Gebrauchsanweisung für die Welt Gebrauchsanweisung für die Welt - eBook-Ausgabe
„eine Hymne auf die Welt und ihre Verführungen“ - Allgäuer Zeitung
Gebrauchsanweisung für die Welt — Inhalt
Andreas Altmann ist einer der bekanntesten deutschen Reiseautoren
Die Einsamkeit ägyptischer Provinzhotels. Überlandfahrten im stinkenden Bus. Moderne Raubritter in Kolumbien. Gefrorenes Zahnputzwasser in Sibirien. Gepökelter Schafskopf zum Frühstück. Materialmüde Hängebrücken. Hitze. Durchfall. Fieber. Angst. Aber auch: die Zartheit eines Abends in Kabul. Verständigung mit Händen und Füßen. Staunen im Tempel. Freude beim Überlisten eines Grenzbeamten. Der Herzschlag des Zugfahrens. Die Großzügigkeit von Fremden. Mit Shakespeare und Eric Clapton in Nowosibirsk. Eine Liebelei in der Wüste. Das Spätnachmittagslicht über dem Berg Sinai. Kaum jemand hat sich dem Zauber und den Härten fremder Länder so ausgeliefert wie Andreas Altmann, und seine Anweisung ist nichts weniger als eine wilde Liebeserklärung an das Reisen.
Leseprobe zu „Gebrauchsanweisung für die Welt“
Vorwort
Kürzlich las ich einen Artikel über Martin M. Der Neunzehnjährige war bislang nur als Faultier aufgefallen. Immerhin hatte er sich inzwischen die verbale Munition zurechtgelegt, um sein träges Dasein zu rechtfertigen: „Die Scheiß-Merkel, die Scheiß-Gesellschaft, alles scheiße.“ Sogar vor der Hauptschule war er davongelaufen. Seitdem siechte er vor der Glotze, streichelte den Hund, versteckte seine faulen Zähne hinter einem gepressten Lächeln und lebte von Hartz IV. Bis er – unerreichbar für jedes Angebot – „auf Null gesetzt“ wurde. Damit er nicht [...]
Vorwort
Kürzlich las ich einen Artikel über Martin M. Der Neunzehnjährige war bislang nur als Faultier aufgefallen. Immerhin hatte er sich inzwischen die verbale Munition zurechtgelegt, um sein träges Dasein zu rechtfertigen: „Die Scheiß-Merkel, die Scheiß-Gesellschaft, alles scheiße.“ Sogar vor der Hauptschule war er davongelaufen. Seitdem siechte er vor der Glotze, streichelte den Hund, versteckte seine faulen Zähne hinter einem gepressten Lächeln und lebte von Hartz IV. Bis er – unerreichbar für jedes Angebot – „auf Null gesetzt“ wurde. Damit er nicht verhungerte, gab es Lebensmittelgutscheine. Die er nie abholte. Sicher zu viel Stress, sicher zu früh aufstehen. Lebte er doch bei Mutti. Als Muttersöhnchen. Er war der „no-future-no-bock-no-nothing-man“. Er brauche, sagte er noch, „jeden Tag eine Adrenalinspritze“. Aber die könne der Staat ihm nicht bieten. Wie wahr!
Armer M. M., er hat wohl noch nie von der Welt gehört, nie und nimmer vom Reisen in die Welt. Existiert doch kaum etwas anderes im Universum, das mehr Kicks verschafft, als Abhauen und Abheben. Adrenalinbomben würden auf ihn niedergehen, ein Herzflimmern nach dem anderen ihn jagen.
Besteht beim Starren auf einen Plasmaschirm die tägliche Gefahr, dass die Hirnrinde schmilzt, so wird ein Reisender jeden Tag reicher: weltreicher, geistreicher, geheimnisreicher. Er lebt ja, ranzt nicht als Kartoffelsack auf seiner Couch. Ob Martin je aufwacht? Oder schmiedet er weiter unbelehrbar sein Unglück ?
Soll keiner ihn in Schutz nehmen und behaupten, ohne Geld ginge nichts. Warum macht er es nicht wie andere 19-jährige Unersättliche, geht zur nächsten Kreuzung und streckt den Daumen raus? Und zwängt sich hinten rein, schnorrt, bettelt und lügt das Blaue vom Himmel herunter? Nur um vom Fleck zu kommen. Jede Art des Reisens ist ein Weg der Welterkenntnis. Ob im Fond eines Trabis (ich war dabei) oder als beinloser Invalide in einer Sänfte (in Kaschmir gesehen). Nur wach muss einer sein. Weltwach. Nur platzen vor Neugierde.
Ich mag den Gedanken vom Reisen als Fluchtbewegung. Lieber verduften als zum Trainieren eines öden Berufs antreten. Lieber Streuner werden als Büroleiche. So ist mir Martin M. auf kuriose Weise sympathisch. Weil er sich weigert, als Massenartikel zu enden. Ich schelte ihn nur, um ihn von der Couch zu jagen: hinaus ins Leben.
Lieber flüchten, um der Niedertracht des Alltags zu entkommen, dem Geheul der Wachstumsnarren und ihren penetranten Aufrufen zum Anhäufen von Klimbim. Nie habe ich einen dieser Marktschreier plärren hören: „Lasst euer Hirn anschwellen! Mehrt euren Mut! Werdet tapferer! Verschwendet mehr Liebe! Vögelt inniger! Steigert euren Empathie-Quotienten! Vervielfacht eure Sehnsucht nach den – André Gide hat darauf bestanden – émotions fortes, den starken Gefühlen! Ja, denkt mehr! Lest mehr! Spürt mehr!“ Nie gehört. Nur ihren ultimativen Krimskrams wollen sie loswerden, dessen Erwerb die Glücksspanne von fünf Minuten nicht überschreitet.
Wie cool kommt da ein Reisender daher. Sein Ziel ist die Welt und dafür braucht er nicht mehr als vierzehn, fünfzehn Kilo. Die er sich genau überlegt. Weil er sie jeden Tag auf dem Buckel tragen muss. Und so schleichen die einen davon, während die Müllmänner und Müllfrauen – all jene eben, die gern Müll shoppen – zurück in ihrem Viel-Tonnen-Haus bleiben, vor der Fünf-Tonnen-Garage, der Zwei-Tonnen-Blechkuh, ja, sie selbst – die unbeweglichen Stubenhocker – schon zur Tonne mutierten: Weil so viel Besitz keinen Auslauf mehr erlaubt, weil er bewacht, umzäunt, diebstahlversichert, wasserversichert, feuerversichert, sturmversichert, alarmknöpfe-vermint, ja abgestaubt, neu gestrichen, frisch geschmiert, vertieft, erweitert, vergrößert werden muss. Damit sie im Kuhdorf Quakenbrück (nur ein Beispiel) jeden Tag um die Wette protzen können: Wer hat am dümmsten seine Lebenszeit vertan? Wer stirbt als Erster an Raffsucht? Wer will der Reichste auf dem Friedhof sein? Wer hat noch immer nicht kapiert, dass hinter Quakenbrück die Welt anfängt?
Früher, in anderen Jahrhunderten, galt als weise, wer der Welt den Rücken zukehrte. Um ihr, dem christlichen „Jammertal“, zu entkommen. Heute wissen wir, dass wir außer diesem Planeten nichts haben. Ans „Jenseits“ glauben nur noch jene, die auch im Himmel gern als Schaf auftreten. Das Himmelreich des Reisenden ist das Diesseits: die magische Kugel, die so viele magische Blicke auf sie erlaubt.
Wohl dem, der sich mit einem Freundschaftsvertrag auf den Weg macht. Die Erde als Freund. Den ich nicht ausbeute, den ich mir nicht „untertan“ mache, von dem ich nur jeden Tag weiß, dass ich seiner Großzügigkeit mein Überleben verdanke. Wie pathetisch sich das anhört. Dabei erzähle ich nichts als die Wahrheit.
Novalis meinte einmal, die Welt müsse „romantisiert“ werden. Um sich der Trivialität des Lebens zu widersetzen. Unterwegssein ist ein grandioses Mittel, um das zu finden, was die Engländer romancenennen, den Swing. Es hat nichts mit dem deutschen Wort „Romanze“, Liebesgeschichte, zu tun. Oder nur am Rande. Romance ist ein anderes Wort für Ergriffensein, für Lebenslust, für das Beste, was einem gerade passiert. Als Junge las ich in einem Unterrichtsbuch die Stelle: „He loves the romance of travelling on a steam train.“ – „He“ war ein Engländer aus dem neunzehnten Jahrhundert, der die Geräusche eines fahrenden Zuges liebte, das Dahinrauschen, den Blick nach vorn auf eine wild fauchende Dampflok.
So sollte man diese Gebrauchsanweisung eher als einen Tanzkurs verstehen. Dort lernt man sich drehen und wiegen. Schritt für Schritt. Und irgendwann hat man den Takt intus, vertraut dem Körper und seiner Weisheit und pfeift auf die Regeln und – verfällt der Musik. „Es“ tanzt. So soll der Leser am Schluss auf das Buch pfeifen. Weil das Gift der Verführung schon wirkt. Und er – auf eigene Faust, nach eigenem Gutdünken – hinaus in die Welt rennt. Die Grundregeln hat er ja verstanden. Jetzt muss er seiner Intuition vertrauen, seinem Verstand, sich. Deshalb klingt das Wort Gebrauchsanweisung eher irritierend. Die Welt gebrauchen, dazu will ich niemanden anstiften. „Leitfaden zum Bestaunen der Welt“, das würde passen. Oder „Kleines Handbuch zur Enträtselung eines Weltwunders“, auch das leuchtet ein. Selbst wenn der Satz eine Nuance großspurig klingt. Denn so viele Rätsel hat die Welt und nur von einer Handvoll der tausendundein Mal tausendundeinem soll hier die Rede sein. Ohne je auf die Idee zu kommen, auf nur ein einziges eine erschöpfende Antwort zu wissen. Was für fade Rätselhaftigkeiten wären das, wenn sie gelöst werden könnten.
Friedrich Hölderlin schrieb einmal: „Schönes Leben! Du lebst.“ Wie ein Brandzeichen sollte man sich die vier Wörter ins Herz stanzen. Als Erkennungszeichen für all jene, die sich mit der Gabe der Verwunderung auf den Weg machen.
Der Anfang
Als ich als Jugendlicher in einer Fabrik arbeitete, bemerkte ich eines Morgens ein paar Meter neben mir eine Frau. Unvergessliche Frau. Wie ein Mahnmal habe ich sie seither abgespeichert. Sie stand am Fließband, hielt in der rechten Hand einen elektrisch betriebenen Schraubenzieher und zog an jedem vorbeikommenden Backrohr eine Schraube an. Eine, immer dieselbe. Dann kam der nächste Kasten. Wieder ran, wieder schrauben.
Das Wunderlichste: Ihre Augen waren geschlossen. Als ich sie irgendwann über das seltsame Verhalten befragte, gab sie zwei Antworten. Die erste klang banal: „Ich kenne ja jede Bewegung auswendig.“ Doch die zweite hätte zu einer Nihilistin gepasst: „Ich will den Stumpfsinn meiner Arbeit nicht sehen.“ Seit dreizehn Jahren war sie die Ein-Schrauben-Frau. Das Bizarrste: Sie hatte sich arrangiert, wollte von einer Fortbildung, die ihr angeboten worden war, nichts wissen. Sie traue sich nicht, sagte sie noch. Verwunderlich, denn sie schien nicht dumm, nicht hirnlos.
Ah, die Routine. Sie ist eines der gefährlicheren Gifte. Vor dem keiner von uns gefeit ist. Sie ist der Erzfeind der Neugier, sie ist das träge Fleisch, der innere Schweinehund, eine wahre Massenvernichtungswaffe. Nicht nachzuzählen, was sie alles an Vorsätzen, Träumen, an Ausbruchsversuchen und Hoffnungen zunichtegemacht hat. Hinter ihrer Wucht steckt eine kosmische Macht: das von Isaac Newton entdeckte „Gesetz der Gravitation“, eine der Urkräfte, die das Universum zusammenhält. Deshalb zerschellt ein Flugzeug am Boden und nicht im Himmel. Deshalb rinnen Tränen wangenabwärts. Und deshalb bleiben wir lieber hocken, als den Sirenenrufen unserer Sehnsucht zu folgen.
Weiß jemand eine Tat, die radikaler mit allen Gewohnheiten bricht, als wegzugehen? Fortzureisen? Ich habe eine lange Liste parat, auf der nachzulesen ist, wie schnell und rabiat sich Zustände – für Reisende – ändern können. Hin zum schwer Zumutbaren. Hier ein paar Auszüge:
Wärme gegen Kälte tauschen müssen: Kein Zähneputzen in Sibirien, da die Wasserhähne eingefroren sind. Oder Vertrautes gegen Angst: In der Wüste eineinhalb Tage herumstehen und auf den einen warten, der den Weg weiß. Oder Deutsch gegen Vietnamesisch: Eine halbe Stunde lang einem Dutzend Taxifahrern pantomimisch vorturnen, dass man ein Hotel sucht. Oder Freunde gegen Raubritter: Drei kolumbianischen Hundesöhnen zuschauen, wie sie nach meiner Börse greifen. Oder Mühelosigkeit gegen das täglich Ungewisse: Eine knappe Woche neben einer afrikanischen Grenze lungern, weil der erste Gangster des Landes, der nebenberuflich als Präsident fungierte, gerade mit dem Niederschießen seiner Gegner beschäftigt war. Oder zwei Nutella-Morgensemmeln gegen einen gepökelten Schafskopf: In Timbuktu war ich ein Held, der sich nicht Nein zu sagen traute. Oder die Daunendecke gegen Betttücher mit Löchern und Läusen: um hinterher nur mit einer Totalrasur den Bestien zu entkommen. Oder den Morgenkaffee gegen scheußlich grünen Tee: Länder ohne Kaffeehäuser gehören auf die schwarze Liste. Oder die Haut einer Geliebten gegen die Einsamkeit ägyptischer Provinzhotels: wo Rezeptionisten gleichzeitig als Tugendwächter aushelfen. Oder den Seelenfrieden gegen Schweißperlen: weil der Bus über eine Brücke rollte, die schon einmal wegen Materialschwäche nachgegeben hatte. Oder das einwandfrei funktionierende Immunsystem gegen die (siegreichen) Attacken asiatischer Viren: um sich anschließend sechs Monate in einem Tropeninstitut kurieren zu lassen.
Wie ein Ruf der Kassandra hört es sich an, wenn ich den sibirischen Mundgeruch erwähne, die Bazillen, das Geziefer, die Staatsdiener-Schurken, die verschwundenen Busse, die windigen Zeitgenossen, die Wüsten-Sonnenbrände, die Sprachlosigkeit und – vehement die Lebensfreude mindernd – die Durchfall-Debakel, die erbärmlichen, die unerbittlich in die Hose gehen.
Nun, gegen alle Bedenken haben die Franzosen einen Satz erfunden, der davor schützen soll, zum Duckmäuser zu regredieren: »Le pire n’est jamais sûr!«, das Schlimmste ist niemals sicher, sprich: Wer sich traut, davonzugehen, traut, sich der Schwerkraft der Lauschigkeit zu widersetzen, der wird belohnt. Unter der Bedingung, dass er etwas Entscheidendes lernt: a) dass die Wirklichkeit bisweilen nicht zu ändern ist und b) dass sie oft andere Möglichkeiten bereithält. Bert Brecht hat das in einer Gedichtstrophe poetisch und drängend beschrieben :
Ich, der ich nichts mehr liebe
Als die Unzufriedenheit mit dem Änderbaren
Hasse auch nichts mehr
Als die tiefe Unzufriedenheit mit dem Unveränderlichen.
Hier ein Beispiel, mitten aus dem Leben: Ich sitze im Wartezimmer einer Botschaft, in Afrika. Ich benötige ein Visum. Das ich nicht bekomme. Obwohl meine Papiere in Ordnung sind. Nachfragen ersticken in Gegenfragen: „Warum wollen Sie dorthin reisen?“ oder, noch schwachsinniger: „Was ist Ihre Mission?“ Ich habe Lust zu antworten: „To kill the president!“ Damit der Mann aufhört, als Schwerverbrecher weiter sein Unwesen zu treiben. Aber „no mission“ ist noch verdächtiger als „Yes, I do have a mission.“ Denn dann würde klar, dass ich meinen Geheimauftrag verschweige. Als gewitzter Reisender kennt man solche Szenen. Absurdes Theater in Echtzeit. Da andere mit im Büro sitzen, kann ich den Verantwortlichen nicht fragen, ob ich zu wenig Scheine in den Pass gelegt habe. Vielleicht liegt es daran.
Jetzt brauche ich so vieles: die Einsicht, dass ich, vorläufig zumindest, dieses Ziel vergessen muss. Denn bei sturen Beamten – der Satz gilt weltweit – kommen vernunftbegabte Hinweise nicht an. Sturheit obsiegt, sie scheint bis auf den heutigen Tag unheilbar. Und natürlich brauche ich Glück, das auch. Und mein Glück an diesem Oktobertag ist eine Frau, die ebenfalls im Wartezimmer sitzt, ebenfalls kein Visum bekommt und auch von keiner anderen Mission weiß als ihrer Lust auf Welterfahrung.
Unser geteiltes Leid wird zur doppelten Freude. Denn wir beschließen, bei der Nachbarbotschaft anzuklopfen und dort um ein Visum fürs Nachbarland zu bitten. Wo unser Wunsch erhört wird. Weil sie hier hell und freundlich und effizient sind. Das hat sicher damit zu tun, dass ihr oberster Chef kein Krimineller ist, sondern ein bemühter Herr, der noch nie als Unhold und Mega-Kleptomane von sich reden machte. Und die Frau wird sich als Glücksfall erweisen, denn wir ziehen nun gemeinsam weiter.
Um uns nach kurzer Zeit wieder zu trennen. Wir müssen, aus beruflichen Gründen. Aber nun bin ich um diese Woche klüger als zuvor. Wegen ihr, wegen diesem Land. Soll keiner sagen, dass Umwege-Gehen und Sturheit-Erdulden keine Dividenden abwerfen.
Ganz typisch jedoch: Als ich von Cilla fortging, kam die Unruhe. Denn schon hatte ich mich an sie gewöhnt, ihren Sprachwitz, ihren „inquisitive mind“, ihr ruhiges Selbstvertrauen. Doch am achten Tag war das alles verschwunden. Bin eben nur Mensch, kann mich nicht kaltstellen auf Kommando, kann nicht sogleich auf null zurückfahren.
In solchen Augenblicken hole ich ein Bild aus meinem virtuellen Speicher. Das ich schon so oft gesehen habe, ja jedes Mal wieder sehe, wenn ich eine Metrostation betrete. Das Bild zeigt einen Schaffner, der seit zwanzig oder dreißig Jahren durch die dunklen Löcher von Paris fährt. Und ich denke sogleich, dass er eine Million Euro verdienen müsste. Pro Woche, sprich 52 ½ Mal im Jahr. Weil er dieses Leben auf sich nimmt. Eines ohne Überraschungen, ohne je die geringste Aussicht auf Neuigkeiten. Er sieht immer nur schwarz. Und alle paar Hundert Meter viele Menschen, von denen niemand ihn bemerkt. Sein Beruf ist ungemein nützlich und skandalös unmenschlich. Hinter keiner Ecke lauert etwas Verblüffendes. Er kennt jedes Spinnennetz, jede Gleisschiene, jedes Neonlicht. Er ist der absolute Antipode zum Reisenden. Obwohl er möglicherweise mehr Kilometer zurücklegt als jeder andere.
Wie widersprüchlich sich das anhört, aber die Erinnerung an den Metromann erleichtert mein Herz. Weil es wieder weiß, dass es keine Alternative zur Neugierde gibt. Nur schwarze Löcher. Dann halte ich das Anfangen wieder aus, dann kommen die Mutreserven zurück. Ja, diese Neugierde ist die einzige Gier, die glitzert, die stachelt, die wie der Atem einer/eines Geliebten die Lebensgeister in Aufregung versetzt.
Noch ein Exempel zum Thema. Ein Nachmittag am Flughafen von Neu-Delhi. Wieder ein Abschied. Nachdem ich ein letztes Mal gewunken hatte, musste ich mich setzen. So bitterschwarz überschwemmte mich plötzlich das Gefühl von Alleinsein. Als ginge das Leben jetzt nicht weiter. Ohne den anderen. Erstaunlich, wie oft uns die Angst hinters Licht führt.
Bedrückt checkte ich ein, flog nach Afghanistan und – das Leben ging weiter. Keine 24 Stunden später passierte dieser rätselhafte Moment und ich akzeptierte die neue Umgebung. Das Schwere löste sich und das Leichte kam zurück. Ich spürte an allen Ecken und Enden meines Körpers, dass ich wieder in der Gegenwart aufgetaucht war. Dass ich da war, wo ich sein wollte. Und mich nicht nach der Vergangenheit sehnte, die nicht vorhanden war.
Das ist eine der tiefsten Erfahrungen, die einem Reisenden zustoßen können. Weil er damit die absolute Grundwahrheit begriffen hat: Jetzt! Jetzt am Leben sein, jetzt nicht träumen von Zuständen, die in der Realität augenblicklich nicht vorkommen. Wer diese Fertigkeit trainiert, trainiert sein Leben.
Einer meiner Lehrmeister war „Viktor IV.“, der 1929 als Amerikaner mit dem deutschen Namen Walter Karl Glück geboren wurde. In New York. Er lernte fotografieren, wurde Eisverkäufer und Rettungsschwimmer, tingelte mit einem VW-Bus durch Europa. Bis er in Amsterdam landete, sich ein Hausboot besorgte und Künstler wurde. Ein richtiger, ein anerkannter, noch heute kann man seine Werke via Internet kaufen. Ende der 70er-Jahre hatte ich ihn beim Streunen durch die Stadt entdeckt. Ein paar Jahre später rammte er – bei Reparaturarbeiten unter Wasser – seinen prächtigen Schädel in einen Nagel. Tod auf der Stelle.
Als ich Viktor zum ersten Mal sah, hämmerte er gerade eines seiner Konstrukte zusammen und lud mich ein. (Na ja, ich lud mich ein.) Sein mit Sträuchern und grass – sic! – überwuchertes Schiff hatte er nach einem anderen Außenseiter benannt, nach Henry David Thoreau. Der Schriftsteller hatte schon im neunzehnten Jahrhundert zum eigenständigen (und ungehorsamen) Denken und Handeln aufgerufen. Als erste bürgerliche Pflicht.
„Kaum jemand hat sich dem Zauber fremder Länder so ausgeliefert wie Andreas Altmann, und seine Anweisung ist nichts weniger als eine wilde Liebeserklärung an das Reisen.“
„Wer glaubt, der Reiseschriftsteller Andreas Altmann sei eine Art Hemingway, liegt gar nicht so falsch. Der Mann ist rotzfrech und sehr unterhaltsam.“
„Ein ansteckendes Plädoyer für ein intensives Leben unterwegs.“
„Eine wilde Liebeserklärung ans Reisen.“
„eine Hymne auf die Welt und ihre Verführungen“
„(...) mit viel Herzblut geschrieben. (...) Eine wilde Liebeserklärung an das Reisen.“
„Herz und Hirn bewegt die 'Gebrauchsanweisung für die Welt' (...) in verführerisch schöner Sprache.“
„Wenn einer weiß, wie man reist, dann er.“
„Der deutsche Spezialist der (...) Reiseschriftsteller ist Andreas Altmann.“
„Das Buch ist ein Appell, aufzubrechen und eigene Abenteuer zu erleben, ein hinreißendes Plädoyer für Freundlichkeit, Neugierde, Achtsamkeit, Chuzpe, Herzensbildung, Eleganz.“
„Ein Schatzkistchen voller "magischer Momente" (...)“
„Voller Leidenschaft für das Reisen, die Sprache und das Zwischenmenschliche liefert Altmann eine Gebrauchsanweisung für Leben.“
„Ein Hymne auf das Unterwegssein. Für alle, die auch mit dem Reise-Virus infiziert sind.“
„Von der ersten bis zur letzten Seite fesselt Altmann mit seiner Liebeserklärung an die Welt und das Reisen (...) Ein Buch zum Schmunzeln, Nachdenken und immer wieder lesen!“
„Wer gern reist, wird an diesem wundervollen Buch seine helle Freude haben, an dem feinen Humor des Schreibers, der auch vor sich selbst nicht halt macht, an den vielen Anekdoten und an der Reisesehnsucht, die sich beim Lesen unweigerlich einstellt.“
„Zauber und Härten fremder Länder zusammen mit dem unbeugsamen Willen, unterwegs zu sein.“
„Ein Buch mit ungeheurer Ansteckungskraft und Reisefieber garantiert.“
„Ein Leidenschafts-Lehrbuch für die Reise durchs Leben.“
„Eine humorvolle Aufforderung, sich ins Flugzeug zu setzen und die Erde zu erkunden.“
„Eine sprachgewaltige, furiose Hymne auf das Unterwegssein. Seite für Seite entsteht ein mitreißendes Loblied aufs Reisen, das Lust macht, sich den Rucksack zu schnappen und sich aufzumachen.“
„(...) die Bibel für jeden Reisenden, Traveller oder Touristen.“
„Altmann pamphletet hinreißend wider Stuben- und Bürohocker, hoteleigene Pools, Dummheit und Anmaßung - und für grenzelose Neugier und Freundlichkeit.“
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