Fürchte dich vor morgen (Hannover-Krimis 10) Fürchte dich vor morgen (Hannover-Krimis 10) - eBook-Ausgabe
Kriminalroman
— Fesselnde Mörderjagd in der Prepper-Szene„Spannung gepaart mit einem hintergründigen Humor machen Mischkes Romane zur unterhaltsamen Lektüre.“ - Neue Presse
Fürchte dich vor morgen (Hannover-Krimis 10) — Inhalt
Hochaktuell und aufregend – Hauptkommissar Völxen ermittelt in der Prepper-Szene
Der SPIEGEL-Bestseller „Fürchte dich vor morgen“ führt Sie in den Sumpf fanatischer Verschwörungstheoretiker.
Ein beschaulicher Waldspaziergang endet anders, als es sich Kommissar Völxen erhofft hat. Statt schmackhafter Steinpilze findet er nämlich eine Frauenleiche. Das Mordinstrument: Ein archaischer Speer, der in ihrer Brust steckt und normalerweise für die Wildschweinjagd genutzt wird.
Völxen macht sich fortan selbst auf die Jagd, aber nicht nach Schweinen oder Pilzen, sondern nach einem offensichtlich brutalen Mörder. Die Ermittlungen führen ihn zur örtlichen Prepper-Szene – eine Gemeinschaft, die an den bevorstehenden Weltuntergang und Zusammenbruch der Gesellschaft glaubt und die ausgerechnet der ehemalige Polizeikollege Georg Kobler anführt. Hier hören die Zufälle aber nicht auf: Das Mordopfer war nämlich Georgs 21-jährige Tochter. Es dauert nicht lange, bis sich die Anzahl der Mordverdächtigen und deren Motive multiplizieren.
Tagesaktuelle Themen treffen auf eine aufregende Krimihandlung
Mord, Verschwörungstheorien und Ermittlungen vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie – Susanne Mischke trifft erneut den Zahn der Zeit, ohne das aktuelle Zeitgeschehen in den Vordergrund zu drängen. Schließlich möchten die Leser hauptsächlich Kommissar Völxen und sein sympathisches Ermittlerteam bei der Mördersuche begleiten. Und genau das sollen sie auch bekommen.
Bodo Völxen zeigt auch bei seinem 10. Einsatz keine Ermüdungserscheinungen
„Keine Superhelden im Kampf gegen das Böse, sondern eher Feld-, Wald- und Wiesenpolizisten mit Macken, aber auch Talenten. Gerade diese Charakterisierung macht die Lektüre zum Lesevergnügen mit Spannung.“ ― Westfalen-Blatt
Leseprobe zu „Fürchte dich vor morgen (Hannover-Krimis 10)“
Kapitel 1 – In die Pilze
Im Morgendunst sieht alles so verwaschen aus. Vielleicht ist aber auch nur Völxens müder Blick noch ein wenig getrübt, denn es ist verdammt früh, besonders wenn man bedenkt, dass heute Sonntag ist. Schweren Schrittes stapft Hauptkommissar Bodo Völxen durch den Wald bergan, seinem Nachbarn Jens Köpcke hinterher. Der Nordhang liegt noch komplett im Schatten, die Temperaturen sind empfindlich kühl und das Gras feucht vom Tau. Man merkt, dass es bis zum Herbst nicht mehr lange hin ist. Im Zeitlupentempo erklimmt die aufgehende Sonne [...]
Kapitel 1 – In die Pilze
Im Morgendunst sieht alles so verwaschen aus. Vielleicht ist aber auch nur Völxens müder Blick noch ein wenig getrübt, denn es ist verdammt früh, besonders wenn man bedenkt, dass heute Sonntag ist. Schweren Schrittes stapft Hauptkommissar Bodo Völxen durch den Wald bergan, seinem Nachbarn Jens Köpcke hinterher. Der Nordhang liegt noch komplett im Schatten, die Temperaturen sind empfindlich kühl und das Gras feucht vom Tau. Man merkt, dass es bis zum Herbst nicht mehr lange hin ist. Im Zeitlupentempo erklimmt die aufgehende Sonne den Kamm des Deisters, jenes dicht bewaldeten und angeblich äußert pilzreichen Mittelgebirgsrückens südlich von Hannover. Immer wieder einmal muss Völxen verstohlen gähnen. Selbst schuld! Was musste er auch gestern so herumjammern? Wie fast jeden Abend standen er und sein Nachbar in der Dämmerung am Zaun der Schafweide, zischten ein lauwarmes Herrenhäuser, und Völxen beschwerte sich bitterlich: Er sei nun bestimmt schon ein Dutzend Mal im Deister Pilze suchen gegangen, aber stets vergeblich, es sei wie verhext.
Dabei kann es doch nicht so schwierig sein. Alle Welt brüstet sich dieser Tage mit Fotos einer reichen Pilzausbeute in den sozialen Medien. Nicht, dass der Hauptkommissar persönlich in diesen Niederungen des Internets verkehren würde. Seine Frau Sabine zeigt ihm ab und an die einschlägigen Posts der Trophäen von Bekannten, und Völxen vernimmt dabei sehr wohl die unterschwellige Botschaft und fühlt sich wie ein Versager.
Irgendwann in dieser Leidenszeit gelangte Völxen zu der Einsicht, dass es überhaupt nichts bringt, stundenlang planlos durch die Wälder zu streifen. Nachdenklich betrachtete er daraufhin seinen Terriermischling Oscar, um schließlich die existenzielle Frage aufzuwerfen: „Wozu füttert man dich eigentlich das ganze Jahr durch?“
Nach Rücksprache mit einem der Trainer der Hundestaffel der Polizeidirektion Hannover besorgte Völxen ein paar Übungsexemplare in der Markthalle der Landeshauptstadt. Zu Hause ließ er Oscar an den Steinpilzen schnüffeln und versteckte diese anschließend im weitläufigen Garten seines ländlichen Anwesens. Nach kurzer Zeit und unter Einsatz etlicher Leberwurstleckerlis kapierte der Hund, was man von ihm verlangte. Und tatsächlich: Oscar erschnüffelt und verbellt seither jeden Steinpilz. Im heimischen Garten. Dort, und nur dort, klappt die Pilzsuche hervorragend. Im Wald dagegen sind die Verlockungen durch andere Gerüche einfach zu groß und zu viel für den wankelmütigen Oscar.
„Du musst früher aufstehen, Kommissar, sonst sind die anderen schneller!“, hat ihm der Hühnerbaron gestern Abend, am Ende von Völxens Jammertirade, geraten.
„Ich bin früh aufgestanden.“
„Was so ein Städter halt unter früh versteht.“
Das ist auch so eine Sache. Seit über dreißig Jahren lebt die Familie Völxen nun schon in dem umgebauten alten Bauernhof, dessen Obstwiese und Schafweide an Köpckes Grundstück grenzt. Dennoch gelten er und seine Frau – er noch mehr als Sabine – für den Hühnerbaron und den Rest der Dorfbewohner nach wie vor als Städter, und daran wird sich auch nichts mehr ändern. Also hat Völxen den Städter, wieder einmal, unwidersprochen hinuntergeschluckt, denn danach meinte Jens Köpcke gnädig: „Wenn du willst, zeig ich dir morgen mal ein paar Pilzstellen.“
Was wiederum einen Freundschaftsbeweis erster Güte darstellt.
„Morgen früh um fünf Uhr auf meinem Hof, ich fahre“, ordnete Köpcke an.
Um fünf? Und das, obwohl Ende August die Sonne erst nach sechs Uhr aufgeht und nicht einmal Köpckes Hühner zu dieser Unzeit aufstehen. Völxen musste schwer schlucken, doch er hat den Mund gehalten und gedacht: Der frühe Vogel fängt den Wurm, beziehungsweise den Pilz.
Jetzt freut er sich schon auf Sabines Gesicht, wenn er, der Held der Morgenstunde, zum Frühstück mit einem prall gefüllten Korb prächtiger Steinpilze erscheinen wird. Die kann sie dann seinetwegen ruhig fotografieren und posten, wo immer sie möchte.
Seit einer gefühlten Ewigkeit wandern sie nun schon durchs Dickicht, denn natürlich, so Köpcke, wachsen Pilze nicht rechts und links des Weges, und falls doch, dann hat sie längst einer vor ihnen geerntet.
Ein frischer Wind fährt durch die Baumwipfel und zaust Völxens graublondes Resthaar, sein Magen knurrt, und außerdem beschleicht ihn allmählich der Verdacht, dass die Pilzstellen, die sein Nachbar ihm zeigen will, nicht gerade die besten sind, sondern eher die 2-B-Lagen. Gerade sind sie nämlich an einer solchen angekommen, aber die Pilze dort sind so mickrig und von Schnecken zerfressen, dass sie sie gar nicht erst mitnehmen.
Köpcke murmelt etwas von schlechtem Pilzwetter, und Völxen hat Mühe, seine Enttäuschung zu verbergen. Wie konnte er nur auf den Hühnerbaron, dieses Schlitzohr, hereinfallen, hadert er mit sich selbst. Kein Pilzsammler, der noch ganz bei Trost ist, verrät seine Pilzplätze, zumindest nicht die, die etwas taugen. Er könnte gemütlich im Bett liegen und sich noch mal umdrehen, anstatt hier, von Mücken umschwirrt, durch den Wald zu stolpern. Die Orientierung hat er längst verloren, er ist praktisch davon abhängig, dass Köpcke ihn zu dem Wanderparkplatz hinter Wennigsen zurückführen wird. Dieser Gedanke bereitet ihm Unbehagen. Da hilft auch kein Google Maps, wenn man sich abseits der Pfade der Zivilisation bewegt.
Und nun macht ihm auch noch Oscar Kummer. Während der ganzen Zeit ist er mehr oder weniger brav bei Fuß gegangen, hat sich lediglich einmal in Wildschweinkot gewälzt, an einem Fuchshaufen geknabbert und ansonsten die Aufforderung seines Herrchens – such die Pilze, Oscar, such, such! – hartnäckig ignoriert. Jetzt plötzlich, ohne dass er ein Kommando erhalten hätte, stürmt der Terrier davon und bricht durch ein Gebüsch. Ein paar Farnwedel bewegen sich noch und signalisieren, wo er langläuft, dann ist er weg. Das alles, ohne auch nur einen Laut von sich gegeben zu haben.
„Oscar! Hierher! Oscar, verflucht noch eins!“
Völxens Geschrei verhallt ohne Wirkung. Das fehlt ihm noch, dass der Hund wildert. Noch dazu, da Jens Köpcke ihn vorhin extra noch gewarnt hat, Völxen müsse gut auf Oscar achten, denn mit dem hiesigen Revierförster sei nicht zu spaßen.
„Dieser elende Mistköter!“
Köpcke sagt nichts dazu. Beide sind stehen geblieben und horchen. Wind rauscht in den Bäumen, Vögel zwitschern.
„Oscaaaar!“, brüllt Völxen.
„Hast du keine Hundepfeife dabei?“, fragt Köpcke.
„Nein. Der würde sowieso nicht gehorchen. Wenn er erst mal im Jagdmodus ist, hört der auf gar nichts mehr.“
„Dann kannst du dir das Geschrei ja auch sparen“, bemerkt Köpcke.
„Es hilft mir aber, mich abzureagieren.“
„Was machen wir jetzt?“, fragt der Hühnerbaron.
„Gar nichts. An Ort und Stelle stehen bleiben und warten, bis er wiederkommt. Der findet auf seiner eigenen Spur zurück.“
„Klingt, als wäre das nicht das erste Mal, dass er dir ausbüxt.“
„Das steht so in den Hundebüchern“, antwortet Völxen.
„Pst! Ich hör was“, flüstert der Hühnerbaron.
Und wirklich. In einiger Entfernung tönt das für einen Terrier typische schrille Kläffen durch den Wald.
„Er hat Pilze gefunden!“, jubelt Völxen. „Hörst du es? Er verbellt sie. Guter Hund!“
„Pilze verbellen?“, wiederholt sein Gegenüber.
„Hab ich ihm beigebracht. Man nennt das Konditionierung“, lässt Völxen seinen Nachbarn wissen.
„Konditionierung!“ Jens Köpcke tippt sich unter seiner Schiebermütze an die Stirn. „Der jagt einen Hasen. Oder er spinnt einfach, wie sonst auch.“
Auf derlei unqualifizierte Kommentare geht der stolze Hundebesitzer erst gar nicht ein. So schnell es seine müden Beine und sein moderates Übergewicht erlauben, setzt er sich ohne Rücksicht auf die Flora des Waldes in Bewegung, schnurstracks in die Richtung, aus der das Gebell ertönt. Köpcke hat Mühe, ihm hinterherzukommen.
Sie stoßen auf einen Weg, eigentlich mehr ein Trampelpfad, dem sie folgen. Das Bellen ist nun ganz nah. Der Pfad führt auf eine Lichtung, und dort sieht Völxen zu seiner großen Erleichterung Oscar, der tatsächlich etwas verbellt.
Aber es ist kein Pilz.
Völxen bleibt so abrupt stehen, dass der Hühnerbaron ihn von hinten anrempelt. „’tschuldigung, Kommissar. Warum hältst du auch so plötzlich …?“ Der Rest des Satzes bleibt Köpcke in seinem kurzen Hals stecken. „Hol mich der Teufel! Ist das … ist das …?“
„Ich denke, du bleibst besser mal hier stehen, Jens, und rührst dich nicht vom Fleck.“ Völxen merkt, wie brüchig und mürbe seine Stimme auf einmal klingt. Kein Wunder, er ist zutiefst schockiert und kann nicht fassen, was er vor sich sieht.
„Oscar, hierher!“ Es hätte energisch klingen sollen, hört sich aber eher panisch an.
Überraschenderweise gehorcht der Terrier sofort, fast als wäre er froh, die Verantwortung für seinen außergewöhnlichen Fund abgeben zu können.
Völxen leint ihn an. „Nimm ihn bitte mal“, sagt er zu seinem Nachbarn.
Köpcke, der leichenblass geworden ist und sich an einem Baumstamm festhält, ergreift wortlos die Leine.
Vorsichtig nähert sich der Hauptkommissar dem, was Oscar angekläfft hat. Es ist eine Frau mit langem braunem Haar, das zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden ist. Sie liegt auf dem Rücken. Ein riesiger Speer steckt in ihrer Brust, und zwar so tief, dass Völxen nur wenig von der Klinge sehen kann. Die Tote ist mit einer olivgrünen Hose mit vielen Taschen, einem grauen Sweatshirt und festen, geschnürten Halbstiefeln aus beigefarbenem Leder bekleidet. Es ist eine sehr junge Frau, um die zwanzig, schätzt Völxen. Sie ist zierlich und dürfte höchstens eins siebzig groß sein. Ihr Kopf ist zur Seite gedreht, das Gesicht Völxen zugewandt. Ihre Züge sind vom Tod entstellt; der Mund steht offen, die Augen blicken glasig ins Nichts.
Das kann nicht sein, ich bin nicht im Dienst, schießt es Völxen durch den Kopf, geradeso, als wäre er durch seinen Beruf davor gefeit, in seiner Freizeit Leichen zu finden. Dabei ist es gar nicht das erste Mal, fällt ihm ein. Da war vor Jahren dieser verbrannte Körper im Osterfeuer … Damals wie jetzt steht Völxen da wie erstarrt. Ein erster Sonnenstrahl fällt auf die Lichtung, als hätte jemand einen Bühnenscheinwerfer angestellt. Normalerweise ein schönes Schauspiel, doch heute kommt es ihm geradezu zynisch vor, dass die Natur einfach so weitermacht wie immer, eine völlig teilnahmslose Kulisse bildet, als wäre nichts geschehen.
Es gibt Ausnahmen. Eine Krähe stößt einen heiseren Ruf aus und flattert mit lautem Flügelschlag auf. Er zuckt zusammen und verspürt den Drang, sich umzudrehen und von diesem Ort des Grauens zu fliehen. Natürlich bleibt er und besinnt sich darauf, was seine Pflicht ist, nämlich den Tatort – denn von einem solchen darf man wohl getrost sprechen – in Augenschein zu nehmen.
Die Todesursache gibt keine Rätsel auf. Der Spieß steckt mitten in der Brust und bildet mit dem am Boden liegenden Leichnam einen rechten Winkel. An der Einstichstelle ist ein kleiner Rand von angetrocknetem Blut auf ihrem Shirt zu sehen. Nicht gerade viel, wenn man bedenkt, was für eine Wunde so eine Klinge reißen muss, wundert sich Völxen. Sie muss sehr rasch tot gewesen sein. Wer immer das getan hat, war entschlossen, brutal und handelte, ohne zu zögern.
Sie scheint noch nicht lange auf dieser Lichtung zu liegen, Völxen kann keinerlei Anzeichen von Verwesung oder Tierfraß entdecken. Noch nicht. Sein Blick schweift kurz in die Baumwipfel. Die Krähe von eben sitzt auf einem Buchenast und betrachtet ihn mit schief gelegtem Kopf. Wahrscheinlich hat der Hund sie gerade noch rechtzeitig verscheucht.
Nein, ihr Biester, aus dieser Mahlzeit wird nichts!
„He, Kommissar!“, macht sich der Hühnerbaron bemerkbar. „Sollten wir nicht deine Kollegen rufen? Und den Notarzt und … was weiß ich. Wen man eben anruft, wenn man eine Leiche findet.“
Völxen wendet sich um. „Ja, natürlich, ich bin gleich so weit.“
Er holt sein Smartphone aus der Westentasche seiner Funktionsjacke und macht Fotos von der Toten. Dabei merkt er, wie ihm zusehends übel wird. Zusammenreißen jetzt! Tief atmen. Bloß nicht vor Köpcke in die Büsche reihern. Das wäre sonst für den Hühnerbaron und sämtliche Dorfbewohner auf Jahre hinaus ein gefundenes Fressen – im übertragenen Sinn, wohlgemerkt. Apropos fressen … Er kramt vom Grund seines Wanderrucksacks das Etui mit dem Regenponcho hervor und faltet ihn auseinander. Den Umhang hat er noch nie benutzt, denn das wüsste er: Der dünne, knittrige Kunststoff ist von so grellem Pink, dass Völxen im Bedarfsfall lieber klatschnass werden würde, als sich damit in der Öffentlichkeit zu zeigen. Bestimmt hat Sabine das unsägliche Teil bei Tchibo gekauft, es dann doch für zu schrill befunden und es kurzerhand ihm untergejubelt. Das sähe ihr jedenfalls ähnlich. Für eine Leiche ist die Farbgebung des Umhangs erst recht vollkommen unpassend, aber angesichts der wachsenden Anzahl von Krähen, die sich gerade in bester Hitchcock-Manier auf den Ästen der umliegenden Bäume formieren, kann auf Pietät keine Rücksicht genommen werden. Völxen breitet den Regenschutz über das Gesicht und den Oberkörper der Toten. Rückwärts, um möglichst wenig Spuren zu hinterlassen, kehrt er dorthin zurück, wo sein Nachbar und sein Hund auf ihn warten. Oscar hat sich längst beruhigt und begrüßt seinen Herrn schwanzwedelnd.
Der Hühnerbaron hockt auf einem Baumstumpf. Er hat die Mütze abgenommen, vielleicht aus Respekt vor der Toten. Sein Teint zeigt inzwischen wieder den gewohnten rötlichen, leicht ins Lila tendierenden Farbton, aber er scheint trotzdem noch recht mitgenommen zu sein. „Mein Gott, wer macht denn so was, wer macht denn so was?“, murmelt er vor sich hin und schüttelt dabei den Kopf.
Völxen legt ihm kurz die Hand auf die Schulter und presst hervor: „Das werde ich rausfinden, verlass dich darauf.“
Köpcke blickt auf. „Kommissar, du bist ja bleich wie ein Bettlaken! Ich dachte, du wärst an so was gewöhnt.“
„Wie kann man sich an so etwas gewöhnen?“, versetzt Völxen barsch und fährt etwas milder fort: „Normalerweise bin ich einer der Letzten am Tatort und weiß schon ungefähr, was mich erwartet. Aber das hier ist … “ Ihm fehlen die Worte.
„Das ist wirklich übel“, konstatiert der Hühnerbaron.
Völxen nickt. Ja, wirklich übel.
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