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Gebrauchsanweisung für den Harz

Gebrauchsanweisung für den Harz - eBook-Ausgabe

Jana Thiele
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„Ein Lesebuch, das Spaß macht – selbst, wenn man gar nicht in den Harz reisen will.“ - Westfälische Nachrichten

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Gebrauchsanweisung für den Harz — Inhalt

Der Harz ist die Heimat romanischer Meisterwerke und mittelalterlicher Fachwerkfassaden. Er darf sich des Schlosses und der Stiftskirche von Quedlinburg, der Goslaer Altstadt, historischer Bergwerke und anderer UNESCO-Weltkulturerbestätten rühmen. Was Uneingeweihten wie ein willkürliches Sammelsurium erscheint, zeigt in Wahrheit die Vielfalt der Sehens- und Merkwürdigkeiten. Dazu kommt der Nationalpark, der wie ein grünes Herz in Deutschlands Mitte sitzt - und dessen Naturreichtum am einstigen Grenzstreifen man heute auf dem Grünen Band wandernd entdecken kann. Jana Thiele berichtet von Harzgrafen, Klöstern und Burgruinen, von Schmalspurbahnen und Thermen. Und von Harzer Roller, Schierker Feuerstein und weiteren Spezialitäten der Region.

€ 12,99 [D], € 12,99 [A]
Erschienen am 10.03.2014
224 Seiten
EAN 978-3-492-96629-0
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Leseprobe zu „Gebrauchsanweisung für den Harz“

Annäherung


Nähert man sich dem Harz von Osten, wird man am Wegesrand mit dem Schild begrüßt, dessen Wahlspruch sich das Land Sachsen-Anhalt selbst ausgesucht hat. Man wird willkommen geheißen im „ Land der Frühaufsteher “. Warum das ein positives Kriterium sein soll und weshalb die Offiziellen sich dafür entschieden haben, ausgerechnet damit zu werben, habe ich noch nie verstanden. Diese Benennung geht zurück auf eine Untersuchung, die zeigte, dass die Einwohner hier ein paar Minuten früher aufstehen als in anderen Bundesländern. Die Autobahnschilder [...]

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Annäherung


Nähert man sich dem Harz von Osten, wird man am Wegesrand mit dem Schild begrüßt, dessen Wahlspruch sich das Land Sachsen-Anhalt selbst ausgesucht hat. Man wird willkommen geheißen im „ Land der Frühaufsteher “. Warum das ein positives Kriterium sein soll und weshalb die Offiziellen sich dafür entschieden haben, ausgerechnet damit zu werben, habe ich noch nie verstanden. Diese Benennung geht zurück auf eine Untersuchung, die zeigte, dass die Einwohner hier ein paar Minuten früher aufstehen als in anderen Bundesländern. Die Autobahnschilder sind natürlich zu klein, um den Grund dafür zu nennen. Einen ersten Hinweis bieten die ramponierten Industrieanlagen vom Ende des 19. Jahrhunderts, die in den Kleinstädten fensterlos auf die Freizeitlandschaften des 21. Jahrhunderts blicken. Es gibt nicht genügend Arbeitsplätze, und viele Ost-Harzer pendeln längere Strecken gen Westen, um sich ihre Brötchen zu verdienen. Sie sind dadurch einfach gezwungen, früher aufzustehen.
Das Zauberwort der strukturschwachen Gegend heißt Tourismus. Das wurde glücklicherweise auch erkannt, und so gibt es seit 1993 eine „ Straße der Romanik “, die zu achtzig romanischen Baudenkmälern in Sachsen-Anhalt führt, von denen sich etliche im Harz und seiner unmittelbaren Umgebung befinden. Ebenso wichtig war die Aufnahme zweier Stätten in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes : zum einen 1992 die Altstadt von Goslar und das Bergwerk Rammelsberg; dieser Eintrag wurde 2010 noch erweitert durch die Oberharzer Wasserwirtschaft, das Kloster Walkenried und das historische Bergwerk Grube Samson. Und zum anderen die Stiftskirche, das Schloss und die Altstadt von Quedlinburg, die 1994 von der UNESCO als weltkulturell bedeutsam anerkannt wurden. Was dem Uneingeweihten wie ein ziemlich willkürliches Konglomerat erscheint, gibt einen ersten Einblick in die Vielfalt der Sehens- und Merkwürdigkeiten dieser Region.
Zu dem reichen kulturellen Erbe gesellt sich außerdem das Naturerbe des Nationalparks, der wie ein grünes Herz in Deutschlands Rumpf sitzt. Während der jüngsten Vergangenheit waren die beiden Herzkammern bekanntlich von einer stark bewehrten Mauer getrennt. Nur mehr museale Reste dieser Trennung sind zu besichtigen, und der Besucher kann sich heutzutage am gleichmäßigen Schlagrhythmus der beiden Kammern freuen. Die einstige militärische Sperrzone entpuppte sich sogar als Segen für die Natur, die sich entlang des Grünen Bandes, an dem sich nun entlangwandern lässt, beinahe ungestört entwickeln konnte.
Der Harz ist an seinen Rändern rundherum besiedelt, im eigentlichen Gebirge gibt es nur wenige größere Orte. Viele Harzer Ortsnamen enden auf -rode, und so erfährt man schon einiges über ihren Ursprung : Zunächst musste der Wald gerodet werden, damit sich die Bewohner ansiedeln konnten. Die meisten Ortschaften sind seit dem 10. oder 11. Jahrhundert urkundlich belegt, sodass man sich diese Zeit als frühe Harzer Gründerzeit vorstellen darf. Das Harzgebiet liegt heute über drei Bundesländer verteilt : Niedersachsen im Westen, Sachsen-Anhalt im Osten, und ein südlicher Zipfel reicht bis nach Thüringen. Die zentrale Lage in Deutschland bedeutet auch, dass man sich aus jeder Ecke Deutschlands ( ausgenommen unsere Freunde im süddeutschen Raum ) in maximal drei Stunden in den Harz begeben kann. Über die Verkehrsknotenpunkte Göttingen, Braunschweig, Halle und Magdeburg reist man mit der Bahn gut dorthin. Die Bahnstrecken führen an den Harzrändern entlang, und für den innerharzlichen Transport sorgen die Harzer Schmalspurbahnen und zahlreiche Busse, die praktisch jeden Winkel erschließen. Man kann für ein Wochenende herkommen, sollte aber, wenn es geht, mehr Zeit einplanen. Denn der Weg und die Zeit lohnen sich, obwohl es auf den ersten Blick nicht wie ein touristisches Glamourgirl aussieht, was da lockt. Ohne ein bisschen Muße und Interesse wird man sich nicht anfreunden – denn, ja : Die Alpen sind viel gewaltiger, die Sächsische Schweiz hat pittoreskere Felsformationen. Und doch gibt es hier etwas, das einen wiederkehren lässt.
Das östliche Harzvorland ist landschaftlich unspektakulär, leicht hügelig und von Feldern, Obstgärten und Wiesen geprägt. Die Dörfer haben teilweise ihre mittelalterliche Struktur erhalten, auch wenn die Namensschilder auf eine jüngere Vergangenheit hinweisen : Hier wird die zentrale Karl-Marx-Straße oft noch von der Ernst-Thälmann-Straße gekreuzt, Rudolf Breitscheid trifft auf Clara Zetkin. Diese Straßen säumt mancher schöne Bauernhof, an dessen Fachwerkwänden große bunte Zielscheiben vom Bewohner, einem aktuellen oder vergangenen Schützenkönig, künden. Wenn man nicht sowieso schon mit der Regionalbahn oder wandernd unterwegs ist, nimmt man reflexartig den Fuß vom Gaspedal, weil die beschauliche Gegend einen entschleunigenden Einfluss hat. Die Uhren ticken langsamer, Hektiker sind kaum anzutreffen, man kann aufatmen in der provinziellen Geruhsamkeit. Es braucht ein bisschen Vorstellungskraft, um zu glauben, dass vor tausend Jahren hier die Geschicke der deutschen Geschichte bestimmt wurden. Die steinernen Zeugen dieser Epoche sind glücklicherweise in großer Zahl vorhanden, gut erhalten und helfen der eigenen Vorstellungskraft auf die Sprünge. Und so kann es dem Harzreisenden passieren, dass er nach einer Fahrt durch mittelalterliche Fachwerkstraßen und Nachkriegsreihenhäuschen plötzlich und unvermittelt vor einem romanischen oder barocken Meisterwerk steht. Das ist dann der Moment, in dem man in Liebe entflammt. Zugegeben, vielleicht ist es eine Liebe auf den zweiten Blick. In irgendeinem Winkel, der vielleicht nicht mal im Reiseführer steht oder nur mit einem Dreizeiler der Vollständigkeit halber erwähnt wurde, schlägt das Herz des Entdeckerfreudigen höher. Denn abgesehen von wenigen touristischen Brennpunkten, die neben den Schönheiten leider auch mit den üblichen Scheußlichkeiten aufwarten, die Besucher mit gut gefülltem Geldbeutel nach sich ziehen, ist noch nicht alles zu Tode besucht.


Die Waldhütte

Mein ältester Freund rief mich an, Bekannte von Bekannten hätten eine Hütte im Harz abzugeben. Sie wohnten in Quedlinburg, und in einem Städtchen, sechs Kilometer von ihrem Zuhause entfernt, nutzten sie jahrzehntelang dieses Wochenendhäuschen, das sie nun loswerden wollten. Wir sollten die günstige Gelegenheit ergreifen und es ihnen abkaufen. Nicht, dass das jetzt mein tiefster Herzenswunsch gewesen wäre. Ehrlich gesagt, dachte ich zunächst an eine spießige Idylle unter Apfelbäumchen mit Hollywoodschaukel oder anderen grauslichen Gartenmöbeln. War es schon so weit ? Würde ich demnächst sonntags unterm Sonnenschirm im Radio die volkstümliche Hitparade anhören ? Andererseits hatte sich ja, zumindest in Berlin, längst eine Umwertung vollzogen : Urban gardening lag voll im Trend. Die Gartensparten hatten lange Wartelisten, und es wurden immense Ablösesummen für windschiefe Lauben und Schuppen zwischen Bahngleisen verlangt. Aber Herdentier wollte ich eigentlich nie sein, und überdies konnte man dieses Harzer Nest nun wirklich nicht mehr als urban ausgeben. Wenn überhaupt, würde man hier nur  rural gardening  machen können. Außerdem war ich in den letzten paar Jahren öfter in den Harz gefahren, um zu wandern. Dabei war mir nicht entgangen, dass es neben den Wäldern und den Wanderwegen auch das eine oder andere schöne Städtchen gab. Eigentlich konnte man hier an jeder Ecke etwas entdecken. Und ansehen ist ja noch nicht gekauft. Wir fuhren also hin.

Oberhalb des Ortes liegt ein Forstweg, in den wir einbogen. Eine lange Reihe von Häuschen und Hütten ist direkt an einen bewaldeten Berghang gebaut. Einige sind bewohnt, einige stehen seit Jahrzehnten leer, die meisten werden aber offensichtlich als Sommerhäuschen genutzt. Im Osten hieß so ein Refugium Datsche.
Es war Ende März, und wir stapften durch hüfthohen Schnee. Die Besitzer der Hütte hatten die Treppen freigeschaufelt, damit man überhaupt hinaufkam. Der Winter war noch einmal richtig zurückgekommen und hatte in den Gebirgen Neuschneemassen hinterlassen. Mein Freund versank mit seinen portugiesischen Wildleder-City-Slippern im Schnee, schaute aber fachmännisch und erkundigte sich bei den Besitzern nach der Dachkonstruktion. Das sei alles völlig intakt. Hinter dem Zaun begann gleich der Wald. Und am Ende der Straße ist sogar ein See, sagten sie. Momentan interessierte mich nur, ob es einen Ofen gab. Ja, sogar zwei Stück, alte DDR-Modelle, wie überhaupt die ganze Hütte ein kleines DDR-Museum zu sein schien. Die Gartenstühle, die verrostet aus dem Schnee ragten, die bunten Sessel und der Schrank, das Mitropa-Kaffeeservice, das Besteck aus Aluminium, alles war dem Zeitraum 1960 – 1975 zuzuordnen und auf dem Berliner Arkonaplatz-Flohmarkt wäre man die Inneneinrichtung in zwei Stunden an schwäbische Studentinnen losgeworden.
Im Untergeschoss, in dem es wie in einem Keller roch, standen auf dem Wandregal unter dem Sicherungskasten zwei Einweckgläser mit Süßkirschen. Auch sie gehörten zur Ausstattung, die die jetzigen Besitzer von ihrem Vorbesitzer übernommen hatten. „ Zu verbrauchen bis 1980 “ stand auf dem Etikett. Wir würden sie wohl auch da stehen lassen, schon aus Achtung vor der Historie. Irgendwann ist eben der Zeitpunkt gekommen, an dem ein Ding nicht mehr Müll, sondern Museumsstück ist.
Was gab es da noch zu überlegen ? Wir kauften die Hütte und fuhren wieder nach Berlin. Man braucht für die Strecke ungefähr zweieinhalb Stunden. Wir hatten also genügend Zeit, im Geiste die notwendigen Umgestaltungen vorzunehmen. Zunächst stellten wir aber fest, dass wir uns alt vorkamen; eine Datsche war schließlich etwas, was die eigenen Eltern oder die von Freunden besaßen, nicht wir. Nun ist mein Freund bereits Vater von zwei gerade erwachsenen Töchtern und einem nachzügelnden Sohn und hat demzufolge schon lange kein Problem mehr mit dem Rollenwechsel. Ich beschloss, mich ebenso dran zu gewöhnen. Das nächste Thema war die etwas ungünstige Hanglage. Ich hatte schon viele Dokumentationen vor allem über südostasiatische Völker gesehen, die sich nicht weiter von den heimischen Gebirgen beeindrucken ließen und mittels Terrassierung auch den unmöglichsten Lagen Fruchtbares abrangen. Ähnliches schwebte mir vor. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartete. Aber noch hatte ich es mir im Autositz gemütlich gemacht.
Man sagt zwar immer, die DDR sei ein Leseland gewesen, aber mit mindestens gleicher Berechtigung kann man sagen, dass die DDR ein Bastelland war. Es gab noch keine Baumärkte, fast jedes Material und etliche Werkzeuge mussten irgendwie aus den volkseigenen Betrieben oder über dubiose Kanäle organisiert werden. Gerade das forderte die „ Kreativität “ der Leute heraus. Es gab eine Beschaffungskreativität und eine angewandte Kreativität. Diese spezielle Lage mündete ganz regelmäßig in Exzesse. Mit einem solchen hatten wir es zweifellos in der Hütte zu tun. Jeder Zentimeter des Innenraums war mit Paneelen verkleidet. Der Hauptraum war sowieso nicht besonders groß, und durch die Verkleidung, die rundum lief und auch die Decke umfasste, bekam er etwas leicht Erdrückendes. Wir überlegten, ob sich der Eindruck vielleicht mit einem Anstrich mildern ließe, kamen aber letztlich zu dem Resultat: „ Die Decke muss weg. “
Als wir Wochen später diese Aktion in Angriff nahmen, musste ich ganz spontan an die eigentlich über alle Fährnisse hinweg tragende Lebensweisheit „ never touch a running system “ denken. Uns kam nämlich ein Regen aus Staub, Ruß und Spinnweben entgegen, der uns erst einmal eine Woche mit Saubermachen beschäftigte. Jetzt erkannte ich auch den wahren Nutzen einer Wochenenddatsche. Für manche besteht er vielleicht darin, sie in jeder freien Minute zuzubasteln und die Heimwerkermärkte vor dem Ruin zu retten beziehungsweise die schon ruinierten von ihren Restposten zu erlösen. In Wirklichkeit besteht der Sinn aber darin, aus seiner Stadtwohnung dorthin zu fahren, die frische Luft zu atmen, die Natur zu beobachten und die Umgebung auf das Genaueste zu erkunden. Wozu steht denn sonst eine Hütte so am Waldrand herum ? Das Schöne an der Hütte ist ja außerdem, dass man die Tür auch von außen schließen und sich von dort auf den Weg machen kann.

Jana Thiele

Über Jana Thiele

Biografie

Jana Thiele, 1970 geboren, stammt aus Leipzig und studierte in Berlin. Nach langjährigen Stationen im Berliner Kultur- und Literaturbetrieb wandte sie sich selbst dem Schreiben zu. 2013 erschien ihr erstes Buch Wander-Woman. (»Jana Thiele wandert mit Sprachwitz und einer gehörigen Portion...

Pressestimmen
Wohnen & Garten

„Jana Thiele streift offenen Auges durch das grüne Herz Deutschlands.“

Unser Harz

„Bei der kurzweiligen Lektüre des Buches können mit Sicherheit etliche Anregungen für besondere Orte, die einen Besuch wert sind, gefunden werden.“

Westfälische Nachrichten

„Ein Lesebuch, das Spaß macht – selbst, wenn man gar nicht in den Harz reisen will.“

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