Furchtlose Frauen und wie sie die Welt eroberten Furchtlose Frauen und wie sie die Welt eroberten - eBook-Ausgabe
12 Porträts
„Armin Strohmeyr gelingt es mit seinem unterhaltsamen und mitreißenden Schreibstil, einen sofort in die Geschichten der 12 außergewöhnlichen (…) Frauen eintauchen zu lassen.“ - Stadtradio Göttingen
Furchtlose Frauen und wie sie die Welt eroberten — Inhalt
Wagemutige Abenteurerinnen überwinden Grenzen
In seinem neuen Buch nimmt uns Armin Strohmeyr mit auf die tollkühnen Wagnisse von zwölf der mutigsten Abenteurerinnen des 16. bis 20. Jahrhunderts. Er führt uns hinaus aufs offene Meer, u. a. mit der Piratenkönigin Granuaile O'Malley, lässt uns mit Rosita Forbes die todbringende Libysche Wüste auf der Suche nach der verbotenen Oase Kufra durchreiten und entführt uns in die Weiten der Lüfte mit der Fliegerpionierin Amelia Earhart. Alle porträtierten furchtlosen Frauen einte der Drang, die Grenzen des Denkbaren zu weiten und sich die Welt gegen alle Widerstände zu eigen zu machen.
Leseprobe zu „Furchtlose Frauen und wie sie die Welt eroberten“
Zu Wasser
Weshalb man auf See selbst im Wochenbett eine Muskete griffbereit haben und auch als Freibeuterin das Lateinische beherrschen sollte;
weshalb es bei einem Sturm auf See von Vorteil ist, einen Hut zu haben und wüste Fluchwörter zu kennen, und weshalb man in Hafenkneipen den Mund nicht zu voll nehmen sollte;
weshalb es für Matrosen sinnlos ist, das Schwimmen zu erlernen, und was es bedeutet, „ein wenig Seebrühe zu schlürfen“;
weshalb es wegen des Goldrauschs zu Wettrennen auf See kam, und weshalb eine Kommandantin dreißig Tage lang nicht die Kleider [...]
Zu Wasser
Weshalb man auf See selbst im Wochenbett eine Muskete griffbereit haben und auch als Freibeuterin das Lateinische beherrschen sollte;
weshalb es bei einem Sturm auf See von Vorteil ist, einen Hut zu haben und wüste Fluchwörter zu kennen, und weshalb man in Hafenkneipen den Mund nicht zu voll nehmen sollte;
weshalb es für Matrosen sinnlos ist, das Schwimmen zu erlernen, und was es bedeutet, „ein wenig Seebrühe zu schlürfen“;
weshalb es wegen des Goldrauschs zu Wettrennen auf See kam, und weshalb eine Kommandantin dreißig Tage lang nicht die Kleider wechselte.
Granuaile O’Malley (1530 – 1603)
Freibeuterkönigin, Landesherrin und irische Nationalheldin
An der westirischen Küste im Jahre 1567: Algerische Korsaren sind auf ihren Raubzügen über Spanien und Portugal bis zum äußersten Rand Europas vorgedrungen. Sie bringen die Boote argloser Fischer und Händler auf, entern, plündern und morden. Doch vor der Küste der Region Mayo mit den vorgelagerten Inseln Achill und Clare geraten sie in das Revier einer lokalen Freibeuterin: Granuaile (oder englisch: Grace) aus dem alten irischen Clan der O’Malleys. Granuaile hat Teile der westirischen Küste mit etlichen Inseln, Burgen und Dörfern im Griff. Sie betreibt mit ihrer Flottille ein Handelsnetz, das ostwärts nach Schottland und südwärts bis zur Iberischen Halbinsel reicht. Aber sie ist auch als Freibeuterin unterwegs. Ihr Metier hat wenig mit romantischen Vorstellungen zu tun, wie wir sie aus Abenteuerromanen und Hollywoodfilmen kennen. Vielmehr rührt ihr Geschäftsmodell von althergebrachten Clanrechten, die sowohl den Strandraub als auch die Erpressung fremder Handelsschiffe und Fischerboote umfassen. Meist zahlen die „Kunden“ freiwillig. Widersetzen sie sich jedoch den Forderungen der O’Malleys, wird mit Enterhaken, Pistolen und Messern nachgeholfen. Granuaile wird entlang der gesamten irischen Küste geachtet, als Tochter eines Clanchefs, Ehefrau in bereits zweiter Verbindung mit einem ebenso angesehenen Kämpfer einer anderen irischen Sippe und vor allem auch als eigenständige Persönlichkeit, mutige Seefahrerin, Grundherrin und Kämpferin für die irische Freiheit gegen die englischen Kolonisatoren.
Nun haben sich also algerische Korsaren in die Gewässer der O’Malleys gewagt, wohl ohne zu ahnen, auf welchen Gegner sie treffen werden. Wären sie besser informiert gewesen, hätten sie um die Inseln Clare und Achill, ererbtes Eigentum Granuailes, einen weiten Bogen gemacht. Die islamischen Eindringlinge glauben, leichtes Spiel zu haben, und greifen Granuailes Schiff an. Tatsächlich kommt der Angriff für Granuaile nicht eben zum günstigsten Zeitpunkt: Tags zuvor nämlich hat sie an Bord einem Sohn das Leben geschenkt und liegt – von der Niederkunft noch etwas geschwächt – in ihrer Kajüte. Den Sohn hat sie Theobald genannt, oder in ihrer irisch-gälischen Muttersprache Tibbot-ne-Long, was so viel wie „Theobald von den Schiffen“ heißt, da er ja auf einer der Galeeren von Granuailes Freibeuterflotte das Licht der Welt erblickte.
Die Angreifer bedrängen Granuailes Schiff hart. Granuailes Männer können sich nur mühsam halten. In seiner Not stürzt der irische Steuermann in die Kajüte seiner Herrin und fleht sie an, doch an Deck zu kommen. Granuaile ist über den mangelnden Kampfesmut ihrer Leute empört und schreit ihn an: „Mögest du zwölf Monate lang siebenmal schlimmer dran sein als heute, der du nicht einen Tag ohne mich zurande kommst.“ Dann steht die Wöchnerin von ihrem Lager auf und steigt hinauf an Deck. Dort staucht sie laut fluchend ihre Männer zusammen, greift sich eine Muskete und feuert auf die Algerier mit den Worten: „Nehmt das aus ungeweihten Händen!“ Ein Großteil der nordafrikanischen Korsaren wird niedergemetzelt, die restlichen ergreifen die Flucht und verlassen Hals über Kopf das Hoheitsgebiet der furchtlosen irischen Amazone.
„Terra marique potens“
Doch wer ist diese Granuaile O’Malley, deren Name bis heute in Liedern und Geschichten in der irischen Bevölkerung weiterlebt, deren Leben und deren Taten durch historische Dokumente, Briefe, Urkunden und Verträge bezeugt sind und die auf der Grünen Insel als Nationalheldin verehrt wird?
Granuaile O’Malley wird im Jahre 1530 auf einer Burg auf Clare Island in der Clew Bay geboren. Die Inseln am Rande Europas befinden sich in einem politischen und kulturellen Umbruch. In England herrscht Heinrich VIII. Er ist unter anderem als der Monarch in die Geschichtsbücher eingegangen, der sechs Mal heiratete und zwei seiner Ehefrauen hinrichten ließ. Um sich von seiner ersten Ehefrau Katharina von Aragon scheiden lassen zu können, brach er zudem mit Rom und führte durch die „Suprematsakte“ im Jahre 1534 in England eine „Reformation von oben“ ein: die Gründung der Anglikanischen Kirche, deren Oberhaupt der englische Monarch selbst ist. Doch Heinrich war mehr als nur ein „Blaubart“ auf dem englischen Thron. Er erhöhte das Königtum in England durch seine kirchenrechtliche Suprematie, genoss im Volk als prunkvoller und freigiebiger Renaissanceherrscher hohes Ansehen und schützte England vor drohenden Invasionen. Zudem begann er, das bis dahin weitgehend unabhängige, aber unter keiner Zentralgewalt stehende Irland enger an das Vereinigte Königreich zu binden, indem er in Dublin einen Gouverneur installierte und den einen oder anderen irischen Clanhäuptling mit Titeln und Lehen versah und so der englischen Krone verpflichtete.
Doch die Clans, altehrwürdige Sippenverbände, die die Grüne Insel seit der keltischen, vorchristlichen Zeit unter sich aufgeteilt haben, leisten erbitterten Widerstand. Zu den Eigenheiten der irischen Gesellschaft jener Tage gehört nicht nur eine eigene Sprache (das Irische oder Gälische), die sich aus keltischer Zeit erhalten hat, sondern auch ein eigenes gälisches Recht, das nicht dem römischen Recht Englands folgt, sondern vielfach noch matriarchalische Grundzüge hat; darüber hinaus ein Glaube, der sich seit der Christianisierung durch die frühen irischen Missionare mit alten keltischen Vorstellungen und Riten verbindet; und schließlich auch gesellschaftliche Strukturen, die diametral den in England üblichen paternalistischen Gepflogenheiten und der Primogenitur (der Erbfolge vom Vater auf den ältesten Sohn) entgegenstehen. Ohne irisches Königtum existieren die Clans weitgehend autonom nebeneinander. Die Nachfolge für das Oberhaupt eines Clans wird nicht durch Erbfolge, sondern in einer meritokratischen Abstimmung, der „Thanwahl“, bestimmt: Der Than ist ein Vertreter des herrschenden Clanchefs, er wird von den Clanmitgliedern nach Prinzipien von Verdienst und Eignung und aufgrund der Claninteressen gewählt und tritt nach dem Tode des Häuptlings dessen Position an. So kann der Than zwar ein Sohn des alten Häuptlings sein, muss es aber nicht. Er kann zur engeren Familie zählen, aber auch ganz locker zum Sippenverband gehören. Zudem genießen die Frauen zwar nicht offiziell, doch unter der Hand eine gewisse Macht, was etwa ihre Stellung in der Ehe, die Möglichkeit einer Scheidung, das Erbrecht und allgemein das familiäre und gesellschaftliche Ansehen anbelangt.
Unter diesen soziokulturellen Bedingungen wächst Granuaile auf und wird dereinst zu einer mächtigen, unabhängigen und von den Großen Irlands geachteten Persönlichkeit werden. Doch Granuailes Leben und Wirken wird stets auch vom Versuch Englands bestimmt sein, den Einfluss auf die Insel im Westen auszuweiten; nicht nur im eigentlichen machtpolitischen Sinne, sondern auch im Bestreben, die irische Kultur und ihre gesellschaftlichen Vorstellungen, Werte und Voraussetzungen zurückzudrängen und durch eine englische Herrschaft über Land und Leute zu ersetzen. Insofern steht Granuailes anhaltender Kampf gegen England beispielhaft als ein Widerstreit zweier europäischer Nationen an einem Wendepunkt der irischen Geschichte.
Granuaile ist die Tochter eines Clanchefs namens Owen Dubhdara (zu Deutsch „Schwarzeiche“) O’Malley und dessen Frau Margaret, ebenfalls aus dem Clan der O’Malleys. Die O’Malleys sind eine alte Sippe, die an der Küste Mayos ansässig ist, jedoch zu den kleineren Familienverbänden der Region gehört und teilweise in Abhängigkeit von den benachbarten MacWilliams steht. Doch eben weil die O’Malleys gesellschaftlich und geografisch eher „am Rande“ stehen, mit dem Atlantik im Rücken, haben sie sich dem Meer zugewandt. Von allen irischen Clans sind sie der einzige, der größere Schiffe baut, die vorgelagerten Inseln (darunter Achill und Clare) in seinen Besitz gebracht hat, Fischerei und Handel betreibt (bis hin zur Iberischen Halbinsel), rege waffenmäßige Beziehungen zu Schottland unterhält und vor allem auch selbst als Freibeuter tätig ist und verfeindete Clans, die in Küstennähe ansässig sind, mit seinen Schiffen plündernd heimsucht. Die Verbindungen der irischen Clans untereinander sind unentwirrbar: Die Bündnisse wechseln ständig, und auch verwandtschaftliche Bande hindern die Häuptlinge nicht daran, blutige Fehden untereinander auszutragen – zum Leidwesen der einfachen Bevölkerung und zugunsten der äußeren Feinde, allen voran der Engländer, die diese jahrhundertealten Streitigkeiten, die fehlende Einigkeit der Clans und den mangelnden gemeinsamen Kampfgeist nutzen, um selbst ins Land einzufallen und die Insel zu unterwerfen und zu anglisieren.
Der Wahlspruch des Clans der O’Malleys lautet: „Terra marique potens“, „Mächtig zu Lande und zu Wasser“. Das ist etwas hoch gegriffen, vor allem, was die Herrschaft zu Lande anbelangt. Aber immerhin nennen sie neben Achill Island und Clare Island einen Küstenstreifen samt Hinterland ihr Eigen, zudem einige Dörfer, Burgen und Bauernhöfe, die sie selbst betreiben oder verpachtet haben. Was ihre Aktivitäten zur See betrifft, so haben sie alte, ungeschriebene Rechte auf den Fischfang und den Handel – und eben auch auf die Freibeuterei, die zu jener Zeit keineswegs den Ruch des Kriminellen hat, sondern ein angesehenes Gewerbe ist, sofern man sich auf der „richtigen“ Seite befindet. Ein halbes Jahrhundert später wird sich die große Elizabeth I. von England mehrerer angesehener Freibeuter bedienen (etwa Francis Drake und Walter Raleigh), um ihren Machtanspruch auf See durchzusetzen. Und auch die O’Malleys tun seit vielen Generationen im Grunde nichts anderes, als ihre Rechte in Küstengewässern und auf See mal mit mehr, mal mit weniger Gewalt zu verteidigen.
Um sich zu behaupten, bedienen sich die O’Malleys seit jeher schottischer Söldner: Der schottische Clan der Donnells stellt den fernen irischen Waffenbrüdern gegen Geld Fußsoldaten, die sogenannten „Gallowglasses“. Die Schotten gelten als furchtlos und streitbar. Die O’Malleys wiederum sind den anderen irischen Clans gegenüber durch ihre Flotte (man geht von bis zu zwanzig Schiffen aus) im Vorteil: Sie haben also die logistischen Möglichkeiten, sich die schottischen Söldner ins Land zu holen. Das nötige Geld rafft man auf den Raubzügen in benachbarten Regionen zusammen.
Über die Kindheit und Jugend Granuailes ist wenig bekannt. Sie hat einen Bruder oder Halbbruder namens Dónal, wird aber später in Urkunden als „einzige Erbin der besagten Margaret“ (Granuailes Mutter) bezeichnet. Auch wird sie die Ländereien, die Margaret in ihre Ehe einbrachte, nach altem keltischen Recht vermacht bekommen. Was Granuailes Bildungsstand anbelangt, so ist man ebenfalls auf Vermutungen angewiesen: Vielleicht wurde sie von ihrer Mutter Margaret oder von einer nahen Verwandten im Lesen und Schreiben unterrichtet. Aus späteren Dokumenten geht hervor, dass sie des Schreibens kundig war und sich rhetorisch geschickt auszudrücken vermochte. Zudem hatte sie neben ihrer Muttersprache, dem Gälischen, Kenntnisse in Französisch, Spanisch, Latein und Griechisch (was auf den Besuch einer Klosterschule hindeutet). Vermutlich hat sie ihren Vater auch auf dessen Handelsreisen nach Frankreich und Spanien begleitet und vielleicht im Austausch mit dortigen Handels- und Seeleuten deren Idiom erlernt. Erstaunlich ist jedoch, dass sie sich nie das Englische, die Sprache des nächsten Nachbarn, zu eigen machte. Auch wissen wir nicht, ob Granuaile als Mädchen in den „typisch weiblichen“ Aufgaben unterrichtet wurde, einen Haushalt zu führen und dereinst Kinder großzuziehen. Sehr wahrscheinlich ist jedoch, dass Vater Dubhdara ihr das Handwerk der Nautik beibrachte.
Ehe und frühe Witwenschaft
Granuaile ist fünfzehn oder sechzehn, als sie Dónal heiratet, den Sohn von Gilledubh, Häuptling des südlich der O’Malleys in Connemara benachbarten Clans der O’Flahertys. Es ist eine taktische Entscheidung, keine Liebesheirat, denn auf diese Weise versucht Dubhdara O’Malley, sich den Rücken frei zu halten, um weiterhin ungestört seine Seefahrten unternehmen zu können und darüber hinaus angesichts des zunehmenden Drucks der englischen Invasoren einen Verbündeten an seiner Seite zu wissen.
Granuaile zieht zur Familie ihres Mannes auf die Burg Bunowen in Connemara. Sie kommt nicht mit leeren Händen, sondern führt eine wertvolle Mitgift mit sich: neben allerlei Hausgerät auch etliche Kühe, Pferde und Schafe, die zusätzlich zum Fischfang und der Freibeuterei als Lebensgrundlage für die Großfamilie dienen. Granuailes Ehemann Dónal, genannt „Dónal von den Schlachten“, ist als mutiger Kämpfer und Haudegen bekannt und berüchtigt. Vermutlich hält er von weiblicher Eigenständigkeit wenig, und so dürfen wir annehmen, dass sich Granuaile in den ersten Jahren ihrer Ehe von der Seefahrt verabschiedet und sich ganz dem Haushalt und der Familie auf einer abgelegenen Trutzburg widmet. Sie bringt in den folgenden Jahren zwei Söhne zur Welt: Owen und Murrough, zudem eine Tochter namens Margaret.
Das beschauliche, aber für Granuaile wohl wenig erfüllende Leben wird unterbrochen, als Dónal O’Flaherty im Jahre 1549 in einen Mord verwickelt wird: Walter Fada Bourke, der Sohn David Bourkes, der als Than des Clans der MacWilliams in Mayo fungiert, wird von Granuailes Ehemann kaltblütig umgebracht, um eine Erbfolge in seinem Sinne zu beeinflussen. Daraufhin kommt es zum offenen Kampf der beiden Clans, und Dónal hat anderes tun, als sich um seine junge Frau zu kümmern. Die – und das ist erstaunlich mutig – nimmt sich in jenen Jahren so manche Freiheit und kehrt zur Seefahrt zurück. Offensichtlich hat sie noch immer Zutritt zu den Schiffen ihres Vaters, und auf einem segelt sie nun als Kapitänin wieder hinaus aufs Meer; nicht, um Fischfang zu betreiben, sondern um fremde Boote aufzubringen, Maut zu erzwingen oder die Schiffe bei Weigerung einfach zu entern und zu plündern. Granuaile wird von den Seeleuten akzeptiert und geachtet. Tatsächlich hat sie mit ihren Raub- und Fehdezügen Erfolg. Für ihre Männer zahlt es sich in barer Münze aus, werden sie doch an der Beute großzügig beteiligt. Sie wagen es sogar, die Hafenstadt Galway, deren Bevölkerung mit den O’Flahertys verfeindet ist, mit mehreren Schiffen anzugreifen und zu beschießen. Die Stadt kann der Belagerung wenig entgegensetzen und geht rasch auf Granuailes Bedingungen ein. In einem Bericht an die englischen Machthaber in Dublin schreibt der Rat von Galway: „Die O’Malleys und O’Flahertys fuhren fort, mit ihren Galeeren die Routen entlang unserer Küsten zu benutzen. Dort brachten sie verschiedene Schiffe und Barken auf, die dieser armen Stadt verpflichtet sind. Sie plünderten diese und drohten, sie wollten die Eigentümer und Händler über Bord werfen, ja, diese Verruchten töteten sogar mehrere junge Männer und verbreiteten so großen Schrecken für den freien Handelsverkehr.“
Granuaile wagt es, auch andere Städte und Burgen zu belagern, zu beschießen und zu plündern und ihren Manövrierraum auf See – in den Fußstapfen ihres Vaters – auszuweiten. Ihr Mut, ihre Dreistigkeit, ihr Charisma und ihr Erfolg verschaffen ihr Ruhm und den Respekt der freiheits- und kampfliebenden Iren. Die Männer an Bord von Granuailes Schiffen achten ihre Autorität, und in Connemara, Mayo und darüber hinaus wird die Häuptlingstochter und Freibeuterin bald als Heldin anerkannt.
Als Granuailes Stern am Himmel der Abenteurer und Heroen aufgeht, kommt es im fernen London zu einem Thronwechsel: Heinrich VIII. starb bereits 1547, sein Sohn Edward (er regierte von 1547 bis 1553) und die älteste Tochter Maria (sie regierte von 1553 bis 1558) folgten auf den Thron. Im Jahre 1558 wird Elizabeth, Heinrichs Tochter aus der Ehe mit Anna Boleyn, Königin. Ihre Regierungszeit wird bis zu ihrem Tode 1603 währen und als das „Goldene Elisabethanische Zeitalter“ in die Annalen eingehen. Elizabeth ist willensstark, machtbewusst, klug, gerissen – ähnlich Granuaile. Die weiß um den Machtwechsel, auch wenn Elizabeth nicht „ihre“ Königin ist (wenngleich sich Elizabeth offiziell auch „Königin von Irland“ nennt). Doch leidet Irland zu sehr unter den englischen Usurpationsversuchen, als dass man nicht argwöhnisch auf die Politik der neuen Monarchin blickte. Und umgekehrt gelangen über Spione und englische Kommissare bald beunruhigende Nachrichten über die mutige Freibeuterkönigin Granuaile an den englischen Hof. Mag auch die westirische Küste weit entfernt sein, so kann doch Elizabeth diese Berichte nicht ignorieren. Ihr liegt ebenso wie ihrem verstorbenen Vater zu sehr daran, die Grüne Insel endlich zu befrieden – sprich: zu unterwerfen –, als dass sie über solch eine Unruhestifterin einfach hinwegsehen könnte.
Die Queen nutzt alle Mittel, um Englands Position in Irland auszubauen: In Dublin wird ein Parlament konstituiert, ein Gouverneur eingesetzt, in den wenigen Regionen des Ostens, die bereits unter Kontrolle der Krone sind, werden Lehen und Titel verliehen und opportunistische und willige Clanhäuptlinge mit erblichen Grafentiteln geködert. Auch Granuaile, ihr Mann und deren Clans bekommen den Druck aus London zu spüren: Murrough, ein Mann aus der Sippe der O’Flahertys, geht einen Pakt mit Queen Elizabeth ein und wird dafür zum Lord erhoben und mit Geld und Waffen beliefert, damit er die widerspenstigen Gebiete in Mayo und Connemara für die englische Krone unterwerfen kann. Doch Murrough steht innerhalb des Clans nur an untergeordneter Stelle. Der Häuptling ist ein anderer, und sein Stellvertreter und Than ist Dónal, Granuailes Ehemann.
Als wäre diese Entwicklung nicht schon schlimm genug, stirbt Dónal O’Flaherty kurze Zeit später, in den frühen 1560er-Jahren. Das sehen verfeindete Clans als Chance, gegen die O’Flahertys vorzugehen. Die Sippe der Joyces glaubt, Granuailes Besitz liege nun schutzlos da und könne wie eine reife Frucht gepflückt werden. Mithilfe englischer Soldaten berennen sie Hen’s Castle, wo Granuaile sich verschanzt hat. Doch die ist nur scheinbar eine wehrlose Witwe. Die Männer aus den Familien der O’Malleys und O’Flahertys, die die Frau des Thans als eine draufgängerische und erfolgreiche Freibeuterin erlebt haben, scharen sich um sie und verteidigen verbissen die Burg. Granuaile gibt den Befehl, das Bleidach des Burgfrieds zu öffnen, die Ziegel zu schmelzen und das kochende Metall über die Brustwehr auf die Belagerer zu kippen. Die fliehen in Panik. Granuaile behauptet sich. Aber wird sie ihre Position halten können? Ihre Söhne Owen und Murrough werden in wenigen Jahren ihr Erbe und eine eigene Position innerhalb des Clans einfordern. Doch Granuaile hat Blut geleckt: Sie will nicht so ohne Weiteres etwas von ihrer Macht, die sie teils erheiratet, teils ererbt, großteils aber erkämpft hat, abgeben. Und die Männer ihrer Umgebung stehen allen Unkenrufen Missgünstiger zum Trotz loyal und eisern hinter ihr. Granuaile verlässt mit ihren Leuten Hen’s Castle und wechselt auf ihren ureigenen Besitz, die besser zu verteidigende Insel Clare. Sie nimmt ihr Leben als Freibeuterin wieder auf und segelt die westirische Küste entlang, immer auf der Suche nach fremden Handels- und Kriegsschiffen, die sie aufbringen, entern und plündern kann. Bald wird sie es mit einem weit größeren Feind zu tun bekommen …
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