sagt er. „Du hast ja mein Geld.“
„Du meinst, dein Taschengeld?“ Ich ziehe die gefalteten Scheine aus meiner Brusttasche, ein Zwanziger außen, und wie ich ihn kenne, ist es innen wahrscheinlich ein Ein-Dollar-Schein. Ich gebe sie ihm zurück und ziehe meinen Slip wieder an.
Er schiebt die Scheine zurück in seine Hosentasche. „Ich bin ein Mann, der seinen Lebensunterhalt selbst verdient, danke.“
Mmhm. „Ich gehe nicht mit dir aus, nur weil du Schuldgefühle hast.“
„Ich bin auch noch für Sex zu haben“, fügt er hinzu und zeigt sein bezauberndes Lächeln. „Ich meine, das war alles deine Idee, und du hast mich ganz schön angetörnt.“ Er deutet auf den Steifen in seiner Jeans. „Der Teil, wo du mich ausgeraubt hast, war ziemlich heiß.“
Ich erzwinge ein Stirnrunzeln, aber nur, weil ich wütend auf mich bin, weil mir eigentlich zum Lächeln zumute ist. Er gibt sich große Mühe, mich aufzumuntern, und aus irgendeinem Grund verspüre ich den Drang, ihn wissen zu lassen, dass seine Bemühungen gewürdigt werden.
Auch ich möchte Menschen gefallen.
„Ich habe versucht, so stark zu sein wie deine Schwester und wie Clay“, murmele ich scherzhaft.
Ich dachte, es gelingt mir, aber jetzt bin ich mir nicht mehr sicher.
Er berührt mein Gesicht. „Ich bin froh, dass du nicht aggressiv bist“, sagt er leise. „Ich mag es, dass du sanft mit Menschen umgehst. Bleib so.“
Es ist nett, dass er das sagt, aber sanft zu sein, bringt mir nichts. Es macht mich nur zu einem leichten Opfer.
„Ändere dich nicht, okay?“
Ja, okay. Wie auch immer.
„Fahr mich einfach zu dir nach Hause.“ Ich schiebe meine Ärmel hoch und schnalle mich an. „Ich muss mein Auto abholen.“
„Krisjen …“
„Es ist in Ordnung, Trace.“ Ich schaue ihn nicht an. „Wir sind kein Paar. Das waren wir nie.“
Ich habe mich selbst belogen. Ich habe es mir selbst angetan.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich für ihn von Anfang an ein Booty Call war. Eines Abends im letzten Frühjahr bin ich Clay über die Gleise nach Sanoa Bay gefolgt, die ursprüngliche Siedlung von St. Carmen.
Offiziell sind wir jetzt ein Ort, St. Carmen, aber die Leute in der Bay, wo Trace und seine Familie leben, hören das nicht gern. Sie hängen sehr an ihrem Land und wollen unabhängig bleiben.
Sie sind wild.
Wir verstecken alles.
Sie sind arm.
Wir sind es nicht.
Sie sind die Swamps, die aus dem Sumpfgebiet.
Wir sind die Saints, die Heiligen.
Clay hat sich in Liv verliebt, das böse Mädchen aus dem falschen Viertel, und ich bin mit einem der Brüder dieses bösen Mädchens dem Laster verfallen.
Aber es war nie so eine Liebe wie bei Liv und Clay. Sobald ich sein Bett verlasse, denkt Trace nicht mehr an mich, und wenn ich ehrlich bin, denke ich auch nicht viel an mich.
Er startet den Motor, und gleich darauf fährt er auf die Straße und nach links in Richtung der Swamps.
Wir fahren an den Toren meines Hauses vorbei, und ich sehe, dass die Lichter im Obergeschoss noch aus sind, bevor Trace nach rechts auf die dunkle Straße abbiegt und dann noch einmal nach links über die Brücke und die Marsch.
Ich nehme mein Handy und schreibe meinem Bruder.
Bin auf dem Weg in die Bay, mein Auto holen. Bin bald zurück.
Marshall ist fast dreizehn, aber er hat ständig seine Kopfhörer auf. Er wird Paisleigh nicht hören, wenn sie aufwacht.
Eine Nachricht kommt rein.
Woher wusstest du, dass ich das alte iPad habe?
Ich lache in mich hinein.
Weil du schlau bist, wie ich.
Ich habe alle seine technischen Geräte mitgenommen, als ich die beiden vor zwei Stunden ins Bett gebracht habe, aber ich habe nicht nach dem einen Gerät gefragt, von dem er dachte, es sei noch ein Geheimnis. Vielleicht hätte ich das tun sollen. Wenn meine Eltern strenger mit meinen Schlafenszeiten gewesen wären, wäre ich jetzt vielleicht auf dem College wie alle meine Freundinnen.
Aber ich weiß auch, dass Mars tun wird, was er tun will. Ich bin streng genug, damit er weiß, dass es mir wichtig ist, dass er genug schläft, aber nicht so streng, dass er nur noch lernt, sich vor mir zu verstecken. Es wird größere Kämpfe geben als iPads und Handys.
Wenn er so ist wie ich.
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