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Gebrauchsanweisung für die Eifel Gebrauchsanweisung für die Eifel - eBook-Ausgabe

Ralf Kramp
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— Maare, Burgen, Wanderwege und viele Insidertipps: Der ganz besondere Reiseführer für die Eifel
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Gebrauchsanweisung für die Eifel — Inhalt

Vulkane, Maarseen, Kulturelles und Natur

Ralf Kramp kennt sich in der Eifel aus wie kaum ein anderer. Charmant bringt der Autor der bekannten Eifelkrimis uns diese Mittelgebirgsregion näher. Neben atemberaubend schöner Landschaft beschreibt er auch ihre reiche Historie, bedeutsame Städte und ihr reges Kulturleben. Er erzählt von einem unterirdischen Weihnachtsmarkt, schwärmt von Burgen, Klöstern und von urwüchsigen Tälern, die Erholungssuchende, Kulturfreunde und Feinschmecker zugleich anlocken.

Ein sympathisches und mitunter selbstironisches Porträt der Eifel und ihrer Bewohner

Der Vulkaneifelbewohner erklärt nicht nur, wo die Eifel überhaupt liegt – eine Frage, die gar nicht so einfach zu beantworten ist – sondern auch, was sie und ihre Bewohner ausmacht, wo welche Mundart gesprochen und welches Gericht gekocht wird.

Die Themen dieser Gebrauchsanweisung sind breit gefächert: Der Autor erklärt, welche regionalen Zutaten es in Hülle und Fülle in der Eifel gibt, wie die ebenso liebevollen wie widerborstigen Eifeler schimpfen, und was literarisch so alles geboten wird. Auch die Flutkatastrophe im Ahrtal lässt er nicht aus. Ein besonderer Reiseführer über eine Region, die sich zu einem beliebten Ziel für Touristen entwickelt hat. 

€ 16,00 [D], € 16,50 [A]
Erscheint am 27.02.2025
224 Seiten, Flexocover mit Klappen
EAN 978-3-492-27787-7
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Erscheint am 27.02.2025
224 Seiten
EAN 978-3-492-60988-3
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Leseprobe zu „Gebrauchsanweisung für die Eifel“

Vorab
Wann hat das eigentlich so richtig angefangen, das mit mir und der Eifel?
Ich bin kein Eifeler im eigentlichen Sinne – Eifeler mit drei E, nicht Eifler wie „Zweifler“, darauf möchte ich mich gleich zu Beginn mit Ihnen verständigen. Man spricht ja auch nicht von Teglern, Röblern, Blieskastlern, Wolfenbüttlern, Sprockhövlern oder Oberurslern. Ich hoffe, das überzeugt Sie. Als echter Eifeler gilt natürlich nur derjenige, der auch tatsächlich in diesem Mittelgebirge geboren wurde, ja dessen Vorfahren sogar verbrieft hierher stammen. Diese Grundregel [...]

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Vorab
Wann hat das eigentlich so richtig angefangen, das mit mir und der Eifel?
Ich bin kein Eifeler im eigentlichen Sinne – Eifeler mit drei E, nicht Eifler wie „Zweifler“, darauf möchte ich mich gleich zu Beginn mit Ihnen verständigen. Man spricht ja auch nicht von Teglern, Röblern, Blieskastlern, Wolfenbüttlern, Sprockhövlern oder Oberurslern. Ich hoffe, das überzeugt Sie. Als echter Eifeler gilt natürlich nur derjenige, der auch tatsächlich in diesem Mittelgebirge geboren wurde, ja dessen Vorfahren sogar verbrieft hierher stammen. Diese Grundregel betrifft bekanntlich sämtliche Provinzregionen ebenso wie die Metropolen. Qua Geburt gehört man automatisch immer überall dazu, ansonsten muss man sich diesen Titel ehrenhalber erst sehr mühsam erarbeiten. Das ist bei den Eifelern nicht anders.
Ach, und … „Eifelaner“ geht übrigens gar nicht. Das klingt nach Ureinwohnern im Lendenschurz.
Ich wurde in den frühen Sechzigern in Euskirchen geboren, einer Kreisstadt am südlichen Rand der Kölner Bucht, am Rand der Zülpicher Börde und der Ville, und eben am Rand der Eifel … irgendwie am Rand von allem.
Unmittelbar hinter dieser Stadt beginnt die Landschaft allmählich anzusteigen, bietet hier allerdings noch kaum einen Anlass, bereits von einem Gebirge zu sprechen. Aus der weit ausgebreiteten, in Felder und Äcker zerschnittenen Fläche fruchtbarer Lößböden, deren Scholle vor Jahrmillionen flach liegen blieb, als sich die deutschen Mittelgebirge in die Höhe falteten, wird mit jedem Kilometer, den man sich von hier in Richtung Süden bewegt, mehr und mehr ein sanftes Auf und Ab von bewaldeten Hügeln und breiten Tälern.
An dieser Stelle des Übergangs wurde ich also geboren und verbrachte hier auch die ersten Jahre meines Lebens. Meine Verwandtschaft aber lebte weit über die nördliche Eifel verstreut, und so waren zumeist die Wochenenden und die schulfreien Zeiten willkommene Anlässe für Ausflüge, Besuche und Ferien bei Onkels, Tanten und Großeltern.
Man kann meinen Heimatort der damaligen Zeit unmöglich als naturferne Stadt bezeichnen, aber der Unterschied zum beschaulichen Landleben war dennoch überdeutlich. Wasserspiele am Bach in Eicherscheid, Schlittenfahren in Kall, Bummeln durch Monschau, Schifffahrt auf dem Rursee … all dies war verbunden durch den Oberbegriff Eifel. Wir fuhren in die Eifel. So wie auch die Kölner, Bonner, die Menschen aus dem Ruhrpott und aus den Niederlanden das taten und noch heute tun. Doch dazu später mehr.
Ich bin also kein gebürtiger Eifeler, aber die Erforschung meines Stammbaums, die ich während der Coronapandemie als einen erbaulichen Zeitvertreib für mich entdeckte, macht es deutlich: Alle meine Vorfahren kamen aus der Eifel. Väter- und mütterlicherseits, mit allen angeheirateten Seitenzweigen und ihren Verästelungen, bis weit zurück in das 17. Jahrhundert zu verfolgen – je weiter ich forschte, desto tiefer führten die Spuren in die Eifel hinein. Sie liegt mir also im wahrsten Sinne des Wortes im Blut. Und daher erscheint es mir heute auch gar nicht weiter verwunderlich, dass ich selbst meinen Lebensmittelpunkt im Laufe der letzten Jahrzehnte nach und nach immer weiter ins Zentrum dieser Landschaft hinein verschoben habe.
Heute wohne ich wahrhaftig mittendrin, nur ein paar Kilometer von der Stelle entfernt, die ich, nachdem ich lange genug mit Lineal, Zirkel und Landkarte hantiert habe, als den Mittelpunkt der Eifel verifizieren konnte. Ich werde diesen Punkt nicht benennen, denn das würde unweigerlich all die lokal fixierten Heimatforscher auf die Barrikaden bringen. Dieser Gefahr setze ich mich mit diesem Buch ja ohnehin schon aus. Ich bin nun mal kein Geologe, kein Geograf oder Historiker, ich bin nur ein Romanautor, ein Geschichtenerzähler, ich sammle Erlebnisse und Beobachtungen aus meiner Heimat und verarbeite sie zu spannender, unterhaltender Literatur. Wenn Sie harte Fakten bevorzugen, wenn Sie ausschließlich Zahlen und Daten erwarten, dann bin ich nicht Ihr Mann.

Doch zurück zu meiner Eingangsfrage: Wann fing es denn nun an mit mir und der Eifel?
Es gibt eine Begebenheit, die ich als Schlüsselmoment für meine Eifel-Liebe betrachte. Es war ein Besuch bei dem Euskirchener Heimatkünstler Willi Loos. Den kleinen alten Herrn mit dem freundlichen runden Gesicht, der mich ein bisschen an meinen Opa erinnerte, lernte ich kennen, als wir im Jahr 1990 gemeinsam den Auftrag bekamen, einen gewaltigen Bühnenprospekt für das Euskirchener Bürgerhaus zu gestalten. Zu dieser Zeit arbeitete ich noch als freischaffender Künstler, zeichnete Karikaturen für den Kölner Stadt-Anzeiger und entwarf Festwagen für den Kölner Rosenmontagszug.
Willi Loos war ein pensionierter Eisenbahner, der – ebenso wie ich selbst – von Kindesbeinen an gerne gezeichnet hatte. Im Laufe seines Lebens hatte er es mit Feder und Tusche zu wahrer Meisterschaft gebracht. Sein Stil ist unverkennbar, seine Bilder an Akkuratesse und Detailtreue kaum zu übertreffen. Hauptsächlich widmete er sich mit seinen leichten, luftigen Darstellungen den Straßenzügen, Plätzen und historischen Gebäuden der Stadt. Als er mir aber sein Atelier zeigte – ein bescheidenes kleines Zimmer, in dem es, wenn ich mich recht entsinne, nicht einmal natürliches Licht gab –, fiel mir ein großer Regalschrank auf, der vor hölzernen Schubfächern, Kistchen und kleinen Kartons aus allen Nähten platzte.
„Jeden Sonntag fahre ich mit einem Freund zum Wandern in die Eifel“, erklärte er mir mit seiner leisen, ein bisschen heiseren Stimme. „Jedes Mal in eine andere Ecke. Und jedes Mal habe ich meinen Skizzenblock dabei, und ich mache Fotos.“ Er deutete auf den Schrank. „Da sind sie alle drin, die Dörfer, die wir schon besucht haben.“
Mein Blick glitt über die etikettierten Behältnisse, die dem Alphabet nach sortiert waren. Er fragte: „Wo wohnst du denn?“
„In Schwerfen“, sagte ich. Der Ortsteil von Zülpich, in dem ich einen Teil meiner Jugend verbrachte und in dem meine Eltern heute noch leben.
Willi Loos lachte leise und sagte den Spruch, den hier jeder kennt: „Willste deng Köngde verderve, scheck se noh Schwerve.“ Schwerfen bescheinigte man damit, einen üblen Einfluss auf Heranwachsende zu haben, was natürlich völlig aus der Luft gegriffen ist.
Dann zog er eine Lade heraus, suchte nur ganz kurz unter S zwischen den hochkant gestapelten DIN-A5-Blättern und förderte ein paar Zeichnungen zutage, die er vor mir auffächerte. „Hier, Schwerfen. Da habe ich St. Dionysius, die Gülichsburg und den alten Eichbaum.“ Er strahlte mich an. „Ich habe fast alle Orte der Eifel besucht und gezeichnet, und wenn ich alt genug werde, schaffe ich den Rest auch noch.“
Willi Loos starb fünfzehn Jahre später. Ich möchte wetten, dass er es in dieser Zeit geschafft hat, seine Sammlung zu komplettieren.
Ich glaube, dies war der Augenblick, in dem ich die Eifel mit einem Mal als eine große, in sich geschlossene Einheit begriff, in dem sie sich mir plötzlich als Sammelgebiet präsentierte.
Es muss in diesem Moment gewesen sein, als in mir der Wunsch heranreifte, die gesamte Eifel kennenzulernen, das Land der Vulkane, hinein nach Ostbelgien, bis hinunter zur Mosel, rauf zum Hohen Venn und in den Osten bis an den Rhein.
Seither habe auch ich den Wunsch, irgendwann einmal sagen zu können: Ich habe alle Orte der Eifel besucht. Und ganz schleichend hat sich irgendwann aus meiner Sammelleidenschaft eine tiefe Liebe zu dieser Landschaft entwickelt.
Es ist noch längst nicht so weit, dass ich meine Sammlung komplettiert habe, aber es gibt kaum noch eine Ecke der Eifel, die mir völlig unbekannt ist. Ich freue mich, wenn ich eine Straße finde, auf der ich noch nie unterwegs war, und ich ergötze mich an Schildern mit lustigen Ortsnamen wie Billig, Jucken, Faulenpuhl, Niedersgegen, Nasingen, Betteldorf, Irrhausen oder Minderlittgen, die ich passiere.
Bitte erwarten Sie keinen detaillierten Reiseführer. Dazu ist die Eifel zu groß und vielfältig, das könnte ich nicht leisten.
Es ist auch kein Nachschlagewerk, in dem man auf alle Fragen eine Antwort findet.
Nein, ich möchte Ihnen gerne etwas von dem, was ich im Laufe der Jahre gesammelt habe, erzählen. Ich biete Ihnen eine Gebrauchsanweisung an, für den Fall, dass es Sie hier zu uns verschlagen sollte. Da können Sie sich an das ein oder andere erinnern und können sagen: Da habe ich schon mal was drüber gelesen. Und mit ein bisschen Glück werden die Eifeler dann staunen.
Sie werden es Ihnen aber nicht zeigen.
Jedenfalls nicht sofort …


Begrenzt schön
An dieser Stelle will ich mich dann doch gleich mal zu ein paar Zahlen hinreißen lassen, das kann ja nicht schaden. Die Eifel ist mit ihrer Fläche von 5300 Quadratkilometern in etwa so groß wie 742 000 Fußballfelder – oder aber doppelt so groß wie das Saarland, das man ja immer gerne als Maßstab für alles Mögliche nimmt. Von den gut dreißig Mittelgebirgen Deutschlands belegt die Eifel einen soliden mittleren Platz, sowohl was die Fläche als auch was die maximale Höhe angeht. Klingt durchschnittlich, ist es wohl auch. Man sucht hier vergebens nach dem Größten, dem Höchsten, dem Längsten, dem Kältesten, Heißesten, Breitesten, Schmalsten … Wir sind bescheiden. Die Sensationen der Eifel stellen sich anders dar.
Bei der Benennung unseres höchsten Berges wurde geschummelt, denn die „Hohe Acht“ ist kein Achthunderter, auch wenn es so klingt, als müsste sie einer sein. Sie ist nur 746 Meter hoch. Wir finden das beachtlich. Südöstlich davon liegt übrigens der Ort Siebenbach, gleich nebenan das Dörfchen Acht. Reicht das an Zahlen? Oft wird gespottet, in der Eifel gebe es so wenige Berge, dass man sie der Einfachheit halber durchnummeriert hat.
Da haben wir nun also das doppelte Saarland vor uns. Doch für eine solche Flächenberechnung braucht es zunächst mal eine konkrete Fläche, und da sind wir schon bei einer ungemein wichtigen Frage: Wo fängt sie an, wo hört sie auf, die Eifel? Nun, es gibt Grenzen. Eine Menge sogar. Eine Sprachgrenze, eine Landesgrenze, ja sogar eine Staatsgrenze. Sie zerschneiden die Eifel schon seit Jahrhunderten, und nicht selten ändert sich ihr Verlauf. Und da sind die äußeren Grenzen der Eifel. Im Osten bildet Vater Rhein den akkuraten Abschluss, im Süden die Mosel. Da gibt es keine Diskussion. Und alles jenseits der Gewässer ist dem Eifeler zunächst mal feindliches Ausland. Über den Norden und die Abgrenzung zur Köln-Bonner Bucht habe ich ja eingangs bereits ein paar Worte verloren, und im Westen … ja, im Westen, da franst es ein bisschen aus. Man ist geneigt, an der Grenzlinie zu den Nachbarländern Belgien und Luxemburg einen scharfen Schnitt zu machen, und im Südwesten funktioniert das mit dem Grenzflüsschen Our ja auch ganz gut. Doch nördlich davon wird es im Hohen Venn knifflig. Genau genommen kann man dieses ganz besondere Hochmoor als zu beiden Gebirgen zugehörig bezeichnen. Wir wollen da nicht kleinlich sein, denn das Verhältnis zu den westlichen Nachbarn ist erfreulich gut.
„Wo kommen Sie her? Aus der Eifel? Aha, wo könnte die denn wohl sein?“ Es ist noch keine drei Jahrzehnte her, da musste man im Rest der Republik immer erst sehr weit ausholen, um die Lage der Eifel im Ungefähren zu beschreiben: „Mitten zwischen Aachen, Köln, Koblenz und Trier.“ Diese oberflächliche Einsortierung half meistens. Die Städte kennt man. Vom Kaiser Karl, vom Karneval, vom Deutschen Eck, von der Porta Nigra. Dass es dazwischen noch etwas gab, hatte bislang noch nie jemanden sonderlich gestört.
Heute braucht es diese Lagebeschreibung kaum noch. Inzwischen ist die allabendliche Wetterkarte im Fernsehen deutlich kleinteiliger geworden, und als einer der westlichsten Zipfel unseres Landes findet die Eifel mittlerweile fast immer Erwähnung. Hier kommt nämlich die folgenreiche Atlantikluft nach Deutschland hereingefegt, und die schnell wechselnden Warm- und Kaltfronten der Tiefdruckgebiete machen es oft ganz schön turbulent. Die Eifeler trifft es fast immer als Erste. In früheren Zeiten wurde gespottet, dass hier nicht nur die Wetterseiten der Häuser, sondern auch die Autos mit Eternitplatten verkleidet wurden.
„Fängt hier die Eifel an?“, wird ein Reisender zitiert, der mit seinem Auto in einem Dörfchen anhielt, das sich auf bereits leicht ansteigendem Gelände befand.
„Aber nein!“, entgegnete die grauhaarige Frau in der Kittelschürze entgeistert und streckte den Zeigefinger weit aus. „Da müssen Sie noch ein Dorf weiterfahren!“
Im nächsten und übernächsten Dorf dasselbe.
Und auch im übernächsten.
Gut möglich, dass der Autofahrer so die gesamte Eifel durchquerte, ohne dass er es gemerkt hätte. Mit Städtern konnte man so was früher schon mal machen.
Zur Eifel wollte man eben einfach nicht gehören. Die Region war alles andere als the place to be.
Sie hatte den wenig schmeichelhaften Titel „Preußisch Sibirien“ verliehen bekommen. Kalt war sie ganzjährig, und schneereich waren die langen Winter, mitunter bis in den Juni hinein. Felsige Böden, verheerende Missernten und große Hungersnöte führten Mitte des 19. Jahrhunderts zu enormen Auswanderungswellen. Man verließ die Eifel aus nackter Not.
„Der große Teil der Bevölkerung der tiefen Eifel schleicht umher mit eingeschwundenen Augen und hohlen Wangen, gelber, an den Knochen klebender Haut, unfähig zu Arbeit und Erwerb“, schildert Johann Joseph Görres, ein Publizist und Historiker aus Koblenz, Mitte des 19. Jahrhunderts das Elend der Bevölkerung. Damit hat er wahrscheinlich kaum übertrieben, denn die Eifel war ein auf vielerlei Arten geschundenes Land. Was die Natur nicht zerstörte, machte der Mensch sich selbst madig. Im Dreißigjährigen Krieg und in den Kriegen Ludwigs XIV. hatte man verheerende Zeiten erlebt, die Hügel waren wegen des Erzbergbaus und einer flächendeckenden Abholzung zugunsten der Metallverhüttung faktisch kahl geschlagen.
Dazu kam das Erbrecht mit der praktizierten Realteilung, das sämtlichen Grundbesitz zwischen den zumeist zahlreichen Erben über nur wenige Generationen hinweg in immer kleinere Parzellen zerstückelte, deren Bewirtschaftung sich kaum noch lohnte. Von der Not während der beiden Weltkriege und der jeweiligen Nachkriegszeit muss man in diesem Zusammenhang erst gar nicht mehr reden. Es waren Zigtausende, die zwischen 1840 und 1914 in mehreren großen Auswanderungswellen ihre Eifelheimat verließen. Ganze Dörfer verschwanden damals von der Landkarte.
Dass die hauptsächlich protestantische Regierung sich nicht gerade durch eine überbordende Zuneigung zu dem stark katholisch geprägten „Armenhaus Preußens“ auszeichnete, mag der wenig schmeichelhafte Spruch „Die Eifel ist ein herrliches Jagdgebiet, nur schade, dass hier Menschen leben“, der Kaiser Wilhelm II. zugeschrieben wird, verdeutlichen. In anderen Quellen ist die Rede davon, dass es sein Sohn, der Kronprinz Friedrich Wilhelm war, der sich anlässlich eines Jagdaufenthalts zu dieser Sottise habe hinreißen lassen. Nun ja, trotz solcher Frechheiten aus der Chefetage haben die Menschen, die hier bedauernswerterweise lebten, dem Kaiser anlässlich seiner Silberhochzeit den stattlichen Kaiser-Wilhelm-Turm auf den höchsten Berg, die Hohe Acht, gepflanzt. Sie bauten ihm eine prunkvolle evangelische Erlöserkirche in Gerolstein, unter Verwendung von rauen Mengen Blattgold, 24 Millionen Mosaiksteinchen und dem ersten elektrischen Licht der Stadt. Zur Einweihung im Jahr 1913 reiste der Monarch mit eigenem Zug und großem Gefolge an.

In seinem faszinierenden Dokumentarfilm Ein trefflich rauh Land aus dem Jahr 1986, dessen Titel einem Zitat des Kosmografen Sebastian Münster aus dem Jahr 1544 entlehnt wurde, beobachtet der in Kronenburg lebende Filmemacher Dietrich Schubert ein ganzes Jahr lang ungeschminkt und völlig ohne romantische Verklärung den landwirtschaftlichen Alltag in der Schnee-Eifel. Bei seiner Erstausstrahlung im Jahr 1987 sorgte sein Film für große Empörung. Die Touristiker heulten und knirschten mit den Zähnen und traktierten die ARD mit geharnischten Beschwerdebriefen. Die Eifel brauche ein positives Image, so forderten sie.
Man verkannte Schuberts Motive und betrachtete ihn als eine Art Nestbeschmutzer, der sich auf Kosten seiner Wahlheimat profiliert und die Eifeler als rückständig vorführt. Wer den Film aber heute anschaut, erlebt ihn als das, was er ist: ein ehrliches Porträt ohne die gefällige Reisefilmweichzeichnung, eine Verbeugung vor der Leistung der Bevölkerung einer klimatisch anspruchsvollen Region.
Selbst die Bewohner meiner Heimatstadt Euskirchen erklärten zu dieser Zeit im Urlaub ihren Strandnachbarn noch gerne: „Wir kommen aus bei Köln“, und im Spielfilm Kohlhiesels Töchter aus dem Jahr 1962 gibt es eine Szene, in der eine Fabrikantengattin angesichts der gesalzenen Schweizer Grundstückspreise zur anderen sagt: „Bauen Sie doch in der Eifel, wenn Sie sich’s hier nicht leisten können.“
Das Bild von Armut, Zurückgebliebenheit und Ödnis haftete der Region sehr lange an.
Aber das alles ist Geschichte. Man kann die Eifel zwar immer noch nicht als den Nabel der Welt bezeichnen, aber mein verstorbener Freund und Kollege, der Krimiautor Jacques Berndorf, hat einen unvergessenen Satz geprägt: „Die Eifel ist der schönste Arsch der Welt.“ Solche prägnanten Statements haben nachhaltig mitgeholfen, das Image der Region aufzupolieren. Kein Renommiergehabe, nicht mehr Schein als Sein … Man pflegt heutzutage ein gesundes Selbstbewusstsein. Die Eifel hat sich mit dieser aufrichtigen Art zur äußerst beliebten Urlaubsregion gemausert.
Und selbst die rundherum angesiedelten Flachländer behaupten heute breitbrüstig: „Hier bei uns ist das Tor zur Eifel!“ Wir lassen sie in dem Glauben. Mir könne jönne.

Doch zurück zu den zahlreichen Grenzen. Wenn wir ehrlich sind, existieren sie nur auf der Karte. Dass man von hier nach dort fahrend zwischen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz pendelt, merkt man ebenso wenig wie den Wechsel ins benachbarte Ausland. Obwohl … der Unterschied zwischen deutscher und belgischer Eifel wird schnell deutlich. In Ostbelgien werden Neubauten häufig noch unter Verwendung von ortstypischen Baumaterialien errichtet. Man sieht Fassaden aus grauem Kalk- und braunem Dolomitstein, man erkennt alte Haus- und Dorfstrukturen, die traditionell fortgeführt werden – Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel.
Findet man sich aber plötzlich umzingelt von einem Rudel Bauten wieder, die aussehen wie gigantische Zuckerwürfel mit ultraflachen roten Satteldächern aus romanischen Dachpfannen, bestückt mit Toskana-Säulen und umstanden von Zypressen, dann ist man in einem der wuchernden Westeifeler Neubaugebiete gelandet.
Wie gut, dass es zumindest im Eifelkreis Bitburg-Prüm Menschen wie die umtriebige Architektin Marie-Luise Niewodniczanska und ihre Initiative „Baukultur Eifel“ gibt, die versucht, zu retten, was zu retten ist, indem sie immer wieder deutlich macht, dass die Eifeler gute Gründe hatten, in früherer Zeit so zu bauen, wie sie es taten.
Und an den zweisprachigen Straßenschildern merkt man es auch – wobei die französische Fassung gerne mal durch Schmierereien unkenntlich gemacht wird.
In diesem Zusammenhang muss ich Ihnen unbedingt noch von Kehr erzählen, einem kleinen Nest im Westen der Eifel mit gerade mal knapp fünfzig Einwohnern, das man eigentlich als unbedeutend bezeichnen könnte. Die östliche Hälfte des Dorfes gehört zur Gemeinde Hellenthal und ist der südlichste Ort Nordrhein-Westfalens. Die westliche Hälfte von Kehr gehört zur ostbelgischen Gemeinde Büllingen. Da befinden wir uns am östlichsten Punkt Belgiens. Und im äußersten Nordosten der Siedlung befinden sich ein paar Gebäude, die zu Rheinland-Pfalz gehören.
Meine Autorenkollegin Martina Kempff, die ausgerechnet dieses dreigeteilte Fleckchen Eifel zum Schauplatz ihrer höchst unterhaltsamen Kriminalromane auserkoren hat, beschreibt es so: „Man kann nicht mal eben an der rausgestellten Nachbar-Tonne erkennen, ob der Müll abgeholt werden wird, weil das Haus nebenan eventuell in Rheinland-Pfalz steht, während man selbst in Nordrhein-Westfalen wohnt. Die Post wird von anderen Leuten zugestellt, die Kinder haben zu unterschiedlichen Zeiten Ferien und gehen in andere Kindergärten. In den Haushalten wird das jeweils landestypische Radioprogramm gehört. Kehrer aus Belgien haben das Grenz-Echo abonniert, die Nordrhein-Westfalen eine der beiden Kölner Zeitungen und die Rheinlandpfälzer den Trierischen Volksfreund.“
Die nordrhein-westfälische Eifel hängt als kleiner Zipfel unten am bevölkerungsreichsten Bundesland dran. Man hat hier mitunter das unbestimmte Gefühl, neben dem Ruhrgebiet, Köln, Düsseldorf, dem Rheinland eine ziemlich untergeordnete Rolle zu spielen. Der deutlich größere Teil der Eifel liegt aber in Rheinland-Pfalz, dem Land der Reben und Rüben. Und es soll beileibe nicht unverschämt klingen, aber in einem landwirtschaftlich geprägten Flächenland, in dem die größte Metropole – die Hauptstadt Mainz – gerade einmal 217 000 Einwohner hat, fühlt man sich doch gleich ein bisschen mehr auf Augenhöhe.

Wie schafft es nun diese Region trotz all der Grenzen und unterschiedlichen Zugehörigkeiten ein wie auch immer geartetes Zusammengehörigkeitsgefühl zu entwickeln? Was eint uns?
Es ist nicht leicht, mehrere Köche, die es gewohnt sind, ihr eigenes Süppchen zu kochen, an einen Herd zu bringen. Und selbst wenn das gelingt, ist noch nicht sicher, dass das, was sie servieren, auch genießbar ist. Wenn wir von der Eifel als Tourismusregion sprechen, sind die Köche in diesem Fall die Touristiker in ihren jeweiligen Hoheitsgebieten. Aus dem Wunsch heraus, die Eifel grenzüberschreitend zu bewerben und sie im stetigen Wettbewerb der Regionen weiter nach vorne zu bringen, organisierten sich 2005 die verschiedenen Tourismusinstitutionen unter dem Namen „Zukunftsinitiative Eifel“. Man kreierte unter anderem das Eifel-e, ein simples, wiewohl prägnantes Logo, das man gerne zu offiziellen Anlässen in metallener Form im Knopfloch trägt. Es verdreht sich dort schnell und steht auch schon mal kopf. Gewollt ist das nicht, aber es verleiht der Region gleich eine gewisse subversive Note. Mit dem E dürfen nur zertifizierte Betriebe ihre Güter anbieten. Die Anforderungen, die zu erfüllen sind, sind nicht von Pappe.
Und man etablierte auch den „Eifel Award“, einen Preis, mit dem Jahr für Jahr Menschen, Firmen und Institutionen ausgezeichnet werden, die sich in besonderem Maß für die Eifel engagieren und sie kraftvoll in die Zukunft führen. Da gibt es keine innereifeligen Grenzen, da hat man nicht mehr nur noch den eigenen Kirchturm im Blick.
Aber wie zusammengehörig fühlen sich die Eifeler abseits solcher Initiativen? Von außen betrachtet mag die Eifel eine Einheit darstellen, doch das ist nur Schein. Was alle eint, sind sicher das wachsende Selbstbewusstsein und ein gewisser Heimatstolz, mit dem man es gottlob nicht übertreibt. Aber so, wie man sich früher in seinem Sprengel am heimischsten fühlte, so verhält es sich auch größtenteils noch heute. Bestimmte Familiennamen deuten auf eine recht genau zu verifizierende Herkunft hin. Man bleibt immer ein Zugereister, auch wenn man nur aus einem anderen Eckchen Eifel kommt. Allein die Sprache bringt es an den Tag. Mitten durch die Eifel verläuft eine gravierende Sprachgrenze – doch der werden wir uns später widmen.
Rureifel, Nordeifel, Vordereifel, Schneifel, Ahreifel, Westeifel, Osteifel, Vulkaneifel, Südeifel, Moseleifel … Sie ist überall anders, diese Region. Die jeweiligen Besonderheiten einfach zu vernachlässigen, das wäre plumpe Gleichmacherei.


Stur und widerborstig. Die Eifeler und ihre Sprache
Ich möchte dieses Kapitel wieder mit einer kleinen Anekdote beginnen, damit Sie bei einem Besuch in der Eifel vorgewarnt sind. Und wieder ist es der Fremde, der Zugereiste, der Tourist, der aus seinem Auto heraus nach dem Weg fragt.
„Guten Tag, ist das die Straße nach Bitburg?“
Die beiden Männer am Wegesrand haben die Hände tief in den Taschen der blauleinenen Latzhosen vergraben. Außer einem schwachen Stirnrunzeln zeigen sie keinerlei Reaktion.
Wir befinden uns in den Zeiten vor der Erfindung des Navigationsgeräts. Der orientierungslose Fremde weiß, dass viele Amerikaner in der Eifel leben. Die vom Militär. Er versucht es daher auf andere Art: „Hello, is this the way to Bitbörg?“
Damit erntet er nun ein kaum wahrnehmbares Schulterzucken. Die Blicke der Männer bleiben starr und undeutbar.
Der Fremde glaubt, er habe womöglich unbemerkt eine Grenze zum Nachbarland überquert. „Bonjour. C’est la direction à Bitbuuhr?“
Einer der Männer kratzt sich jetzt ganz langsam hinterm Ohr, der andere räuspert sich halbherzig, sonst geschieht nichts.
Mit einem Seufzen kurbelt der Fremde das Autofenster wieder hoch und fährt weiter.
Erst als er hinter der nächsten Wegbiegung verschwunden ist, sagt der eine Eifeler anerkennend: „Der konnt ävver vell Sprooche.“
Und sein Gegenüber antwortet: „Un? Hät et emm jet jenötz?“
Nein, genützt hat dem Fremden sein Sprachtalent nichts.
Die Eifeler können stur sein – wenn es angebracht ist. Die Sturheit ist dabei kein genetisch eingepflanzter Wesenszug, wie immer wieder mal böswillig behauptet wird. Sie warten eben gerne ab. Sie analysieren erst mal die ganze Situation, sondieren das Gelände. Wägen jede Reaktion sorgfältig ab. Hätte der Fremde mehr Geduld bewiesen, wäre es womöglich zu einem netten Plausch gekommen.
Ungeduld ist immer ein guter Anlass, um die sprichwörtliche Eifeler Sturheit kennenzulernen. Wer sich beim Erstkontakt nicht um ein gesundes Maß an Ausdauer bemüht, der wird erfahren, wie ruckzuck die Rollläden runtergehen. Ende der Unterhaltung.
Noch wirkungsvoller als Ungeduld ist Dominanz. Sobald der Eifeler die ersten Anzeichen von Besserwisserei oder von überlegenem Getue wittert, fackelt er nicht lange. Da kriegt der Zugereiste keinen Stich mehr. Die Nummer hat man zu oft und zu lange mit diesem friedfertigen Völkchen versucht. Man hat die Eifeler belächelt, ja verlacht, hat ihnen ihre angebliche Rückständigkeit vorgehalten, hat sie in nahezu jedem mitteleuropäischen Krieg ausgenutzt, hat ihre Heimat als Aufmarschgebiet missbraucht.
Wenn sich also vom großen Weltgeschehen die massiven Erschütterungen in konzentrischen Kreisen ausbreiten, dann passiert es mitunter, dass deren Ausläufer erst auf den Eifelhöhen anbranden, wenn sie auf dem Weg dorthin schon einen Teil ihrer unguten Energie eingebüßt haben. Und dann können die Eifeler sie auch schon mal mit einem Schulterzucken bewältigen. Es hat ja auch manchmal durchaus Vorteile, den Finger nicht ununterbrochen am Puls der Zeit zu haben.

Wenn der ahnungslose Fremde aus der gerade geschilderten kleinen Begebenheit allerdings nicht nur des Deutschen, des Englischen und des Französischen, sondern dazu auch noch des Eefeler Platts, also der Eifeler Mundart mächtig gewesen wäre, dann hätte es für ihn womöglich von vornherein anders ausgesehen.
Das Herz trägt der Eifeler nicht gerade auf der Zunge. Aber Platt – so wird gerne vollmundig behauptet – sei die Sprache des Herzens! Das klingt toll, darf aber in seiner Kernaussage durchaus bezweifelt werden. Das mit dem Herzen und der Mundart ist so eine Sache. Es ist ein nostalgischer Aspekt, der hier zu Buche schlägt. Von Generation zu Generation verblasst die Eifeler Mundart, ja die Mundart überhaupt. Wir leben global, sind gefühlt überall zu Hause. Etwa 7000 Sprachen werden auf der Welt gesprochen, und etwa alle zwei Wochen verschwindet eine von ihnen unwiederbringlich.
Im deutschen Sprachraum sind es die Dialekte Bairisch, Alemannisch, Ostfränkisch, Niedersächsisch, Sorbisch oder Jiddisch, die akut gefährdet sind. Als ernsthaft bedroht gelten Nordfriesisch und Saterfriesisch sowie Jütländisch und das von Sinti und Roma gesprochene Romani. Und es verwundert nicht, dass auch das Eifeler Platt – genauer genommen die beiden Eifeler Mundarten – im Begriff ist, einen schleichenden Tod zu sterben.
Ohne allzu akademisch zu werden, kann man die Mundartkarte der Eifel einfach ungefähr waagerecht in der Mitte durchschneiden. Die Grenze zwischen dem ripuarischen (rheinfränkischen) Dialekt im Norden und dem Moselfränkischen im Süden verläuft mit einer gewissen Unschärfe entlang der historischen römischen Grenze zwischen Germania inferior und Germania superior, die sich später in die Grenze zwischen den Kurfürstentümern Kurköln und Kurtrier verwandelte und bis in die Gegenwart hinein als Landesgrenze zwischen NRW und Rheinland-Pfalz und Abgrenzung der Bistümer Köln und Trier fortsetzte. Eine Grenze, die auch die wechselvolle Geschichte der Region – nicht nur in dialektaler Hinsicht – nie hat auslöschen können. Sprachwissenschaftler nennen sie die „Eifelschranke“ oder die „Dorp-Dorf-Linie“, zwischen „Dorp“ im Norden und „Dorf“ im Süden.
Im Ripuarischen heißt das Grundnahrungsmittel Kartoffel Eärpel (der Erdapfel), im Moselfränkischen Jromper (die Grundbirne), jeweils in zahlreichen Variationen. Kromper, Schromper, Grumber, Krumbeer … Im Süden wird jeschwätzt, im Norden jekallt. Alles höchst uneinheitlich.
Es gibt jedoch auch Dinge, die beide Dialekte eint. Vor allen Dingen ein gravierender Mangel:
Es gibt im Eifeler Platt kein Wort für Liebe. Und auch nicht für alle seine Verwendungsformen. „Ich liebe dich“ – nicht im Eifeler Dialekt. „Isch kann dich jot legge“ (Ich kann dich gut leiden) ist da wirklich das höchste der Gefühle.
Aber dafür wird mit Vorliebe alles und jedes geholt: Ich hole mir einen Schnupfen. Holst du mich mit? Er hat einen Kredit aufgeholt. Sie holt Brot in der Bäckerei. Und wenn man zu viel isst, zeigt einem die Waage, dass man kräftig zugeholt hat. Man kann dann aber auch wieder abholen. Das wird je nachdem sowohl bewundernd, neidvoll oder auch betrübt geäußert: „Owei, hat die aber abjeholt.“
Die Zeiten, in denen man an der Mundart erkannte, in welchem Dorf jemand aufgewachsen ist, scheinen vorbei zu sein. An der Art, wie die Zunge fast schon akrobatisch flatternd das R rollt, erkennt man aber heute noch die Dreiborner Ureinwohner. Und über eine Art kuriosen Mikro-Dialekt verfügen die Bewohner der Triftstraße im Monschauer Ortsteil Höfen, die das R wie eine Art J aussprechen.

Ich selbst habe das Eifeler Platt erst als Heranwachsender gelernt – bei der Familie meiner ersten Freundin. Auch wenn meine Eltern es beherrschten und sich bisweilen miteinander und mit den Verwandten auf Platt unterhielten, vermieden sie doch, das vor uns Kindern zu demonstrieren. Die Mundart galt im öffentlichen Leben als verpönt, war die Sprache der allzu einfachen Landbevölkerung.
Dass ich es heute leidlich beherrsche, ist ein wahrer Segen, denn jedes Gespräch erfährt sehr rasch eine freundliche Wendung, wenn man signalisiert, dass man denselben Zungenschlag beherrscht. Mundart verbreitet sofort eine Art warmes Wir-Gefühl.
Und wenn wir noch einmal auf das Prädikat der „Sprache des Herzens“ zurückblicken, dann geht es natürlich nicht nur um große gute Gefühle, sondern auch mit Inbrunst um … Sie haben es erraten: das Schimpfen.
Der Schimpfwörterreichtum im Eifeler Platt ist schier unerschöpflich.
Der 1927 in Hellenthal geborene und 2024 in Königswinter verstorbene Schriftsteller Fritz Koenn hat sich sein ganzes Leben lang der Eifeler Mundart verschrieben.
Er vertrat die These, es gebe in der Eifel exakt vier Sprachen: „Platt, Huhdütsch, dörch de Nas onn övve anger Löck“ – Mundart, Hochdeutsch, durch die Nase und über andere Leute –, und er verfasste Gedichte, „Stöckelcher“ (kleine Anekdoten), Bücher und veröffentlichte zahllose Kolumnen in Tageszeitungen. Zusammen mit Liesel Kalka hat er zudem eine stattliche Sammlung von Eifeler Schimpfwörtern zusammengetragen: Drießkärl (Scheißkerl), Föttchesföhler (aufdringliche Person), Jrantesch (Motzerin), Kaaschsack (Geizhals), Kujöne (schwerer ungelenker Mann), Möpp (widerlicher Mensch, meist „fiese Möpp“), Rießkeddel (Schläger, Streithammel), Tränedier (Heulsuse) oder Verdötschte (geistig Verwirrter) sind nur eine kleine, lautmalerisch höchst lebendige Auswahl.
Und wo geschimpft wird, ist häufig auch die tätliche Auseinandersetzung nicht weit. Nostalgisch verbrämt bringt zum Beispiel mein Freund Manni Lang, der neben seinen Tätigkeiten als Zeitungsredakteur und Diakon vor allem auch als versierter Interpret des Eifeler Platts bekannt ist, die Prügelei auf die Bühne. Wortgewaltig und gestenreich kämpft er bei seinen Darbietungen dafür, dass die früher regelmäßig anzutreffende dörfliche Kirmesschlägerei einen Ehrenplatz als schützenswertes Kulturgut erhält. Er benennt nicht weniger als 77 Verben und Hilfsverbkonstruktionen als Synonyme für die Tätigkeit des „Kloppens“, darunter mannze, nähle, nöffe, knöppe, kloppe, paave, recke, riere, rieße, secke, schloon, schmiere, schmeiße, stuppe, tachele, tönnesse, träcke, trööne, tuppe, väje, vebimsche, vebläue, vekasematuckele, vemöbele, veluckasse, vemolästiere, vepisele, vepisamatuckele, vetubacke, vewammesse, walke und zoppe.
Auch wenn Platt heute in der Alltagssprache nicht mehr flächendeckend Verwendung findet, ist es doch verlässlicher Bestandteil von Literatur, Gesang und Bühnendarbietungen.
Ein weiterer Kämpfer für die Mundart muss unbedingt Erwähnung finden: Der Journalist Fritz-Peter Linden sammelt zwischen Stadtkyll und Prüm Eifeler Geschichten und Mundartbegriffe. Was er für seine samstägliche Kolumne im Trierischen Volksfreund mit Witz und Charme zusammenträgt, schafft kein sprachwissenschaftlicher Debattierklub und kein Linguistik-Arbeitskreis. Linden haben wir unter anderem eine bezaubernde Namensauflistung eines unauffälligen wiewohl allgegenwärtigen Tierchens zu verdanken. Das possierliche Eichhörnchen heißt je nach Koordinaten der Sichtung Eeschöensche, Eechkater, Äachert, Kauet, Katteiker, Kageechelchen, Kackläächleck und schließlich die wohl bildhafteste und entzückendste: Boomeropdier – das Baum-hinauf-Tier. So bunt ist Eifeler Platt.
All diese Darreichungsformen unserer heimischen Sprache sind ein Beleg dafür, dass dem Eifeler Platt unweigerlich der Hauch des Vergangenen anhaftet. Mundart ist also pure Nostalgie – und berührt das Herz. Somit gibt es sehr wohl einen Zusammenhang zwischen dem Herzen und der Sprache. Dass die Mundart aber ein Schatz ist, den jeder Eifeler im Herzen trägt, das klingt viel zu schön, als dass es wirklich wahr sein könnte.
Auch sehr schön und berührend ist ein Wort, für das sich kaum ein passendes Pendant im Hochdeutschen finden lässt. Es kommt wohl am ehesten dem in jüngerer Zeit fast schon abgenutzten dänischen Begriff Hygge sehr nahe. Fritz-Peter Linden bezeichnete es jedenfalls im Trierischen Volksfreund einmal als sein Eifeler Lieblingswort: „Jehöschnis – weil es etwas so Schönes ausdrückt. Geborgenheit, Schutz, Wärme, Vertrauen.“
In Abwandlung des alten französischen Heroldsrufs möchte man also trotzig deklamieren: „Die Mundart stirbt – Es lebe die Mundart!“

Ralf Kramp

Über Ralf Kramp

Biografie

Der Autor, Verleger und Krimiexperte Ralf Kramp, geboren 1963 in Euskirchen, ist vor allem durch seine schwarzhumorigen, größtenteils in der Eifel angesiedelten Kriminalromane und Kurzgeschichten einem breiteren Publikum bekannt. Unter dem Titel „Blutspur“ veranstaltet er mit großem Erfolg...

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