Geisterschiffe
Eine Reise zu den Wracks der Ostsee
— Gewaltiger Bildband mit spektakulären Fotos„Wer beim nächsten Rügen oder Hiddensee-Urlaub auf die lieblich dahinplätschernde See und Strandglück blickt, weiß nach Betrachtung und Lektüre dieses Buches, dass unterhalb der Oberfläche tragische Unglücke und vergessene Katastrophen in, wie es die Autoren nennen, ›magischen Zeitkapseln‹ wesen.“ - Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
Geisterschiffe — Inhalt
Eine Zeitreise auf den Grund der Ostsee
Dieser Bildband mit atemberaubenden großformatigen Fotos eröffnet uns eine Welt, die bisher nur wenigen Menschen zugänglich war.
Die Ostsee birgt fast 100.000 Wracks und viele von ihnen sind erstaunlich gut erhalten. Das kalte Wasser und die fehlende Schiffsbohrmuschel haben die Schiffe so gut konserviert wie sonst nirgendwo auf der Welt, was die Ostsee zu einer wahren Schatztruhe für Taucher, Archäologen und Historiker macht.
Eine Zeitreise auf den Grund der Ostsee
In grün schimmernden Tiefen ragen plötzlich die Überreste auf von Frachtern, Dampfern, U-Booten und Kriegsschiffen aus allen Epochen, vom 16. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg. An Bord scheint die Zeit stillzustehen, als hätte die Crew das Schiff gerade erst verlassen. Wie Zeitkapseln zeugen die Wracks von längst vergangenen Welten und erzeugen eine gespenstische Mischung aus unheimlicher Schönheit und eindringlicher Erinnerung.
Nach großem Erfolg in Schweden und England jetzt erstmals auf Deutsch!
Leseprobe zu „Geisterschiffe“
VORWORT
Die Ostsee bietet die besten Tauchvoraussetzungen der Welt. Dort lassen sich Tausende unberührte und intakte Wracks aus allen möglichen Epochen finden. Natürlich ist es eine Herausforderung, sie zu besuchen, denn sie liegen tief, es ist kalt und dunkel, und zu den meisten Wrackstellen muss man weit aufs Meer hinausfahren. Mit diesem Buch möchten wir – die Taucher und Fotografen – Sie, liebe Leserinnen und Leser, auf diese faszinierenden Ausflüge mitnehmen und Ihnen vermitteln, was wir empfinden, wenn wir ein Wrack besuchen. Wie hält man ein [...]
VORWORT
Die Ostsee bietet die besten Tauchvoraussetzungen der Welt. Dort lassen sich Tausende unberührte und intakte Wracks aus allen möglichen Epochen finden. Natürlich ist es eine Herausforderung, sie zu besuchen, denn sie liegen tief, es ist kalt und dunkel, und zu den meisten Wrackstellen muss man weit aufs Meer hinausfahren. Mit diesem Buch möchten wir – die Taucher und Fotografen – Sie, liebe Leserinnen und Leser, auf diese faszinierenden Ausflüge mitnehmen und Ihnen vermitteln, was wir empfinden, wenn wir ein Wrack besuchen. Wie hält man ein Gefühl in einem Foto fest? Dieses Buch ist ein Versuch, genau das zu tun. Im letzten Kapitel zeigen wir Ihnen außerdem Schritt für Schritt, wie ein Tauchgang abläuft.
Die Aufteilung von Bildern und Text haben wir bewusst gewählt: In jedem Kapitel sehen Sie zuerst die großformatigen Fotos ohne Text, im Anschluss folgen Beschreibungen und geschichtliche Hintergründe. Dadurch wollen wir Ihnen die Möglichkeit geben, zunächst selbst in die Unterwasserwelt „einzutauchen“ und Details nach und nach zu entdecken.
Doch warum gibt es in der Ostsee so viele Wracks? Da kommen mehrere Faktoren zusammen. Ein Grund ist, dass schon seit der Eiszeit viele Menschen im Ostseeraum Seehandel betrieben oder auf Schiffen auswanderten und die See für lange Zeit der beste Weg war, um zu reisen oder Güter zu transportieren. Darüber hinaus sind die Länder entlang der Ostseeküste über Jahrhunderte hinweg ständig miteinander in Konflikt geraten. Viele der Wracks, die wir in diesem Buch vorstellen, wurden bei Seeschlachten versenkt. Aber auch durch Handel, Migration und Entdeckungsreisen sind Schiffe gesunken und am Meeresgrund erstarrt.
Das Meer selbst ist nämlich genauso gefährlich wie bewaffnete Feinde: Stürme, tückische Inselgruppen und Untiefen haben schon vielen Schiffen den Garaus gemacht. Und so ist der Boden der Ostsee mit der Zeit zu einem riesigen Unterwassermuseum mit schätzungsweise 100 000 Wracks geworden.
Wenn ein Schiff untergeht, kommen die einzigartigen, fast magischen Eigenschaften der Ostsee zum Tragen: Weil das Wasser kalt ist und einen geringen Salzgehalt hat, fühlt sich die Schiffsbohrmuschel (Teredo navalis) darin nicht wohl. In wärmeren, salzigeren Gewässern fressen diese Muscheln sich in jedes Stück Holz, das auf den Meeresboden gelangt, aber in der Ostsee bleiben die Wracks unversehrt, sodass man versunkene Schiffe vom Mittelalter bis in die jüngere Vergangenheit finden kann. Bei Letzteren besteht das Innenleben trotz eines Rumpfes aus Eisen und Stahl ebenfalls größtenteils aus Holz – von den Wänden, Leitern und Treppen bis hin zu Möbeln und Schachteln. Auf den tief liegenden Wracks gibt es außerdem keine Vegetation, sodass man die Details noch deutlich erkennen kann.
Manchmal fühlt es sich so an, als hätte die Besatzung das Schiff gerade erst verlassen. Die Wracks sind wie Zeitkapseln und erzeugen eine faszinierende Atmosphäre aus friedlichem Schlaf und brutalem Drama. Sie geben Einblicke in die Vergangenheit und zeigen, wie Menschen in verschiedenen Jahrhunderten auf See lebten, wie sie reisten, Waren transportierten und kämpften. Und ein bisschen, wie sie dachten und fühlten.
Bei unseren Tauchgängen haben wir auch viele menschliche Überreste gefunden. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass die Wracks nicht zu unserem Vergnügen da sind. In vielen Fällen stehen sie für Katastrophen, bei denen Menschen ihr Leben auf schreckliche Weise verloren haben. Deshalb nähern wir uns den Wracks stets mit größtem Respekt, wir gedenken der Toten und wollen ihre Geschichten (zu Ende) erzählen. Das bedeutet auch, dass wir sehr vorsichtig damit sind, menschliche Überreste abzubilden. Für dieses Buch haben wir ein paar solcher Bilder ausgewählt, weil wir unsere Augen nicht vor der Tatsache verschließen können, dass auf den gesunkenen Schiffen Menschen ums Leben gekommen sind. Für uns Taucher sind ihre einzelnen Schicksale wichtiger als außenpolitische Geschehnisse und große historische Zusammenhänge. Deswegen ehren wir alle Opfer, unabhängig von ihrer Nationalität oder dem Regime, für das sie kämpften.
Jedes Bild repräsentiert mehrere Geschichten – einerseits die dessen, was auf dem Foto zu sehen ist, andererseits aber auch die, wie das Bild entstanden ist.
Alle Wracks sind einzigartig, und jedes beeindruckt uns beim Tauchen auf eine andere Art, etwas daran fesselt uns und löst ein starkes Gefühl der Präsenz aus.
Die Fotos erinnern uns an die Menschen an Bord, aber auch an unsere eigenen Empfindungen gegenüber dem Meer, den Schiffen, den Seeleuten und Passagieren.
Aber wie findet man überhaupt ein Wrack? Der wichtigste Faktor ist die Zeit, die man bei der Suche auf See verbringt. Plötzlich erscheint ein Wrack wie zufällig auf dem Echolot. Oder wir halten Ausschau nach einem bestimmten Schiff, das in einem bestimmten Gebiet gesunken sein soll. Manchmal bekommen wir auch Hinweise von Fischern, die mit ihren Netzen irgendwo hängen geblieben sind. Diese Netzhaker können aber alles Mögliche sein, auch nur ein schnöder Haufen Steine.
Ist ein Wrack gefunden, stehen wir vor der Herausforderung, es zu identifizieren. Wenn der Rumpf aus Stahl ist, kann man meistens zumindest den Schiffstyp feststellen. Manchmal steht sogar der Name am Heck, oder wir finden eine Werftplakette – dann lässt sich das Rätsel leicht lösen. Ungleich schwieriger ist das Unterfangen bei älteren Holzwracks. Es ist hierbei auch wichtig zu erwähnen, dass wir die Wracks nicht anfassen. Wir öffnen keine Türen und schieben nichts beiseite, um den kleinen Mikrokosmos unter Wasser nicht zu stören. Deswegen müssen wir akzeptieren, dass wir manche Fragen mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, nicht beantworten können.
Der erste Tauchgang zu einem „neuen“ Wrack ist immer ein magischer Moment – die Augen gewöhnen sich langsam an die Dunkelheit, und das Wrack schält sich nach und nach aus dem Dunst. Zuerst erscheinen die großen Teile, dann immer mehr Einzelheiten. Es hat aber auch seinen Reiz, ein und dasselbe Wrack öfter zu besuchen und so Stück für Stück neue Details, neue Eingänge und neue Rätsel auszumachen.
Bei unseren Entdeckungsfahrten ist uns erst bewusst geworden, wie groß die Ostsee eigentlich ist. Manchmal sind wir mit – wie wir fanden – handfesten Hinweisen zu einer Position hinausgefahren, ohne auf irgendetwas Interessantes zu stoßen. Dann ist noch mehr Recherche erforderlich. Ein bisschen Sturheit hilft oft, aber nicht immer. Manchmal finden wir einfach nicht, wonach wir suchen, weil das Meer seine Geheimnisse nicht preisgeben will.
Im Laufe der Jahre haben wir etwa 400 Wracks selbst lokalisiert. Die meisten haben wir besucht (wenn auch noch nicht alle). In diesem Buch zeigen wir Ihnen unsere besten Funde.
Unsere Art des Tauchens wird als technisches Tauchen (technical diving) bezeichnet. Wir steigen tiefer hinab und bleiben länger unten als beim klassischen Sporttauchen. Dabei setzen wir bestimmte Ziele für einen Tauchgang und rüsten uns dementsprechend aus, anstatt umgekehrt die Physiologie des Tauchens die Regeln diktieren zu lassen.
Die Wracks in diesem Buch liegen in Tiefen von bis zu 110 Metern. Unterschiedliche Tiefen stellen unterschiedliche Anforderungen an uns, aber grundsätzlich ist jeder Tauchgang gefährlich. Wir Menschen sind nicht für ein Leben unter Wasser geschaffen, wie unsere Körper auch nicht an den Weltraum angepasst sind. Deswegen können wir uns dort nur vorübergehend aufhalten. Erschwerend kommt hinzu, dass wir nicht nur zum Spaß tauchen, sondern unter Wasser arbeiten, wir fotografieren und dokumentieren. Wir haben bereits viel Zeit und Energie investiert, um unter Wasser professionell fotografieren zu können, und doch ist es immer wieder eine Herausforderung, die Dunkelheit zu unseren Gunsten zu nutzen und die Atmosphäre richtig einzufangen.
Mit unseren Bildern wollen wir die Wracks so naturgetreu wie möglich zeigen. Deswegen bearbeiten wir die Fotos im Nachhinein nur minimal: Wir entfernen lediglich Partikel oder andere Störfaktoren zwischen dem Wrack und der Kamera.
All diese Faktoren – die Geschichte, das Meer, die gut erhaltenen Wracks sowie die moderne Suchtechnologie und neuesten Tauchtechniken – machen unsere Zeit zum goldenen Zeitalter des Wracktauchens.
Aktuell arbeiten wir durch die schwedische Stiftung Voice of the Ocean. In knapp zwei Jahrzehnten des Tauchens haben wir gemerkt, wie sich das Meer verändert hat. Und wenn uns ältere Taucher von ihren früheren Erfahrungen berichten, wird der Unterschied noch deutlicher. Das hat uns neugierig gemacht – warum ist das so? Die Antwort auf diese einfache Frage ist komplex, und wir sind überrascht, wie wenig wir eigentlich wissen. Der Zweck der Stiftung ist, das Meer zu erforschen und das neu gewonnene Wissen zu verbreiten, wobei wir uns zunächst auf die Gewässer rund um Schweden konzentrieren, weil wir sie am besten kennen.
Wie wir alle mit der Ostsee umgehen, wird Auswirkungen auf unsere und kommende Generationen haben. Deswegen wollen wir dabei helfen, das Interesse an unserem faszinierenden Binnenmeer zu steigern. Je mehr wir wissen, desto fundierter können wir diskutieren und echte Lösungen finden. Informierte, auf Fakten basierende Diskussionen können hoffentlich zu klugen Entscheidungen führen.
DIE OSTSEE - Eine Zeitreise
Unser Binnenmeer ist wie eine historische Schatztruhe, gefüllt mit versunkenen Schiffen. Jedes Wrack ist eine Zeitkapsel mit einer eigenen Reise und einer eigenen, oftmals dramatischen Geschichte.
Unbekanntes Wrack aus dem 16. Jahrhundert
Das kleine Wrack liegt auf einem harten, hellen Sandboden – ein starker Kontrast zum dunklen Holz. Die Pinne und das Steuerruder stehen aufrecht, während von Rumpf und Deck das meiste fehlt. Der Taucher beleuchtet eine der vielen Kisten in der Ladung. Oben auf einer kaputten Kiste liegt etwas, das wie dünnes Eisenblech aussieht. Ist das die eigentliche Ladung, oder soll die Platte etwas anderes schützen?
Dieses Wrack wirkt wirklich alt. Wie so oft ist es eher die Summe vieler Eigenschaften, die uns einen Hinweis auf Alter und Herkunft gibt, als ein einzelnes Merkmal. Jedes Detail sagt etwas aus, aber es braucht Zeit, um die Dinge auszumachen, die etwas lauter sprechen, sie zusammenzusetzen und so die Lösung für ein bestimmtes Wrackrätsel zu finden.
Fred Hocker ist Forschungsleiter am Vasa-Museum in Stockholm. Seiner Einschätzung nach deuten einige Elemente darauf hin, dass das Wrack aus dem 16. Jahrhundert stammen könnte. Eines ist der Vordersteven mit Löchern für das Vorstag. Außerdem ist der linke Anker auf die gleiche Weise gebaut wie bei vielen Schiffen aus dieser Zeit – einschließlich der Vasa selbst.
Vermutlich hatte die Besatzung keine Chance, den Untergang zu verhindern, denn beide Anker sind noch am Bug. Sie wurden also nicht herabgelassen, um die Situation unter Kontrolle zu bringen.
Das linke Bild wurde am Grund direkt hinter dem Wrack aufgenommen. Der große Bartmannskrug im Vordergrund ist auch auf dem vorherigen Bild zu sehen (der helle Punkt unten rechts). Er liegt unterhalb des Hecks und ist von kleineren Töpfen und Flaschen sowie von Holzstücken umgeben. Das unscheinbare Gefäß hilft uns beim Datieren des Wracks, denn es handelt sich dabei um ein glasiertes Tongefäß, wie es im 16. und 17. Jahrhundert weitverbreitet war. Diese Krüge wurden zum Lagern und Transportieren von Lebensmitteln und Getränken verwendet, und ihr Hals war mit einem bärtigen Mann verziert, daher die Bezeichnung Bartmannskrug.
Auf der rechten Seite ist das Vorschiff des Wracks mit zwei großen Stockankern zu sehen. Auf dem Grund sind Teile der Takelage verstreut, und der Bugspriet mit sechs Löchern an einem Ende ist zu erkennen. Die Rumpfseiten des Wracks waren ursprünglich deutlich höher, etwa auf der Höhe der Pinne.
Das Regalschiff Svärdet
Das schwedische Segelkriegsschiff Svärdet („das Schwert“) ging bei der Seeschlacht vor der Insel Öland unter – einer der größten Auseinandersetzungen zu Wasser in der Geschichte des Landes. Der Gegner war eine dänisch-niederländische Flotte, beide Seiten versuchten, die Kontrolle über die südliche Ostsee zu gewinnen. Am 1. Juni 1676 gelang es den Dänen, sowohl das Segelkriegsschiff Kronan („die Krone“) als auch die Svärdet zu versenken. Damit verlor die schwedische Flotte zwei ihrer wichtigsten Schiffe. Von der mindestens 620-köpfigen Besatzung der Svärdet überlebten nur etwa 50 Menschen.
Überall auf dem Wrack findet man riesige Kanonen aus Bronze. Ihre Farbe geht ins Rötliche, und sie sind aufwendig verziert. Das Wrack ist eine seltsame, fast geisterhafte Erscheinung mit einem gut erhaltenen Vorschiff. Dahinter zerfällt es zunehmend, das Heck fehlt schließlich ganz: Es wurde bei der großen Explosion weggesprengt, die das Schicksal des Schiffes besiegelte.
Die Erforschung der Svärdet zählt zu den größten Unterwassererlebnissen meines Lebens. Es ist überwältigend, die Geschichte so deutlich, so greifbar vor sich zu haben. Das Schiff ist im Kampf gesunken, aber eine eiserne Kanone ragt immer noch aus der intakten Steuerbordseite heraus. Auf dem Bild ist Jan Petersen gerade auf dem Weg zu dieser Kanone, ihm folgt John Jonsson und beleuchtet den Boden, wo viele lose Wrackteile liegen.
Unbekanntes Wrack
In der Ostsee halten sich Wracks dank einzigartiger Bedingungen besonders gut: Das Wasser ist dunkel und kalt, in einer Tiefe von mehr als 30 Metern wird es selten wärmer als vier Grad.
Das abgebildete Wrack steht aufrecht auf dem Meeresgrund. Außen am Bug hängt ein Stockanker. Entlang des Rumpfes sind Teile der Takelage zu sehen, die neben dem Wrack gelandet sind. Der Bug ist fast intakt, während das Heck stärker in Mitleidenschaft gezogen wurde. Die schwache Strömung in der Gegend hat im Laufe der Jahrhunderte unterhalb des Vorschiffes eine kleine Grube gegraben.
Fred Hocker vom Stockholmer Vasa-Museum ordnet das Wrack ins späte 17. oder ins 18. Jahrhundert ein. Ein Hinweis dafür sind die Löcher für das Vorstag im Bug, am Bugspriet und im Kranbalken.
„Seepferdchen“
Wir nennen dieses Wrack das „Seepferdchen“, aber niemand kennt bisher seinen echten Namen. Es wurde 1998 von der HMS Belos, dem U-Boot-Rettungsschiff der schwedischen Marine, in einer Tiefe von 103 Metern vorgefunden.
Das Wrack ist eine sehr gut erhaltene zweimastige, in Kraweelbauweise gearbeitete Brigg. Die Geschützpforten deuten darauf hin, dass es ein Militärschiff war: zwölf Öffnungen für Kanonen. Geschütze haben wir aber keine gefunden. Vielleicht war es irgendwann vor seiner letzten Fahrt in zivilen Besitz übergegangen?
Das Schiff ist ungefähr 26 Meter lang und knapp fünf Meter breit. Besonders faszinierend ist die Galionsfigur: ein kunstvoll geschnitztes Pferd mit Krallenhänden und Fischschwanz. Diesem Fabelwesen verdankt das Wrack seinen Spitznamen. Der Großmast und das Achterdeck ab der Ladeluke in der Mitte des Schiffs sind intakt. An Deck befinden sich Teile der Takelage und zwei Pumpen, sogar ein paar dicke Taue sind erhalten geblieben.
In einem wissenschaftlichen Beitrag über dieses Wrack schreibt der schwedische Meeresarchäologe Niklas Eriksson, dass nordeuropäische Flotten ab dem 18. Jahrhundert einen neuen Schiffstyp bauten. Man wollte eine kleinere und günstigere Variante der Fregatte schaffen, ein kompaktes, schnelles Kriegsschiff mit zehn bis 14 Kanonen. Sein Name – Korvette – kommt aus dem Französischen. Es wurde für ähnliche Aufgaben genutzt wie die größeren Fregatten und war vielseitig einsetzbar.
Die Herkunft des „Seepferdchens“ ist unbekannt. Weder wir noch andere Taucher konnten bisher einen Hinweis auf die Nationalität des Schiffes entdecken. Auch die Datierung ist schwierig, Niklas Eriksson ordnet das Schiff in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts ein.
Dieses Foto wurde ebenfalls am Heck aufgenommen, aber diesmal oben auf dem Achterdeck hinter dem Großmast. In der Mitte sieht man die kräftige Pinne. Das Schiff hatte kein Steuerrad, sondern wurde mit der Pinne gelenkt, die mit dem Steuerruder verbunden ist. Auch Jungfern-, Violin- und gewöhnliche Blöcke von Zugvorrichtungen sind im Heck zu finden, zusammen mit Teilen der Takelage.
An Deck liegen ein Schädel und Knochen eines verunglückten Besatzungsmitglieds. Weitere Überreste haben wir im Heck gefunden. Es ist ungewöhnlich, auf so alten Wracks auf menschliche Überreste zu stoßen, denn meistens trieben die Verunglückten vom Schiff weg, bevor es den Meeresgrund erreichte. Warum sind diese beiden auf dem Schiff geblieben? Wie sind sie gestorben? Verfingen sie sich in herabfallenden Teilen der Takelage, oder hatten sie sich während eines Sturms festgezurrt? Wie so oft können wir nur spekulieren.
Glücksburg
Im Bug haben wir eine Schiffsglocke gefunden, was für ein altes Holzwrack untypisch ist. Sie ist in schlechtem Zustand, aber mit etwas Mühe konnten wir Buchstaben und eine Jahreszahl entziffern: „Glücksburg“ und „Anno 1783“. Diese Informationen erleichtern weitere Nachforschungen zum Schiff und seinem Schicksal ungemein. Glücksburg ist eine kleine Stadt in Schleswig-Holstein. Sie liegt auf einer Landzunge, die in die Flensburger Förde ragt, ganz in der Nähe der dänischen Grenze.
Das Meer beantwortet nicht alle Fragen sofort, weshalb wir manchmal mehrfach zur selben Wrackstelle tauchen. Auch die Glücksburg war am Anfang schwer zu verstehen. Wir konnten uns die Zusammenhänge nicht erklären – wir waren uns ja noch nicht einmal einig, ob dort unten ein Wrack lag oder ob es gar zwei waren.
Dieses Bild zeigt die Backbordseite des Rumpfs, die immer noch aufrecht steht. Auf dem Meeresgrund vor dem Wrack liegt der Vordersteven, der vom Vorschiff abgefallen ist, umgeben von Elementen der Takelage.
Das Wrack befindet sich auf hartem Untergrund unterhalb eines Abhangs. In einiger Entfernung den Hang hinauf liegen drei große Anker, ein Bratspill und das, was wir für den Bugspriet halten. Diese schweren Gegenstände markieren wahrscheinlich die Stelle, an der das Schiff einst auf dem Meeresboden aufschlug. Von dort muss es den Hang hinuntergerutscht sein, denn bis zu seiner letzten Ruhestätte zieht sich eine tiefe Furche.
Hier sieht man die zerstörte Steuerbordseite. Zwischen den Brettern steht ein mindestens ein Meter hoher Tontopf. So etwas haben wir noch bei keinem anderen Wrack entdeckt. Vielleicht wurde darin Trinkwasser abgefüllt? Links davon kann man eine stark verrostete Eisenkanone entdecken – eine von vier Kanonen im Heck.
Im Laufe unserer Tauchkarriere haben wir Schiffe aus jeder Epoche vom 16. Jahrhundert bis heute gefunden, erkundet und fotografiert: Kriegsschiffe, Segelschiffe, Handelsschiffe und U-Boote. Bei jedem Wrack tauchen wir wortwörtlich in die Geschichte ein. Wir nähern uns den großen Zusammenhängen durch kleine Details. Selbst die alltäglichsten Objekte können völlig neue Erkenntnisse über die Vergangenheit bergen und Ereignisse greifbar machen, an die sich die Geschichtsschreibung nur vage erinnert.
Das Meer ist – wie die ganze Natur – in ständiger Veränderung. Auf unerbittliche Weise zerstört es früher oder später jedes versunkene Schiff und holt es in den Kreislauf der Natur zurück. Die Wracks sind – genau wie wir Taucher – nur Gäste am Meeresgrund.
„Die Ostsee bietet die besten Tauchvoraussetzungen der Welt. Dort lassen sich Tausende unberührte und intakte Wracks aus allen möglichen Epochen finden. Natürlich ist es eine Herausforderung, sie zu besuchen, denn sie liegen tief, es ist kalt und dunkel, und zu den meisten Wrackstellen muss man weit aufs Meer hinausfahren. Mit diesem Buch möchten wir – die Taucher und Fotografen – Sie, liebe Leserinnen und Leser, auf diese faszinierenden Ausflüge mitnehmen und Ihnen vermitteln, was wir empfinden, wenn wir ein Wrack besuchen. Wie hält man ein Gefühl in einem Foto fest? Dieses Buch ist ein Versuch, genau das zu tun. Im letzten Kapitel zeigen wir Ihnen außerdem Schritt für Schritt, wie ein Tauchgang abläuft.“
„Ein bemerkenswerter Bildband.“
„Wer beim nächsten Rügen oder Hiddensee-Urlaub auf die lieblich dahinplätschernde See und Strandglück blickt, weiß nach Betrachtung und Lektüre dieses Buches, dass unterhalb der Oberfläche tragische Unglücke und vergessene Katastrophen in, wie es die Autoren nennen, ›magischen Zeitkapseln‹ wesen.“
„Eine faszinierende Welt.“
„›Geisterschiffe‹ ist anders. Ein Meisterwerk. Nie zuvor waren solche Bilder zu sehen und nie zuvor konnte ein Buch besser die Stimmung wiedergeben, die mit solchen Wracktauchgängen einher geht.“
„Dieses Buch fasziniert und gehört eindeutig zu den Büchern, die einen Ehrenplatz verdienen!“
„Mit den Buch Geisterschiffe ist den Autoren Carl Douglas und Jonas Dahm eine atemberaubende Dokumentation von Ostsee-Wracks gelungen. Ein Buch mit Wow-Effekt zum Eintauchen und Träumen.“
„›Geisterschiffe‹ ist ein imposanter Bildband: geheimnisvoll, düster, faszinierend, beeindruckend. Carl Douglas und Jonas Dahm entführen uns an Orte, an die wohl kaum einer von uns jemals kommen wird. Für einen Moment gestatten Sie uns einen besonderen Blick in vergangene Zeiten.“
„Für historisch wie an Seefahrtgeschichte Interessierte ein herausragendes Werk, das auch einen Platz in Bibliotheken mit Büchern zur Ostsee und zur Seefahrt verdient!“
„Nun gibt es diesen bildstarken, informativ aufgearbeiteten Einblick für jedermann: Kriegsschiffe, Segler, Frachter und sogar U-Boote imposant ausgeleuchtet und authentisch in Szene gesetzt. Ein schaurig-schöner Band für die dunkle Jahreszeit.“
„Hier haben wir ein echtes Buchereignis in Form eines sehr hochwertigen Bildbandes, das von den verborgenen Wracks in der Ostsee erzählt und diese in unwirklich schönen und zugleich morbide unheimlichen Fotografien eingefangen hat. (...) Für Menschen, die daran interessiert sind, ist dieses Buch ein absolut faszinierender Schatz! Mein Highlight waren die Galionsfiguren und Ornamente!“
„Spannend wie informativ.“
„Die detailreiche Beschreibungen der Wracks, ihrer Geschichte und ihres Schicksals sind unterhaltsam zu lesen und ergänzen die beeindruckenden Fotografien auf beeindruckende Weise.“
„Ein wirklich außergewöhnliches Buch, welches das Kopfkino gleich mitliefert.“
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