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Gebrauchsanweisung für Irland Gebrauchsanweisung für Irland - eBook-Ausgabe

Ralf Sotscheck
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— Aktualisierte Neuausgabe 2024. Viel mehr als ein Reiseführer: Irland-Insider Ralf Sotscheck zeigt den wahren Charakter der grünen Insel
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Gebrauchsanweisung für Irland — Inhalt

Europas grüne Insel

Banshees, Bier und Bingohallen: Die Grüne Insel ist womöglich das Land, das die meisten Klischees pro Quadratmeter auf sich vereint. Irland-Kenner Ralf Sotscheck zeigt den wahren Charakter seiner Wahlheimat, deren Nationalgetränk weder Guinness noch Whiskey ist. Er erklärt, was man in Irland unter einer Hitzewelle versteht und weshalb Sie jede Einladung im Pub mit einer Gegeneinladung beantworten sollten. Er weiß, welche Landschaft den „Chroniken von Narnia“ als Inspiration diente. Erzählt von den boomenden Städten Dublin und Belfast. Von den letzten Hochmooren Europas und den ältesten Ballspielen der Welt. Vom unerschütterlichen irischen Optimismus und der Gabe, selbst einen eintönigen Flug in ein Fest zu verwandeln.

„Mit viel Insiderwissen und lockerer Feder geschrieben.“ Abendzeitung

€ 16,00 [D], € 16,50 [A]
Erschienen am 01.08.2024
240 Seiten, Flexocover mit Klappen
EAN 978-3-492-27785-3
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€ 13,99 [D], € 13,99 [A]
Erschienen am 01.08.2024
224 Seiten
EAN 978-3-492-60817-6
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Leseprobe zu „Gebrauchsanweisung für Irland“

Drei Lügen über Irland
Es gibt drei große Lügen in Irland, so behaupten jedenfalls die Einheimischen – und die müssen es ja wissen. Erstens: „Das ist wirklich das letzte Bier für heute.“ Zweitens: „Der Scheck ist bereits unterwegs.“ Und drittens: „Wir treffen uns um halb neun.“ Die Iren drücken damit selbstironisch aus, dass sie alkoholischen Getränken nicht abgeneigt sind, gerne ein wenig flunkern und grundsätzlich zu spät kommen. Mit diesem Wissen könnten Sie sich schon getrost auf den Weg nach Irland machen.
Allein, in Klischees steckt meistens nur die [...]

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Drei Lügen über Irland
Es gibt drei große Lügen in Irland, so behaupten jedenfalls die Einheimischen – und die müssen es ja wissen. Erstens: „Das ist wirklich das letzte Bier für heute.“ Zweitens: „Der Scheck ist bereits unterwegs.“ Und drittens: „Wir treffen uns um halb neun.“ Die Iren drücken damit selbstironisch aus, dass sie alkoholischen Getränken nicht abgeneigt sind, gerne ein wenig flunkern und grundsätzlich zu spät kommen. Mit diesem Wissen könnten Sie sich schon getrost auf den Weg nach Irland machen.
Allein, in Klischees steckt meistens nur die halbe Wahrheit. Zwar ist die „Grüne Insel“ übersät mit Kneipen, die ein Netz sozialer Knotenpunkte bilden, doch das Netz wird dünner: Seit 2005 haben rund 2000 Pubs dichtgemacht. Und es gibt eine Viertelmillion Abstinenzler, sodass die Iren im Alkoholverbrauch längst nicht an der Spitze in Europa liegen. Auch zögern die Iren die Bezahlung von Rechnungen gerne bis zur letzten Sekunde – und manchmal noch länger – hinaus, bei telefonischer Mahnung beruhigt man jedoch den Gläubiger, um ihm nicht den Tag zu verderben; er erfährt ja früh genug, dass es mit dem Scheck wieder nicht geklappt hat – was man zur Not dann immer noch auf die Post schieben kann. Und schließlich sind die Iren bei Verabredungen nur selten pünktlich, aber man verabredet sich im Pub, damit es dem Wartenden nicht langweilig wird. Womit wir wieder bei der ersten Lüge wären.
Vielleicht liegt es ja an einem Missverständnis, wenn Sie glauben, man habe Sie versetzt. Wenn Iren half four sagen, so ist damit half past four gemeint – also halb fünf. Sie können dann ab fünf mit der Person rechnen, mit der Sie verabredet sind. Ein spanischer Tourist fragte einmal einen Iren, ob es in Irland ein ähnlich dehnbares Zeitverständnis gebe wie das spanische mañana. „Um Himmels willen“, antwortete der Ire entsetzt. „So etwas Dringliches gibt es bei uns nicht.“
Es mag an der agrarischen Struktur und der späten Industrialisierung liegen, dass die Iren immer Zeit für eine Tasse Tee und ein Schwätzchen haben. In Dublin und den anderen Großstädten Cork, Limerick, Dun Laoghaire, Galway und Waterford hat sich ein mitteleuropäischer Zeitbegriff breitgemacht – allerdings nicht zulasten des Small Talks im Pub. Es gibt ja genügend Leute, über die man reden kann. Kämen Sie als Berliner auf die Idee herauszufinden, ob Sie gemeinsame Bekannte haben, wenn Sie einen anderen Berliner kennenlernen? Obwohl in der Republik Irland fünf Millionen Menschen leben, forschen zwei Iren, die sich irgendwo in der Welt begegnen, sogleich nach Berührungspunkten – fast immer mit Erfolg. Zumindest kennt man den Nachbarn des Klempners, der bei der Tante des Gesprächspartners den Rohrbruch beseitigt oder gar verursacht hat. Und wenn nicht, lässt sich über Politiker und andere „Stars“ reden.
Die Ehrfurcht vor großen Namen ist in Irland völlig unterentwickelt. Schließlich ist die Insel so klein, dass man den Finanzminister im Pub, den Nachrichtensprecher beim Friseur und den Rockstar im Supermarkt treffen kann. Niemand findet das ungewöhnlich oder käme gar auf die Idee, einen Prominenten mit übertriebener Aufmerksamkeit zu belästigen. Vermutlich haben sich deshalb eine ganze Reihe internationaler Rock- und Filmstars einen Wohnsitz in Irland zugelegt: Jeremy Irons, Marianne Faithful, Mick Jagger, Steve Winwood, Tom Cruise, Nicole Kidman, Harrison Ford, Anjelica Huston, Julia Roberts und Kevin Costner, um nur einige zu nennen.
Diese Leute haben freilich den Vorteil, dass sie jederzeit in ein Flugzeug springen können, wenn sie dem irischen Wetter entfliehen wollen. Der häufige Regen hat die Insel vor Massentourismus und Hotelhochhäusern bewahrt. „Im vergangenen Jahr fiel der Sommer auf einen Montag“, erklärte mein Nachbar einem sonnenhungrigen Touristen. Ein Sprichwort besagt, dass die Iren zwei Tage im Jahr besonders genießen: Weihnachten und den Sommer. Auch das ist natürlich nur ein Vorurteil, Generationen von Urlaubern sind aus Irland sonnengebräunt nach Hause zurückgekehrt – es ist reine Glückssache. Und räumen wir gleich noch mit einem anderen Klischee auf: Nicht alle irischstämmigen Menschen haben rote Haare und Sommersprossen, wie die Titelbilder vieler Reiseführer vorgaukeln. Gerade vier Prozent der Iren sind rothaarig. Wie viel Prozent Sommersprossen haben, ist mir nicht bekannt.
Die Iren seien das glücklichste Volk Europas, verkündet ein Heftchen für Touristen, weil der Sinn des Lebens für sie darin bestehe, sich einen guten Platz für das Leben nach dem Tod zu sichern. Ganz so religiös geht es freilich nicht einmal in Irland zu: Im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs, der Anfang der 1990er-Jahre einsetzte und 2008 vorübergehend zu Ende ging, sind manche Iren zu Reichtum gekommen. Aber viele blieben auf der Strecke, die Schere zwischen Arm und Reich ist größer, das soziale Klima vor allem in den Großstädten ist rauer geworden.
In diesem Buch geht es darum, ein paar Vorurteile über die Grüne Insel zu korrigieren. Es ist kein traditioneller Reiseführer, der die Sehenswürdigkeiten akribisch auflistet. Das Buch will Ihnen vielmehr ein paar Hinweise geben, die Ihnen den – zugegebenermaßen nicht besonders komplizierten – Umgang mit den Iren erleichtern und dabei helfen sollen, Missverständnisse zu vermeiden.
Es ist übrigens wahr, dass die Iren überaus freundlich sind. „Ein Fremder ist ein Freund, dem man bisher noch nicht begegnet ist“, lautet ein weiteres irisches Sprichwort. Jakob Venedey, eine Leitfigur der deutschen Linken im 19. Jahrhundert, fand den Beweis für dieses Sprichwort, als er Irland 1843 bereiste. Seine Begeisterung für die Insel möge als Leitsatz für dieses Buch gelten: „Ich glaube nicht, dass es ein gastfreundlicheres Volk als die Irländer in der Welt gibt; ich habe keine Idee, wie man überhaupt gastfreundlicher sein könnte, als ich sie gefunden habe. Ich möchte es von den Dächern ausrufen: Kommt nach Irland, ihr Alle, die ihr ein gesundes Herz habt, das von den Schlägen des Geschickes wund ward; kommt her, hier könnt ihr es pflegen und heilen. Und sanfte Frauen, keusch und rein genug, um nicht von dem Händedrucke des Mannes zurückzubeben, werden euch pflegen und euch helfen, vergangenes Unglück im trauten Kreis guter Menschen zu vergessen.“


Vierzig verschiedene Grüntöne
Wenn Sie kurz vor Weihnachten oder vor dem Nationalfeiertag, dem „St. Patrick’s Day“, nach Irland reisen, lernen Sie schon unterwegs die irische Gabe kennen, einen langweiligen Flug oder eine eintönige Schiffspassage in ein Fest zu verwandeln. Viele Emigranten begehen die Festtage in der Heimat und beginnen die Feier schon bei der Anreise. Ich habe auf einem Flug nach Dublin drei Tage vor Weihnachten erlebt, dass sich die Stewardessen von der Atmosphäre anstecken ließen und die Schnaps- und Biergläser immer wieder auffüllten, kaum dass sie leer waren. Stand die Fluglinie Aer Lingus vielleicht deshalb vorübergehend vor dem Bankrott? Beim Landeanflug auf Dublin sangen jedenfalls alle irgendwelche Schlager, und während leere Bierdosen den Gang entlangrollten und sich niemand um das Rauchverbot kümmerte, erzählte eine alte Dame im Tweedkostüm schmutzige Witze, die einem Bierkutscher zur Ehre gereicht hätten. Normalerweise geht es freilich auch in irischen Flugzeugen gesitteter zu.
In Irland angekommen, befinden Sie sich zwischen 51° 05’ und 55° 23’ nördlicher Breite und 5° 30’ und 10° 30’ westlicher Länge. Die Insel ist 84 400 Quadratkilometer groß. Davon entfallen 83 Prozent auf die Republik Irland, der Rest auf Nordirland. Die Bevölkerungsdichte liegt in Südirland bei knapp 75 Einwohnern pro Quadratkilometer, im Norden ist sie fast doppelt so hoch. Es gibt vier historische Provinzen: Ulster im Norden, Leinster im Osten, Munster im Süden und Connaught im Westen. Die Provinzen sind in insgesamt 32 Grafschaften unterteilt. Nordirland umfasst sechs der neun Grafschaften Ulsters, zur Republik gehören die restlichen 26 Grafschaften. Kein Ort der Insel ist mehr als hundert Kilometer vom Meer entfernt. So weit die Statistik.
Nehmen wir der Einfachheit halber an, Sie reisen per Flugzeug und landen in Dublin. Aus der Luft erkennen Sie die weite Bucht, an der die irische Hauptstadt liegt, sowie nördlich und südlich davon die grünen Wiesen und Weiden. Die irische Landschaft weist vierzig verschiedene Grüntöne auf, heißt es.
Beim Verlassen der Gepäckhalle haben Sie die Wahl zwischen der blauen Tür für Reisende aus der EU und der grünen Tür für Bürger anderer Staaten, die nichts zu verzollen haben. Der Unterschied ist eher symbolisch: Beide Türen führen in den Raum, in dem das Gepäck in Ausnahmefällen kontrolliert wird. Seit der zollfreie Einkauf bei Reisen innerhalb der Europäischen Union am 1. Juli 1999 abgeschafft wurde, lohnt es sich nicht mehr, Schnaps und Zigaretten am Flughafen einzukaufen. Sollten Sie jedoch die großzügige Freimenge für im Ausland verzollte Waren überschritten haben, müssen Sie durch die rote Tür gehen. Sie werden vermutlich erhebliches Aufsehen erregen, weil sich dort nur selten jemand blicken lässt.
Wenn Sie Ihren Hund, Ihre Katze oder Ihren Goldhamster aus einem anderen EU-Land oder aus der Schweiz in die Republik Irland mitbringen, muss Ihr Haustier einen Mikrochip, eine gültige Tollwutimpfung und ein EU-Gesundheitszeugnis haben. Ihr Hund muss darüber hinaus vor jedem Besuch gegen Bandwürmer behandelt worden sein. Für Nordirland gelten ebenfalls die EU-Vorschriften.
Wer versucht, seinen Dackel heimlich ins Land zu bringen, muss damit rechnen, dass Waldi beschlagnahmt und eingeschläfert wird.
Nun sind Sie also in der irischen Hauptstadt, die auf Gälisch Baile Atha Cliath heißt – die „Stadt an der Hürdenfurt“. Übrigens stammt auch der anglisierte Name aus dem Gälischen: Duibh-linn bedeutet „schwarzer Pfuhl“. Dublin sei nicht Irland, monieren viele Anhänger der Grünen Insel. Das finde man ausschließlich auf dem Land. Immerhin lebt aber fast ein Drittel der südirischen Bevölkerung im Großraum Dublin.
Der Schriftsteller James Joyce schrieb über die Bewohner seiner Heimatstadt, sie seien „die hoffnungsloseste, nutzloseste und widerspruchsvollste Rasse von Scharlatanen, der ich je auf der Insel oder dem Kontinent begegnet bin. Der Dubliner verbringt seine Zeit mit Schwatzen und Rundgängen durch die Bars, Schenken und Spelunken, ohne je seine doppelten Quantitäten von Whiskey oder Home Rule satt zu kriegen, und nachts, wenn nichts mehr reingeht und er mit Gift angefüllt ist wie eine Kröte, stolpert er aus einem Nebenausgang und geht, geleitet vom instinktiven Wunsch nach Standhaftigkeit, der geraden Häuserfront entlang und schrubbt seinen Rücken an allen Mauern und Ecken.“
Sein Urteil über die Stadt, das ähnlich harsch ausgefallen war, revidierte Joyce jedoch später und schrieb, er sei Dublins „Schönheit nicht gerecht geworden, denn sie ist an Natur schöner, als was ich von England, der Schweiz, Frankreich, Italien oder Österreich gesehen habe“. Manche behaupten gar, dass Dublin gar keine Weltstadt sei, sondern ein überdimensionales Dorf.
Politisch spielt Dublin in Europa nur eine untergeordnete Rolle, es beherbergt lediglich eine einzige Einrichtung der Europäischen Union: die „Stiftung für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen“; als Finanzzentrum kann die Stadt weder mit London noch mit Frankfurt mithalten; und selbst das geistliche Zentrum Irlands ist nicht Dublin, sondern Armagh in Nordirland. Doch in seiner kulturellen Bedeutung muss sich Dublin vor keiner anderen Metropole in Europa verstecken. Die irische Hauptstadt ist reich an Museen und Galerien, an Kirchen und Sportstätten, an Sehenswürdigkeiten, Einkaufsgelegenheiten und Konzertsälen, an Kinos, Theatern und an Pubs. Mit seinem Monumentalroman Ulysses hat Joyce Dublin ein literarisches Denkmal gesetzt, wie es keine andere Stadt für sich beanspruchen kann.
Der Fluss Liffey teilt Dublin in zwei ungleiche Hälften: den ärmeren Norden mit vielen schäbigen Wohnvierteln und den vornehmeren Süden mit einigen Glanzlichtern georgianischer Architektur. Die Liffey selbst ist erst Anfang des 21. Jahrhunderts aus ihrem Schattendasein herausgetreten, es wurden Uferpromenaden gebaut, und am Nationalfeiertag wird ein großes Feuerwerk auf dem Fluss abgebrannt. 1920 hatte der Schriftsteller Oliver St. John Gogarty moniert: „Keine Stadt vernachlässigt ihren Fluss so sehr wie Dublin. Von Butt Bridge bis Lucan schwimmt kein einziges Ausflugsboot auf der Liffey. Befänden sich die Stadt und der Fluss in England, gäbe es Gärten am Wasser und Bootshäuser und Menschen, die sich an und auf dem Wasser ergötzten.“ Der in Dublin geborene Journalist Stan Gebler Davies äußerte siebzig Jahre später: „Dublin ist eine arrogante Stadt. Egozentrisch und selbstsüchtig. Sie hat das meiste dessen, was sie auszeichnet, zerstört und verschlingt gierig die Ressourcen des Landes. Sie baut und unterhält vorstädtische Arbeiterslums, die Leipzig oder Magdeburg beschämen würden. Die Kriminalität in einigen Wohnvierteln überfordert die Polizei. Die Liffey stinkt. Ich liebe diese Stadt.“
Irland ist kein billiges Urlaubsland. Das merken Sie spätestens dann, wenn Sie ein Hotelzimmer buchen. Zu den erschwinglicheren Übernachtungsmöglichkeiten zählen Zimmer mit Frühstück (Bed & Breakfast), die Sie am „B & B“-Schild erkennen. Immer mehr Einheimische vermieten Zimmer oder Häuser über Airbnb. Wer auf Komfort wenig Wert legt, kommt in einer Jugendherberge oder einer unabhängigen Herberge ohne Altersbeschränkung gut unter. Auskünfte geben die Fremdenverkehrsämter; dort erhalten Sie auch ein Buch, in dem sämtliche Unterkünfte aller Preisklassen aufgelistet sind. Besonders in der Hochsaison empfiehlt es sich, zumindest für den Aufenthalt in Dublin schon vom Heimatland aus zu buchen. Besorgen Sie sich am besten gleich einen Adapter für Ihr Ladekabel oder Ihren Haartrockner: Irische Steckdosen haben drei Buchsen, die im Dreieck angeordnet sind. Die Adapter gibt es in jedem Haushaltswarengeschäft.
Von Dublin aus führen sieben breite Hauptstraßen fächerförmig ins Land hinein. Irland sieht aus wie eine Schüssel, oder wissenschaftlicher ausgedrückt: „Die Insel besteht aus einer großen zentralen Kalksteintiefebene mit einem Hügelrelief, die von einer nicht geschlossenen Bergkette entlang den Küsten von unterschiedlicher geologischer Struktur eingeschlossen ist“, wie es in der amtlichen Broschüre heißt.
Irland hat mindestens zwei große Eiszeiten erlebt. Abgeschliffene Felsen, Bergseen, Stichtäler und Ablagerungen aus Sand, Kies und Ton zeugen von den Eismassen, die einst die ganze Insel überzogen haben. Die Trennung Irlands vom Festland geschah nach der letzten Eiszeit, in der viele urzeitliche Pflanzen und Tiere ausstarben, sodass die Insel heute weit weniger Arten aufweist als andere Länder Europas. Davon ausgenommen sind Fuchsien, Rhododendren – und Hunde: Es gibt sieben irische Hundezüchtungen, von denen der riesige Wolfshund wohl die bekannteste ist. 27 Prozent der irischen Haushalte haben einen Hund. Irland liegt damit im europäischen Mittelfeld.
Auffällig ist der geringe Baumbestand. Früher konnte laut Volksmund ein Eichhörnchen von Belfast nach Cork gelangen, ohne den Boden zu berühren. Doch über die Jahrhunderte wurden die Wälder dezimiert, und es waren nicht nur die englischen Besatzer, die Holz für ihre Armada brauchten. Der Tiefpunkt war 1928 erreicht, als nur noch 1,2 Prozent des Landes bewaldet waren.
In den 1990er-Jahren stellten die irische Regierung und die EU Fördergelder zur Verfügung, damit die Bauern Bäume pflanzten. Das trug dazu bei, dass der Anteil bewaldeter Fläche wieder zugenommen hat. Heute sind es elf Prozent, der zweitniedrigste Waldbestand in der Europäischen Union. Fast drei Viertel von Irlands Wäldern sind keine vierzig Jahre alt.
Zur Jahrtausendwende hatte die irische Regierung 1,2 Millionen Bäume spendiert – einen für jeden Haushalt. Man bekam eine Urkunde und einen Lageplan, auf dem der „eigene“ Baum markiert war. Das Projekt mit dem protzigen Titel „Jahrtausendforst des Volkes“ kostete fünf Millionen Pfund, es gab Informationsveranstaltungen, Filme und Unterrichtseinheiten für Schulen.
Bis 2040 sollen 440 Millionen Bäume gepflanzt werden, um CO2 zu binden. Bisher stehen in Irland vor allem Nadelbäume. Die nicht heimische Sitka-Fichte macht 51 Prozent des Bestands aus, weil sie auch auf schlechtem Boden wächst, der für die Landwirtschaft nutzlos ist.
Noch ist der Baumbestand gering, aber dafür gibt es viele Steinmauern. Sie umgeben große Landhäuser und kleine Parks, sie begrenzen Felder, Friedhöfe, Wiesen, sie sichern Botschaften, Sportplätze und öffentliche Gebäude. Irland ist ein Land der Mauern. Man gewöhnt sich dran.
Jeder Landesteil hat seine eigenen Reize – seien es die eher kargen Granitberge von Galway, Mayo und Donegal im Westen und Nordwesten oder die zahllosen Inseln wie Achill Island, wo Heinrich Böll eine ganze Reihe seiner Werke verfasst hat, sei es die Grafschaft Kerry im Südwesten, in der dank des Golfstroms sogar Palmen wachsen, oder das Amorikanische Bergland im Süden, das den 1040 Meter hohen Carrauntoohil, den höchsten Berg Irlands, besitzt, oder auch die Wicklow-Berge im Südosten mit ihren zahlreichen Hochmooren. Selbst die zentrale Tiefebene, das landwirtschaftliche Kerngebiet, in das sich wenige Touristen verirren, ist nicht nur für Radfahrer interessant.
Bei Einwanderern sind die Grafschaften Donegal, Clare, Mayo, Kerry und Cork am beliebtesten. Aus der Statistik der Landkommission geht hervor, dass jedes Jahr rund 6000 Hektar Land in ausländischen Besitz übergehen. Die tatsächliche Zahl liegt vermutlich weitaus höher: Die Landkommission registriert lediglich Immobilientransaktionen von mindestens zwei Hektar.
An der Spitze der Liste ausländischer Käufer liegen die Briten, gefolgt von US-Amerikanern und Deutschen. In Deutschland ist die Zahl der Kleinanzeigen für irische Immobilien seit Anfang der Neunzigerjahre um zehn bis 15 Prozent gestiegen.
Der Haus- oder Landkauf ist problemlos: Der Rechtsanwalt, den Sie einschalten müssen, nimmt Ihnen die Formalitäten ab. Da die Iren – vor allem in den besonders beliebten Grafschaften, wo die Einheimischen an Einwanderer gewöhnt sind – verträgliche Nachbarn sind, werden Sie keine Schwierigkeiten bekommen, solange Sie Ihr Grundstück nicht mit einem elektrischen Zaun sichern und den Zugang zum See nicht versperren. In diesem Fall würde es Ihnen ergehen wie jenem Captain Boycott, dessen Name in den Sprachgebrauch eingegangen ist: Boycott war ein rücksichtsloser Gutsverwalter in Mayo, der von seiner gesamten Nachbarschaft geächtet und 1880 schließlich verjagt wurde.
Erlebnishungrige können im Sommer von Festival zu Festival ziehen. Es gibt eine Fülle von kulturellen, sportlichen und gesellschaftlichen Veranstaltungen, die Touristen und Einheimische gleichermaßen anlocken – nicht zuletzt deshalb, weil die Pubs dann länger geöffnet sind. Für manche Orte ist ein gut besuchtes Festival überlebenswichtig, denn die Hotels, Pensionen, Restaurants und Kneipen müssen ein ganzes Jahr lang davon zehren.
Heute hat selbst die kleinste Ortschaft ihr Festival, wobei der Anlass oft nur eine untergeordnete Rolle spielt. So gibt es die Pferderennen von Listowel, das Theaterfestival von Dublin, den Heiratsmarkt von Lisdoonvarna, den gesamtirischen Musikwettbewerb „Fleadh Cheoil“ mit jährlich wechselndem Veranstaltungsort, das Opernfestival von Wexford, die Willie-Clancy-Sommerschule von Milltown Malbay, die Wahl der Schönheitskönigin „Rose of Tralee“, die sogar im US-amerikanischen Fernsehen übertragen wird, oder das Austernfestival von Galway – inklusive der Wahl einer zweibeinigen weiblichen „Austernperle“ und der amüsanten Weltmeisterschaft im Austernöffnen. Dabei kommt es ebenso auf Geschwindigkeit wie auf Präsentation an: Wer die Austern einfach auf den Teller knallt, wird mit Punktabzügen bestraft, während es für eine besonders appetitliche Darreichungsform Pluspunkte gibt.
Das wichtigste Ereignis im bäuerlichen Kalender sind die Nationalen Meisterschaften im Pflügen. Es geht natürlich um mehr, als hinter einem Ackergaul herzulaufen und eine möglichst gerade Furche in den Boden zu ziehen. Die Meisterschaften, die bis zu 100 000 Zuschauer anlocken und sich über sieben Tage hinziehen, sind in unzählige Klassen eingeteilt: Dreiviertelstoppel-Einfachfurchen, Halbstoppel-Doppelfurchen und so weiter. Dazu kommt die Unterteilung in Altersgruppen vom Junior bis zum Greis. Gefragt ist der Einklang zwischen Pflug, Pferd und Mann.
Für Frauen gibt es einen gesonderten Wettbewerb. Die „Nationale Pflug-Vereinigung“ nennt pflügende Frauen „Farmeretten“, was ihr den Vorwurf des Sexismus eingebracht hat. Die Direktorin der Pflug-Vereinigung, Anna McHugh, wies die Kritik weit von sich: „Das ist ein wunderschöner Name, den wir schon seit den Fünfzigerjahren führen und keinesfalls ändern werden“, sagte sie. „Hinter der Siegerin sind alle ledigen Bauern her, und sie kann sich den größten Hof aussuchen.“
Auch Nordirland hat seine Festivals, allen voran das Belfaster Kulturfest im November. Lassen Sie sich durch die blutige Geschichte keinesfalls davon abschrecken, Nordirland in Ihre Reise mit einzubeziehen – zumal der politische Konflikt seit Frühjahr 2007 mehr oder weniger beigelegt ist. Die nordirische Hauptstadt Belfast hat eine weit niedrigere Kriminalitätsrate als andere Städte vergleichbarer Größe. Von dem Konflikt ist kaum noch etwas zu spüren. Sie sollten dennoch nicht gerade in einem protestantischen Viertel eine flammende Rede für ein vereinigtes Irland halten oder im katholischen West-Belfast lautstark die Errungenschaften der britischen Demokratie preisen. Am besten halten Sie sich mit politischen Äußerungen oder guten Ratschlägen für eine Lösung des Konflikts zurück.
Auf seine Ursachen einzugehen, würde hier zu weit führen, doch ein mittelalterlicher Religionskrieg war es nie, auch wenn das im Ausland häufig so dargestellt wurde. Die konfessionelle Zugehörigkeit ist der Ausdruck des Konflikts, dessen Wurzeln bis zur Eroberung Irlands und den daraus resultierenden Gegensätzen zwischen Einheimischen und Siedlern zurückreichen und der sich mit der Teilung der Insel 1922 verschärfte. Seitdem genoss die künstliche protestantische Mehrheit in Nordirland eine privilegierte Stellung, die auf Diskriminierung der katholischen Minderheit und Absicherung durch die britische Regierung basierte.
So weit die stark vereinfachte Erklärung für einen Konflikt, über den so viele Bücher geschrieben wurden, dass sich ganze Bibliotheken damit füllen ließen.
Falls Sie in Nordirland mit dem Auto unterwegs sind, wird Ihnen als Erstes der bessere Straßenzustand auffallen. Die Hinweisschilder sind einsprachig englisch, und die zweitgrößte nordirische Stadt Derry heißt plötzlich Londonderry. Ob man „Derry“ sagt oder den Kolonialnamen benutzt, ist für Nordiren eine politische Entscheidung.
Zwar liegt die Zahl der Touristen inzwischen bei über fünf Millionen im Jahr, aber vom Massentourismus ist Nordirland noch etwas entfernt. So ist selbst die landschaftlich reizvolle Küstenstraße der Grafschaft Antrim – sie führt von Belfast zum „Giant’s Causeway“ – mit ihren zahlreichen Stichtälern nicht sehr stark befahren.
Der Giant’s Causeway besteht aus 40 000 vieleckigen Basaltsäulen und ist eine der berühmtesten Naturerscheinungen der Welt. Angeblich ist er das Werk vulkanischer Eruptionen. Viel einleuchtender ist jedoch die Erklärung, dass er bei der überstürzten Flucht des Riesen Fionn Gall nach Schottland entstanden ist. Fionn Gall war nach Antrim gekommen, um den einheimischen Riesen Fionn MacCumhaill herauszufordern. Der verkroch sich in einer Kinderwiege und harrte ängstlich der Ankunft Fionn Galls. Als dieser erschien, erklärte ihm MacCumhaills Frau Una scheinheilig, ihr Mann sei nicht zu Hause – nur sein kleiner Sohn liege dort in der Wiege. Una fragte Fionn Gall, ob er vielleicht warten und etwas essen wolle. Der schottische Gigant nahm einen Pfannkuchen und biss sich auf der Stelle zwei Zähne aus, weil Una ein paar Backbleche in den Pfannkuchen eingebacken hatte. Sie fragte ihren Gast, ob er sich nicht zu viel zugemutet habe, gegen ihren Mann anzutreten, wenn er nicht mal die Pfannkuchen vertrage, die ihr Sohn regelmäßig esse. Mit diesen Worten reichte sie einen Pfannkuchen in die Wiege – natürlich ohne Backbleche. Aber er könne doch wenigstens Saft aus einem Stein pressen, meinte Una zu Fionn Gall. Er konnte es nicht, dafür aber MacCumhaills Sohn, der allerdings einen frischen Cheddar-Käse verwendete. Als Fionn Gall das sah, ergriff er die Flucht und brachte die Küstenlandschaft durcheinander. So entstand der Giant’s Causeway.
Wenn Ihnen auf Ihrer Fahrt über die Grüne Insel unterwegs bunte, hölzerne Wagen begegnen, die von Pferden gezogen werden, dann sind Sie nicht auf eine folkloristische Sehenswürdigkeit gestoßen, sondern auf einen ausländischen Touristen, der sich einen solchen Pferdewagen gemietet hat. Die Travellers, die diese Fortbewegungsmittel früher benutzt haben, sind längst auf blecherne Wohnwagen umgestiegen.
Travellers nennen sich die Fahrenden Irlands seit einigen Jahren; früher hießen sie Tinker, die lautmalende Bezeichnung für einen metallverarbeitenden Hammer. Doch dieser Name hatte in der Bevölkerung einen negativen Beigeschmack bekommen.
Bereits in vorchristlicher Zeit reisten Schmiede durch Irland, die Bronze und Zinn verarbeiteten. Im Lauf der Zeit haben die Fahrenden eine eigene Sprache, das Shelta oder Cant, entwickelt. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Travellers integraler Bestandteil des wirtschaftlichen Gefüges und zogen als Kesselflicker, Weber, Schneider, Pferdehändler, Musiker und Geschichtenerzähler durch das Land. Doch mit der Einführung von Maschinen, Plastikwaren und Fertigtextilien waren ihre Dienste nicht mehr gefragt. Die Fahrenden wichen in die Städte aus, wo sie sich neue Berufschancen erhofften. Dort konkurrierten sie jedoch mit den Sesshaften. Seitdem sind die Rastplätze der Fahrenden zu Konfliktherden geworden, nicht selten werden die Wohnwagen abgefackelt, während die Polizei tatenlos zusieht. Die 33 000 Fahrenden in Irland sind ständig von Vertreibung bedroht.
Die Lebensbedingungen der Travellers sind schlechter als die der ärmsten Schichten der sesshaften Bevölkerung. Ihre Lebenserwartung liegt bei 65 Jahren, das sind 13 Jahre weniger als im Landesdurchschnitt. Die Familien sind doppelt so groß, und die Kindersterblichkeit ist dreimal so hoch. Unterernährung und Mangelerscheinungen sind weit verbreitet. Und die Diskriminierung verschärft sich. Zu vielen Kneipen, Restaurants, Supermärkten oder Waschsalons haben Travellers keinen Zutritt. In den Schulen werden ihre Kinder in gesonderten Klassen unterrichtet. Drei Viertel der Bevölkerung würden kein Haus in der Nähe eines Rastplatzes kaufen.
Als sich die irische Regierung in den 1960er-Jahren zum ersten Mal offiziell mit dieser Bevölkerungsgruppe beschäftigte, richtete sie weiteren Schaden an: Die Fahrenden wurden mit dem Begriff Itinerants, Nichtsesshafte, belegt und wie Bettler und Diebe eingestuft. Ihre eigenständige Kultur und ihr Lebensstil fanden keine Berücksichtigung. Die Regierungskommission meinte, das Problem sei zu lösen, indem man sie „absorbiere und integriere“, das heißt, sie sesshaft mache. Erst seit den Achtzigerjahren gelingt es den Fahrenden, sich etwas mehr Gehör zu verschaffen. Sie sind inzwischen der internationalen Sinti- und Roma-Vereinigung beigetreten, obwohl sie Iren sind. Die Vorfahren vieler Traveller-Familien sind in Hungerzeiten von Haus und Hof vertrieben worden, nachdem sie die Pacht nicht mehr hatten zahlen können.
Heute ist diese Randgruppe in Sesshafte und Nomaden zersplittert, ihr Selbstbewusstsein ist schwach, Teile ihrer Kultur sind verschwunden, aber die Vorurteile der Bevölkerung und der Behörden sind ungebrochen. Viele Fahrende haben sich aufs Betteln verlegt, wobei sie – vor allem Touristen gegenüber – recht aufdringlich sein können. Die Iren winken meist ab und behaupten, dass es diesen Leuten in Wirklichkeit prächtig gehe – zur Beruhigung des eigenen Gewissens. Wenn Sie ein paar Cent übrig haben, werfen Sie sie in einen der Schuhkartons, mit denen die rotznasigen und auch im Winter nur dürftig bekleideten Kinder der Fahrenden in den Innenstädten lauern.

Ralf Sotscheck

Über Ralf Sotscheck

Biografie

Ralf Sotscheck, 1954 in Berlin geboren, ist seit über vierzig Jahren mit einer Irin verheiratet und lebt seit 1985 als Korrespondent der „taz“ für Irland und Großbritannien in Dublin. Er schreibt außerdem für namhafte Zeitschriften, dreht Dokumentarfilme fürs deutsche Fernsehen und veröffentlichte...

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