Gar ned krank is a ned g'sund
Ein Erste-Hilfe-Lesebuch
Bis heute gibt es keinen deutschsprachigen Künstler, der aus Sprache ein solches Komikkapital geschlagen hat wie dieser Münchner Querdenker. - Frankfurter Allgemeine Zeitung
Gar ned krank is a ned g'sund — Inhalt
Karl Valentin ist nicht nur ein genialer Wortakrobat – er ist auch einer der bedeutendsten deutschen Autoren des Grotesken und Absurden. In seinen besten Monologen und Szenen zum Thema Gesundheit entpuppt er sich überdies als ausgemachter Hypochonder, der ständig vermeintliche Krankheitssymptome und Leiden an sich feststellt und sich dabei in gewohnter Manier selbst parodiert. Ein wunderbar witziges Geschenkbuch für alle Valentin-Fans und solche, die es noch werden wollen.
Leseprobe zu „Gar ned krank is a ned g'sund“
An die Eltern
5.10.1902
Liebe Eltern!
Mir geht es sehr gut. Ich bin unberufen sehr gesund und habe mir den ersten Abend Asthma geholt. Ein Zimmer habe ich, da ist unser Knechtzimmer ein Salon dagegen. – Das Programm besteht aus 8 Damen (keine Angst haben) und aus mir. –
Jetzt die Hauptsache – Herr Direktor hat nämlich aus unbekannten Kreisen erfahren, daß ich Anfänger bin, und wollte mich absolut nicht auftreten lassen.
Was thun, ich sagte sogleich, daß ich 7 Monate freilag, und er möchte mich wenigstens um Kost und Logis hier singen lassen. Das wäre aber [...]
An die Eltern
5.10.1902
Liebe Eltern!
Mir geht es sehr gut. Ich bin unberufen sehr gesund und habe mir den ersten Abend Asthma geholt. Ein Zimmer habe ich, da ist unser Knechtzimmer ein Salon dagegen. – Das Programm besteht aus 8 Damen (keine Angst haben) und aus mir. –
Jetzt die Hauptsache – Herr Direktor hat nämlich aus unbekannten Kreisen erfahren, daß ich Anfänger bin, und wollte mich absolut nicht auftreten lassen.
Was thun, ich sagte sogleich, daß ich 7 Monate freilag, und er möchte mich wenigstens um Kost und Logis hier singen lassen. Das wäre aber nicht das Schlimmste, was er beanstandet hätte. Wie Ihr wisset, ist doch Strebel einen Monat in Nürnberg engagiert gewesen und hat in dem Lokal, welches 1 Minute vom Zeughaus entfernt ist, mein ganzes Repertoir wortwörtlich abgeleiert und ich wollte Neues bringen. Trotzdem habe ich allabendlich schönen Ablaus (Applaus!), wo in Nürnberg die Leute geradezu ekelhaft verwöhnt sind. Herr Direktor sagte gestern zu mir: ›Herr Valentin, es darf Ihnen nicht beleidigen, aber das kann ich Ihnen sagen, einen so kaltblütigen frechen Kerl habe ich noch nicht auf meiner Bühne stehen sehen, und das freut mich, und bleiben Sie nur diesen Monat da, ich werde Ihnen den Contrakt nach München machen!‹ Dann ist es doppelt schwer, nur unter Damen aufzutreten, da das ganze Publikum nur aus Offizieren und Studenten besteht. Komiker ist da Nebensache. Das Hauptgeschäft geht natürlich erst nach der Vorstellung im obern Saale im Caffe. – Gleich am ersten Abend wurde ich schon eingeladen von ein paar Herren. Champagner, Wein, Tee, Kakao, Schokolade, Zigarren, Zigaretten bekomme ich in Hülle und Fülle. Zu lernen habe ich genug. Bis 15. muß ich 8 neue Schlager können. Heimweh habe ich noch keine Sekunde bekommen. Im Gegenteil, gibt es was Schöneres als die Welt, wenn man gesund ist? Ich wollte, ich hätte gleich wieder Anschluß. Tagesprogramm:
10 Uhr aufgestanden, bis 12 Uhr gelernt, dann Mittag (Essen sehr gut). Dann ins Kaffeehaus bis 3 Uhr zum Ratschen, dann Automat (frische Würste mit Kraut à Port. 10 Pf.), dann Spazieren oder sonst etwas Nützliches. 8 Uhr Vorstellung bis 11 Uhr. Dann Abend-Essen (2 Gänge und 2 Glas Bier). Dann Unterhaltung in unserm Kaffeehaus. Eintreffen der ›Wurzen‹. Da kann man aber die Dummheit der Männer kennenlernen. Gestern kam so ein junger Leutnant in Zivil, der wurde aber total ausgesogen. Die Zeche, die der Aff zahlen mußte, belief sich auf 80 M. Und so liefern die ›Damen‹ alle Tag einen Andern und der Direktor schöpft den Rahm ab.
Alles Nähere: Die Tages-Plakate.
Schreibt mir bald, aber ja keine Karte sondern Brief. Wie geht es Euch? Hoffentlich gut. – Das Couplet ›Der russische Salat‹ gefällt nicht im geringsten. Ich habe es nur einmal gesungen. – ›Verrückt – verdreht‹, welches ich gut gelernt habe, kann ich ebenfalls nicht machen, da das in Nürnberg schon jeder Schusterbub kann. Ich mußte bei der ersten Vorstellung gleich ›Verhunst ist die Kunst‹ machen, wo ich das noch nie vorgetragen habe. Und gegangen ist es. (Jeden Abend muß ich 2x auftreten.) Mittwochs 4x (Damenkränzchen). Und Sonntags 6x, das ist aber gerade genug.
Gruß an Alle.
Seid gegrüßt aus weiter Ferne.
Seid gegrüßt auf Wiedersehn!
Valentin
(Ich habe in 8 Tagen so eine Bühnen-Rudine (Routine!), daß ich in jedes größere Theater gehen kann und 300 M. pro Monat verdiene. Diesen Monat muß ich halt noch dreingeben.)
Bitte um vollständige Diskretion.
Nachtrag: Vor der Samstag-Abend-Vorstellung habe ich den Brief geschrieben und muß noch einen Zettel beilegen, da ich heute Abend den größten Applaus gehabt habe von allen Nummern. Ich machte 3 Nummern und mußte 6 mal vor den Vorhang, mit Füßen haben sie gestampft und geschrien. Der Applaus dauerte fast nahezu 1 halbe Minute. Das ganze Theater war gesteckt voll bis auf den letzten Platz. Morgen wirds wieder flau werden.
»So macht das sehr lesenswerte, kurzweilige Buch uns allen Mut, trotz kleiner Unperfektheiten doch g´sund zu sein.«
Karl Valentin ist für mich einer der Größten.
Bis heute gibt es keinen deutschsprachigen Künstler, der aus Sprache ein solches Komikkapital geschlagen hat wie dieser Münchner Querdenker.
DATENSCHUTZ & Einwilligung für das Kommentieren auf der Website des Piper Verlags
Die Piper Verlag GmbH, Georgenstraße 4, 80799 München, info@piper.de verarbeitet Ihre personenbezogenen Daten (Name, Email, Kommentar) zum Zwecke des Kommentierens einzelner Bücher oder Blogartikel und zur Marktforschung (Analyse des Inhalts). Rechtsgrundlage hierfür ist Ihre Einwilligung gemäß Art 6I a), 7, EU DSGVO, sowie § 7 II Nr.3, UWG.
Sind Sie noch nicht 16 Jahre alt, muss zwingend eine Einwilligung Ihrer Eltern / Vormund vorliegen. Bitte nehmen Sie in diesem Fall direkt Kontakt zu uns auf. Sie selbst können in diesem Fall keine rechtsgültige Einwilligung abgeben.
Mit der Eingabe Ihrer personenbezogenen Daten bestätigen Sie, dass Sie die Kommentarfunktion auf unserer Seite öffentlich nutzen möchten. Ihre Daten werden in unserem CMS Typo3 gespeichert. Eine sonstige Übermittlung z.B. in andere Länder findet nicht statt.
Sollte das kommentierte Werk nicht mehr lieferbar sein bzw. der Blogartikel gelöscht werden, ist auch Ihr Kommentar nicht mehr öffentlich sichtbar.
Wir behalten uns vor, Kommentare zu prüfen, zu editieren und gegebenenfalls zu löschen.
Ihre Daten werden nur solange gespeichert, wie Sie es wünschen. Sie haben das Recht auf Auskunft, auf Berichtigung, auf Löschung, auf Einschränkung der Verarbeitung, ein Widerspruchsrecht, ein Recht auf Datenübertragbarkeit, sowie ein Recht auf Widerruf Ihrer Einwilligung. Im Falle eines Widerrufs wird Ihr Kommentar von uns umgehend gelöscht. Nehmen Sie in diesen Fällen am besten über E-Mail, info@piper.de, Kontakt zu uns auf. Sie können uns aber auch einen Brief schicken. Sie erhalten nach Eingang umgehend eine Rückmeldung. Ihnen steht, sofern Sie der Meinung sind, dass wir Ihre personenbezogenen Daten nicht ordnungsgemäß verarbeiten ein Beschwerderecht bei einer Aufsichtsbehörde zu. Bei weiteren Fragen wenden Sie sich gerne an unseren Datenschutzbeauftragten, den Sie unter datenschutz@piper.de erreichen.