„Göttinnen und Fußabstreifer“ „Göttinnen und Fußabstreifer“ „Göttinnen und Fußabstreifer“ - eBook-Ausgabe
Die Frauen und Picasso
— Kritischer Blick auf Picassos Beziehungen und ihren Einfluss auf seine künstlerischen Phasen„Mit dem Ende der Liebe verschwinden die Frauen aus nahezu allen Picasso-Biografien. Nicht so bei Rose-Maria Gropp. Sie erzählt die Leben, soweit recherchierbar, bis zum Ende.“ - Tagesspiegel
„Göttinnen und Fußabstreifer“ — Inhalt
Wie Frauen die schöpferischen Phasen des berühmten Malers beeinflusst haben
Gebraucht, geliebt, gehasst: Picasso war besessen von Frauen. Er brauchte und benutze sie für sein Schaffen, ließ sich von ihnen inspirieren, war zweimal verheiratet und hatte unzählige Geliebte.
Die Kunstkennerin Rose-Maria Gropp widmet sich in diesem Buch Gefährtinnen, Geliebten und Gemalten von Picasso. Sie erkundet ihre Biografien und macht sie im Spannungsfeld von Schöpfung und Dekonstruktion begreifbar. Sie betrachtet sie unabhängig von Picasso als eigenständige Menschen, zum Teil auch Künstlerinnen, und will noch nicht beachtete Facetten im Geflecht der Frauen sichtbar machen.
„Um Picasso gab es ein regelrechtes Geflecht von Frauen, eng untereinander verwoben, in dessen Zentrum er zu nisten beliebte. So entstand ein Modell fortwährender Überschneidungen und unerklärter Ablösungen. Er brauchte die immer neue Frau, er wollte die immer jüngere Frau, die seine Potenz in jedem Sinne beglaubigte. Nennen wir diese Verflechtungen das ›System Picasso‹.“
Leseprobe zu »„Göttinnen und Fußabstreifer“«
Einleitung
„›Nichts ist einander so ähnlich wie ein Pudel dem
anderen, das gilt auch für die Frauen.‹ Er behauptete
mit Vorliebe: ›Es gibt nur zwei Kategorien von
Frauen – Göttinnen und Fußabstreifer.‹ Und immer,
wenn er dachte, ich könne mich zu sehr als Göttin
fühlen, tat er, was er konnte, um mich zum Fußabstreifer zu erniedrigen.“ Françoise Gilot über Picasso
Es gilt, die Blickrichtung zu wechseln
Picasso war der Maler der Frauen, lebenslang. Als ein Zentralgestirn schien er über sie zu herrschen, als Künstler und Mann, in einem Begehren, das durch [...]
Einleitung
„›Nichts ist einander so ähnlich wie ein Pudel dem
anderen, das gilt auch für die Frauen.‹ Er behauptete
mit Vorliebe: ›Es gibt nur zwei Kategorien von
Frauen – Göttinnen und Fußabstreifer.‹ Und immer,
wenn er dachte, ich könne mich zu sehr als Göttin
fühlen, tat er, was er konnte, um mich zum Fußabstreifer zu erniedrigen.“ Françoise Gilot über Picasso
Es gilt, die Blickrichtung zu wechseln
Picasso war der Maler der Frauen, lebenslang. Als ein Zentralgestirn schien er über sie zu herrschen, als Künstler und Mann, in einem Begehren, das durch sie hindurchgeht und über sie hinwegflottiert. Er hat Frauen gemalt, er hat sie gefeiert und zertrümmert, bis zum Erlöschen seiner Schöpferkraft in Todesnähe. Wir sehen die Frauen im Spiegel und Zerrspiegel seiner unermüdlichen Produktivität.
Um Picasso gab es ein regelrechtes Geflecht von Frauen, eng untereinander verwoben, in dessen Zentrum er zu nisten beliebte. So entstand ein Modell fortwährender Überschneidungen und unerklärter Ablösungen. Er brauchte die immer neue Frau, er wollte die immer jüngere Frau, die seine Potenz in jedem Sinne beglaubigte. Nennen wir diese Verflechtungen das „System Picasso“.
In der „Einführung“ zu seiner groß angelegten Picasso-Biografie schreibt John Richardson, dass er ursprünglich die Idee hatte, Picassos „Entwicklung anhand seiner Porträtmalerei nachzuzeichnen. Genauer, anhand der Porträts seiner Ehefrauen und Geliebten, denn mir war aufgefallen, dass die Bildnisse, die Picasso von den ihm nahestehenden Frauen schuf, jedesmal seinen gesamten Stil beeinflussten“.[i] Richardson ließ aus guten Gründen diesen Plan fallen, ganz so simpel ist Picassos Schaffensprozess dann doch nicht. Allerdings hält sich die These hartnäckig, und bis heute werden Perioden von Picassos Œuvre als „Epochen“ bezeichnet, benannt nach der jeweiligen Frau in seiner Nähe. Die kann dann „Hauptgeliebte“ heißen oder, französisch elegant, „Maîtresse en titre“. Anders, auf der Kehrseite gewissermaßen, bezeichnet Richardson Dora Maar und Picassos Ehefrauen Olga Khokhlova und Jacqueline Roque gleich als „Privatmärtyrerinnen“.[ii]
Schier unzerstörbar hält sich die Unterstellung, dass der einzige Beitrag der Frauen zur Kunst Picassos darin bestehe, zum Objekt in jeder Hinsicht gemacht zu werden, womöglich mit Freuden. Lassen wir diese unerfreuliche Vorstellung aus.
Schauen wir lieber auf die Viten der Frauen. Ich habe versucht, den Einfluss ihrer Herkunft auf ihre Lebenswege zu erkunden, ihre Gedanken und die Motive für ihr Handeln zu verfolgen, mich, soweit das möglich ist, in ihre Gefühle zu versetzen – vor, mit und nach Picasso. Damit stelle ich mich gewissermaßen an ihre Seite. Das bedeutet keineswegs, sich ihnen vorbehaltlos unkritisch zu nähern, womit ja bloß wieder bestehende Klischees zementiert wären. Deshalb sei hier auch ausdrücklich vorausgeschickt, dass es nicht um das abwegige Unterfangen geht, Picassos unbezweifelbare Bedeutung für die künstlerische Moderne herabzusetzen – und genauso wenig darum, seine Prägungen, Vorstellungen und Bedürfnisse moralischen Kategorien zu unterwerfen. Es geht vielmehr um den Versuch, den Auswirkungen nachzugehen, die Picassos Ambitionen, Leidenschaften und Ängste auf die Frauen in seiner Nähe, auf unterschiedliche Weise, hatten.
Was den Mythos Picasso stabilisiert
Picasso ist einer der meistbeforschten Künstler aller Zeiten, und vielfältige Mythenbildung bestimmt nach wie vor den herrschenden Diskurs über ihn. Immerhin sind seit zwei, drei Jahrzehnten die Frauen, die ihm begegneten, ins Blickfeld gerückt. Es bleibt jedoch überwiegend bei seiner Perspektive, die eingenommen ist unter dem Aspekt seines Schaffens. Allerdings wird zunehmend weniger unter den Tisch gekehrt, dass Picassos Verhältnis zu ihnen – im Leben wie auch im Werk – Züge von Ambivalenz, mitunter Aggressivität bis hin zu kaum verborgener Misogynie trägt. Wie zum Ausgleich wird dann sein quasi überzeitliches „Genietum“ beschworen, das dieses Frauenbild erklären, wenn nicht gar legitimieren soll. Schauen wir hier also, mit Picasso im Blick, kurz auf diese Kategorie „Genie“.
In ihrer Urschrift feministischer Kunstwissenschaft Why Have There Been No Great Women Artists? inquiriert Linda Nochlin im Jahr 1971 den – selbstredend männlichen – „Genie“-Begriff (genius): „Der Große Künstler hat natürlich ›Genie‹. ›Genie‹ wiederum ist jene überirdische und geheimnisvolle Kraft, die dem Großen Künstler auf irgendeine Weise eingepflanzt ist.“ Der Große Künstler trägt „von Geburt an eine geheimnisvolle Essenz in sich“.[iii] Auch für Picasso scheint dieses unausrottbare Klischee der mysteriösen Gabe gegolten zu haben, wenn er erzählt haben soll:
„›Als ich noch ein Kind war, sagte meine Mutter zu mir: Wenn du Soldat wirst, wirst du General werden. Wenn du ein Mönch wirst, wirst du schließlich Papst werden. Statt dessen habe ich es als Maler versucht und bin Picasso geworden.‹“[iv]
Er verkündete selbst die Vorzeichen seiner Auserwähltheit, ausgesprochen von der eigenen Mutter. Schöner lässt sich ein grandioses Ego nicht zur Schau stellen.[v] Dass er, der als Pablo Ruiz-Picasso am 25. Oktober 1881 in Málaga geboren wurde, 1901 im Alter von 19 Jahren den Namen der Mutter annahm, passt dazu.[vi] Er tat das, weil Ruiz ein sehr gebräuchlicher Familienname in Spanien ist und „Picasso“ ihm ein Unterscheidungsmerkmal sicherte.
Mit dem „Genie“ aufs Engste verknüpft ist das unkaputtbare Attribut der „Muse“. Es erscheint hartnäckig und unhinterfragt in den meisten Texten, die den Frauen des Systems Picasso gelten. Eigentlich waren die Musen vor allem Künstler inspirierende Quellnymphen der griechischen Mythologie. Es ist Simone de Beauvoir, die sie in ihrer berühmten, 1949 veröffentlichten Abhandlung Le Deuxième Sexe, auf Deutsch Das andere Geschlecht, in ein modernes Gewand kleidet:
„Da die Frau den Stoff für die poetische Betätigung des Mannes bildet, liegt es nahe, daß er sich auch von ihr inspiriert glaubt; die Musen sind Frauen. Die Muse ist Mittlerin zwischen dem Schöpfer und den natürlichen Quellen, aus denen er schöpfen muß. (…) Die Muse schafft nichts aus sich selbst, sie ist eine gefügig gemachte und zur Dienerin eines Herrn gewordene Sibylle.“
Und ein paar Seiten weiter:
„Auf alle Fälle erwartet er (i. e. der Mann) von ihr (i. e. der Frau), daß sie ihn sich selber von außen her als das vor Augen führt, was er in sich selbst nicht fassen kann, denn die Innerlichkeit des Existierens ist ein Nicht, und um zu sich selber zu gelangen, muß er sich in ein Objekt entwerfen. Die Frau ist für ihn der höchste Lohn, denn in einer fremden Gestalt, die er im Fleische besitzen kann, ist sie er selbst in seiner Verherrlichung. (…) Die Frau ist das Andere, das sich annektieren läßt und doch das Andere bleibt.“[vii]
Man könnte sagen, dass sich bei Simone de Beauvoir die Geburt der Frau als „Assistenzfigur“ aus dem Geist der Muse vollzieht. Als Assistenzfiguren nämlich werden die Frauen in Picassos Kraftfeld gern behandelt. Das passt perfekt zur profanen Hagiografie des „Genies“, das Nebenfiguren, die nicht stören, dafür aber vom Rand auf die Gestalt im Zentrum verweisen, zu schätzen weiß. Wir werden sehen, dass dieses veritable Bildprogramm immer wieder durch jeweilige Erstkontakt-Szenen beglaubigt wird. Im Anekdotischen dieser Szenen wird die Auratisierung von Picassos Person gewissermaßen festgeschrieben und weitergetrieben, in den Schlüsselmomenten erster Begegnungen wird seine Strahlkraft zumindest insinuiert.[viii]
Künstlerin sein neben Picasso
Linda Nochlin stellt in ihrem Essay, mit Blick auf Picasso, auch die hübsche Frage: „Hätte Señor Ruiz (i. e. Picassos Vater, der Maler und akademischer Kunstlehrer war) einer kleinen Pablita ebenso viel Aufmerksamkeit geschenkt, den gleichen Ehrgeiz in ihr geweckt?“ Ihre rhetorische Frage beantwortet sich selbst. Und Linda Nochlin macht, daraus folgernd, die frühen Prägungen und „die institutionellen Praktiken und Taktiken sichtbar, die ›den Künstler‹ produzieren und gleichzeitig zum Ausschluss der Frauen aus der Kunstproduktion geführt haben“.[ix]
Auch noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bleibt der sozialhistorische Hintergrund für die Frauen, die sich zu Künstlerinnen berufen fühlen, von entscheidender Bedeutung. So ist es bezeichnend, dass Dora Maar aus relativ wohlhabenden bürgerlichen Verhältnissen kam und Françoise Gilot einer vermögenden großbürgerlichen Familie entstammte, was ihre Chancen wesentlich verbesserte. Dennoch waren beide, wenngleich Prototypen der nouvelle femme, zunächst den Limitationen in einer von Männern dominierten Sphäre ausgesetzt, was für die Werbefotografie genauso wie für die bildende Kunst galt, bis heute noch in Grenzen gilt.[x]
Im Gegenzug ist das gern strapazierte Argument, dass man ohne den bedeutenden Künstler, in unserem Fall Picasso, nichts von der Künstlerin neben ihm wüsste, kaum schlagend. Es kann weder für Dora Maar noch für Françoise Gilot gelten. Wir werden sehen, dass Picassos langer Schatten sie sogar eher in ihrer eigenständigen Entwicklung, zumindest eine Zeit lang, einschränkte. Aber es gilt auch, dass er für die sehr junge Sylvette David, von der er Mitte der Fünfzigerjahre, selbst schon jenseits der siebzig, eine eindrucksvolle Porträtserie schuf, den Weg zur eigenen späten Künstlerschaft bereitete. Eine merkwürdige Ausnahme im Reigen der Frauen bildet Geneviève Laporte, die sich schon früh als Dichterin verstand. Sie wird in ihrem Leben nach der Affäre mit Picasso die übrigens unhaltbare Ansicht kultivieren, seine wahre große Liebe gewesen zu sein.
Einige der Frauen haben schriftliche Zeugnisse hinterlassen, wie Fernande Olivier oder Françoise Gilot und Gertrude Stein, die selbstauskunftsfreudige Literatin, sowieso. Dora Maar spricht ein Stück weit durch die Erinnerungen ihres engen Freundes James Lord, und Marie-Thérèse Walter hat sich nach Picassos Tod in zwei Interviews erstaunlich deutlich geäußert. Unbestreitbar tritt die Tatsache vor Augen, dass Picassos Umgang mit den Frauen, die mit ihm in engere Berührung kamen, wie auch seine Darstellungen von ihnen immer wieder mit Formen von Machtausübung verbunden waren. Das lässt sich schon für Fernande Olivier diagnostizieren, deren Gestalt in die Mühlen des beginnenden Kubismus geriet, wie auch für Eva Gouel, die danach gar nicht mehr erst sichtbar wird in ihrer körperlich realen Erscheinung. Auf der anderen Seite stehen die hocherotisierten Gefüge, als die Picassos junge Geliebte Marie-Thérèse Walter auf seinen Gemälden zugerichtet ist. Fraglos gehörte dieses Vorgehen zu Picassos genereller Methode der Repräsentation, die Achim Borchardt-Hume bündig so umrissen hat: „Die Repräsentation – und die damit verbundene Triangulierung zwischen physischer Erscheinung, innerer Erfahrung dieser äußeren Realität und ihrer jeweiligen Übersetzung in Kunst – blieb Picassos bevorzugtes Spielfeld.“[xi] Hierher gehören auch die Überblendungen und Vermischungen verschiedener Personen, die Auslöschungen von Identität im Namen seines Erfindungsreichtums. Diese pointierte, für Picassos gesamtes Œuvre zutreffende Definition hat aber besonders die Frauen getroffen, die nach Maßgabe seiner eigenen seelischen Verfassung zu Objekten der damit einhergehenden Dekonstruktion bis hin zu serieller Destruktion wurden. Das gilt bis zu seinem Tod im Alter von 91 Jahren am 8. April 1973.
Elf Frauen oder Wo kommen sie her, wo gehen sie hin?
Es geht im Folgenden also um einen kategorialen Wechsel der Perspektive. Dafür habe ich elf Frauen ausgewählt, ganz unterschiedliche Lebensgeschichten sind zu verfolgen. Genannt seien hier ihre Namen, in chronologischer Reihenfolge: Fernande Olivier, Gertrude Stein, Eva Gouel, Gabrielle Depeyre, Olga Khokhlova, Marie-Thérèse Walter, Dora Maar, Françoise Gilot, Geneviève Laporte, Sylvette David, Jacqueline Roque. Was an Wissen über sie schon zur Verfügung steht, habe ich aufgenommen.[xii]
Sie alle haben ein Vorleben und ein Nachleben, soweit es ihnen vergönnt war, die berichtenswert genug sind. Entsprechend habe ich versucht, mir aus der historischen Distanz eine Vorstellung davon zu machen, wie sie selbst ihre Transformation, ihre bildnerische Umwandlung in Picassos Kunst empfunden haben mögen.
Die amerikanische Schriftstellerin Gertrude Stein habe ich – als einen Fremdkörper in Picassos Begehrensstrategie – aufgenommen, weil sie als Kunstsammlerin von hoher Wichtigkeit bei seinen Anfängen in Paris war, aber besonders weil sie sich ausgerechnet darauf verlegt hatte, als „Genie“ auf Augenhöhe mit ihm zu stehen, was ihrem eigenen Elan Auftrieb verlieh. Zu Fernande Olivier wie Eva Gouel, nach Fernande Picassos jung gestorbene Geliebte der frühen Jahre, gibt es neuere Erkenntnisse über ihre Vorgeschichten, die sie in ein anderes Licht rücken. Die bislang unbekannten Geburts- und Todesdaten und die Herkunft von Gabrielle Depeyre, die, selbst ihr Leben lang diskret, als „Gaby“ erst nachträglich in Picassos Kosmos eingegangen ist, habe ich recherchiert, außerdem wollte ich ihrem späteren Ehemann Herbert Lespinasse eine Gestalt geben.
Die intellektuellen Netzwerke des Surrealismus, in denen sich Dora Maar bewegte und die sie prägten, haben mich genauso interessiert wie Françoise Gilots weitere Entwicklung zu einer der wichtigen Künstlerinnen unserer Gegenwart.
Picasso war zweimal verheiratet. Für seine erste Frau Olga Khokhlova war nicht nur sein Verhältnis mit der 28 Jahre jüngeren Marie-Thérèse Walter seelisch belastend, sondern auch das Schicksal ihrer Familie nach der Russischen Revolution 1917. Es ist nicht einfach, der Persönlichkeit seiner zweiten Ehefrau Jacqueline Roque eine Kontur zu geben, obwohl Picasso die letzten zwei Jahrzehnte seines Lebens an ihrer Seite verbrachte. Endlich ist da Sylvette David mit ihrer bemerkenswerten Biografie als Tochter einer begabten Malerin und des Galeristen Emmanuel David, der Bernard Buffet zu Weltruhm verhalf.
In drei „Zwischenspielen“ – zu Picassos Demoiselles d’Avignon von 1907, zu dem bis nach seinem Tod unbekannten Bild Peintre et son modèle von 1914 und zur Serie der Femme qui pleure von 1937 – wollte ich Merkmale von Picassos Frauenbild in markanten Werken aufspüren und diese in ihre jeweiligen Zusammenhänge einordnen.
Es ist nun die Zeit für sie, die „Göttinnen und Fußabstreifer“, gekommen.
[i] John Richardson, Picasso. Leben und Werk 1. 1881–1906. In Zusammenarbeit mit Marilyn McCully, 1991, S. 15.
[ii] Richardson, a. a. O., S. 84 u. ö.
[iii] Linda Nochlin, „Why Have There Been No Great Women Artists?“, 1971. Im Netz zu finden unter www.artnews.com/art-news/retrospective/why-have-there-been-no-great-women-artists-4201/ (zuletzt aufgerufen am 2.11.2022). Deutsche Übersetzung: „Warum hat es keine bedeutenden Künstlerinnen gegeben?“, in: Rahmenwechsel. Kunstgeschichte als feministische Kulturwissenschaft. Hrsg. von Beate Söntgen. Berlin 1996, S. 27–56.
[iv] Gilot und Lake, a. a. O., S. 45. Françoise Gilot kommt noch einmal auf diesen Ausspruch zurück, in: Françoise Gilot, Matisse und Picasso. Eine Freundschaft, 1990.
[v] Cf. Ernst Kris und Otto Kurz, Die Legende vom Künstler. Ein geschichtlicher Versuch, 1995, S. 37 f.
[vi] Sein Selbstporträt Yo, Picasso (Ich, Picasso) entstand 1901 in Paris, als er aus Madrid zum zweiten Mal dort angekommen war. Das Wort „YO“ steht in Großbuchstaben oben links im Bild, über der Signatur „Picasso“. Noch in Anlehnung an Van Gogh gemalt zeigt es ihn als selbstbewussten jungen Mann. Auf das Gemälde folgt die „Blaue Periode“, die unter dem Eindruck des Selbstmords seines Freundes Carles Casagemas begann und bis Ende 1904 andauerte. Picasso lernte Fernande Olivier, der das erste Kapitel gilt, 1904 kennen.
[vii] Simone de Beauvoir, Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau, 1968, S. 191 ff.
[viii] Es sei hier angemerkt, dass es prinzipiell ein zweischneidiges Vorgehen ist, das Werk eines Künstlers mit seinem Leben zu überblenden. Picasso hat allerdings selbst dafür gesorgt. Seine Kunst ist durchtränkt, geradezu imprägniert von seiner Biografie, entsprechend hat er seine Malerei auch als ein „Tagebuch“ bezeichnet. Vor allem aber seine Schöpfung des „Minotaurus“ steht dafür. Er identifizierte sich stark mit diesem Stiermenschen, den er 1928 erfand. Wohlmeinend lässt sich die Vereinigung von forcierter Männlichkeit und Verletzlichkeit im Minotaurus als attraktiv identifizieren. Allerdings betritt, wer sich selbst als animalisches Monster darstellt, mutwillig auch das Terrain eines mindestens ambivalenten Frauenbilds. – So erklärt sich etwa, wie es zu Arianna Stassinopoulos-Huffingtons fragwürdigem Buch Picasso. Genie und Gewalt. Ein Leben kommen konnte, das 1988 zuerst in Amerika erschien und eben im Titel die vorhandenen Versatzstücke bündelt.
[ix] Beate Söntgen, in: Rahmenwechsel, a. a. O., S. 11. Manches an den Mechanismen dieser Benachteiligung hat sich immerhin im Lauf der vergangenen fünfzig Jahre verändert.
[x] Cf. dazu Amanda Maddox, in: Dora Maar,2019, S. 11.
[xi] Achim Borchardt-Hume, in: Picasso 1932. Love Fame Tragedy, 2018, S. 19.
[xii] Die Frauen in Picassos Dunstkreis wurden auch immer wieder zum Gegenstand von Fiktionen. Der britische Autor Brian McAvera schrieb 1999 das Schauspiel Picasso’s Women, das aus acht Monologen besteht. Er lässt jede Frau aus ihrer je subjektiven Position heraus über ihr Leben sprechen, zentriert um Picasso. Das hat gewissen Reiz und Schärfe. Cf. Brian McAvera, Picasso’s Women. London 1999. Der Film Mein Mann Picasso des amerikanischen Regisseurs James Ivory aus dem Jahr 1996 orientiert sich vage an Françoise Gilots Buch Mein Leben mit Picasso, bleibt aber weit hinter deren Differenzierungsvermögen zurück. Anthony Hopkins spielt jedoch unheimlich intensiv Picasso, ungefähr so glaubwürdig, wie er fünf Jahre zuvor den Serienkiller Dr. Hannibal Lecter in Jonathan Demmes Film Das Schweigen der Lämmer verkörpert hatte. Slavenka Drakulić setzt in Dora und der Minotaurus Dora Maar als Ich-Erzählerin ein. Ihr intelligenter, gut geschriebener Roman hebt sich weit von diversen Kolportagen, etwa eben über Dora Maar oder auch Eva Gouel, ab.
„Sie weckt die Begeisterung für die verborgenen Heldinnen der Kunstgeschichte und bietet dabei zugleich einen neuen Schlüssel für die Kunst Picassos.“
„Rose-Maria Gropp befreit die Frauen Picassos vom Image der unschöpferischen Muse.“
„Dieses Buch geht keiner Legende auf den Leim, es ist gut recherchiert und eine wohltuend unprätentiöse Erkundung der wichtigsten von Picassos Gefährtinnen und Geliebten, bei dem endlich die Frauen im Mittelpunkt stehen und nicht wieder ihre Bedeutung für den Meister.“
„Mit dem Ende der Liebe verschwinden die Frauen aus nahezu allen Picasso-Biografien. Nicht so bei Rose-Maria Gropp. Sie erzählt die Leben, soweit recherchierbar, bis zum Ende.“
„Ein wichtiges neues Buch zu Picasso.“
„Rose Maria Gropp hat diesen Beziehungsreigen, respektive das ›System Picasso‹ präzise analysiert.“
„Ein interessantes Buch (...) sauber recherchiert.“
„Rose-Maria Gropp lässt keinen Zweifel an Picassos Bedeutung für die künstlerische Moderne. Seine Haltung gegenüber Frauen beleuchtet Sie kritisch und kratzt am Mythos dieses Jahrhundertkünstlers.“
„Rose-Maria Gropp stellt in ihrem Buch elf seiner Frauen in den Mittelpunkt. Sie erzählt ihre Geschichten neu und befreit sie aus dem Musenkäfig.“
„Das Picasso-Buch ›Göttinnen und Fußabstreifer‹ der Kunstkritikerin Rose-Maria Gropp ist ein Gewinn.“
„50 Jahre nach Picassos Tod wird sein Frauenbild umfangreich im Buch von Rose-Maria Gropp demontiert.“
„So sind elf sorgfältig recherchierte Biografien entstanden, die vom Leben der Frauen vor, während und nach der Zeit mit dem ›Minotaurus‹ (Selbstbeschreibung des Malers) erzählen. Und Gropp schildert das Geflecht der untereinander verwobenen Lebensbegleiterinnen (nicht alle waren Geliebte), die um den strahlenden Mittelpunkt ihrer Welt kreisten.“
„Sie hat Pionierarbeit geleistet. Sie hat in den Archiven zu Tage gefördert, was es so in der deutschen Literatur noch gar nicht gab.“
„Würdigungsporträts der Begleiterinnen Picassos aus weiblicher Sicht.“
„Echter Lesegenuss.“
„Höchst lesenswert.“
„Rose-Maria Gropp bringt neue Blickweisen ein.“
„Ein spannendes, aufschlussreiches Buch, das es wirklich lohnt zu lesen.“
„Bei der Lektüre erfährt man viel aus dem Umfeld dieses großen Malers, und das umfangreiche Literaturverzeichnis lädt zu weiterer Beschäftigung ein.“
„Rose-Maria Gropps Perspektivwechsel lässt Picassos Frauen nicht länger Beiwerk sein und entblößt gleichzeitig die Sicht auf die misogyne Seite in dessen Leben und Arbeiten.“
„Gropp urteilt nicht vordergründig moralisch darüber, eher vernachlässigt sie die Person Picasso vermutlich sogar absichtlich. Dadurch bereitet sie den betroffenen Frauen, die bisher vor allem als ›Musen‹, Furien oder ›Privatmärtyrerinnen‹ in die Picasso-Literatur eingebettet waren, die Bühne in vollem Ausmaß.“
„Ein unterhaltsames Buch über elf großartige Gefährtinnen, Geliebte und Gemalte.“
„Man kann Rose-Maria Gropps Buch als feministisch bezeichnen. Überzeugend aber ist, dass es nicht mit erhobenem Zeigefinger daherkommt, die Autorin weder moralisiert noch verklärt.“
„Rose-Maria Gropp […] bietet [den Frauen] ein verdientes Rampenlicht, für das sie auch die Rolle Picassos ein wenig verblassen lässt.“
„Was sie zusammengetragen und in ihrer eleganten Sprache aufbereitet hat, bietet nicht nur einer kunsthistorisch interessierten Gemeinde Material genug, sondern uns allen, 288 spannend zu lesende Seiten.“
„Rose-Maria Gropp prägt eine neue Formel für Picassos Kunst.“
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