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Im Warten sind wir wundervoll Im Warten sind wir wundervoll - eBook-Ausgabe

Charlotte Inden
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Roman

— Nach einer wahren Begebenheit | Für Fans von Susanne Abel und Bonnie Garmus
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Im Warten sind wir wundervoll — Inhalt

Eine junge Deutsche, die 1948 am New Yorker Flughafen strandet und als sitzen gelassene War Bride  zum Star der Presse wird.

Ein US-Soldat, der ein Versprechen gegeben hat und es nicht einhalten kann.

Und eine Frau, die sieben Jahrzehnte später hofft, dass sich der Weg zum Glück wiederholen lässt.

Dies ist die Geschichte eines Endes, zweier Anfänge und der vielleicht größten Liebe aller Zeiten.

„Ein außergewöhnlicher Roman – klug gestrickt, mitreißend geschrieben und in jeder Hinsicht wunderschön!“ KATHINKA ENGEL

„Luise Adler ist verliebt in das Leben und das Leben in sie, darum schafft sie es auch sofort auf die Titelseiten der großen New Yorker Zeitungen. Liebevoll-frech, raffiniert und mit Witz und Tempo erzählt Charlotte Inden von den grandiosen Umwegen der Liebe.“ ELISABETH SANDMANN

So charismatisch wie Bonnie Garmus' „Eine Frage der Chemie“, so mitreißend wie Susanne Abels „Stay away from Gretchen“

€ 22,00 [D], € 22,70 [A]
Erschienen am 26.09.2024
384 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag
EAN 978-3-492-07274-8
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€ 18,99 [D], € 18,99 [A]
Erschienen am 26.09.2024
384 Seiten
EAN 978-3-492-60573-1
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Leseprobe zu „Im Warten sind wir wundervoll“

I

Sie hatte noch nie zuvor versucht, ihr ganzes Leben in einen Koffer zu packen.

Sie hatte auch noch nie zuvor einen Reisepass besessen.

Doch hier stand sie nun. Mit dem Koffer in der einen Hand und dem Reisepass in der anderen.

„Are you really coming?“, hatte er in seiner letzten Nachricht an sie geschrieben. „To stay?“

Yes.


II

„Are you alright?“

„Yes“, lügt sie. „I’m only panicking.“

Und sie denkt, während sie versucht, sich unauffällig ein, zwei Tränen von der Wange zu wischen: Kann man das so sagen? Und denkt dann: Warum sagst du das überhaupt? Jetzt wird er [...]

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I

Sie hatte noch nie zuvor versucht, ihr ganzes Leben in einen Koffer zu packen.

Sie hatte auch noch nie zuvor einen Reisepass besessen.

Doch hier stand sie nun. Mit dem Koffer in der einen Hand und dem Reisepass in der anderen.

„Are you really coming?“, hatte er in seiner letzten Nachricht an sie geschrieben. „To stay?“

Yes.


II

„Are you alright?“

„Yes“, lügt sie. „I’m only panicking.“

Und sie denkt, während sie versucht, sich unauffällig ein, zwei Tränen von der Wange zu wischen: Kann man das so sagen? Und denkt dann: Warum sagst du das überhaupt? Jetzt wird er nachfragen.

Genau das tut er.

„Flugangst?“, fragt er. Er fragt es in fast akzentfreiem Deutsch.

Beeindruckend, findet sie. Sie selbst sagt mit hörbarem Akzent: „No. It’s much more complicated.“

Das Flugzeug rollt langsam, aber unerbittlich weiter. Das Terminal verschwindet Stück für Stück aus ihrem Blickfeld. Warten sie noch dort? Winken sie?

Sie hebt die Hand und presst sie kurz gegen das dicke Fensterglas.

Sofort nach der Landung, noch auf dem Rollfeld, wird sie ihr Handy einschalten und ihnen allen texten: Bin da! Schöner Flughafen. Alles ist gut.

Und das wird hoffentlich nicht gelogen sein.

Da beschleunigt das Flugzeug plötzlich. Und sie sieht das Terminal nicht mehr.

„Meine Großmutter ist mit dem Fahrrad quer durch Deutschland geradelt“, stößt sie hervor und greift abrupt quer über den leeren Platz zwischen ihnen nach seiner Hand. „Da war der Krieg gerade erst vorbei. Denken Sie nur. Das hat sie getan.“

„Did she really?“, sagt er und schaut auf ihre verschlungenen Hände hinab.

„O ja“, sagt sie. Dann muss sie kurz die Luft anhalten und kann nicht mehr weitersprechen, denn das Flugzeug hebt vom Boden ab. Presst sie in die Sitze. „Da werde ich ja wohl noch ein Flugzeug nehmen können, um mich über den Atlantik fliegen zu lassen“, flüstert sie und umklammert seine Hand wie eine Rettungsleine. „Dachte ich jedenfalls.“

„And so you do“, sagt er sanft. „Open your eyes.“

Sie öffnet die Augen.

„Look“, sagt er.

Und sie blinzelt und sieht dann nicht etwa zum Fenster hinaus und ein letztes Mal auf ihre Heimat hinab, sondern zum ersten Mal in sein Gesicht.

„Oh“, sagt sie.

„Was hat Ihre Großmutter getan, als sie angekommen war?“, fragt er und streicht einmal wie beiläufig mit dem Zeigefinger über ihre Knöchel.

„Sie verlobte sich.“

„Ah“, sagt er. „Big love. Und was werden Sie tun, wenn Sie aus diesem Flugzeug gestiegen sind?“

„Heiraten“, sagt sie und lässt seine Hand voll Bedauern wieder los.


III 1

Ihr Foto schaffte es nicht auf die Titelseite.

Aber ihr Foto schaffte es in die New York Times. In die Post. Und in die Daily News. Und in all die anderen Zeitungen, die im Dezember 1948 in New York so gelesen wurden.

„Jetzt sieh dir das an“, sagte Mr Solomon Newton zu seinem Sohn Benjamin, der gerade sein hastiges Frühstück beendete. „Dieses reizende Mädchen hier. Mit dem Koffer. Steht einsam und verlassen am Flughafen. Armes Ding. Gestrandet. Was soll sie jetzt machen? ›Lovely War Bride‹, schreiben sie. Und sie haben recht. Dieses goldene Haar. Wie die Loreley.“

„Dad“, sagte Benjamin, ohne hinzuschauen. „Wie willst du erkennen, dass sie goldenes Haar hat? Es ist ein Zeitungsfoto. Schwarz-weiß.“

Mr Newton ignorierte das. „Du solltest ihr schreiben“, sagte er. „Deine Dienste anbieten. Die kann sie brauchen. Sonst werden sie das arme Kind zurückschicken.“

„Bitte?“, sagte sein Sohn. „Nein. Ganz sicher nicht.“

„Aber sie ist reizend!“

„Du wiederholst dich.“

„Und braucht Hilfe.“

„Die brauche ich auch. Wie konnte ich nur denken, es sei eine gute Idee, Jura zu studieren? Ich hätte mich wie du für deutsche Lyrik entscheiden sollen. Nichts als Heinrich Heine und goldenes Haar den ganzen Tag.“

Mr Newton kannte dieses regelmäßig wiederkehrende Lamento und ignorierte auch das. „Du wirst ihr nicht schreiben?“

„Nein, sorry, Dad“, sagte sein Sohn, schob seinen Stuhl zurück, klemmte sich die abgegriffene Ledermappe unter den Arm und klopfte seinem Vater im Vorbeigehen freundlich auf die Schulter.

„Dann tu ich’s“, rief Mr Newton ihm nach. „Ich werde schreiben: Mein Sohn, der Anwalt, kann helfen. O ja, ich schreibe.“

Und er tat es.

Er sollte nicht der Einzige bleiben.


2

Idlewild Airport war 1948 noch recht überschaubar.

Kein Jahr alt.

Mit nur einem Terminal.

Aber der verdammt noch mal beste Flughafen der Welt, sagte Bürgermeister La Guardia.

Mit sechs Landebahnen. Lang genug, dass Jumbojets und Militärmaschinen sie anfliegen konnten.

Mit zwölf Fluglinien, die Flüge in alle Welt anboten. Peru? Paris? In Reichweite.

Der Duft der weiten Welt umwehte Idlewild Airport.

Er lag nur fünfundzwanzig Kilometer von Manhattan entfernt und war im Sumpfgebiet der Jamaica Bay errichtet worden. Wer zu Fuß über das Rollfeld lief, konnte das Meer riechen. Und mit salzigen Lippen die Gangway erklimmen.

Wer kein Ticket hatte, stand auf dem Aussichtsdeck und sah den Maschinen beim Starten und Landen zu. Während ein Sternenbanner über dem Tower im Wind schlug.

Früher hatte es hier einen Golfplatz gegeben. Idlewild hatte er geheißen. Ein guter Name. Er hielt sich hartnäckig, auch wenn nun Douglas DC-3s statt Golfbällen über das Marschland flogen.

Offiziell hieß der Flughafen International Airport.

Und wirklich: Er war in diesen Tagen das Tor zu einer anderen Welt.

Vor allem für die War Brides.

Jene junge Frauen aus Europa und dem Pazifikraum, die sich mit in der Fremde stationierten Soldaten verlobt oder verheiratet hatten. Und ihnen jetzt, da die Männer heimwärts zogen, nachreisten. Die Damen wollten in den Vereinigten Staaten von Amerika ein neues Leben beginnen, weit weg von den Nachkriegswirren ihrer Heimat.

Eigentlich war das Einwanderungsgesetz bedauerlich unnachgiebig. Liebe war darin nicht vorgesehen. Aber besondere Zeiten erforderten besondere Maßnahmen. Und waren die Mitglieder der US-Streitkräfte nicht sämtlich Helden? Musste man ihnen da nicht entgegenkommen?

Also machte der Kongress es möglich und entwarf eine Ausnahmeregelung. Den War Brides Act. Er erlaubte für einen kurzen Zeitraum die Einreise der Angetrauten und Verlobten.

Sie kamen in Scharen.

Die meisten per Schiff. Aber einige per Flugzeug. Vor allem jetzt, kurz bevor sich das Jahr dem Ende zuneigte und die Ausnahmeregelung auslief.

Die Zeit drängte.

Noch zehn Tage bis Neujahr.

Noch drei Tage bis Weihnachten.


3

„I’ll be home for Christmas“, sang Rosie, die frisch wie der frühe Wintermorgen über der Jamaica Bay an ihrem Schalter von American Airlines in Terminal eins stand.

Die Stirn weiß wie Schnee.

Die Lippen rot wie Christbaumkugeln.

Und lächelte.

Ernest kannte sie nicht anders als lächelnd.

Vielleicht ist es der Job, dachte er. Aber vielleicht ist es auch einfach nur Rosie.

Ihr Halstuch war lässiger geknüpft als bei den Mädchen der anderen Airlines links und rechts. Die gekonnt aufgedrehten Locken wippten munterer, und ein oder zwei hatten trotz aller Haarspangen so eine Art, ihr frech in die Stirn zu fallen.

„Ich liebe Bing Crosby einfach“, rief Rosie quer über den Gang hinweg. „Sie nicht auch, Ernest?“

Nein, Ernest nicht. Ernest hätte Mr Crosby jederzeit für Charlie Bird Parker im Regen stehen lassen. Der schrieb seine Musik immerhin selbst, Mr Crosby nicht mal seine Texte. Und mit Texten nahm Ernest es sehr genau. Immerhin hatte Ernest von Earnest Books and Papers, der eher Papers denn Books führte, sein Leben lang von einer eigenen Buchhandlung geträumt. Immer gedacht, wie viel friedvoller so ein Laden sein musste im Vergleich zu einer Zeitungsredaktion. Jetzt hatte Ernest einen Flughafen-Zeitungsstand. In einer eingeschossigen Betonschachtel von Terminal, die zwar im Winter kaum beheizt und im Sommer nicht klimatisiert wurde, aber bei Eröffnung mit Salutschüssen und einer Flugschau gefeiert worden war.

War Ernest nicht stolz? War er zufrieden? Schrieb er Briefe nach Hause, in denen stand: Ich bin angekommen?

Ernest McIntry hatte drei Brüder. Alle verheiratet. Alle mit Kindern. Alle angestellt im Familienunternehmen McIntry and Sons. Drillich aus dem Mittleren Westen. Drillich für die Streitkräfte. Im Krieg hatte man gut verdient. Wenn sie etwas lasen, dann kein Buch, sondern die Zeitung. Und wenn sie die Zeitung lasen, dann vor allem den Sportteil.

Ernest las auch den Sportteil. Aber Ernest las zuerst die Titelseite. Dann die Leitartikel. Dann das Feuilleton. Und nach dem Wetter endlich den Sport.

Und er schrieb nach Hause: Habt ihr das Spiel gesehen? Die Cubs könnten es wieder in die World Series schaffen.

Er schrieb nicht: Hört auf mit dem Quatsch, es gibt keinen Fluch. Das ist reine Selbstsuggestion.

Er schrieb auch niemals: Ich bin Pazifist.

Und niemals: Seid Ihr sicher, dass Ihr Geld mit dem Krieg machen wollt?

Er schrieb: Danke für den Kaffee, wie geht es den Kindern, was macht Dads schlimmer Fuß? An Weihnachten muss ich arbeiten, leider.

Ernest konnte sehr diplomatisch sein.

Seine Ex-Frau nannte ihn feige, bevor sie ihn verließ.

„Wenn du meinst“, hatte er geantwortet.

„Ist das alles?“, fragte sie eisig.

„Jawohl“, sagte er.

Sie hatten keine sehr leidenschaftliche Beziehung gehabt.

„Mr Crosby hat eine schöne Stimme“, antwortete Ernest jetzt, diplomatisch. „Kaffee, Miss Rosie?“

Rosie nickte, dass die Locken tanzten.

Ernest wandte den Blick ab, denn immerhin war er Mitte vierzig und Rosie sicher erst kürzlich von der Schulbank gerutscht.

Er holte seine Thermoskanne aus dem Regal, angelte die zwei Becher von dem Bord mit den broschierten Kriminalromanen, goss Kaffee hinein und fügte Zucker hinzu. Viel Zucker.

Manche mögen’s süß, dachte Ernest, während er sorgfältig umrührte. Das wäre ein schöner Filmtitel. Als sie gleichzeitig nach dem Zucker griffen, trafen sich ihre Blicke. Das wäre ein guter Satz für ein Drehbuch. Wie viele Paare wohl bei Kaffee mit Zucker zusammenfanden? Darüber müsste mal jemand eine Geschichte schreiben. Eine Reportage. Sich einen Tag lang beobachtend in ein Diner setzen. Roger hätte eine ganze Seite dafür hergegeben. Nicht für Ernest allerdings, denn Ernest hätte nie über die Liebe geschrieben. Und nicht die Seite eins, die niemals. Aber auf die Eins hatte es ja bis 1945 nicht mal der Holocaust geschafft. Dabei war es die Times, verdammt noch mal.

Doch halt, nicht aufregen.

Ernest hatte schließlich seinen Hut genommen. Und dazu seinen Kaffeebecher gepackt und sein Adressbuch eingesteckt. Damit war er dann aus den Redaktionsräumen spaziert, die Lesebrille noch auf der Nase, ein bisschen resigniert, ein bisschen erleichtert.

Er hatte höflich gegrüßt, das schon.

Er war nicht nachtragend. Er hatte Prinzipien.

Also würde er nicht zurückkehren.

O nein, nie mehr, sagte sich Ernest, während er mit den Bechern die fünf Meter quietschenden Linoleums überquerte, die seine Seite des Terminals von Rosies Seite des Terminals trennten. Nur das ständige Formulieren im Kopf hatte er nicht abstellen können. Das kam so selbstverständlich zu ihm wie das Atmen.

Ernest wich einem Paar mit Reisekoffern aus, sie nervös, er schwitzend. Ein Koffer traf Ernests Schienbein. Heißer Kaffee schwappte über Ernests Handrücken.

„Sorry“, sagte Ernest.

Dachte: Das Terminal wird täglich voller.

Es kamen immer mehr Fluglinien, die immer mehr Schalter brauchten. Und es kamen immer mehr Menschen, die mit diesen Fluglinien fliegen wollten. Und sich bei Ernest Reiselektüre besorgten.

Ein Grund zur Freude, dachte Ernest. Ich sollte es feiern. Mit wem?

Dann stand er vor Rosie.

„Für Sie“, sagte er und überreichte der jungen Frau mit einem kleinen Diener das Heißgetränk.

„Sie sind ein Schatz“, sagte Rosie. Sie sagte das beinah täglich, es ging ihr so leicht über die sorgfältig angemalten Lippen wie ein Guten Morgen, das wusste er wohl, konnte aber nicht verhindern, sich trotzdem daran zu erfreuen.

„Wie läuft Ihr Tag so weit?“, fragte er, während er einen Schluck seines restlichen Kaffees nahm.

„Bestens, danke der Nachfrage“, antwortete sie. „Boston ist durch. Chicago checkt bald ein. Zeit für eine kleine Pause.“

Normalerweise würde sie sich jetzt auf ihren ungepolsterten Hocker sinken lassen, um die Füße zu entlasten und den Rücken zu entspannen. Das war nämlich erlaubt, wenn gerade keine Airline-Kunden vor ihr standen.

Aber heute setzte sie sich nicht. Wie sollte sie auch still sitzen, da es ihr doch ganz offensichtlich nicht einmal gelang still zu stehen? Sie wippte auf den Spitzen ihre kleinen, blanken Absatzschuhe, tat plötzlich gar einen Ausfallschritt. Es wirkte fast, als tanzte sie hinter ihrem Schalter. Bing Crosbys wegen?

Rosie beugte sich über den Tresen näher zu ihm. Ernest sah, dass ihre dunklen Wimpern sich fast so schön bogen wie ihre Locken. Dann hauchte sie, als verrate sie ihm ein Geheimnis: „Es landen gleich welche. Ein ganzer Flieger voll!“

O Gott, dachte Ernest in plötzlichem Begreifen. Sagte aber tapfer: „Großartig!“ Nur, um ihr nicht den Spaß zu verderben.

„Nicht wahr?“, jubelte Rosie. „War Brides direkt aus Europa.“ In dem Tonfall hätte sie auch sagen könnte: „Orangen, frisch aus Kalifornien!“ Es fehlte nicht viel, und sie hätte vor Begeisterung in die Hände geklatscht.

Ernest würgte ein bisschen an seinem Kaffee, während er um eine diplomatische Antwort rang. „Es ist ein schöner Tag, um das erste Mal New York zu sehen“, brachte er schließlich heraus. „Nur drei Grad über null. Aber spektakulär sonnig.“

Da strahlte Rosie, als wolle sie der Sonne Konkurrenz machen.

Ernest hätte jederzeit auf Miss Rosie gewettet.

Charlotte Inden

Über Charlotte Inden

Biografie

Charlotte Inden, geboren 1979, studierte Germanistik, Kunstgeschichte und Film- und Fernsehwissenschaften in Marburg, London und Straßburg. Sie lebt mit ihrer Familie in Karlsruhe, arbeitet als Redakteurin bei einer Tageszeitung und schreibt seit 15 Jahren erfolgreich Kinder- und Jugendbücher....

INTERVIEW mit Charlotte Inden

FvL: Charlotte, wir führen dieses Gespräch in der Vorweihnachtszeit (mit Schnee vor den Fenstern). Du bist mitten im Schreiben, wo bist Du denn gerade in Gedanken und in der Geschichte? 

Wir sind tatsächlich auch im Winter, 1945, aber da ist es nicht so romantisch und schön, da ist es kalt, und alle haben Hunger, und ich leide beim Schreiben sehr. Bei diesem Buch so wie noch nie. 

FvL: Du leidest beim Schreiben? Woran liegt das? 

Mir war, als ich das Projekt anging, ehrlich gesagt nicht klar, was da alles auf mich zukommt. Es ist so: Wenn ich eine Szene schreibe, suche ich nach der einen Beschreibung, die vor meinem und also hoffentlich auch vor dem inneren Auge der Leserin und des Lesers ein Bild entstehen lässt. Den Rest lasse ich weg. Will ich also darüber schreiben, wie das Leben 1945 in Deutschland war, muss ich gefühlt alles wissen: wie die dahingekommen sind und wie es da so ist, und beides war nicht schön. 

FvL: Was hat Dich am meisten mitgenommen? 

Ich lese Zeitzeugenberichte um Zeitzeugenberichte. Und es sind diese Erinnerungen der Menschen, die mich mitunter wirklich in Tränen ausbrechen lassen. Wenn eine Deutsche erzählt, dass sie es eben doch nicht gewagt hat, ihrem Geliebten, diesem amerikanischen Soldaten, in seine Heimat zu folgen, dass der Busch, von dem er ihr vor fünfzig Jahren eine Rose abbrach, immer noch Blüten trägt, könnte ich Rotz und Wasser heulen. Tue ich mitunter auch. 

Gerade geht mir eine Sache besonders nahe: Die New York Times hatte während des gesamten Krieges kein einziges Mal den Holocaust auf der Titelseite. Sie berichtete nicht vom Mord am jüdischen Volk. Dabei hatte sie einen jüdischen Verleger. Das wusste ich nicht, bis ich „Buried by the Times“ von Laurel Leff gelesen habe. Einmal zitiert Leff einen Artikel, der wenige Jahre vor Kriegsende auf Seite vier der Times erschien. Ein Bericht aus dem englischen Unterhaus. 

Ein Brief der jüdischen Gemeinde Polens wird verlesen. Nur verlesen, nicht kommentiert. Darin heißt es etwa: „Möge dies die Stimme vom Abgrund sein. Möge die Welt uns erhören.“ Aber die Welt erhörte sie nicht. Kein Aufschrei folgte. Keiner half. Das verfolgt mich. 

MV: Daran lässt sich die Macht der Medien ablesen. Hier negativ, dass eine Zeitung sie nicht genutzt hat. Denn dass selbst kleine Nachrichten viel bewirken können, zeigt Dein Roman. Du bist auf Deine Geschichte ja durch eine Zeitungsnachricht gestoßen – und die Heldin ist nur berühmt geworden, weil die New Yorker Zeitungen auf sie aufmerksam geworden sind.

Genau. Fräulein Elisabeth aus München stand in New York am Flughafen und wartete auf ihren Verlobten. Der nicht kam. Die Zeitungen berichteten. Und Hunderte Menschen nahmen Anteil und schickten ihr Briefe. 

MV: Und wie kam es dazu, was denkst Du, wieso diese junge deutsche War Bride die Menschen so berührt hat? Also das reale Vorbild zu Luise? 

Es hat wahrscheinlich nicht geschadet, dass sie so fotogen war. Und dann ist es halt diese Geschichte, dass da so eine junge Frau steht und so alleine ist. Sitzengelassen von ihrem Verlobten in einem fremden Land. Das hat die Menschen gepackt. Da haben sie dann reagiert und diese ganzen Briefe geschrieben und haben gesagt: „Wir adoptieren dich“, „Ich heirate dich“, „Ich schenke dir einen Sprachkurs“, all diese  Sachen. 

Kurz vorher gab es auch Briefe, die in amerikanischen Zeitungen abgedruckt wurden, in denen hieß es: Nein, lasst unsere Jungs keine deutschen Fräuleins heiraten, „wir wollen die nicht“. Jetzt war da aber ein Gesicht, da war dieses Fräulein Elisabeth, und so eine Person zu verabscheuen, das hat nicht funktioniert. Sie hat ihr Mitgefühl geweckt. Meines ja auch, mich hat sie auch nicht mehr losgelassen. 

MV: War der Auslöser also vor allem Mitgefühl? 

Bei mir war es dieses Bild. Wie sie mit ihrem Koffer am Flughafen steht. Ich kriegte das nicht mehr aus meinem Kopf. Ich habe es lange versucht, aber es blieb so hängen. Und dann wollte ich halt wissen, wie das so gewesen sein könnte. 

Ich wusste nicht so ganz, was ich alles entdecke, wenn ich weitersuche. Aber ich fand so viele Geschichten, die zu Herzen gehen. Und ich war immer so froh über die War Brides, die Jahrzehnte verheiratet waren und Kinder kriegten und glücklich in den USA geworden sind. 

FvL: Deutsche Frauen in Amerika, die dann ja auch, glaube ich, nicht mehr angefeindet wurden, oder? Hat sich das nach Kriegsende bald gelegt? 

Das war tatsächlich verschieden. Es hing wohl immer ein bisschen davon ab, in was für Familien die Frauen eingeheiratet haben. Manche waren sehr allein, andere wiederum fühlten sich sehr willkommen. Und das war nicht nur bei den deutschen so, sondern auch bei den englischen oder französischen. Irgendwann las ich einen Artikel, dass sich ehemalige War Brides vor ein paar Jahren noch einmal getroffen haben, ich glaube, es war in Philadelphia. Da war ein findiger Reporter dabei, der das Glück hatte, ihre Geschichten noch hören zu dürfen. Denn bald ist ja von dieser Generation niemand mehr übrig. Und eine Dame erzählte, die deutschen War Brides, die blieben immer noch sehr unter sich, mischten sich immer noch nicht  mit den anderen. 

FvL: Und wonach hatten sie Heimweh, glaubst Du? Weil das ist ja schwer zu sagen, wenn du ein Land verlässt, das eigentlich in Schutt und Asche liegt und besiegt ist, und trotzdem ist es ja das Zuhause. 

Wenn man seine Heimat verlässt, ist das für jeden anders, denke ich. Man vermisst vielleicht das, was es zu essen gab, als man klein war; wie die Luft roch, wo man aufgewachsen ist. Die Landschaft, die Familie und die Sprache. Es gibt Geschichten von Kindern von War Brides, die erzählen, dass ihre Mütter immer noch auf Deutsch schimpften. 

FvL: Krisenzeiten sind auch oft gute Zeiten, um sich neu zu erfinden, und damit natürlich für Frauen besonders interessant. Nicht nur im Sinne von Emanzipation, weil das die Sache, glaube ich, zu eng fasst. Man entwirft sich ja auch in einem fremden Land in dieser Zeit völlig neu. Wie, würdest Du sagen, ist das für deine Luise? 

Wir sind tatsächlich in der Geschichte, also im Schreibprozess noch nicht so weit. Aber so wie ich jetzt Luise inzwischen kennenlernen durfte, lässt sie sich von gar nichts unterkriegen. Also ich glaube ja daran, dass man die Welt auch im Kleinen verändern kann, jeder für sich, und das macht unsere Heldin unter Garantie, das macht sie jetzt schon die ganze Zeit, also wird sie das auch weitermachen. 

MV: Du stellst Luise ja eine Enkelin zur Seite. Wieso hast Du entschieden, auch noch die Gegenwart mitzunehmen? 

Ich weiß gar nicht, ob ich das entschieden habe. Die Geschichte wollte das so, ich konnte es gar nicht verhindern. Ich brauche ja auch die Gegenwart, um die Vergangenheit zu reflektieren. Die beiden Helden im Jetzt kommentieren und kommentieren, mitunter komme ich dann ins Schwitzen und sage: Danke, es reicht, es ist genug geredet. Und manchmal hören sie dann auf mich. Manchmal allerdings auch nicht. 

FvL: Ist das befreiend oder ist das oft auch lästig, dass die Figuren einfach machen, was sie wollen? 

Es ist eigentlich genau das, was man will. Wenn die Geschichte ohne dich davon galoppiert, dann stehen die Chancen gut, dass sie funktioniert. Man muss sich dann nur anstrengen, dass sie einen nicht abhängt. 

FvL: Und gibt es eine der beiden Ebenen, die Dir mehr liegt? Also ist die historische Ebene aufgrund der Recherchen schwieriger zu schreiben, oder, da Du ja der Figur folgst, eigentlich dann doch nicht? 

Tatsächlich war das, als ich mit 1945 angefangen habe, total schwer. Ich habe zwei Wochen gebraucht für die ersten fünf Seiten. Dann hat sich auch das verselbstständigt, sodass es im Moment gar nicht schwer ist. 

MV: Warum war der Romananfang so schwer? 

Ich glaube, weil so viel rein musste über den Krieg. Und das, das war harter Tobak. Und das Ganze durfte nicht wie in einem Geschichtsbuch klingen. Ich wollte es auch immer noch mit einer gewissen Leichtigkeit erzählen. 

MV: Leichtigkeit ist Dir sehr wichtig. 

Ja, da bin ich ein bisschen eigen. Ich persönlich schätze Bücher, wo neben dem Leid auch die Freude zu finden ist, und neben dem Weinen auch immer das Lachen. Ich kann nicht ohne Lachen, und ich kann das tatsächlich auch nicht schreiben. 

MV: Und das ist ja auch das, was den Roman so auszeichnet, Deine Sprache, aber die passt eben auch wahnsinnig gut zu den Figuren, und Du hast ja bisher, also vor diesem Roman, vor allem Kinderbücher geschrieben. Würdest Du sagen, das war die ideale Schule, für jetzt, für Deinen ersten großen Erwachsenenroman? 

Dass ich jetzt seit über 15 Jahren Kinderbücher schreibe, war genau wie meine Arbeit für die Zeitung natürlich irgendwie eine Schule. Beides führte dazu, dass mein Geschreibe immer knapper und knapper wurde, denke ich. Zeitungsredakteure und Kinder wollen nämlich eigentlich genau dasselbe: Dass man auf den Punkt kommt beim Erzählen. Und das hurtig. 

Das Gespräch führten Felicitas von Lovenberg und Martina Vogl

Veranstaltung
Lesung
Mittwoch, 27. November 2024 in Schriesheim
Zeit:
19:00 Uhr
Ort:
Stadtbibliothek Schriesheim,
Hirschbergers Str. 1
69198 Schriesheim
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Lesung
Mittwoch, 29. Januar 2025 in Kirchheim unter Teck
Zeit:
19:30 Uhr
Ort:
LeseLaden,
Wellingstr. 24
73230 Kirchheim unter Teck
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Lesung und Gespräch
Montag, 28. April 2025 in Stockach
Zeit:
19:00 Uhr
Ort:
Stadtbücherei,
Salmannsweilerstr 1
78333 Stockach
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Medien zu „Im Warten sind wir wundervoll“
Kommentare zum Buch
Schicksale
Ariettas Bücherwelt am 12.09.2024

Meine Meinung zur Autorin und Buch Charlotte Inden ist ein wirklich wundervolles Debüt mit ihrem Erstlingswerk für Erwachsene gelungen. Man musste sich einfach beim Lesen in diese Geschichte um Großmutter Luise und Enkelin Elfie verlieben. Sie hat das Leben der beiden sehr witzig,humorvoll und doch voller Emotionen erzählt. Ihre Figuren sind so lebendig beschrieben, dass man sie vor sich sah. Ob der Hungerwinter 1945 in Marburg, oder später in New York, es ist und bleibt spannend. Luise war eine der „War Birds„ die in Amerika mit ihrem amerikanischen Soldaten ein neues Glück aufbauen wollten und dem Nachkriegsdeutschland zu entfliehen. Die Figuren sind fiktiv, eine Luise hat es nie gegeben, sie ist nur ein historisches Vorbild für alle War Birds .   Es war sehr schön Luise Adler eine gewitzte und mutige junge Frau, in dem Nachkriegs Deutschland zu begleiten. Deutschland lag in Trümmern, Hunger nagte an den Menschen und dann der schreckliche kalte Winter. Ich mochte Luise sofort, alleine ihre offene Art wie sie den einrückenden Amerikanischen Soldaten begegnete, ohne Scheu und Angst. Ich habe sie dafür bewundert, wie schnell sie es schaffte eine Stelle als Paper Girl, zu bekommen um deren Zeitungen zu verteilen. Natürlich lernte sie dabei Hunter kennen und zwischen den beiden entwickelten sich zarte Bande. Sie verspricht ihm nach Amerika nachzukommen, aber kaum steht sie da so alleine und verlassen auf dem Flughafen, denn ihr Verlobter ist nicht da. Von da ab entwickelte sich eine unglaubliche und spannende Geschichte, wie sie es dank Rosie dort am Flughafen arbeitet in Amerika bleiben zu können. Natürlich schafft sie es ungewollt auf die Titelblätter der Amerikanischen Zeitungen. Die New Yorker wollen einfach nicht das diese junge Frau wieder nach Deutschland zurück muss. Es treffen hunderte von Heiratsanträge ein, unglaublich, wie viele Menschen sich für sie einsetzen. Ob sie einen der Heiratsanträge annahm oder ob Hunter doch noch auftaucht? Lassen wir uns überraschen, ich verrate nichts, nur es wird sehr spannend. Auch ihre Enkelin Elfie, die 70 Jahre später nach Amerika zu ihrem Verlobten nach Amerika fliegt, scheint das gleiche Schicksal zu erteilen. Ich war sehr gespannt wie das Ganze ausgeht.

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